Protocol of the Session on June 20, 2013

(Abg. Thomas Blenke CDU: Was haben Sie konkret vor?)

Wenn man das umsetzen will, muss man dafür dann auch die Verantwortung übernehmen und sich daranmachen, Struktu ren zu schaffen, die ermöglichen, dass man mit diesem Per sonalabbau auch zurechtkommt. Das heißt, man muss den Menschen ehrlich sagen, welche Aufgaben dann abgebaut werden. Das haben Sie nicht gemacht, auch nicht im Bereich der Polizei.

Wir haben natürlich zur Kenntnis zu nehmen, dass die Aufga ben der Polizei eher anwachsen, als dass es dort Einsparmög lichkeiten gäbe.

Die Polizei musste ihre Aufgaben in einer Struktur bewälti gen, die nahezu 40 Jahre alt ist. An der einen oder anderen Stelle wurde in der Tat nachjustiert – man könnte auch davon sprechen, dass korrigiert wurde –, man hat an der einen oder anderen Stelle versucht, den Personalabbau mit organisatori schen Veränderungen weniger sichtbar zu machen, um es et was freundlich auszudrücken.

Die außerordentlich kleinräumige Struktur der Organisation in Baden-Württemberg hat dazu geführt, dass unsere Dienst stellen – das ist nun einmal die Wahrheit – nicht in gleichem Maß quer über das Land Baden-Württemberg hinweg in der Lage waren, ihren Aufgaben in der gleichen Qualität gerecht zu werden. Es geht um Dienststellen, die die gleichen Aufga ben zu erledigen haben, deren Personalausstattung sich aber um den Faktor 10 unterschieden hat, nämlich Direktionen in der Größenordnung von 240 Beschäftigten bis zur Größen ordnung von 2 200 Beschäftigten. Es wird schlechterdings niemand bestreiten, dass diese unterschiedlich ausgestalteten Dienststellen nicht die gleichen Aufgaben mit der gleichen Qualität wahrnehmen konnten.

Meine Damen und Herren, es gab zwei Möglichkeiten, die sen von mir dargestellten Problemen Rechnung zu tragen: Wir

hätten mehr Personal einstellen und mehr Geld in die Organi sation geben können. Wir haben uns leider zu eigen machen müssen, dass dies nicht finanzierbar und angesichts der Haus haltsentwicklung und der Schuldenbremse nicht leistbar sein wird. Also blieb im Prinzip nur die Möglichkeit, die Organi sation so zu verändern, dass wir mit dem, was wir an perso nellen und finanziellen Ressourcen haben, zurechtkommen.

Meine Damen und Herren, was hätten in dieser Situation vie le Unternehmen und auch öffentliche Verwaltungen gemacht, und was wurde in der Vergangenheit gemacht? Man hat für teures Geld externe Organisations- und Beratungsunterneh men mit der Betrachtung der Situation und der Bearbeitung entsprechender Vorschläge beauftragt. Das dient manchmal in der Tat dazu, das politische Leben etwas einfacher zu ge stalten, weil man sich dann auch auf solche Gutachten stüt zen kann.

Ich bin anders vorgegangen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Ich habe Vertrauen in die Stärke, in das Wissen und die Erfahrung unserer eigenen Polizei gesetzt. Ich will schon einmal vorgreifen: Ich bin nicht nur nicht enttäuscht worden, sondern ich bin in hohem Maß überrascht worden, zu welchen Leistungen die Polizei in der Eigenanalyse und bei der Aus arbeitung der Vorschläge in der Lage ist.

Wir haben eine Projektgruppe mit Kompetenzen aus allen Ebenen, aus allen Aufgabenfeldern unserer Polizei eingerich tet. Ebenso haben wir einen Lenkungskreis eingerichtet, der mit Sachverstand aus der Verwaltung, mit reformerfahrenen Beamten, die damals, während der Regierungszeit der derzei tigen Opposition, tätig waren, besetzt war. Einbezogen war beispielsweise der Landesrechnungshof, der diesen Verände rungsprozess aus der finanziellen Betrachtung heraus von An fang an begleiten konnte, ebenso wie kommunaler Sachver stand aus den Regionen Baden-Württembergs. Diese Projekt gruppe ging dann drei Monate – wenn man so will – in Klau sur. Sie hat sich nicht eingeschlossen, ging jedoch an der Fach hochschule in Villingen-Schwenningen in Klausur und nutz te den fachlichen Background, der dort vorhanden ist.

