Protocol of the Session on July 13, 2011

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Diese Änderung soll die Verfahrensvoraussetzungen für eine Volksabstimmung zu Stuttgart 21 zugunsten der Projektgeg ner verändern. Dies widerstrebt der mit der Volksabstimmung doch angestrebten Befriedung des Konflikts um Stuttgart 21. Denn wer Verfahrensregelungen mit Blick auf den Einzelfall ändert, beeinträchtigt die Allgemeingültigkeit und damit die Legitimation des Verfahrensergebnisses.

(Abg. Johannes Stober SPD meldet sich. – Glocke des Präsidenten)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Heiterkeit – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Er heißt Stober, Herr Präsident!)

Für die SPD. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.

(Heiterkeit – Zuruf: Stober!)

Stober.

Danke, dass Sie mir diese Zwi schenfrage auch in Kenntnis meiner Person gestatten. – Herr Kollege Mack, ich möchte Sie Folgendes fragen: Sie kritisie ren, dass im vorliegenden Gesetzentwurf lediglich die Sen

kung des Quorums bei der Abstimmung selbst thematisiert wird. Würden Sie dem Gesetzentwurf zustimmen, wenn die gesamte Palette – also das Sammeln der Unterschriften eben so wie das Zustandekommen eines Volksbegehrens – verän dert würde, man also auch an dieser Stelle an die Sache her angehen würde?

Vielen Dank. Wenn Sie meine weiteren Ausführungen abwarten, werden Sie die Antwort da rauf bekommen.

Aus dem Umstand, dass die Koalition, deren Ministerpräsi dent stets die Legitimation durch Verfahren betont, ein sol ches Vorgehen in Betracht zieht, kann abgeleitet werden, dass tatsächlich nicht der Konflikt, sondern nur die Projektgegner dahin gehend befriedet und dazu gebracht werden sollen, das – für sie – negative Ergebnis einer Volksabstimmung zu ak zeptieren. In der Summe handelt es sich hier um ein völlig verfehltes Vorgehen.

Baden-Württemberg ist mit dieser unserer Verfassung stark geworden. Die Menschen vertrauen auf die Gültigkeit dieser Landesverfassung. Die Verfassung darf nicht zum Spielball politischer Interessen werden.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Deswegen möchte ich schon darauf hinweisen: Es war gera dezu ein Skandal, was Verkehrsminister Hermann noch am Tag seiner Vereidigung hier in diesem Hohen Haus gegenüber der „taz“ verkündet hat: Wenn die Volksabstimmung aus sei ner Sicht falsch ausgeht, dann gibt er die Verantwortung für den Bahnhof ab. Lieber Herr Hermann, so geht man mit einer Verfassung nicht um.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Thomas Blenke CDU: Bravo!)

Die Regierung hat für Oktober dieses Jahres ein Ausstiegsge setz angekündigt. Der dafür erforderliche Gesetzentwurf liegt noch nicht vor. Wir fordern die SPD und insbesondere den Herrn Justizminister auf, genau zu prüfen, ob ein solches Aus stiegsgesetz überhaupt möglich ist. Ein verfassungswidriges Ausstiegsgesetz würde das Ansehen des Staates schwer be schädigen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Deshalb machen wir es nicht!)

Ich weiß, dass Sie darauf achten werden. Sie haben nämlich gesagt, schwierige politische Fragen seien zu prüfen. Deswe gen hat sich die Prüfung weiter verzögert. Damit wird sich na türlich auch eine mögliche Volksabstimmung verzögern.

Wir fordern die Grünen auf, im Sinne einer guten und ver nünftigen politischen Kultur in Baden-Württemberg endlich einmal mit dem Protest gegen das Projekt Stuttgart 21 und da mit aufzuhören, immer wieder Sand ins Getriebe zu streuen, wie sie es in diesen Tagen tun. Sie haben eine Förderungs pflicht für das Projekt Stuttgart 21.

Wie sieht es aber im Moment in Baden-Württemberg aus? Der eine Minister treibt die Leute auf die Bäume. Der andere Mi nister muss sie mit der Polizei nach rechtstaatlichen Grund sätzen wieder herunterholen. Das ist ein absurdes Theater.

