Protocol of the Session on June 19, 2013

Jetzt habe ich vergessen, dass noch eine Frage vorlag. Ent schuldigung.

Diese können Sie jetzt nicht mehr zulassen. Die neue Geschäftsordnung sieht vor, dass man nur innerhalb der Redezeit Fragen zulassen kann, nicht anschließend; denn sonst könnte man ja seine Redezeit verlängern.

(Abg. Walter Heiler SPD: Eine Schlussfrage, keine Zwischenfrage! – Abg. Nicole Razavi CDU zu Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Das war keine Absicht! – Gegenruf des Abg. Walter Heiler SPD: Das könnt ihr draußen klären!)

Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Haller.

Herr Präsident, meine Da men und Herren! Mit dem im Koalitionsvertrag enthaltenen Ziel – ich zitiere –, „nachhaltige Mobilität in einem moder nen Wirtschaftsstandort“ zu schaffen, haben sich SPD und Grüne ein ehrgeiziges Ziel gesetzt, das geprägt ist vom Erhalt der Wirtschaftskraft und des Wachstums in diesem Land ei nerseits und der Schaffung umweltfreundlicher Lebensbedin gungen andererseits. Wir in Baden-Württemberg, einem hoch

industrialisierten Bundesland mit einer hohen Lebensqualität, sind damit einem stetigen Zielkonflikt zwischen wirtschaftli chem Wachstum einerseits und Sicherung der Lebensgrund lagen und ökologischer Orientierung andererseits ausgesetzt.

Diese beiden Ziele, meine Damen und Herren, lassen sich beim besten Willen nicht immer konsensual verfolgen. Häu fig muss in den alltäglichen Regierungs- und Parlamentsent scheidungen dem einen oder anderen Ziel Vorrang eingeräumt werden. Wir, die Koalition, versuchen, diesen Zielkonflikt zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger zu minimieren, wohl wissend, dass auch wir die Quadratur des Kreises nicht im mer schaffen können und werden.

(Abg. Walter Heiler SPD: Aber immer öfter!)

Lassen Sie mich noch zwei, drei Zahlen zu den Treibhausgas emissionen – es handelt sich um ungefähre Zahlen – nennen. Der Anteil des Verkehrs an diesen Emissionen liegt global be trachtet bei 13 %, in Deutschland sind es 18,7 %, in BadenWürttemberg 27,6 %. Diese Zahl ist sicherlich zu relativieren, weil sie aus dem Jahr 2010 stammt, als wir den Strom noch in hohem Maß aus Atomkraft produzierten; das schlägt sich natürlich entsprechend nieder.

Ergänzend – darauf will ich schon verweisen – zitiere ich aus dem aktuellen „Greenpeace Magazin“, das in seiner neuesten Ausgabe feststellt, dass Waldi, Miezi und Hansi – das bin aber nicht ich –

(Heiterkeit)

einen ökologischen „Pfotenabdruck“ von zusammen über 4,0 t CO2 haben, während der ökologische Fußabdruck beim Men schen bei etwa 10,0 t liegt.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Diese Relation muss man auch im Auge haben. Sprich: Kat zen und Hunde sind nicht nur eine Bedrohung für Vögel und Mäuse. Vielmehr sind Katzen, Hunde und Vögel laut Green peace wegen ihrer CO2-Emissionen auch eine Bedrohung für das Weltklima.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Es gibt auch selte ne Vögel! – Abg. Nicole Razavi CDU: Schräge Vö gel!)

Was will ich damit sagen? Der Verkehr – das ist sicherlich iro nisch zugespitzt – ist nur einer von vielen Treibhausgasemit tenten. Aber gemessen an der Bedeutung der Mobilität für uns und unseren Wohlstand in Baden-Württemberg müssen wir nicht stetig Zweifel hegen und Weltuntergangsszenarien pro duzieren.

Das heißt nicht, dass wir die Hände in den Schoß legen kön nen, meine Damen und Herren. Ganz im Gegenteil, mit die ser in unserem Bundesland vorhandenen Wirtschaftskraft, mit unserer Forschungs- und Technikqualität wollen wir voller Lebensfreude daran arbeiten, die CO2-Emissionen weiter zu reduzieren.

