Protocol of the Session on January 30, 2014

Wir haben zugleich einen Qualitätssprung durch eine bessere pädagogische Umsetzung. Ein Stichwort hierfür ist die Rhyth misierung, also die ausgewogene Verteilung von Unterricht auf den Vormittag wie auf den Nachmittag, das Einbauen von längeren Bewegungspausen oder gegebenenfalls auch ein spä terer Unterrichtsbeginn. Es geht um nichts anderes, als neue re Erkenntnisse der Neurobiologie, der Physiologie und des Lernens stärker zu berücksichtigen. Denn Studien zeigen, dass bei Schülerinnen und Schülern insbesondere durch Rhythmi sierung ein höherer Lernerfolg zu erreichen ist – übrigens un abhängig vom Geldbeutel der Eltern.

Entscheidend ist darüber hinaus, dass wir nun die Mittelzu weisung für Schulen für den Ganztagsbetrieb um 50 % erhö hen. Gegenüber dem alten CDU-Modell werden wir die Zu weisung von Lehrerwochenstunden, für das Viertagemodell beispielsweise, von acht auf zwölf Stunden anheben. Denn wir wissen, dass Ganztagsschule nur mit Qualität – diese be darf eben auch einer angemessenen Ausstattung – funktionie ren kann.

Damit erreichen wir ein Mehr an Qualität. Wir erreichen aber auch ein Mehr an Betreuung und damit eine bessere Verein barkeit von Familie und Beruf.

Fazit: Wir liefern, wo CDU und FDP/DVP nur verzögert oder eben verschlafen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Mehr noch: Wir beschleunigen nicht nur den Ausbau für die Eltern, wir geben nicht nur den Schulträgern Rechtssicherheit, wir statten nicht nur die Schulen deutlich besser aus, sondern wir setzen durch ein Kooperationsbudget auch neue Standards in Sachen Bildungsinnovation. Ganztagsschulen werden in

Zukunft die zugewiesenen Zusatzstunden bis zur Hälfte in Geld umwandeln können und damit qualitativ hochwertige Leistungen bei externen Partnern einkaufen können. Dies be schränkt sich also nicht nur auf ehrenamtliche Unterstützung.

Das pädagogische Potenzial, das wir heben können, kennen wir bereits aus kommunalen Unterstützungssystemen wie in Mannheim, Heidelberg, Heilbronn, Baden-Baden und vielen weiteren Städten. So besteht letzten Endes die Möglichkeit, ein ganzes Gemeinwesen in eine Ganztagsschule mit einzu bauen, beispielsweise durch die Zusammenarbeit mit Volks hochschulen, Stadtbibliotheken, Musikschulen oder auch der kommunalen Jugendarbeit.

Wir haben damit in Mannheim sehr gute Erfahrungen ge macht. Ich erwähne z. B. einen Trommelbaukurs von Musik pädagogen in einer Grundschule zur Bereicherung musikali scher Fähigkeiten und Fertigkeiten der Schüler.

Zu nennen sind aber auch Maßnahmen wie beispielsweise ein Eltern-Lehrer-Schüler-Kochkurs der Volkshochschule Mann heim. Ich zitiere hier eine Schulleiterin, die gesagt hat: „Das machen wir auch, um insbesondere an die Eltern besser her anzukommen.“ Es geht also um Fördermaßnahmen oder Frei zeitaktivitäten, die die Schule – auch das ist neu – flexibel für ein Schuljahr oder vielleicht nur für ein paar Stunden buchen kann. In Zukunft wird es auch möglich sein, bei Vereinen, ins besondere bei Sportvereinen, aber auch sogar bei der kirchli chen Jugendarbeit Leistungen einzukaufen.

Natürlich gab es so etwas ansatzweise auch unter der alten Landesregierung, dies aber zu einem Minipreis, der es über haupt nicht ermöglicht hat, Qualität einzukaufen, weil es näm lich für Vereine immer weniger möglich war, Übungsleiter für die Schule zu gewinnen.

Auch hier zählt Qualität. Umso wichtiger ist es, dass die Sportverbände auf Landesebene mit der Landesregierung zur zeit in Rahmenvertragsverhandlungen sind, um diese Quali tät sicherzustellen.

