Vielen Dank. – Wir haben natürlich versucht, in dem Gesetzentwurf den integra tiven Aspekt zu berücksichtigen. Wir wollen weg von den in tegrationsfeindlichen Gemeinschaftsunterkünften, die bisher sehr abgelegen waren, wo es kaum Infrastruktur gab, wo es kaum einen Kontakt, eine Interaktion mit der Bevölkerung ge ben konnte. Davon möchten wir weg. Deswegen streben wir eine dezentrale Unterbringung an.
Wir haben vor, dass schon in der Gemeinschaftsunterkunft Deutschkenntnisse vermittelt werden. Natürlich ist uns klar, dass in der Zeit der Unterbringung in der Gemeinschaftsun terkunft kein perfektes Deutsch gelernt werden kann. Aber zu mindest sollen Grundlagen der deutschen Sprache erlernt wer den. Dies bietet den Flüchtlingen neue Möglichkeiten. Selbst wenn sie zurückgeführt werden, können sie möglicherweise in ihrer Heimat etwas mit diesen Sprachkenntnissen anfan gen. Vielleicht können sie die Deutschkenntnisse beruflich einsetzen.
Uns ist sehr daran gelegen, dass die Kinder die Möglichkeit haben, ihrer Schulpflicht nachzukommen. Uns ist sehr daran gelegen, dass die Kinder Hausaufgabenhilfe und Hausaufga benbetreuung bekommen und Hausaufgaben machen können. Im Moment ist die Situation in den Kommunen wirklich sehr
schwierig. Die Wohnverhältnisse in den Gemeinschaftsunter künften sind sehr beengt. Familien mit vier oder fünf Kindern leben in kleinen Einraumwohnungen. Unter diesen Bedingun gen ist es für die Kinder schwierig, schulische Erfolge vorzu weisen. Uns ist diese Situation bekannt. Auch in diesem Be reich möchten wir mehr tun.
Zudem wollen wir die Sozialberatung ausbauen. Wir fangen damit schon in der Erstaufnahmeeinrichtung an. Diese Sozi alberatung soll auch in den Gemeinschaftsunterkünften ver bessert werden. Dadurch erhoffen wir uns eine bessere Inte gration der Flüchtlinge. Selbst wenn sie zurückgeschickt wer den sollten, werden ihnen diese Maßnahmen hoffentlich wei terhelfen.
Frau Ministerin, bedauerli cherweise wurden meine beiden Fragen vorhin aufgrund Ih rer Zeitnot bei der Beantwortung nicht beantwortet. Aus die sem Grund möchte ich die gleichen Fragen noch einmal stel len.
Erstens: Warum dauert es mit der Vorlage des neuen Flücht lingsaufnahmegesetzes so lange? Oder um es positiver zu for mulieren: Wann kommt die Novelle endlich ins Plenum?
Zweite Frage: Ab wann findet eine adäquate Berücksichtigung der erhöhten Quadratmeterzahl gegenüber den Kommunen statt?
Vielen Dank. – Ich dachte, ich hätte auf die Fragen geantwortet; aber ich kann dies gern noch einmal tun. Vielleicht habe ich mich nicht klar ausgedrückt. Sie wissen, dass für die Erstellung eines neuen Gesetzes Sorgfalt und Zeit benötigt werden.
Wir haben bereits Ende 2011 eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, in der wir auch mit den Betroffenen und Beteiligten versucht haben, Eckpunkte zu erarbeiten. Diese Eckpunkte haben wir bereits im Sommer 2012 vorgestellt und den Land kreisen auf dem Weg der vorläufigen Anwendungshinweise auch mitgeteilt, sodass diese schon mit den neuen Gegeben heiten arbeiten können.
