Protocol of the Session on November 28, 2013

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Aber Sie wollen es billig machen!)

Noch einmal zurück. Die Kernfrage ist am Ende: Warum neh men Sie die Menschen nicht mit? Sie hätten beim National park so oder so entscheiden können. Es ist auch die Frage: Warum haben Sie sich dem Gebiet nicht in Arbeitsschritten genähert? Wir haben es Ihnen wiederholt vorgeschlagen.

Wir haben Ihnen vorgeschlagen: Nehmen wir zunächst die Bannwälder und die besonders unter Schutz stehenden Flä chen und reden einmal mit den Leuten darüber, wie ein Ge biet entstehen soll. Das war übrigens die Vorgehensweise beim Biosphärengebiet. Wir haben dort ein Kerngebiet gehabt; am Anfang waren es die zwei Gemeinden Bad Urach und Römer

stein, die gesagt haben: Wir machen mit. Dann haben wir das entwickelt und haben auch Konzepte unterlegt. Am Ende und nicht am Anfang des Prozesses stand eine Rechtsverordnung.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

Sie machen es umgekehrt. Das Misstrauen ist deshalb so groß, weil Sie die Menschen nicht von Anfang an, nicht von der Ent wicklung einer Gebietskulisse an mitgenommen haben. Sie haben ihnen Ihre Vorstellungen dargelegt. Bürgerbeteiligung besteht aus Ihrer Sicht darin, den Menschen zu erklären, wa rum das alles gut sei für sie.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Thomas Blenke CDU: Genau so ist es!)

Genau das haben Sie getan. Sie haben die Menschen ausführ lich und intensiv beschallt mit Ihren Ideen und mit Ihren Er klärungen, warum es gut für die Menschen sei. Jetzt ärgern Sie sich darüber, dass sie es Ihres Erachtens nicht kapiert ha ben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das ist die Tatsache.

Ist jetzt der Abschnitt vorbei?

Jetzt ist der Abschnitt vorbei, und deshalb lasse ich eine Zwischenfrage zu.

Frau Abg. Böhlen, Sie können jetzt eine Frage stellen.

Frau Böhlen, bitte schön.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Herzlichen Dank, Herr Hauk. – Ich bin eine eingeborene Nordschwarzwälderin.

Sie leben aber schon im Tal.

Sie wissen doch gar nicht, wo ich geboren bin. Meine Vorfahren haben im Nordschwarzwald quasi den aufrechten Gang erlernt.

Deswegen repräsentiere ich, eine eingeborene Nordschwarz wälderin, diesen Bereich, und nicht nur ich. Die Städte Ba den-Baden und Bühl haben zusammen 80 000 Einwohnerin nen und Einwohner.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Diese Menschen wohnen dort und möchten den Nationalpark. Die Gemeinderäte haben mit den Stimmen von CDU und FDP entsprechend abgestimmt. Warum lassen Sie jetzt 100 000 Menschen außen vor und fokussieren Ihren Blick nur auf zwei, drei Gemeinden, die dagegen gestimmt haben?

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Volker Schebesta CDU: Zwei, drei?)

Liebe Frau Böhlen, weil uns die Menschen in diesen Gemeinden nicht egal sind. Das ist der ganz entscheidende Punkt.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Die Menschen dort sind uns nicht egal. Ich komme nicht aus dem Schwarzwald, aber ich kann gut mitfühlen, wie es den Menschen geht.

(Zuruf der Abg. Sandra Boser GRÜNE)

Denn für die Menschen im mittleren und im nördlichen Schwarzwald ist das, worüber der Ministerpräsident mit Aus sagen wie, das seien 0,7 % der Waldfläche des Landes, so lo cker hinweggeht, 100 % Heimat,

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

und zwar tagtäglich – im Gegensatz zu Ihnen, Frau Böhlen, die Sie unten im Tal wohnen, nämlich in Baden-Baden.

(Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE)

Wenn die Menschen morgens aufstehen und den Fensterladen öffnen, dann schauen sie genau darauf, worauf Sie nicht schauen, und befürchten, dass dieses Landschaftsbild zerstört und verändert wird. Das ist der entscheidende Punkt.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Fachdiskussion ist geführt. Sie, Herr Ministerpräsident, haben von Werten und Bewertungen gesprochen. Die Fachleute sagen, man könne das Ganze auch ganz anders bewerten. Ist es wirklich Wild nis und ein Urwald, wenn erst einmal ein Waldumbau von Menschen gelenkt stattfinden muss, wie der Minister es vor hat? Ist es dann wirklich die Wildnis, die man erwartet? Ist es wirklich außerhalb jedes menschlichen Einflusses, wenn wir uns einen Urwald schaffen, und zwar nach unseren Vorstel lungen von Urwald, nach unseren Vorstellungen von Wildnis,

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Die gibt es gar nicht!)

