Protocol of the Session on October 9, 2013

Schulträger im Einvernehmen mit den zuständigen Gremien der Schule. Die Ganztagsangebote in offener Form sind frei willig. Für Schülerinnen und Schüler, die für das Ganztagsan gebot angemeldet sind, muss es aber eine bestimmte Verbind lichkeit geben. Vorgesehen wird eine Verpflichtung zur Teil nahme zumindest für die Dauer eines Schulhalbjahres.

Die Ganztagsschule in gebundener Form erstreckt sich auf die Vormittage und in der Regel vier Nachmittage einer Woche. In besonderen Einzelfällen kann die Zahl der Nachmittage auf drei verkürzt oder auf fünf erweitert werden. Die Teilnahme ist für die Schülerinnen und Schüler verpflichtend. Eine Ganz tagsschule in gebundener Form kann auch nur für einzelne Züge einer Schule eingerichtet werden.

Zugleich regelt unser Gesetzentwurf die Zuständigkeiten von Land und Kommunen sowie der einzelnen Schulen bei der Er richtung von Ganztagsschulen auf kommunalfreundliche Wei se neu. Über die Einrichtung einer Ganztagsschule in offener Form soll der Schulträger selbstständig entscheiden, soweit die pädagogischen und räumlichen Voraussetzungen gegeben sind. Die Einrichtung einer Ganztagsschule in gebundener Form bedarf darüber hinaus der Zustimmung der obersten Schul behörde. In beiden Fällen setzt der Beschluss eines Schulträ gers ein entsprechendes Votum der Gesamtlehrerkonferenz und der Schulkonferenz voraus.

Die Kosten für die öffentlichen Haushalte hängen natürlich wesentlich davon ab, in welchem Ausmaß und mit welcher Geschwindigkeit die Errichtung von Ganztagsschulen voran getrieben wird. So kommt der Bildungsforscher Professor Dr. Klemm in seinem Gutachten zu einer Zahl von 1 621 Depu taten, die benötigt würden, um bis 2016 ein Angebot an ge bundenen Ganztagsschulen im Bereich der Grundschulen und der weiterführenden Schulen im Umfang von 15 bis 20 % die ser Schulen zu gewährleisten.

Unser heute vorgelegtes liberales Konzept, das im Rahmen der Wahlfreiheit der Eltern ein stärkeres Gewicht auf offene Angebotsformen legt, wird mit geringeren Finanzmitteln aus kommen können. Außerdem erscheint es uns durchaus realis tisch, den Prozess einer vermehrten Einrichtung von Ganz tagsschulen mit einer Zuweisung von vier bei der offenen Form bzw. sechs Lehrerwochenstunden bei der gebundenen Form je Klasse bewältigen zu können. Hierfür würden etwa 800 Deputate benötigt, was Kosten von bis zu 40 Millionen € brutto entsprechen würde. Diese Stellen wären grundsätzlich durch das Freiwerden von Stellen im Rahmen des Rückgangs der Schülerzahlen bereitzustellen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Grün-Rot, auch hier se hen wir wieder einmal, wie verhängnisvoll sich nach wie vor Ihre Weigerung auswirkt, eine Priorisierung Ihrer bildungs politischen Ziele vorzunehmen. Legen Sie doch endlich ein Lehrerstellen-Entwicklungsprogramm vor, wie wir Liberalen es schon mehrfach angemahnt und auch schon beantragt ha ben. Angesichts der Tatsache, dass die grün-rote Koalition bis her eine Bildungspolitik betreibt, die einseitig eine Schulform privilegiert, nämlich die Gemeinschaftsschule, ist es uns Li beralen wichtig, zu betonen, dass nach unserer Auffassung al le Schulen gleichermaßen das Recht erhalten sollten, Ganz tagsangebote einzurichten, wenn sie dies wollen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Nach unserer Auffassung darf der weitere Ganztagsausbau nicht in den Dienst ideologischer Interessen gestellt werden,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist der Punkt!)

indem eine bestimmte Schulart Vorrang bei der Einrichtung eines Ganztagsangebots erhält. Vielmehr wollen wir mit un serem heutigen Gesetzentwurf allen Schülerinnen und Schü lern in Baden-Württemberg an allen Schularten gleicherma ßen mehr Chancen einräumen und das Wahlrecht der Eltern sowie die Qualität unseres vielfältigen Schulsystems stärken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Grün-Rot, suchen Sie doch heute nicht das Haar in der Suppe, um unseren Gesetz entwurf abzulehnen. Springen Sie einfach einmal über Ihren Schatten. Es wäre im Interesse der Schülerinnen und Schüler, der Eltern, der Lehrerinnen und Lehrer und der Kommunen von Baden-Württemberg.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die CDU-Fraktion spricht Kol lege Wacker.