Gleichzeitig, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben wir im Laufe dieses Prozesses die Mitarbeiter gebeten, dieser Projektgruppe ihre Meinung von der Zukunft der Polizei Ba den-Württembergs zur Kenntnis zu geben. Ich habe nicht aus findig machen können, ob dieses Verfahren unter der frühe ren Regierung schon einmal gewählt wurde. Die Beschäftig ten, die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die Tarifkräf te haben von dieser Möglichkeit kräftig Gebrauch gemacht.

Im Ergebnis kann ich feststellen, dass sich 80 % der Vorschlä ge zur zukünftigen Organisation und Ausgestaltung der Poli zei auch in den Eckpunkten dieser Projekte wiedergefunden haben. Aus den Reihen der Polizei gab es allein 166 Vorschlä ge für strukturelle Veränderungen.

Meine Damen und Herren, wir haben diese Eckpunkte vorge stellt und diskutiert. Dann haben wir uns an die Planung für die Umsetzung dieser Eckpunkte gemacht. Auch hier war be eindruckend, was geleistet wurde. Weit über 1 000, nahezu 2 000 Projektbausteine wurden von den Projektgruppen bzw. von den Arbeitsgruppen innerhalb der Projekte bearbeitet. Es ist wahr: Diese Reform ist sehr weitreichend, und jede Verän derung in irgendeinem Bereich der Polizei hat natürlich Aus

wirkungen auf das Gesamtgefüge und auf die Arbeit der Po lizei insgesamt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sollten nicht ver gessen – das hat mich ebenfalls tief beeindruckt –: Viele ver antwortliche Beamtinnen und Beamte unserer Polizei, von de nen viele zu Ihrer Regierungszeit in Funktion gekommen sind – völlig zu Recht, weil es gute Leute sind –, haben ihre per sönliche Karriere, ihre persönlichen Sichtweisen, die die Per son und ihre Zukunft in der Polizei betreffen, in vielen Berei chen ganz offensichtlich hintangestellt. Sie haben ausschließ lich rein fachliche Aspekte als Grundlage für die Entscheidun gen genommen: Kriminalaspekte, Belastungs- und Bezie hungsgeflechte, aber beispielsweise auch die Verkehrsbelas tung, das Unfallaufkommen in bestimmten Bereichen des Landes und viele andere Faktoren mehr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben uns auf diesem Weg auch nicht politisch beeinflussen lassen – das schreibe ich mir zu. Sie mögen das kritisieren, weil Sie das bei Ihren Organisationsentscheidungen nämlich häufig ge macht haben. Von Ihrer Seite kam in dieser Diskussion immer wieder der Vorschlag, ich solle an der einen oder andere Stel le nachgeben,

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Die Politik des Weg hörens!)

die Reform sei im Prinzip richtig gut, aber ich solle etwa statt zwölf lieber 16 neue Präsidien schaffen, sodass Sie vielleicht doch zustimmen könnten. Gern will ich zugeben, dass auch Abgeordnete aus den Regierungsfraktionen an der einen oder anderen Stelle versucht haben, Einfluss zu nehmen. Das spricht nicht gegen die Abgeordneten, sondern eher dafür, dass sie auch lokale Interessen, Wahlkreisinteressen vertreten. Das ist völlig legitim.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Die wollen wir alle hö ren!)

Sie können mir kein einziges Beispiel nennen, bei dem ich diesen politischen Forderungen nachgegeben hätte;

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

denn ich habe sie sachlich und fachlich für nicht richtig er achtet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich lege wirklich großen Wert darauf: Wir haben bei dieser Organisationsreform – wissend, dass viele Beamtinnen und Beamte direkt betrof fen sind – Wert darauf gelegt,

(Zuruf des Abg. Dr. Dietrich Birk CDU)

dass die neue Landesregierung einen anderen Umgang mit ih ren Beschäftigten pflegt, als dies in der Vergangenheit der Fall gewesen ist.