Was die Quadratmeterzahlen angeht, ist mir bewusst, dass die Situation in den Kommunen gerade schwierig ist. Nachdem wir in den Neunzigerjahren hohe Zugangszahlen zu verzeich nen hatten und sich diese Zahlen auf etwa 1 700 Flüchtlinge im Jahr reduziert haben, sind es zurzeit 1 700 Flüchtlinge im Monat. Das heißt, wir haben im Moment ganz andere Verhält nisse. Das überfordert natürlich auch die Kommunen. Uns ist diese angespannte Situation bekannt. Deshalb haben wir ge sagt: Wenn das neue Flüchtlingsaufnahmegesetz am 1. Janu ar 2014 in Kraft treten sollte, würden wir den Kommunen ei ne Übergangsfrist von rund zwei oder zweieinhalb Jahren ein räumen, um diese Quadratmeterzahl zu erreichen.
Es gibt bereits Kommunen, die deutlich über 7 m2 liegen, es gibt aber auch Kommunen, die unter der 4,5-m2-Marke lie gen, sodass ich im Moment nicht für das gesamte Land spre
chen kann. Aber ich hoffe, dass wir unser Ziel erreichen kön nen. Natürlich ist uns klar, dass die Zielerreichung für einige Kommunen im Moment sehr schwierig ist. Sie können das Ziel nicht von heute auf morgen erreichen. Aber da diese Dis kussionen schon seit zwei Jahren geführt werden, wissen die Kommunen wohl Bescheid, und diese 7 m2 haben sich, so den ke ich, auch in den Köpfen der Menschen festgesetzt, die in der Zukunft mit dieser Zahl arbeiten müssen.
Sehr geehrte Frau Ministerin, vielen Dank für Ihre Ausführungen. – Ich habe noch folgende Nachfrage: Mit welchen Maßnahmen und Re gelungen im neuen Gesetz wollen Sie zu einem selbstbe stimmten Leben der Flüchtlinge beitragen, insbesondere un ter dem Aspekt, dass es insoweit Konflikte mit bundesgesetz lichen Regelungen gibt? Wie wollen Sie mit Blick in die Zu kunft und auf die bundesgesetzlichen Regelungen vorgehen, um weitere Freiräume der Landesregierung für eine Verbes serung der Situation von Flüchtlingen zu erzielen?
Vielen Dank. – Das ist eine wichtige Frage. Die Flüchtlinge erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Im Asylbewerberleis tungsgesetz ist das Sachprinzip festgeschrieben, aber es gibt Spielräume, die wir nutzen wollen. Einige Landkreise tun dies bereits, indem sie z. B. keine Essenspakete ausgeben, sondern den Flüchtlingen direkt Geld zahlen, damit diese lernen, mit diesem Geld selbstständig umzugehen, und damit sie so das Leben in Deutschland besser kennenlernen.
Eine weitere Diskussion wird oft geführt. In Baden-Württem berg ist das zum Glück nicht der Fall, aber in Ostdeutschland gibt es zurzeit Demonstrationen, die von der NPD angemel det werden. Die Menschen sagen: „Die Flüchtlinge bekom men Geld. Sie fressen uns die Haare vom Kopf. Sie haben zwei Handys und wir nicht.“ Das sind Sozialneiddebatten. Die Menschen wissen oft nicht, dass die Flüchtlinge nicht arbei ten dürfen. Sie hatten bislang ein Arbeitsverbot von einem Jahr.
Dieses Arbeitsverbot wurde aufgrund einer EU-Richtlinie auf neun Monate verkürzt. Ich setze mich als der SPD angehören de Integrationsministerin dafür ein – das tun die Integrations minister insgesamt; auch Frau Böhmer hat sich hierfür einge setzt –, dass dieses Arbeitsverbot auf sechs Monate reduziert wird, in der Hoffnung, dass die Flüchtlinge ihren Lebensun terhalt dann selbst verdienen können und nicht der Eindruck entsteht, sie würden irgendjemandem auf der Tasche liegen. Das würde, glaube ich, auch zu weniger Spannungen in den Gemeinschaftsunterkünften führen. Weil die Menschen dann einen geregelten Tagesablauf hätten, würde es zu weniger Ag gressionen kommen, und es würden auch weniger Sozialneid debatten geführt. Deswegen setzen wir uns auch auf Bundes ebene hierfür ein.
