Deswegen, Herr Kollege Dr. Kern, zumal sich gerade wieder Ihre Gesichtsfarbe verändert: Es ist ein Widerspruch, wenn Sie auf der einen Seite beklagen, dass die Schulgesetzände
rung um ein Jahr verschoben wird, gleichzeitig aber auf die teilweise negativen Erfahrungen aus anderen Bundesländern hinweisen, die uns doch gerade zwingen, Schritt für Schritt und mit Sorgfalt – tatsächlich mit Sorgfalt – vorzugehen. Wenn Ihnen da nicht mehr einfällt als ein Wortspielchen und Sie dies als Trägheit bezeichnen, dann sei Ihnen dies zuge standen. Ich glaube aber, Sie werden, wenn Sie sich mit dem Sachverhalt intensiver beschäftigen, verstehen, dass Sorgfalt hier der richtige Ratgeber ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, deswegen ist es mir auch wichtig, klarzustellen, dass – in Ihrem Antrag steht, dass das Inklusionskonzept verschoben worden sei; dem ist aber nicht so – lediglich die Änderung des Schulgesetzes um ein Jahr verschoben wurde. Dafür gibt es einen zentralen Grund: Wir wollen dann, wenn die Schulgesetzänderung wirksam ist, die Voraussetzungen für die Inklusion an unseren Schulen ge schaffen haben, und zwar an allen Schulen, an den sonderpä dagogischen Facheinrichtungen, an den Sonderschulen, aber auch an den Regelschulen. Dazu gehört auch ein schlüssiges Konzept der Lehrerfortbildung. Wir wollen auch die Schul verwaltung in die Lage versetzen, Inklusion zu realisieren, wofür auch Eckpunkte erarbeitet worden sind. Wir wollen dann, wenn die Schulgesetzänderung wirksam wird, eine er folgreiche Inklusion verwirklichen.
Nichts könnte uns im Bereich der Inklusion mehr schaden, als wenn wir den Menschen ein Wahlrecht zwischen qualitativ gleichwertigen Angeboten an der Sonderschule und an der Re gelschule suggerieren würden und dieses nicht einhalten könn ten. Deswegen befürwortet derjenige, meine sehr geehrten Da men und Herren, der für Qualität ist, ein schrittweises Umset zen dieses Inklusionskonzepts mit einer Schulgesetzänderung, die zum Schuljahr 2015/2016 wirksam wird.
Ich verspreche Ihnen – zumal Sie angedeutet haben, es wür de in dieser Legislaturperiode nicht mehr passieren –, dass das Kabinett noch in diesem Jahr, in den nächsten Wochen die Eckpunkte für die Inklusion beschließen wird. Noch in die sem Jahr wird ein Gesetzentwurf für die Schulgesetzänderung in den Landtag eingebracht werden. Klar ist: Inklusion wird an allen unseren Schulen Realität, und zwar zum Beginn des Schuljahrs 2015/2016.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wird dann unser aller Aufgabe sein, in der Betreuung der Schulen, in der Aus stattung der Schulen mit sachlichen und personellen Ressour cen Inklusion erfolgreich umzusetzen. Aus den Modellregio nen haben wir Erfahrungen, wonach sich ca. 25 bis 27 % der betroffenen Eltern für ein Angebot an einer Regelschule ent scheiden. Ich gehe davon aus, dass sich diese Zahlen in den nächsten Jahren verändern. Diese Zahlen werden sich aber nur dann zum Positiven, nämlich zu gelebter Inklusion an den Schulen, verändern, wenn wir dort auch Angebote in hoher Qualität vorhalten.
