Protocol of the Session on February 26, 2014

Aber das Wichtige ist doch, dass die Landesregierung sowie der Innenminister als Person darstellen, dass wir von allen Plä nen und Überlegungen zu irgendwelchen Zentralisierungen Abstand nehmen, und dass dies auch gilt.

Eines muss ebenfalls gesagt werden, auch wenn es früher schon einmal diskutiert worden ist: Ich denke, unsere Regie rungszeit unterscheidet sich von Ihrer insofern, als wir disku tieren, nachdenken und bei uns Argument sowie Gegenargu ment gelten.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Bei der SPD oder bei der Regierung?)

Dies hat stattgefunden, und die besseren Argumente haben sich durchgesetzt. Deshalb gibt es keine Zentralisierung oder Ähnliches.

Ich denke, wir sollten dort keine falschen Zweifel säen. Auch aus diesem Grund hat die SPD-Fraktion gerade auch vor dem Hintergrund der Frage „Wie sieht es für den Verfassungs schutz nach den Morden des NSU aus?“ gestern beschlossen, die Einrichtung einer Enquetekommission zu beantragen, um die Themen und Strukturen aufzuarbeiten. Eine Aufarbeitung mit der notwendigen Ernsthaftigkeit würde ich mir auch für das Haus wünschen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die FDP/DVP-Frak tion erhält das Wort Herr Abg. Professor Dr. Goll.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Zunächst muss man einmal sagen: Es ist gut, dass diese Große Anfrage von der CDU eingebracht wurde und dass wir dieses Thema zu diesem Zeitpunkt disku tieren.

Meine Damen und Herren, die CDU hat, wenn ich das einmal so ausdrücken darf, die Vielfalt möglicher Orientierungen – ich meine das jetzt im politischen Sinn – in den letzten Tagen nach den Äußerungen des Fraktionsvorsitzenden ein wenig eingeschränkt. Aber ich nehme nicht an, dass das Thema Ver fassungsschutz deshalb hier auf den Tisch kommt, weil er be kanntlich für alle möglichen Formen des Terrorismus zustän dig ist.

Wir halten aber auch hier fest, dass die Landesregierung auch in diesem Bereich wieder einmal nicht tut, was getan werden sollte. Das ist eigentlich die Überschrift, wenn man sich das Thema näher anschaut. Wir haben es, wenn man es etwas kon kretisiert, sozusagen mit dem Dreischritt zu tun, den wir im mer wieder erleben: dass man eigentlich klar sagen kann, was passieren sollte, anschließend ebenso klar feststellt, dass es nicht passiert, und wir uns dann darüber unterhalten, warum es nicht passiert.

Ich behaupte, es ist leicht herauszufinden, wie man den Ver fassungsschutz konsequent stärken kann, nämlich indem man einerseits die dezentrale Struktur stärkt und andererseits die Zusammenarbeit mit den Behörden in anderen Ländern und mit den Bundesbehörden ständig verbessert.

Die Zentralität ist wichtig. Nehmen wir z. B. den NSU-Be richt. Darin steht z. B. etwas von einem „Waiblinger Kom plex“. Es ist ganz klar, dass ich zu einem „Waiblinger Kom plex“ mehr erfahren kann, wenn wir eine gute Behörde in Stuttgart haben, als wenn die Behörde in Berlin ist. Das ist ganz klar, denn die lokale Behörde kennt die Szene natürlich besser. Sie hat die besseren Kontakte zur Polizei. Ich habe mit einiger Beruhigung gehört, dass Sie hier einigermaßen glaub haft gesagt haben, Sie wollen nicht zentralisieren, sondern an der dezentralen Struktur festhalten. Das ist beruhigend.

Weniger beruhigend ist dann aber Folgendes. Damit sind wir bei der Frage, was passiert, wenn Sie wirklich, wie der Ant wort auf die Anfrage zu entnehmen ist, ein merkwürdig un klares Verhältnis im Konkreten zu unserer Verfassungsschutz behörde haben. Es ist schon etwas merkwürdig, wenn man dann dort erfährt, dass bei den Beratungen über den nächsten Haushalt einmal darüber gesprochen wird, wie viele Stellen das Landesamt bekommen soll. Das hört sich ein bisschen nach „Verfassungsschutz nach Kassenlage“ – um einmal eine Ihrer früheren Terminologien zu übernehmen – an. Mir fehlt dabei das klare Bekenntnis. Es wird immer nur herumgeredet: „Raus aus der Schlapphutmentalität!“ Was bedeutet das ei gentlich? Was werfen Sie konkret dem baden-württembergi schen Verfassungsschutz vor?

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)

Wo sind die Missstände? Das muss man ja wissen. Es sind drei Jahre vergangen, und Ihnen ist zur Strukturveränderung eigentlich nicht wirklich etwas eingefallen. Es gibt eine Ar beitsgruppe, die seit einem Jahr arbeitet. Auf deren Ergebnis se dürfen wir gespannt sein. Aber das riecht ein wenig nach dem Motto: „Wenn du nicht mehr weiterweißt, gründe einen Arbeitskreis.“ Wir kommen bei diesem Thema nicht vom Fleck, und deshalb traue ich dieser Geschichte nicht. Es fehlt mir das Bekenntnis zu einer starken baden-württembergischen Behörde.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Aus der Antwort geht auch hervor, dass Sie nicht vorhaben, diese Aufgabe auf Bundesebene ernsthaft in Angriff zu neh men. Bei beiden Teilen, die ich vorhin nannte – Bekenntnis zur dezentralen Struktur und anschließend ständige Verbesse rung der Kommunikation auf Bundesebene –, ist viel passiert, aber weniger von Baden-Württemberg ausgehend. Das ist ganz auffällig.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Quatsch!)