Es gibt eine weitere Forderung. Diese muss ich aber auch noch mit meiner Partei in Baden-Württemberg besprechen. Rhein land-Pfalz z. B. fordert die Abschaffung des Asylbewerber leistungsgesetzes. Auch das ist eine Frage, über die hier im Land noch diskutiert werden kann. Insoweit müssten wir noch einmal mit den beiden Koalitionsfraktionen sprechen.
Frau Ministerin, womit begründen Sie Ihren Optimismus, die Dauer der Verfahren deutlich senken zu können, wenn diese durchschnittlich 29 Monate beträgt und Sie Ihre Pauschale bei steigenden Flücht lingszahlen auf der Grundlage von 18 Monaten berechnet ha ben?
Ich frage ja nur: Womit begründen Sie Ihren Optimismus, die Verfahren entsprechend zu beschleunigen?
Haben Sie Erkenntnisse, dass es mehr Personal gibt? Was tun Sie im Bereich der Verfahrensbeschleunigung? Können die Asylverfahren über Außenstellen der Verwaltungsgerichte schneller abgewickelt werden? Plant der Herr Innenminister eine Kampagne zur schnellen Rückführung? Ist das der Hin tergrund Ihres Beschleunigungsoptimismus? Was ist vonsei ten der Landesregierung konkret geplant, um die Berechnung, die Sie angestellt haben, mit der Wirklichkeit abzugleichen?
Mit dem Bundes innenminister habe ich mich in dieser Frage nicht unterhalten. Aber wir haben Kontakt zum Präsidenten des BAMF, Dr. Manfred Schmidt. Ihm ist wie uns an schnellen Verfahren ge legen. Zum einen haben die Flüchtlinge dann Planungssicher heit, und zum anderen würde dies auch die Landeserstaufnah meeinrichtung und die weiteren Einrichtungen entlasten.
Der Innenminister hat mit der Unterbringung an sich nichts zu tun. Wir wissen aber, dass sich die Dauer der Verfahren in den letzten Jahren deutlich verkürzt hat. Im Moment beträgt sie etwa ein Jahr. Wir rechnen zukünftig mit 15 Monaten. Das ist schon sehr großzügig. Außerdem haben wir weitere drei Monate dazugerechnet. Deswegen gehe ich von 18 Monaten aus.
Da ich weiß, dass das BAMF, aber auch der Bundesinnenmi nister schon mehrfach angekündigt haben – man kann es in den Zeitungen nachlesen –, die Verfahren zu beschleunigen, gehe ich davon aus, dass diese Zahlen richtig sind. Das be gründet nicht meinen Optimismus, sondern meinen Realis mus.
Sehr geehrter Herr Präsident, wer te Kollegen! Naturkatastrophen bringen Betroffene schnell an den Rand der Existenz. Im Zusammenhang damit wird der Ruf nach unbürokratischer Hilfe laut. Das war – bedingt durch das Hochwasser im Mai und im Juni dieses Jahres – auch in diesem Jahr festzustellen. Ich bitte daher die Landesregierung um Auskunft: Welche Schäden sind im Land durch das Hoch wasser im Mai und im Juni dieses Jahres entstanden?
Im Zusammenhang damit ist auch von Soforthilfe die Rede. Daher die Anschlussfrage: Wurde an die betroffenen Men schen im Land Soforthilfe ausgezahlt – wenn ja, in welcher Höhe –, und erfolgte diese Soforthilfe, wie versprochen, zü gig und unkompliziert?
