Protocol of the Session on July 20, 2011

Der größte Vorteil im Wegfall der Grundschulempfehlung liegt aber darin, dass der Druck aus der Grundschulzeit her ausgenommen wird.

(Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: So ist es!)

Die Grundschulempfehlung begleitet die Kinder oftmals be reits ab der ersten Klasse

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Ja!)

durch die gesamte Grundschulzeit hindurch. Es ist egal, ob das durch Eltern, Lehrer oder Mitschüler beeinflusst wird. Be reits Erstklässler sind sich völlig bewusst, was für eine große Entscheidung hinter dieser Empfehlung steht. Es darf nicht sein, dass schon Zweitklässler aus dem Schulgesetz zitieren können, welchen Notendurchschnitt sie haben müssen, damit sie eine Gymnasialempfehlung bekommen.

(Lachen des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Das ist Realität; das ist Tatsache.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Haben Sie Kin der?)

Ja, ich habe zwei Kinder.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Was Sie alles wis sen! So ein Blödsinn!)

Dann sprechen Sie einmal mit Lehrern.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ich bin schon län ger an der Schule, als Sie es je sein werden! So ein Quatsch!)

Es sollte uns doch in der gesamten Debatte um die Kinder ge hen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Diet rich Birk CDU: Genau! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Richtig! Und nicht um Ihre Ideologie!)

Das hat nichts mit Ideologie zu tun.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Natürlich! – Abg. Volker Schebesta CDU: Das haben Sie doch bestä tigt!)

Das ist Realität an den Schulen heutzutage.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Es geht um Kinder und nicht um Ihre Ideologie!)

Das hier zugrunde gelegte Menschenbild, das Sie immer so favorisieren, ist empirisch überhaupt nicht belegt,

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Ihres aber auch nicht!)

denn die Leistungskurven von heutigen Haupt- und Realschü lern und Gymnasiasten haben derart hohe Überlappungen, dass es keine trennscharfe Sortierung gibt. Es gibt nicht den geborenen Hauptschüler.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Georg Wacker CDU: Den gibt es auch nicht! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist richtig! – Abg. Andreas Stoch SPD: Zustimmung bei der CDU- Fraktion!)

Ich bin davon überzeugt, dass sich die Eltern ihrer Verantwor tung bei der Wahl der Schule durchaus bewusst sind und in einem intensiven und offenen Beratungsgespräch mit den Leh rern und Lehrerinnen gemeinsam zu einer guten Lösung für das jeweilige Kind kommen und dabei auch noch ins Gespräch kommen. Dies wäre einer Stärkung der Erziehungspartner schaft förderlich und hätte den weiteren Vorteil, dass sich El tern intensiver mit den Schulen und den Lehrern auseinander setzen und die Schulen nicht nur als Dienstleistungsunterneh men betrachten.

Es ist wirklich unbestritten, dass den Kindern mit dem Weg fall der Grundschulempfehlung eine große Last genommen wird und sie dadurch ihre Grundschulzeit unbeschwerter und mit mehr Freude am Lernen erleben können.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der weiteren Debatte erteile ich nun der Frau Mi nisterin für Kultus, Jugend und Sport Gabriele WarminskiLeitheußer das Wort. Bitte schön, Frau Ministerin.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Da men und Herren! Ab dem Schuljahr 2012/2013 haben bei der Wahl der weiterführenden Schule die Eltern in Baden-Würt temberg das Sagen, und zwar das Letztentscheidungsrecht. Das ist es, was die Menschen in Baden-Württemberg richtig glücklich macht – die Eltern und auch die Lehrer.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Oh-Rufe von der CDU)

Selbstverständlich – um das noch einmal ganz deutlich zu ma chen, Herr Abg. Wacker – hat niemand etwas gegen eine Emp fehlung. Deshalb werden wir diese Empfehlung auch nicht abschaffen. Wir werden aber abschaffen, dass die Eltern durch das Element eines staatlichen Verwaltungsakts bevormundet werden und sich letztlich einer hoheitlichen Entscheidung beugen müssen. Sie müssen sich derzeit mit Rechtsmitteln ge gen eine verpflichtende Grundschulempfehlung wehren. Das hat nichts mit einer Konsensentscheidung zu tun.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Was wir wollen, liegt doch auf der Hand. Selbstverständlich wollen wir, dass die Lehrerinnen und Lehrer, die das Kind in der Grundschulzeit gut kennengelernt haben, und die Eltern eine gemeinsame Entscheidung treffen können – aber auf Au genhöhe.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Natürlich haben wir schon heute Lehrerinnen und Lehrer, die die Eltern gut beraten. Aber die Eltern haben gegenwärtig nicht das Recht, sich über eine Entscheidung hinwegzusetzen.

Wir wollen dem Elternwillen, wir wollen dem Elternrecht zum Durchbruch verhelfen. Das ist ein Grundprinzip, das nicht zu letzt im Grundgesetz festgeschrieben ist. Die Eltern sollen die Möglichkeit haben, ihre Entscheidung danach zu treffen, was sie für ihre Kinder für richtig halten. Wir werden das einver nehmlich hinbekommen.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Wir werden es auch mit Zustimmung der Lehrerinnen und Lehrer hinbekommen.

Was ist denn bis zu diesem Schuljahr Fakt an den Grundschu len in Baden-Württemberg? Es gibt Stress, Stress, Stress – für die Kinder, für die Eltern und für die Lehrerinnen und Lehrer.

(Zuruf von der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe mir ein mal von einer Grundschullehrerin schildern lassen, was in der dritten Klasse oder spätestens Anfang der vierten Klasse pas siert, wenn die Kinder verstanden haben: „Jetzt muss ich mich richtig anstrengen.

(Zurufe von der CDU: Was ist denn daran schlimm?)

Jetzt muss ich auf Noten lernen.“

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Irgendwann muss man es kapieren!)

Ich habe mir schildern lassen, was passiert, wenn in Familien die Eltern die Kinder nicht mehr nur noch ermutigen, sondern auch darauf achten, dass die Kinder vor allem gute Noten er halten, wenn solche Sätze fallen wie: „Wenn du nicht ausrei chend lernst, dann kommst du nicht aufs Gymnasium.“ Es bringt Stress in die Familien, und es bringt vor allem Stress in die Klassen.

(Zuruf des Abg. Dieter Hillebrand CDU)

Was glauben Sie, wie „angenehm“ es für eine Grundschulleh rerin bzw. für einen Grundschullehrer ist,

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Um Gottes wil len! Dass sie so schwach ist, hätte ich auch nicht ge dacht!)

wenn man Kindern erklären muss: „Für dich reicht es halt nur für die Hauptschule, aber du bist trotzdem wichtig.“ Das bringt schon den Spaltpilz in die Klassen, und das bringt den Spaltpilz in unsere Gesellschaft. Wir wollen genau damit auf hören.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf von der SPD: Bravo!)

Wenn ein Kind seine Talente maximal entfalten soll – das gilt übrigens für die Guten ebenso wie für diejenigen, die etwas länger brauchen –, erfordert dies Wertschätzung, erfordert dies eine Kultur der Ermutigung,

(Zuruf von der CDU: Die haben wir doch!)