(Beifall bei der SPD)

Ich lege einen Mobilitätsbegriff zugrunde, der davon ausgeht, dass sich der Mensch mithilfe einer technischen Erfindung be

wegt. Weil wahrscheinlich Fahrzeuge wie Bobbycar, Kettcar und das Fahrrad die einzigen technischen Geräte sind, die sich ohne ergänzende Energie bewegen lassen, gilt: Am nachhal tigsten wäre es, sich überhaupt nicht zu bewegen; das wäre Mobilität, die nicht stattfindet.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Insoweit ist jede Forderung nach nachhaltiger Mobilität ir gendwo ein Teil einer Lebenslüge, die impliziert, Mobilität sei möglich, ohne umweltschädlich zu sein. Doch das geht nun einmal beim besten Willen nicht, meine Damen und Her ren. Es stellt sich also nicht die Frage, ob wir Energie verbrau chen, um uns zu bewegen, sondern die Frage, in welchem Ausmaß wir hierfür Energie verbrauchen. Ich erkläre an die ser Stelle klipp und klar für die SPD, dass wir bereit sind, zum Erhalt unserer Lebensqualität,

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Lebensqualität der SPD!)

zur Sicherung unseres Wohlstands, zur Sicherung unserer Ar beitsplätze und des sozialen Fortschritts gewisse Beeinträch tigungen der Umwelt in Kauf zu nehmen und nicht von der Wohlstandsgesellschaft Abstand zu nehmen zugunsten eines einfachen Lebens und dieses zu predigen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU und der FDP/DVP)

Uns treibt kein Schuldkomplex der Wohlstandsgesellschaft um, sondern wir freuen uns jeden Tag, dass wir in BadenWürttemberg bei gleichzeitiger Reduzierung der Umweltbe lastungen einen hohen Lebensstandard haben. Das ist unser Ziel.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU und der Grünen)

Wir erheben nicht in jeder erdenklichen Situation den mora lischen Zeigefinger, z. B. wenn jemand mit einem 20 Jahre al ten Pkw von mir aus nach Stuttgart fährt. Ein 20 Jahre altes Auto kann ökologischer sein als das neueste Ministerauto,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

weil das alte Auto nicht mehr produziert werden musste. Die ständige Herstellung neuer Produkte erhöht den CO2-Ausstoß. Insoweit mag das alte Auto unter Umständen einen ökologi scheren „Pfotenabdruck“ haben als ein Manager- oder Minis terelektrofahrzeug neuester Güte.

(Vereinzelt Beifall)

Aber das ist eine Unterstellung.

Was will ich sagen? Wir stehen für eine nachhaltige Mobili tät, aber mit Augenmaß. Unser Ziel ist dabei, ohne falsches Pathos mit vielen, vielen kleinen Schritten in diesem Bundes land die Emissionen zu reduzieren und Lebensqualität zu er möglichen. Was machen wir dafür? Hier ein paar Zitate.

(Dem Redner wird das Ende seiner Redezeit ange zeigt.)

Herr Präsident, es ist das erste Mal, dass ich meine Rede zeit überschreite.

Wir haben die Mittel für Landesstraßen erhöht; das bedeutet Nachhaltigkeit, wenn wir im Einzelfall weniger Stau haben. Daran wollen wir weiterarbeiten. Wir geben sehr viel Geld für den Ausbau der Schienenstrecken aus. Wir finanzieren den ÖPNV und anderes mehr. Denn klar ist: Diese Transformati on der Verkehre kostet erstens viel Geld, und diese Transfor mation kostet zweitens verdammt viel CO2-Emissionen. Da rüber müssen wir uns im Klaren sein; dazu bekennen wir uns, weil unsere exportorientierte Wirtschaft sowie die Tourismus wirtschaft darauf setzen, dass Mobilität in diesem Bundesland umfassend und staufrei möglich ist. Dafür gilt das Wort des Fraktionsvorsitzenden Schmiedel – und damit möchte ich schließen –: „Wo Bagger stehen, da geht es uns gut.“

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abgeord neten der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ich hätte auch gern geklatscht, wenn nicht der Name Schmiedel gefallen wäre!)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich das Wort Herrn Abg. Haußmann.