Vielen Dank, Herr Abg. Funk. – Bitte, Herr Innenminister Gall, ich erteile Ihnen das Wort zur Beantwortung der Frage.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen, werte Kollegen! Wenn Sie mir gestatten, möchte ich der Beantwortung wenige Vorbemerkungen vor anstellen. Denn ich glaube, es lohnt schon, wenn wir uns noch einmal das Gesamtschadensereignis in Erinnerung rufen, wel ches aufgrund der Starkniederschläge vom 31. Mai bis zum 2. Juni dieses Jahres eingetreten ist. In diesem Zeitraum wa ren allein in Baden-Württemberg 10 000 Einsatzkräfte des Be völkerungsschutzes – Feuerwehren, Polizei, Technisches Hilfswerk, DLRG, Rettungsdienstorganisationen, Sanitäts dienstorganisationen bis hin zur Bergwacht – im Einsatz.
Wir haben feststellen müssen, dass diese langen, ergiebigen Niederschläge verstärkt im südöstlichen Teil unseres Landes zu verheerenden Schäden geführt haben, wie wir sie aus so genannten typischen Hochwasserschadenslagen kennen: über flutete Keller, überschwemmte Straßen, entwurzelte Bäume, zerstörte Stromleitungen, Hangrutsche usw. usf. 36 der insge samt 44 Stadt- und Landkreise waren betroffen, schwerpunkt mäßig der Zollernalbkreis und der Landkreis Sigmaringen. Die Einsatzkräfte hatten insgesamt 3 800 Einsatzstellen zu be wältigen. Es waren 1 900 Wohnhäuser und zwischen 470 und 480 Industrie- und Gewerbeanlagen von diesem Scha densereignis betroffen.
Zeitgleich waren auch starke Schäden entlang der Donau und der Elbe zu verzeichnen, was dazu geführt hat, dass uns das gemeinsame Meldezentrum des Bundes und der Länder in der Nacht gebeten hat, in Sachsen und in Sachsen-Anhalt Hilfe zu leisten. Wir haben noch in der Nacht Wasserrettungszüge der DLRG und der Feuerwehr Karlsruhe in Bewegung gesetzt, die dann in Magdeburg im Einsatz gewesen sind.
Ich habe das deshalb erwähnt, weil ich glaube, dass heute ei ne gute Gelegenheit ist, den Einsatzkräften für diesen Einsatz Dank zu sagen.
Jetzt konkret zu der gestellten Frage: Wir haben in BadenWürttemberg Schäden in Höhe von etwa 74 Millionen € zu verzeichnen. Wir vom Innenministerium haben die koordinie rende Funktion für alle Ressorts wahrgenommen, um entspre chende Hilfen in Gang zu setzen. Man kann sagen: Die Auf
bauhilfe des Bundes ist jetzt angelaufen; jetzt können entspre chende Anträge gestellt werden. Das war nicht ganz einfach – das will ich ausdrücklich sagen –, weil wir die Überlegun gen des Bundes in eine Verwaltungsverordnung des Landes gießen mussten. Das mussten übrigens andere Länder auch; da waren wir nicht langsamer unterwegs als andere Länder. Es handelt sich jedoch um einen schwierigen Abstimmungs prozess mit den beteiligten Ressorts und dem Landesrech nungshof, und wir haben auch die kommunalen Landesver bände an dieser Diskussion beteiligt. Ich will mich ausdrück lich auch bei den Städten und Gemeinden sowie den Land kreisen bedanken, die uns da sehr gut unterstützt haben.
Zum Stichwort Soforthilfe kann ich sagen: Der Ministerrat hat mich bereits am 11. Juni – ich habe gesagt, die Starknie derschläge erfolgten bis zum 2. Juni; danach wurden die Fol gen in ihrer ganzen Dimension und in ihren gesamten Aus wirkungen erkennbar – beauftragt, das Thema Soforthilfe in Angriff zu nehmen. Wir haben uns dabei auf das Eckpunkte papier der alten Landesregierung aus dem Jahr 2010 gestützt, in dem entsprechende Regelungen getroffen wurden, weil es schon in der Vergangenheit in Baden-Württemberg immer wieder vergleichbare Situationen gab. Das war die Grundla ge unseres Handelns.