Summa summarum: Dieses Kooperationsbudget ist insbeson dere auch für die Sportvereine in unserem Land eine Riesen chance. Sie müssen in Bezug auf den Trend zur Ganztagsschu le nicht nur Befürchtungen haben, sondern können dadurch auch ganz konkret profitieren.

Was für uns auch noch wichtig ist: Wir heben damit auch die Bedeutung der nonformalen Bildung. Schule muss mehr sein als das reine Streben nach guten Noten. Schule heißt vor al lem Stärkung von jungen Persönlichkeiten und Talenten. Die sen Weg wollen wir konsequent weitergehen.

Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen, wir ha ben jetzt einen Ausbauschwerpunkt auf den Grundschulbe reich gesetzt. Das ist übrigens auch die Logik der Fortsetzung der Kette Krippenausbau, Kinderbetreuung, Kindergarten – jetzt geht es also um die Grundschule als Ganztagsschule.

Wir haben mit dieser Einigung meines Erachtens auch eine Blaupause für den weiteren Ausbau im Sekundarschulbereich geschaffen. Das wollen wir solide finanziert Stück für Stück in Zukunft auch ermöglichen. Das unterscheidet uns übrigens von mancher demagogischen Rhetorik anderer, die lange den

Ausbau verschlafen oder ihn blockiert haben, uns aber, wie gestern wieder wahrzunehmen war, als „Lehman Brothers der Bildungspolitik“ einen völlig durchlöcherten Kultusetat hin terlassen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Wir dagegen arbeiten finanziell solide. Wir modernisieren un ser Bildungssystem, wir stellen Schulen zukunftssicher auf, und wir machen Politik für Familien in Baden-Württemberg.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Wacker.

Sehr geehrter Herr Präsident, mei ne Damen und Herren! Ziemlich genau vor einer Woche ha ben wir über dieses Thema bereits sehr ausführlich debattiert. Wir werden die Argumente heute noch einmal austauschen.

Ich habe schon ein gewisses Verständnis dafür, dass die Lan desregierung dieses Thema noch einmal auf die Tagesordnung setzt. Sie haben in vielen Bereichen offene Baustellen, und Sie sind zwingend darauf angewiesen, diesem Hohen Haus zumindest einen kleinen Erfolg Ihrer Bildungspolitik zu kom munizieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Einen „kleinen Erfolg“? – Zuruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Sie werden feststellen: Im Bereich der Bildungsplanreform geraten Sie unter einen enormen Zeitdruck. Im Bereich der Inklusion tut sich gar nichts. Im Bereich des Stellenabbaus wissen Sie immer noch nicht, wie Ihr Bedarfsdeckungskon zept aussieht. Sie wissen nicht, wie viele Lehrerstellen Sie in den nächsten Jahren brauchen, und Sie krempeln die Schul landschaft um, was zunehmend zu großer Verunsicherung in der Fläche des Landes führt.

Vor diesem Hintergrund brauchen Sie zumindest eine kleine Erfolgsmeldung. Das ist der Grund für diese Debatte, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich sage jedoch ganz klar: Wir sind uns natürlich, was den Ausbau der Ganztagsschulen betrifft, Herr Kollege Fulst-Blei, inhaltlich einig. Ich möchte viele Argumente, die Sie vorge tragen haben, die dafür sprechen, gar nicht wiederholen. Es geht um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Es geht um eine intensivere pädagogische Förderung. Darüber haben wir uns hier vielfach ausgetauscht.

Aber Sie versuchen, auch als Ablenkungsmanöver, immer wieder darzustellen, dass die grün-rote Landesregierung hier sozusagen einen Meilenstein gesetzt hätte und sich früher überhaupt nichts getan hätte.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: So ist es nämlich! Es hat sich nichts getan!)

