Meine sehr verehrten Damen und Herren, als Sie dem Bun desamt für Naturschutz Ihr Konzept vorgelegt haben, wusste das Bundesamt für Naturschutz noch nicht einmal, dass die Fläche, die Sie für den Nationalpark vorsehen, geteilt ist.
(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Natürlich wuss ten sie es! Es gab doch einen intensiven Austausch! „Lügner“ sage ich jetzt! – Gegenrufe von der CDU, u. a. Abg. Helmut Walter Rüeck: Jetzt langt es aber! – Abg. Dieter Hillebrand CDU: Herr Präsident! – Lebhafte Unruhe – Glocke des Präsidenten)
Herr Kollege Dr. Rös ler, ich rüge Sie. Sie verwendeten den Begriff „Lügner“. Das gehört sich in einer parlamentarischen Diskussion nicht.
Ich zitiere wörtlich aus der Stellungnahme des Bundesminis teriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Allerdings ist dem Gesetzentwurf nicht zu entnehmen, dass sich der Nationalpark aus zwei Teilgebieten zusam mensetzt.
Sie sind namentlich zu benennen. Aus der Sicht des Bun des ist es naturschutzfachlich wünschenswert, beide Na tionalparkteile zumindest mittelfristig zusammenzufüh ren, zumal zwischen den beiden Gebietsteilen natur schutzfachlich bedeutsame Flächen vorhanden sind.
Meine Damen und Herren, das ist bemerkenswert, weil damit zwei Dinge klar werden. Erstens: Ihr Gesetzentwurf ist ein Torso. Zweitens: Aus dem Zitat wird klar, was der Bund tun kann und tun sollte, nämlich eine Empfehlung geben. Es heißt dort nämlich, es sei „wünschenswert“.
Der Bund kann den Landtag nicht anweisen, dies umzusetzen, weil wir in dieser Frage autonom sind. Wir entscheiden auf der Grundlage unserer Bestimmungen, wie ein Nationalpark auszusehen hat. Das gilt auch für seine Größe.
Das Konzept eines Nationalparks wird nicht dadurch besser, dass man drei, vier oder fünf Teilflächen mit einer bestimm ten Größe als Nationalpark deklariert. Das Konzept wird nur dann besser, wenn der Nationalpark auf einer zusammenhän genden Fläche eingerichtet wird. Die Größe ist hierfür übri gens fast unbedeutend.
An dem Beispiel des Pilzes, das Sie, Herr Ministerpräsident Kretschmann, gebracht haben, wird deutlich: Es ist völlig egal, ob die zusammenhängende Fläche für den Nationalpark insgesamt 1 000 ha, 2 000 ha, 3 000 ha oder 10 000 ha um fasst. Ihr Konzept sieht nicht einmal eine zusammenhängen de Fläche von 10 000 ha vor. Sie rühmen sich einer Flächen größe des Nationalparks, die dieser aber nicht zusammenhän gend umfasst.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt komme ich auf die weiteren Kriterien zu sprechen, die Sie wie eine Monst ranz vor sich her tragen, da diese Kriterien wichtig seien und eingehalten werden sollten.
Sie haben ein zentrales Kriterium vergessen, nämlich die Ak zeptanz der Bevölkerung vor Ort. Ich zitiere hierzu aus den Managementzielen:
Berücksichtigung der Bedürfnisse der eingeborenen Be völkerung einschließlich deren Nutzung bestehender Res sourcen zur Deckung ihres Lebensbedarfs...
Dies wird so formuliert, weil es international gilt. Mit „einge borene Bevölkerung“ sind die autochthon dort Lebenden, al so in diesem Fall die Nordschwarzwälder gemeint. Da geht es nicht um die Baden-Württemberger und nicht um die Deut schen. Es geht um die Frage der Bedürfnisse der Nord schwarzwälder, die in diesem Gebiet leben und sich in diesem Gebiet weiterentwickeln wollen.
Deshalb ist es unsere Verantwortung als Volkspartei – das brauchen Sie nicht zu machen; Sie sind klar eine Klientelpar tei; das ist in Ordnung, das akzeptieren wir auch; Sie haben diesmal die Mehrheit –:
Wir sagen Ja zu mehr Naturschutz, wir sagen Ja zu mehr Ar tenschutz, wir sagen auch Ja zu einem lebendigen Schwarz wald und sagen Ja zur Wildnis.
Aber wir sagen nur dann Ja zu Wildnis, Artenschutz und Na tionalpark, wenn wir die Akzeptanz der örtlichen Bevölke rung einholen können. Das ist der entscheidende Unterschied.
Sie haben recht. Wenn die örtliche Bevölkerung alles blockie ren könnte, was notwendig ist, dann wären wir generell in ei nem Staatsdilemma.
Warum ist für die Akzeptanz der Bevölkerung im Nord schwarzwald wichtig? Was unterscheidet den Nordschwarz wald von Stuttgart 21 oder von einem Pumpspeicherkraftwerk oder Sonstigem? Es gibt Maßnahmen, die an einer bestimm ten Stelle und nirgendwo anders zwingend notwendig sind. Dafür gibt es das Planungsrecht, dafür gibt es die Bürgerbe teiligung. Das geschieht alles bei Infrastrukturmaßnahmen in dieser Größenordnung. Wenn bei Stuttgart 21 die Gleise ver legt, die Weichen gestellt, die Tunnel gebaut sind und die ers ten Züge fahren, dann funktioniert Stuttgart 21, und dann wer den alle Menschen – ob Befürworter oder Gegner – auf die ser Strecke eine halbe Stunde schneller in Ulm sein. Dieses Projekt funktioniert.
kann man so oder so entscheiden. Selbst das von Ihnen in Auf trag gegebene Gutachten erkennt keinen besonderen natur schutzfachlichen Mehrwert. Das hat mich überrascht. Aber wenn Sie es lesen, sehen Sie: Es steht genau so darin. Der Mehrwert ist überschaubar – kein Wunder, weil schon heute der Artenschutz und der Naturschutz im Nordschwarzwald ei ne dominante, bedeutende Rolle einnehmen. Das ist der Un terschied.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig! – Glo cke des Präsidenten)
Wenn aber der naturschutzfachliche Wert eines Gebiets schon heute hoch ist, dann lässt er sich nicht mehr allzu sehr stei gern.
Dann stellt sich die Frage, ob dieses Vorhaben mit den Vor stellungen der betroffenen Menschen in Einklang zu bringen ist. Genau diese Frage müssen Sie sich stellen.
Das ist der Unterschied zum Infrastrukturprojekt. Das Infra strukturprojekt funktioniert, wenn die Züge fahren. Der Nati onalpark wird nur dann funktionieren, er wird nur dann gelin gen, er wird nur dann Begeisterung bei den Menschen auslö sen, wenn die Menschen vor Ort an Bord sind. Das ist der gro ße Unterschied.
Denn auch ein Nationalpark lebt von den Menschen vor Ort. Die Akzeptanz vor Ort werden Sie mit allem Geld der Welt nicht herbeiführen, erst recht nicht mit dem wenigen, das Sie zur Verfügung stellen,
und das für ein Projekt, das nicht durchfinanziert ist, Kosten risiken birgt und uns auf Jahrzehnte hinaus belastet. Um die sen Preis ist es für uns nicht machbar.