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ganz herzlichen Dank für die Möglich keit, zum Thema Mobilität zu sprechen. Das gibt mir Gele genheit, im Rahmen meiner Stellungnahme auch noch einmal auf unser Konzept „Mobilitätsoffensive Baden-Württem berg 23“ einzugehen, das die FDP/DVP hier im Landtag am 6. Juni der Öffentlichkeit vorgestellt hat.

Die Bedeutung der Mobilität für die wirtschaftliche Entwick lung in Baden-Württemberg ist unstrittig. Auch das geht aus der Antwort der Landesregierung auf diese Anfrage hervor. Ich glaube, es ist wichtig, noch einmal festzuhalten, dass in unserer arbeitsteiligen Volkswirtschaft eben drei Dinge wich tig sind:

Das ist zum Ersten der Warentransport, das ist zum Zweiten die Möglichkeit der Menschen, zu ihren Arbeitsplätzen zu kommen, und zum Dritten ist es auch die Möglichkeit der pri vaten Haushalte und des Gewerbes, zu konsumieren.

Bei allen Bestrebungen auch in Richtung ÖPNV – da tut die Landesregierung sehr viel, und da hat auch die alte Landesre gierung sehr viel getan; dazu komme ich noch – ist es wich tig, noch einmal festzuhalten, dass auch in Zukunft der Stra ßenverkehr eine zentrale Rolle spielen wird. Deswegen ist für die FDP/DVP-Landtagsfraktion eine Politik, die gegen die in dividuelle Mobilität in Baden-Württemberg gerichtet ist, völ lig inakzeptabel.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Baden-Württemberg hat mit der Automobilindustrie eine Schlüsselindustrie. Sie haben in der Antwort natürlich auch dargestellt, dass Mobilität und Verkehrspolitik mit dem inte grierten Energie- und Klimaschutzkonzept in Einklang ge bracht werden sollen. Das ist ein Stück weit das, was Kolle ge Haller auch angedeutet hat.

Wenn wir einmal auf die Seiten 111 und 112 des jüngsten Ent wurfs dieses Klimaschutzkonzepts schauen, dann machen wir

uns natürlich schon ein wenig Sorgen; denn Sie machen sich zur Speerspitze der Reduzierung der Emissionsgrenzwerte in nerhalb der EU. Damit gefährden Sie natürlich auch BadenWürttemberg als Standort für die Automobilindustrie, wenn Sie hier Forderungen stellen, die die Automobilindustrie in dieser Dynamik nicht umsetzen kann. Wenn Sie fordern, die Grenzwerte für den CO2-Ausstoß auf 95 g/km und möglicher weise noch weiter zurückzufahren, dann gefährdet das den Standort Baden-Württemberg, die Produkte, die in BadenWürttemberg hergestellt werden.

Deswegen fordern wir Sie auf – Sie haben es hineingeschrie ben –, dieses Thema im Dialog mit der Automobilwirtschaft anzugehen. Das Projekt der Umstellung der Busförderung hat uns gezeigt, dass Sie im Hinblick auf den Dialog durchaus noch Verbesserungsmöglichkeiten haben.

In Baden-Württemberg wurde bereits von der alten Landes regierung vieles umgesetzt und vieles vorangetrieben. Ob das das Thema Lärmschutz ist, ob das das Thema Radverkehr ist, ob das das Thema Elektromobilität ist, all dies begrüßen wir zumindest in Teilen. Beim Thema Radverkehr kritisieren wir ausdrücklich, dass Sie dafür derart viele Mittel bereitstellen, dass auch der Ausbau der Landesstraßen nicht in der Dyna mik möglich ist, wie wir uns das vorstellen.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Das stimmt über haupt nicht! Das sind doch Mittel aus dem Entflech tungsgesetz! – Gegenruf der Abg. Nicole Razavi CDU)

Sie haben geschrieben, dass die Landesregierung prüfen mö ge, welche Möglichkeiten Unternehmen und öffentliche Ar beitgeber haben, dafür zu sorgen, dass sich ihre Mitarbeiter Fahrzeuge teilen, dass sie sich Autos teilen. Vielleicht gibt es dazu inzwischen schon Erkenntnisse, denn die Antwort ist schon ein Jahr alt. Möglicherweise gibt es auch zu diesem Thema neue Erkenntnisse.