Herr Ministerpräsident, wenn die Leute in Baden-Württem berg merken, dass dies das einzige politische Programm der Regierung ist, dann werden Sie die längste Zeit Ministerprä sident gewesen sein.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wir treten für eine erneuerte, auf Fairness bedachte und dia logorientierte politische Kultur ein, die den Bürgerinnen und Bürgern dient und bei der man ihnen zuhört. Baden-Württem berg ist nicht durch eine Spaltung der Gesellschaft, sondern durch die Fähigkeit zum Ausgleich groß geworden. Wir wol len eine Ergänzung der parlamentarischen Demokratie durch direktdemokratische Elemente über die gegenwärtigen Quo ren hinaus.

Herr Sckerl, Sie haben von einem Prozess gesprochen. Genau diesen Prozess sehen wir auch. Die CDU-Landtagsfraktion nimmt das Partizipationsbedürfnis und den nicht zuletzt in der Debatte über Stuttgart 21 zum Ausdruck gekommenen Parti zipationswillen in weiten Kreisen der Bevölkerung ernst.

Wir meinen aber auch, dass sich unsere parlamentarische De mokratie bewährt hat. Sie ist in besonderem Maß dazu geeig net, in einem politischen Aushandlungsprozess legitime Mehr heitsentscheidungen herbeizuführen, Belange von Minderhei ten zu berücksichtigen und populistische Radikalismen zu ver meiden.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Was ist denn ra dikal?)

Die Weiterentwicklung unserer Demokratie braucht aber auch den gesellschaftlichen Konsens. Vor weiteren Reformschrit ten steht für uns stets der öffentliche Diskurs, der in einen brei ten gesellschaftlichen Konsens über eine Verfassungsände rung münden muss. Bei einer Vielzahl möglicher Stellschrau ben und Ansätze wie – das ist die Antwort auf die Frage – Un terstützungsquoren, Zustimmungsquoren, Fristen, der Art und Weise der Unterschriftensammlung und Volksinitiativen ver bietet sich unseres Erachtens ein übereiltes Vorgehen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/DVP)

Gerade bei grundlegenden Fragen unserer Demokratie müs sen mögliche Veränderungen unter Einbeziehung aller Betrof fenen sorgfältig diskutiert und abgewogen werden. Die CDUFraktion setzt damit auf eine Weiterentwicklung unserer par lamentarischen Demokratie.

An dieser Stelle möchte ich ein Zitat bringen, das ich bei frü heren Debatten auch erwähnt habe. Theodor Heuss, einer der Väter unseres Grundgesetzes, hat gesagt:

Eine Volksinitiative ist eine Prämie für jeden Demagogen.

Diesen Satz, der aus einer historischen Erfahrung heraus ge sagt worden ist,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Was gilt denn jetzt? Mehr oder weniger?)

sollten wir unbedingt bedenken. Wir brauchen Augenmaß bei Verfassungsänderungen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Heftiges Sowohl-als- auch!)

Ich glaube, dass wir am Ende dieses Prozesses zu einem gu ten Ergebnis im Landtag von Baden-Württemberg kommen werden.

Entscheidend ist für uns auch eine bessere Öffentlichkeitsbe teiligung im Planungsrecht. Für den Erfolg eines Planungs prozesses ist die Resonanz der Öffentlichkeit und der Betrof fenen von entscheidender Bedeutung. Die Bürger wollen recht zeitig und umfassend informiert werden. Sie wollen ihre Mei nung bereits dann einbringen können, wenn die Planung noch nicht endgültig feststeht. Wir wollen deshalb die Öffentlich keit bei Großprojekten schon im Vorfeld stärker beteiligen

(Zuruf von den Grünen: Hört, hört!)

und auch im Verfahren selbst vollständige Transparenz garan tieren.

(Zurufe von den Grünen: Aha!)

Die CDU-Fraktion wird auf breiter Basis mit gesellschaftli chen Gruppen den genannten Komplex diskutieren und dann die eigenen Vorstellungen in die weitere parlamentarische Be ratung einbringen.

Ich habe die Hoffnung, dass sich die Regierung des Landes Baden-Württemberg in der Hauptsache wieder wichtigeren Dingen zuwendet als dem Streit um einen Bahnhof.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Es geht um die Verfas sung! – Zuruf der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE)

Das Land hätte es verdient.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Goll von der Fraktion der FDP/DVP.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Halt, halt!)

Entschuldigung! Zunächst erhält Herr Abg. Stoch von der Fraktion der SPD das Wort.