Frau Kollegin Dr. Stolz, Sie haben zu Recht das Thema Res sourcen angesprochen. Ich bin der Überzeugung, dass Inklu
sion nicht im Sinne kommunizierender Röhren in einem Aus tausch zwischen den Sonderschulen und den Regelschulen ge lingen kann. Wir werden – das hat die Landesregierung auch bewusst gesagt –, wenn wir ein Wahlrecht einräumen, auch Doppelstrukturen haben, die zweifelsohne einen höheren Res sourcenbedarf erfordern, als wenn wir die Sonderschulen als getrennte Welt lassen und alle Kinder mit sonderpädagogi schem Förderbedarf an Sonderschulen haben. Deswegen wol len wir auch schon im Bedarfsdeckungskonzept für das kom mende Schuljahr 2014/2015 die notwendigen Voraussetzun gen schaffen, um die Grundausstattung im Bereich der Son derschulen zu verbessern und – daraus abgeleitet – auch wei tere Möglichkeiten im pädagogischen Bereich, z. B. die Tei lung von Klassen, an den Regelschulen zu schaffen.
Bereits heute haben wir – das ist jedoch von Schulamt zu Schulamt unterschiedlich – in einzelnen Schulamtsbezirken Inklusionsquoten von über 50 %. Wenn man fragt, woran das liege, dann stellt man fest, dass es auf eine bestimmte Art der Beratung der Schulverwaltung, hin zu bestimmten Szenarien oder Settings zu beraten, zurückzuführen ist. Es liegt aber auch daran, dass eine gute Grundausstattung im Bereich der Sonderpädagogik vorliegt.
Es kommt jedoch noch eine Wahrheit hinzu. Zum Beginn des Schuljahrs 2015/2016, wenn die Schulgesetzänderung greift, müssen auch genügend Sonderpädagogen im System zur Ver fügung stehen. Es geht darum, dass wir dann eine ausreichen de Zahl qualifizierter Fachleute haben. Wir werden natürlich auch im Bereich der Regelschulen bei allen Lehrern versu chen, mit Fortbildungsangeboten die heute noch bestehende Unsicherheit auszuräumen und die Lehrer in die Lage zu ver setzen, mit dieser Situation umzugehen.
Wir brauchen an den Regelschulen aber auch die qualifizier ten Fachleute, die ausgebildeten Sonderpädagogen. Hier wird es auch darum gehen, die richtigen Fachleute in genügender Anzahl an die Schulen zu bekommen. Das ist ein weiterer Grund dafür, dass wir eine größere Sicherheit für eine quali tätsvolle Umsetzung haben, wenn wir die Schulgesetzände rung erst zum Schuljahr 2015/2016 in Kraft setzen. Wir wol len aber schon 2014/2015 alles dafür tun, dass kein Kind, des sen Eltern einen Inklusionswunsch haben, abgewiesen wer den muss.
Aufgrund der Umsetzung des Inklusionsgedankens wird es zu Veränderungen in vielen Bereichen kommen. Es wird z. B. zu einer Änderung im Schulgesetz dahin gehend kommen, dass nicht alle Kinder, die im gleichen Klassenzimmer einer Re gelschule sitzen, das gleiche Lernziel verfolgen. Das ist der Inklusion immanent. Dies wiederum erfordert die Veranke rung des zieldifferenten Unterrichts im Schulgesetz. Das ist eine Grundvoraussetzung.
Auch daran können Sie erkennen, dass Inklusion für die Schu len nicht nur eine kleine Veränderung bedeutet. Vielmehr be deutet Inklusion für die Schulen in Baden-Württemberg eine riesengroße Herausforderung. Deswegen glaube ich, dass die Landesregierung und wir alle gut beraten sind, wenn wir hier bei Schritt für Schritt vorgehen und die Erfahrungen anderer Länder in unsere Planungen mit einbeziehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mein Angebot gilt nach wie vor. Ich lade Sie herzlich zu einem Dialog und zu einem Gespräch auf der Basis der Eckpunkte hinsichtlich der Umsetzungsschritte ein, die in Kürze im Ministerrat beschlos sen werden. Ihr Vorschlag, eine interfraktionelle Arbeitsgrup pe einzurichten, um ein Inklusionskonzept zu erarbeiten, ist bereits überholt, da die Eckpunkte bereits ausgearbeitet sind und, wie gesagt, in Kürze im Ministerrat beschlossen werden sollen.