Wir haben uns nicht darauf zurückgezogen und nicht gesagt: „Es gibt klare Regeln, beispielsweise im Landespersonalver tretungsgesetz, wie die Beschäftigten bei solchen Reformen einzubinden sind“, sondern wir haben ein Interessenbekun dungsverfahren ins Werk gesetzt. Das war nicht einfach – das will ich ausdrücklich sagen –, denn dafür gab es gar keine Pro

gramme. Wir mussten erst einmal ein EDV-Programm dafür schreiben, weil wir die Fülle der Wünsche, die dort geäußert wurden – darum haben wir ausdrücklich gebeten –, auch ent sprechend handhaben und abarbeiten können müssen.

50 % der Beschäftigten haben von diesem Angebot Gebrauch gemacht. Ich will ausdrücklich sagen: Für dieses Angebot ha be ich auch Kritik erhalten.

(Zuruf von der CDU: Zu Recht!)

Ich denke und hoffe, dass dieser Zwischenruf nicht unter ging. „Zu Recht!“, lautete der Zwischenruf.

(Zuruf des Abg. Dr. Dietrich Birk CDU)

Das heißt, Sie kritisieren, dass wir versuchen, die Mitarbeite rinnen und Mitarbeiter in einem solchen Prozess mitzuneh men.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Ja, eben!)

Andere Länder und andere Minister haben gesagt: „Ihr legt eine hohe Latte an für zukünftige Veränderungen in unseren Ressorts.“

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Sie setzen sich über die Interessen der Mitarbeiter hinweg, Herr Kollege!)

50 % der Beschäftigten haben ihre Meinung zu der Frage ge äußert: Wo finde ich mich wieder, wo würde ich mich in der neuen Struktur gern wiederfinden?

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Sagen Sie mal was zur Erfolgsquote!)

28 000 Wünsche – in Erst-, Zweit- und Drittwünsche aufge gliedert – sind eingegangen, und wir sind gerade dabei, diese Wünsche so weit wie möglich zu berücksichtigen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: So wie im mer: Gehört, aber nicht erhört!)

Wobei, Herr Birk und Herr Rülke: Ich wäre gespannt, ob Sie nicht grundsätzlich die Auffassung vertreten, dass bei Verän derungen von Strukturen in Landesbehörden auch zukünftig jedenfalls der Grundsatz „Personal folgt Aufgabe“ gilt.

(Beifall des Abg. Nikolaos Sakellariou SPD)

Beamtinnen und Beamte unseres Landes haben eine Beam tenpflicht, haben eine Treuepflicht. Deshalb: Wenn Verände rungen vorgenommen werden, gilt dieser Grundsatz „Perso nal folgt Aufgabe“.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Also! Jetzt lassen Sie die Katze aus dem Sack!)

Das gilt auch für uns. Aber ich sage ausdrücklich: Soweit es irgend machbar ist, werden wir alle Möglichkeiten ausschöp fen – arbeitsrechtliche Möglichkeiten, Telearbeitsplätze, Über gangsregelungen und, und, und –, um diese Maßnahme,

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

um diese Organisationsstruktur so sozial verträglich wie mög lich umzusetzen.

Meine Damen und Herren, wir haben – auch dies sehe ich im mer noch als einmalig an – weit vor der Ersten Beratung, die wir heute hier im Haus durchführen, in einem Prozess, der nun fast ein Jahr lang dauert, in über 300 Veranstaltungen, Termi nen vor Ort mit Beschäftigten, mit Gebietskörperschaften, mit den kommunalen Landesverbänden, mit Betroffenen über die se Vorstellung diskutiert.

Ich glaube, es gab in der Vergangenheit kein Gesetz, meine Damen und Herren, das, bevor es ins Parlament ging oder als Referentenentwurf zur Diskussion stand, so umfangreich sichtbar, so transparent gemacht wurde. Wie gesagt: 300 Ter mine vor Ort, Regionalkonferenzen.

Wir haben 120 Landtagsanfragen zu diesem Thema beantwor tet. Da waren, finde ich, nicht alle sehr findungsreich. Darun ter waren viele Dopplungen Ihrerseits. Aber wir haben 120 Landtagsanfragen beantwortet.

(Zuruf des Abg. Karl Klein CDU)

Wir haben Diskussionen, Debatten, Aktuelle Debatten zu die sem Thema hier geführt.