Deshalb muss man an dieser Stelle noch einmal vorsichtshal ber eines deutlich sagen: Sie würden sich nach meiner Mei nung in einen gewaltigen Widerspruch verwickeln, wenn Sie ständig versuchen, zu kritisieren, wir wären an irgendwelchen Stellen nicht aufklärungsbereit, und gleichzeitig sich selbst

nicht klar zum Verfassungsschutz bekennen, den wir für eben diese Aufklärung brauchen. Das ist doch ein merkwürdiger Widerspruch.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)

Egal, welches Gremium nun eingerichtet wird oder nicht – ei ne Enquetekommission oder ein Sonderausschuss oder ein Untersuchungsausschuss –: Wir haben vor, dort auch diese Gretchenfrage zu thematisieren: Wie halten Sie es eigentlich mit dem Verfassungsschutz? Denn ein funktionierender Ver fassungsschutz gehört untrennbar zu dem, was Sie vorgeben zu wollen: alle Arten extremistischer und verfassungswidri ger Bestrebungen im Land zu verhindern.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregie rung erteile ich Herrn Innenminister Gall das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen, werte Kollegen! Werter Herr Kollege Zim mermann, ich habe Ihre Ausführungen so verstanden, dass Sie den Eindruck erwecken wollten – gelungen scheint dieser Ver such nicht zu sein –,

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

die Grünen und der Ministerpräsident würden, wenn Sie so wollen, ein fährlässiges Spiel mit der Sicherheit unseres Lan des spielen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Die Grünen!)

Das ist – das will ich ausdrücklich sagen – in die politischen Äußerungen und in die Themen, die Sie in den zurückliegen den Monaten gesetzt haben, einzureihen. Dabei geht es vor wiegend darum, bei Themen, bei denen Sie vermutlich mei nen, die Bürger würden Ihnen dabei auf den Leim gehen, re flexartig Angstmache zu betreiben.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Herr Minister, Sie enttäuschen mich!)

Dass sie das nicht tun – auch nicht im Bereich der Sicherheit –, zeigen alle Umfragen. Denn gerade was den Herrn Minis terpräsidenten anbelangt, sind zwei Drittel der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes der Auffassung,

(Zuruf des Abg. Dieter Hillebrand CDU)

dass er Vertrauen besitzt und gute Arbeit im Land leistet.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Nebenbei sei erwähnt: Auch 64 % der CDU-Wähler sind die ser Meinung. Die Vorhaltungen, die Sie diesbezüglich zu ma chen versuchen, sind also einfach nicht richtig.

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Ich kann Ihnen ausdrücklich sagen – ich arbeite ja nun seit fast drei Jahren sehr eng insbesondere auch mit dem Minis terpräsidenten zusammen – und bin mir ziemlich sicher: Nicht wenige meiner Vorgänger im Amt des Innenministers wären froh gewesen, sie hätten eine so konstruktive Zusammenar beit mit dem jeweiligen Ministerpräsidenten gehabt, wie ich sie mit dem jetzigen Ministerpräsidenten habe.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Und jetzt zum Thema! – Abg. Thomas Blenke CDU: Da ist irgendetwas faul!)

Im Übrigen, meine Damen und Herren, will ich auch aus drücklich sagen: Das heißt im Klartext nicht, dass wir immer einer Meinung sein müssen.

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Aber ich würde mir eher Sorgen über einen Ministerpräsiden ten machen, der mit seinen Ressorts nicht gelegentlich auch einmal kontrovers diskutiert, sondern hinter verschlossenen Türen oder am Parlament vorbei – dafür gibt es ja Beispiele in unserem Land –

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Jede Menge!)

Landesinventar samt Verfassungswerten verkauft, als über un ser Verhältnis auch im Bereich der inneren Sicherheit.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zurufe der Abg. Thomas Blenke CDU und Dr. Timm Kern FDP/ DVP)

Ich bin auch der Auffassung, Herr Zimmermann und werte Kolleginnen, werte Kollegen von der CDU, Sie sollten jetzt wenigstens versuchen,

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Über wie viele Stöck chen springen Sie eigentlich?)

in bestimmten Bereichen einmal eine Linie zu finden, was Sie dieser Landesregierung eigentlich vorwerfen.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

In den zurückliegenden Debatten ist häufig die Formulierung gefallen, da würde nach Gutsherrenart regiert. Jüngst ist ins besondere von Ihrem Fraktionsvorsitzenden das Wort „Gesin nungsterrorismus“ gefallen. Ferner werfen Sie uns wiederum vor, dass wir bei bestimmten Themen, was ich in einer Demo kratie nur als normal empfinde, durchaus auch Diskussions bedarf haben.