Ich appelliere noch einmal an Sie: Inklusion eignet sich nicht für parteipolitische Auseinandersetzungen. Im Hinblick auf die Frage der Umsetzungsgeschwindigkeit rege ich an, auch einmal den Blick in die Vergangenheit zu richten. Dann wer den wir feststellen, dass es eher Gründe gibt, nach vorn zu schauen. Lassen Sie uns gemeinsam am inklusiven Bildungs system weiterarbeiten.
Sie kennen unsere Angebote zur Zusammenarbeit. Im nächs ten Satz sagen Sie, die Kritik der Opposition sei infam.
Ich denke, Kritik ist angebracht. Herr Poreski hat allgemeine Punkte genannt. Ich vermute, dass dies die Eckpunkte sind. Ich sage aber ganz klar: Wenn das die Eckpunkte sind, dann sind das nur allgemeine Absichtserklärungen.
Herr Käppeler, wir erwarten nicht, dass schwierige Fragen – Sie bezeichnen das als bürokratisch; das ist sehr abwertend – binnen Monatsfrist geklärt werden. Sie hatten mehr als zwei einhalb Jahre lang Zeit,
Regierungshandeln ist konkretes Handeln und muss über Ab sichtserklärungen hinausgehen. Regieren ist kein Ponyhof,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Zurufe von den Grünen und der SPD – Glo cke des Präsidenten)
Es geht nicht darum, dass wir erwarten, dass Sie hierzu sofort einen Gesetzentwurf vorlegen. Ich gestehe Ihnen zu, dass ein guter Gesetzentwurf Vorarbeit erfordert. Diese Vorarbeit muss aber konkret sein und geleistet werden. Es geht darum, Qua litätsstandards – –
(Zuruf von der SPD: So viel zur Sachlichkeit! – Wei tere Zurufe von den Grünen und der SPD – Unruhe)
Erforderlich sind Qualitätsstandards und Verfahrensabläufe, damit die Beteiligten wissen, wie etwas an welcher Stelle funktioniert und wer verantwortlich ist. Dies kann man nicht als eine bürokratische Abhandlung abtun. Nein, das ist das, was man von einer Regierung erwartet. Die Dinge dürfen nicht dem Zufall überlassen werden, wie es das Schulamt ge rade meistert, sondern es bedarf der Verlässlichkeit auch im Verfahren. Außerdem bedarf es ganz konkreter Aussagen in Bezug auf die Ressourcen. All das haben Sie bisher aber noch nicht geliefert.
Insofern kann ich nachvollziehen, dass man in seiner Hilflo sigkeit wiederum Geschichtsunterricht betreibt. Das nützt aber nichts. Sie stellen seit zweieinhalb Jahren die Regierung.
Sie haben Versprechen gegeben, Ansprüche an sich selbst for muliert und geben vor, deswegen gewählt worden zu sein. Diese Aufgaben haben Sie heute bzw. in diesen fünf Jahren zu erfüllen. Ihre Aufgabe ist es aber nicht, immer wieder Ge schichtsunterricht zu betreiben.
Wenn Sie schon Geschichtsunterricht betreiben, dann machen Sie es bitte richtig. Die Außenklassen sind bereits 1996 als Kooperationsklassen eingeführt worden. Jeder, der etwas vom Fach versteht, sagt, dass das in die richtige Richtung geht, ins besondere für Kinder mit geistiger Behinderung.
Sie können also nicht behaupten, in diesem Bereich sei nichts gelaufen. Ich würde nicht behaupten, dies sei infam, sondern sage: Das ist die Hilflosigkeit einer Regierung, die in diesem Bereich zu wenig getan hat.