in einer Kulturlandschaft, die wahrscheinlich seit mehreren Tausend Jahren – zumindest in den letzten 1 000 Jahren – im mer bewirtschaftet wurde? Ist das unsere Bewertung? Kön nen Sie mit der Bewertung der Ökologie, die Sie immer an ein paar Tausend Hektar festmachen, alles andere abtun, was in der Frage von Wildnis und Artenschutz eine Rolle spielt? Bezüglich der Moose und Flechten gebe ich Ihnen vollkom men recht. Aber diese benötigen keine Fläche von 3 000, 5 000 oder 10 000 ha. Vor allem wird die Flechte nicht über eine Lücke hinweg vom Ruhestein zum Ochsenkopf hinüber springen, sondern am Ende ist es notwendig, genügend Le bensraum zu haben. Das heißt, die gewünschten Natur- und Artenschutzziele lassen sich anders erreichen als durch eine Käseglocke und gegen den Willen der Bürger übergestülpte Verordnungen. Das ist der ganz entscheidende Punkt.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind bei der letz ten Landtagswahl auch mit dem Willen angetreten, einen Na tionalpark einzuführen. Das stimmt. Ich will aber insofern den von Ihnen vorgebrachten Mären und Legenden entgegentre ten. Der frühere Landwirtschaftsminister Weiser war sicher lich nicht jemand, der zu den Vätern dieses Gedankens zähl te – um dies einmal klar zu sagen. So etwas wäre uns nicht verborgen geblieben.

Aber ich erkenne an, dass es hierzu natürlich schon früher Ge danken gab. Die CDU ist eine Volkspartei. Wir haben uns aus genau diesem Grund äußerst intensiv darüber unterhalten, wie wir ein solches Projekt umsetzen könnten. Dabei kamen wir zu dem Ergebnis – dies zieht sich als roter Faden durch unse re Argumentation –: Nationalpark ja, wenn die Menschen mit an Bord sind.

Was ist daran so verkehrt? Dass so etwas gelingen kann, zeigt doch die Entwicklung der letzten Wochen. Wir haben mit den Gegnern intensiv gesprochen.

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Genau! Mit den Befür wortern auch?)

Mit wem sonst sollten wir denn sprechen? Die Befürworter brauchten wir nicht zu überzeugen. Aber dass man die Geg ner überzeugt, ist doch unser aller Anliegen. Wir haben sie auch dadurch überzeugt, dass wir ihnen eine Alternative ge boten haben, die das Bundesnaturschutzgesetz ausdrücklich zulässt, eine Alternative, die heißt: Der Nationalpark rückt einfach in größere Höhenlagen.

(Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD)

Wie die Ergebnisse dann aussehen und wie groß die Flächen sind, ist dabei zunächst einmal sekundär. Dieses Konzept ori entiert sich an einer Linie von 900 Höhenmetern. Das heißt jedoch nicht, dass die Fläche eines solchen Nationalparks im Zickzack genau diese Höhenlinie umfahren würde, sondern heißt, dass natürlich Flächen auch unterhalb dieser Höhenli nie hinzukommen können, wenn sie aus Gründen des Natur schutzes wichtig sind. Das ist überhaupt keine Frage; hierin waren sich alle Akteure und Beteiligten bislang einig.

Das ist die Leitlinie. Die Vorgabe für die nächsten Monate und unter Umständen auch für die nächsten Jahre muss sein, dass wir uns an dieser Leitlinie orientieren und mit den Bürgern Gebietskulissen und Konzeptionen entwickeln – alles Dinge, die Sie verabsäumt haben und die Sie eigentlich am heutigen Tag hätten vorlegen sollen. Genau das ist unser Ziel.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Jetzt sagen Sie, Herr Ministerpräsident, doch einmal, was da ran so falsch sein soll, wenn mit den Menschen gemeinsam etwas entwickelt wird. Sie sagen, das hätten wir früher ma chen müssen, nicht erst kurz vor der heutigen Abstimmung. Nachdem mit Ihnen kein Konsens zu erzielen war und Sie vor der Bundestagswahl – um Ihrer Klientel dieses Projekt noch rechtzeitig anzudienen –

(Abg. Andreas Deuschle CDU: Hat nichts gebracht!)

verkündet haben, dass der Gesetzentwurf bereits im Herbst kommt, waren jegliche Gespräche obsolet. So war es.

(Beifall bei der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Genau so ist es!)

Sie haben doch taktisch gehandelt. Sie stehen doch bei Ihren Befürwortern, bei Ihrer Klientel am Ende im Wort. Das ist doch Tatsache. Wir haben unser Wort gegeben, dass wir mit den Menschen gemeinsam etwas machen, und dazu stehen wir auch. Genau das werden wir tun.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben, ebenso wie der Minister, auf die Bundeskanzlerin, auf die CDU-Ge meinderäte etc. Bezug genommen. Ich gönne Ihnen den Zu spruch aus unseren Reihen. Ich bin sogar froh darüber, und ich bin auch ein Stück weit stolz darauf, dass die Union, dass die CDU als Volkspartei solche Strömungen hat, diese auf nimmt und dies auch letztlich in der Öffentlichkeit kommu niziert. Ich gönne Ihnen das. Aber ich frage Sie: Gibt es in Ih ren eigenen Reihen denn keine begeisterten Befürworter?