Sehr geehrter Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Wir begrüßen den Gesetzent wurf der FDP/DVP zur Verankerung der Ganztagsschule im Schulgesetz aus einem ganz besonderen Grund: Dieser Ge setzentwurf hat nicht nur die Grundschulen im Blick, sondern alle Schularten. Das halten wir für dringend geboten. Insofern haben Sie, lieber Kollege Kern, dabei im Grundsatz unsere Unterstützung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren, dennoch möchte ich kurz auf die Chronologie der Ganztagsschule eingehen. Acht Jahre vor der letzten Landtagswahl hat sich ein gravierender Anstieg der Zahl der Ganztagsschulen in Baden-Württemberg abgezeich net. Die Zahl der genehmigten Ganztagsschulen nach dem Landeskonzept hat sich vervierfacht. Sie stieg von 297 auf 1 115 im Jahr 2011.

Das allerdings war für SPD und Grüne damals nicht genug. Im Jahr 2006 haben die Grünen einen Gesetzentwurf einge bracht mit dem Ziel, 40 % aller Schulen in Baden-Württem berg zu Ganztagsschulen weiterzuentwickeln. Dazu hat man 800 zusätzliche Deputate beantragt – neben den fast 2 000 De putaten, die die frühere Landesregierung dafür bereits einge plant hatte. Die SPD hat dies stets unterstützt. So gab es im November des Jahres 2010, kurz vor der letzten Landtags wahl, einen weiteren Gesetzentwurf der Grünen, in dem noch einmal zusätzlich 1 000 Deputate und ein hoher Millionenbe trag für die ehrenamtliche Unterstützung beantragt wurden. Ihnen, meine Damen und Herren, konnte es nicht schnell ge nug gehen.

Heute stehen wir vor der Situation: Zweieinhalb Jahre nach dem Regierungswechsel hat sich gar nichts getan, während Sie früher in der Opposition die Landesregierung diesbezüg lich ständig mit Anträgen forderten.

(Beifall des Abg. Norbert Beck CDU)

Was auch unglaublich ist: Hätten Sie damals die Mehrheit ge habt, Herr Kollege Fulst-Blei, dann müssten Sie heute diese 1 000 Stellen als Ihre eigene Erblast einsparen. Dazu würde ich Sie heute auch gern einmal hören.

(Zuruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE)

Meine Damen und Herren, Sie rufen nach dem Bund, weil Sie kein seriöses Finanzierungskonzept für die Ganztagsschulen, die Sie planen, auf den Weg bringen. Ihnen wird es schwer fallen, die 1 840 Deputate, die die frühere Landesregierung dafür eingeplant hat, mit Ihrem Konzept zu toppen. Da bin ich einmal gespannt, wie sich das entwickelt.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Andrea Lind lohr GRÜNE)

Die CDU-Position ist eindeutig. Wir wollen ein flächende ckendes, bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsschulen für alle Schularten, weil wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter verbessern wollen und weil die Kinder pädago gische Angebote brauchen, die sehr stark ihren individuellen Bedürfnissen entsprechen. Die Wahlfreiheit der Eltern hat da bei für uns einen ganz besonderen Stellenwert. Wir wollen die flexiblen Angebote vor Ort. Darüber soll vor Ort entschieden werden.

Wir halten es im Übrigen, Herr Kultusminister, für angemes sen, sehr konstruktiv darüber nachzudenken, ob die Trennung zwischen einem offenen Landesprogramm und einem Lan desprogramm für gebundene Ganztagsschulen überhaupt noch zweckmäßig ist. Entscheidend ist vielmehr, dass vor Ort pass genaue Konzepte entwickelt werden müssen. Denn jede Schu le soll in Abstimmung mit dem Schulträger das Konzept ent wickeln können, das den Bedürfnissen der Kinder bzw. der Eltern vor Ort entspricht. Schablonen von oben darf es nicht geben.

Das forsa-Institut hat im Auftrag der Zeitschrift „Eltern“ im April dieses Jahres eine Umfrage durchgeführt, und die Er gebnisse sind schon sehr bemerkenswert. 87 % der befragten Eltern deutschlandweit haben sich für ein flächendeckendes, nicht verbindliches Ganztagsangebot an unseren Schulen aus gesprochen. 74 % der befragten Eltern deutschlandweit haben gefordert, der Staat solle dafür Sorge tragen, dass Familien die Möglichkeit haben, das Betreuungsmodell für ihre Kinder zu wählen, das am besten zu den eigenen Bedürfnissen passt. Nur 34 % der befragten Eltern haben sich für ein verbindli ches Ganztagsschulangebot an den Grundschulen ab Klasse 1 ausgesprochen.

Meine Damen und Herren, Sie tun das Gegenteil von dem, was die Eltern wollen. Erstens haben Sie bisher nur die Grund schulen im Blick, und zweitens privilegieren Sie die Gemein schaftsschule. Sie hat sogar einen Rechtsanspruch erhalten, und die Eltern, deren Kinder vor Ort als einzige Schulart ei ne Gemeinschaftsschule besuchen können, haben vor diesem Hintergrund nicht einmal die Wahlfreiheit zwischen einem of fenen und einem gebundenen Ganztagsangebot. Meine Da men und Herren, das hat mit Wahlfreiheit und Flexibilität recht wenig zu tun.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir wollen eine starke Einbindung des Ehrenamts als wichti gem Partner für die pädagogischen Konzepte.

Ich halte abschließend fest: Ganztagsschulen genießen einen breiten gesellschaftlichen Konsens. Vor diesem Hintergrund hat die CDU Baden-Württemberg gemeinsam mit der CDUFraktion im Januar dieses Jahres der Landesregierung einen „Pakt für den Ausbau der Ganztagsschulen“ mit einem seriö sen Finanzierungskonzept seitens des Landes angeboten. Sie sind bisher nicht darauf eingegangen. Wenn wir einen so brei ten Konsens zu einem Thema haben, verdient dies einen an deren Umgang der Landesregierung gegenüber diesem Ho hen Haus und gegenüber allen Fraktionen. Insofern erwarten wir von Ihnen eine klare Positionierung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Frau Kollegin Boser.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich danke zunächst der Fraktion der FDP/DVP für die Erarbeitung des Gesetzentwurfs. Denn diese Initiative zeigt, dass wir hier im Haus eine Übereinstim mung dahin gehend haben, dass wir eine gesetzliche Grund lage für die Ganztagsschule in Baden-Württemberg brauchen.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist unseres Erachtens aller dings nicht geeignet, ein qualitativ hochwertiges Ganztags schulangebot für Baden-Württemberg bereitzustellen. Man hat eher das Gefühl, es wurde halt einmal etwas erarbeitet, da mit ein Gesetzentwurf vorliegt.

Es ist richtig – darin stimme ich mit Ihnen überein –, dass wir im Ganztagsschulbereich vor allem an den Grundschulen ein freiwilliges Angebot stellen sollten – ich beziehe mich hier ausdrücklich auf die Grundschulen – mit der Möglichkeit, in den offenen oder den gebundenen Bereich zu gehen. Denn ge rade hier bestimmt vor allem der Elternwille, welches Ange bot eher akzeptiert wird.

Wir sind auch davon überzeugt, dass nur ein freiwilliges An gebot am Ende dazu führt, dass eine breite Akzeptanz für die Ganztagsschule in Baden-Württemberg hergestellt werden kann. Daher benötigt aber ein gutes Ganztagsschulgesetz nicht nur Vorgaben – wie es in dem vorliegenden Gesetzentwurf von Ihnen geregelt ist – über die Anzahl der Tage mit Ganz tagsangebot und die Anzahl der Lehrerwochenstunden, die mit diesem Gesetz vergeben werden sollen. Vielmehr muss in diesem Gesetz Folgendes geregelt sein: Grundlage bzw. Vor aussetzung ist, dass ein pädagogisches Konzept vorliegt, das über ein Betreuungsangebot an der Ganztagsschule hinaus geht, und dass dieses Angebot langfristig und verlässlich ein gerichtet wird, sodass nicht von Jahr zu Jahr neu entschieden wird, ob eine Ganztagsschule eingerichtet wird oder nicht.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Dies wird aber im vorliegenden Gesetzentwurf in keiner Wei se angesprochen.

(Zuruf: Doch!)

Nein. Sie haben in diesem Gesetzentwurf keinerlei pädago gische Merkmale hinterlegt,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Selbstverständ lich!)

sondern in Ihrem Gesetzentwurf wird lediglich davon gespro chen, welche Lehrerwochenstunden für welche Zeiten zur Ver fügung gestellt werden sollen. Wir sind davon überzeugt, dass in der Ganztagsschule eine hervorragende Möglichkeit be steht, über ein rhythmisiertes Ganztagsschulangebot den Schul alltag so anzupassen, dass die Schülerinnen und Schüler die bestmöglichen Lernvoraussetzungen erhalten. Dazu bedarf es eben eines pädagogischen Konzepts.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Dafür sorgt jede Schule selbst!)

Ein rhythmisiertes Angebot kann gerade in der gebundenen Form bestmögliche Förderangebote bieten und die Schule nicht nur als Lern-, sondern auch als Lebensort gestalten.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wollen Sie ein Kon zept vorgeben, oder wie?)

Das werde ich gleich noch ausführen, Herr Röhm. Aber Ih re Zwischenrufe sind manchmal wirklich anstrengend.

(Beifall des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD)

Die Gestaltung wollen wir selbstverständlich den Schulen vor Ort überlassen.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)