Meine Damen und Herren, es ist schlicht und einfach die Un wahrheit, die Sie hier sagen, und ich möchte dies anhand ei niger Fakten klar belegen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, Sie haben einen Ausbau über ei nen Zeitraum von neun Jahren geplant; dies haben Sie mit den kommunalen Landesverbänden vereinbart. Zwischen 2002 und 2010 – auch ein Zeitraum von neun Jahren – hat die frü here schwarz-gelbe Landesregierung 1 115 Ganztagsschulen etabliert. Sie planen einen Ausbau nur bezogen auf die Grund schulen – zugegeben sollen es einige Standorte mehr sein; aber knapp 1 400 Ganztagsschulen sind kein Meilenstein. Das heißt, Ihr Ausbautempo in den nächsten Jahren unterscheidet sich nicht wesentlich vom Ausbautempo der früheren Landes regierung. Das ist eine Tatsache.

Sie haben jetzt noch einen ganz entscheidenden Vorteil gegen über der früheren Landesregierung, die erst neue pädagogi sche Konzepte entwickeln musste; auch viele Grundschulen mussten zunächst Erfahrungen sammeln. Sie haben das Bei spiel Mannheim angesprochen. Natürlich war vieles Neuland; Sie aber haben jetzt die Chance, auf die bewährten Erfahrun gen der früheren Landesregierung aufzubauen und auf diesen Erfahrungen Ihr Ganztagsschulkonzept zu entwickeln.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE meldet sich. – Glo cke des Präsidenten)

Nein, im Moment nicht, aber gern am Ende meiner Ausfüh rungen.

Meine Damen und Herren, das heißt, wir stehen nicht bei null, sondern wir haben große Anstrengungen unternommen, und daran knüpfen Sie an.

(Zuruf des Abg. Jörg Fritz GRÜNE)

Im Übrigen ist noch ein ganz konkreter Kritikpunkt anzufüh ren. In keinem Ihrer Eckpunkte, Herr Minister, die Sie mit den kommunalen Landesverbänden vereinbart haben, und auch nicht in Ihrer Pressemitteilung und in sonstigen Verlautbarun gen sprechen Sie von einem möglichen weiteren Ganztags ausbau der weiterführenden Schularten. Sie sagen jetzt zwar, wir würden Nebelkerzen werfen. Aber, Herr Kollege FulstBlei, zeigen Sie Flagge.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Ei, ei, ei, Herr Wa cker!)

Herr Minister, Sie haben die Möglichkeit, gegenüber den wei terführenden Schularten zumindest einmal einen Zeitplan of fenzulegen und zu sagen, dass auch die Realschulen die Mög lichkeit bekommen, in den Ausbau der Ganztagsschule hin einzukommen.

Meine Damen und Herren, das, was Sie tun, ist im Grunde symptomatisch für die Bildungsdebatte, die wir in diesen Wo chen und Monaten erleben. Sie privilegieren nach wie vor die Gemeinschaftsschule, denn die Gemeinschaftsschule ist die einzige weiterführende Schulart, die einen Rechtsanspruch zur Einrichtung von Ganztagsschulen hat. Sie lassen beispiels weise die Realschule hier völlig außen vor, obwohl wir wis

sen, Herr Minister – Sie loben bei vielen Gelegenheiten die Realschulen, zumindest mit Worten –, dass die Realschule, wie gerade eine seriöse Umfrage des Meinungsforschungsin stituts dimap im Auftrag der CDU-Fraktion belegt hat,

(Lachen bei den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Ste fan Fulst-Blei SPD: Seriös? „ADAC-Zahlen“ sind das! – Zuruf der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE)

ein außerordentlich hohes Ansehen in der Bevölkerung ge nießt. Dem müssen Sie Rechnung tragen; dem dürfen Sie sich nicht verschließen. Sagen Sie klare Sätze dazu, dass auch die weiterführenden Schularten einen Ausbau der Ganztagsschu le verdient haben.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Lieber Herr Kollege Fulst-Blei, ich denke, bezogen auf die Frage der nachhaltigen Finanzierung haben Sie es jetzt ein fach verdient, endlich einmal diesbezüglich den Mund halten zu dürfen.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Ich kann die Platte wieder auflegen!)

Ja, das weiß ich. Nur, das Argument wird nicht besser.

(Zuruf des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD)