Man könnte nun annehmen, dass Sie die Warnrufe aus der Pra xis ernst nähmen. Doch weit gefehlt. Wie reagieren Sie? Sie reagieren mit Polemik, Ironie und Verharmlosung. Es wurde schon gesagt: Der SPD-Fraktionsvorsitzende Claus Schmie del nennt die baden-württembergischen Lehrerverbände Heul susen. Herr Ministerpräsident Kretschmann meint, wenn nach der übereilten Abschaffung der Verbindlichkeit der Grund schulempfehlung nur 10 % aller Gymnasiasten in den fünften Klassen versetzungsgefährdet seien, sei das doch eine drama tische Verbesserung, denn früher seien ja 50 % sitzengeblie ben. Ich finde das schon bemerkenswert.
Meine Damen und Herren, so reagieren Politiker nur, wenn sie in der Bildungspolitik mit ihrem Latein völlig am Ende sind.
Die Anrechnungsstunden sind eben nicht „nice to have“, son dern sie sind für die Schulen von eminenter Bedeutung.
Die Kürzungen im Entlastungsbereich gehen immer zulasten der Unterrichtsversorgung, des Schulangebots insgesamt. Die Kürzungen bei den Hausaufgabenbetreuungsstunden an den Gymnasien werden vor allem den Kindern aus bildungsfer nen Elternhäusern schaden. Sie lassen sich aber hier heute da für feiern, dass Sie die Unterrichtversorgung im Pflichtbereich scheinbar verbessert haben.
Sie schaffen das aber nur, weil Sie den Pflichtbereich gegen den Entlastungsbereich ausspielen. Das heißt, Sie nehmen den Schulen das Geld aus der linken Tasche weg und stecken es in die rechte Tasche, und dafür lassen Sie sich feiern.
Ihre Personalpolitik im Bildungsbereich ist und bleibt eine gi gantische Fehlkalkulation, und sie ist im Übrigen auch eine Milchmädchenrechnung. Gehen wir noch einmal ganz kurz zurück: Zuerst kommt aus dem grünen Staatsministerium der unabgesprochene Vorstoß, dass 11 600 Lehrerstellen einge
und versucht, die schlimmsten Auswirkungen dieser Sparmaß nahmen abzumildern. Das geschieht nach dem eben beschrie benen Prinzip „Linke Tasche, rechte Tasche“.
Wie kommt der Ministerpräsident auf 11 600 Lehrerstellen? Ganz einfach: Er addiert die k.w.-Stellen und die Stellen der nicht vollzogenen Klassenteilersenkung
(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Der nicht finanzier ten! – Abg. Sandra Boser GRÜNE: Nicht finanzier ten!)
und kommt schwups auf 11 600 Lehrerstellen, die seiner Mei nung nach verzichtbar seien. Donnerwetter, das ist fantasie volle und einfallsreiche Bildungspolitik, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. San dra Boser GRÜNE: Keine Ahnung! – Glocke des Prä sidenten)
Wie aber sähe nun – das ist die spannende Frage – eine seri öse, das heißt eine liberale Personalpolitik aus?
Verantwortliche Bildungspolitik würde in einem ersten Schritt die wichtigsten Bildungsvorhaben definieren. Anschließend würde man für diese Vorhaben ein Personalbedarfskonzept er mitteln und vorlegen. Erst danach würde man sich überlegen, ob und wie Einsparungen möglich wären.
Grün-Rot geht aber genau umgekehrt vor: Par ordre du muf ti legt man fest, dass 11 600 Lehrerstellen wegfallen. Gleich zeitig versprechen Sie aber den Menschen in Baden-Württem berg eine Verbesserung der Unterrichtsversorgung, Inklusion, Ausbau des Ganztagsbetriebs, kropfunnötige G-9-Modell schulen und eine flächendeckende Einrichtung kostspieliger Gemeinschaftsschulen. Weil Sie eben kein ordnungspoliti sches Gesamtkonzept haben und folglich nicht alle Projekte unter einen Hut bekommen, hecheln Sie permanent zwischen Sparvorhaben und Wählerversprechen hin und her. Das ist das Gegenteil einer vernünftig geplanten Personalpolitik im Bil dungsbereich, meine Damen und Herren.
An dieser Stelle kann man auch sagen, dass weiteres Unge mach droht. In der letzten Woche haben Sie mit Ihrem Ab stimmungsverhalten im Bildungsausschuss deutlich gemacht, dass Sie die Abschaffung der Altersermäßigung für Lehrkräf te ausdrücklich nicht ausschließen.
Ihre Personalpolitik im Bildungsbereich ist durch zwei Eigen schaften gekennzeichnet. Erstens: Ihr Personalabbau im Lehrer bereich ist Kaffeesatzleserei. Die 11 600 Stellen sind durch keinerlei inhaltliche Vorgaben begründet. Jede IKEA-Anlei tung ist übersichtlicher und durchdachter als Ihr Plan zum Lehrerstellenabbau.
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP/DVP und Abge ordneten der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Stefan Fulst- Blei SPD)
Zweitens: Die grün-rote Bildungspolitik findet auf dem Rü cken der baden-württembergischen Lehrer statt. Deshalb fin det Ihre Bildungspolitik ein solch verheerendes Echo bei den Lehrerverbänden.
Es bleibt auch heute dabei: Die Menschen in Baden-Württem berg brauchen in der Bildungspolitik genau das Gegenteil von dem, was Grün-Rot macht.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: An der Realität vor bei! – Zuruf von der CDU: Bravo!)
(Abg. Winfried Mack CDU: Der ist ganz bleich! – Gegenruf des Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Dem liegt sein Ministerium noch im Magen!)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich am Montag den Titel der Aktuellen Debatte gehört habe, habe ich mich
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Gleich ent schlossen, die Ministerialdirektorin zu feuern! – Hei terkeit und Beifall bei der FDP/DVP und Abgeord neten der CDU)
ein wenig gewundert. Denn die Formulierung „Mangelhafte Unterrichtsversorgung – mangelhafte Chancen für unsere Kin der“ kann mit der derzeitigen Situation an unseren Schulen nichts zu tun haben. Ich werde Ihnen das auch begründen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben – Stand heute –, obgleich wir bereits seit einigen Jahren einen ganz erheblichen Rückgang der Schülerzahlen verzeichnen, noch keine einzige Lehrerstelle aus diesem System herausgenom men.
Frau Kollegin Boser hat dies vorhin erwähnt, als sie die Leh rer-Schüler-Relation angesprochen hat, die heute so günstig ist wie noch nie.
dann sprechen wir darüber, dass wir in Bezug auf die Organi sation dieses komplexen Systems Schule selbstverständlich noch immer Nachbesserungsbedarf haben. Denn wenn wir heute an einzelnen Schulen einen krankheitsbedingten Aus fall verzeichnen, müssen wir entsprechend reagieren. Das ist Aufgabe der Schulleitungen; diese müssen, beispielsweise bei kurzfristigen Erkrankungen, Lehrerinnen und Lehrer dazu ein setzen, die entstehenden Lücken über Mehrarbeit auszuglei chen. Das ist in dieser komplexen Organisation etwas Selbst verständliches. Bei länger andauernden Erkrankungen gibt es die Möglichkeit, befristete Arbeitsverhältnisse abzuschließen, und zwar über die sogenannten Schöpfmittel, also über die Mittel, die im Haushalt genau zu diesem Zweck eingestellt sind. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit einer fest instal lierten Krankheitsvertretungsreserve.