Protocol of the Session on June 30, 2011

Nun ganz konkret zum Gesetzentwurf der CDU-Fraktion. Es ist gesagt worden: Aus unserer Sicht geht dieser Gesetzent wurf zu weit, weil er schon das bloße Mitführen von Alkohol sanktioniert. Aber er kommt auch zum falschen Zeitpunkt. Herr Blenke, ich darf einmal – mit Erlaubnis des Präsidenten – zitieren...

Bitte.

... aus der Landtagsdruck sache 14/4934. Innenminister Rech schrieb damals:

Das Innenministerium beabsichtigt,... eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, die es den Kommunen ermöglicht, an örtlichen Brennpunkten den öffentlichen Alkoholkon sum zu untersagen.

Das war am 18. August 2009, also vor zwei Jahren. Seitdem ist nichts passiert. Das ist schon insofern bezeichnend, als Ihr erster Gesetzentwurf in dieser Legislaturperiode auf eine Handlung abzielt, für die Sie tatsächlich zwei Jahre Zeit hat ten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Meine Damen und Herren, ich will vor dem Hintergrund, dass wir uns die Zeit nehmen wollen, um gemeinsam eine Lösung für das tatsächlich schwierige Problem zu finden, wiederum mit Erlaubnis des Präsidenten ein weiteres Zitat anführen:

Unsere Jugend ist verdorben bis auf den Grund des Her zens, böse und faul. Sie werden nie wie wir früher und können unsere Kultur nicht erhalten.

(Abg. Rosa Grünstein SPD: Goethe! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Aristoteles!)

Dieses Zitat ist auf einem alten Weinkrug in den Ruinen Ba bylons gefunden worden. Es ist mehr als 5 000 Jahre alt. So lange sind wir ohne Alkoholkonsumverbot ausgekommen. Lassen Sie uns die Zeit, gemeinsam eine Lösung zu finden, dieses Problems gemeinsam mit Grün-Rot Herr zu werden.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Heiterkeit bei den Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Karl Zimmer mann CDU)

Ich erteile Herrn Abg. Professor Dr. Goll für die Fraktion der FDP/DVP das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es stimmt, dass ein solcher Ent wurf nicht ins Gesetzblatt kam, weil die FDP/DVP-Fraktion dem in der letzten Legislaturperiode nicht zugestimmt hat. Wir haben uns diese Entscheidung alles andere als leicht ge macht. Denn ich brauche gar nicht zu betonen, dass wir na türlich nicht wollen, dass Jugendliche den Sinn des Lebens im Saufen erblicken. Wir wollen etwas dagegen tun. Wir wollen wirksam etwas dagegen unternehmen. Natürlich wollen wir nicht, dass die Kommunen dem tatenlos zuschauen müssen, weil sie keine Instrumente haben, dem entgegenzuwirken. Deswegen haben wir uns diese Entscheidung nicht leicht ge macht. Aber wir haben wieder einmal eine Situation, die da durch geprägt ist, dass man ein Verbot in den Raum stellt. Das ist so verführerisch. Es ist so verführerisch, einfach zu sagen: „Wir machen jetzt ein Verbot, und dann haben wir schon et was erreicht.“ Die Frage ist durchaus erlaubt, ob man dann wirklich etwas erreicht hat und ob man sich genug Gedanken darüber gemacht hat, wie ein solches Verbot in der Praxis um gesetzt wird.

Es ist ein Zufall, dass mir gerade vor wenigen Tagen ein Ar tikel aus dem „Südkurier“ zu einem Vorgang aus dem letzten Jahr unter die Finger gekommen ist. In Radolfzell hat man an der Uferpromenade ein Glasverbot erlassen. Radolfzell woll te ursprünglich ein komplettes Alkoholverbot; dann hat man aber ein Glasverbot erlassen. Also durften keine Gläser zur Uferpromenade mitgenommen werden. Dann geschah Fol gendes – ich zitiere den Absatz –:

Bei der Hauptversammlung des Gewerbevereins schien das Glasverbot vergessen. Der Vorstand hatte die Mit glieder zum öffentlichen Sektempfang an die Mole zur Schiffsanlage geladen, mit Sekt aus Glasflaschen und mit Gläsern aus Glas.

Dann sind die Jugendlichen gekommen und haben gesagt: „Das ist nicht in Ordnung.“ Sie haben es aber trotzdem ge macht.

Das ist eine typische Situation. Wenn ich versuche, mit einem Verbot eine bestimmte Situation anzugehen, erwische ich häu fig auch alle möglichen anderen Menschen, die gar nicht be troffen sind und die eigentlich gar keinen Anlass dazu gege ben haben, und dann wackelt die Durchführung eben schnell.

Es gibt weitere Einwände: Im Gesetzentwurf ist die Rede da von, dass es beim Verbot um Flächen geht, die sich hinsicht lich Ausmaß und Häufigkeit alkoholbedingter Straftaten und Ordnungswidrigkeiten vom übrigen Gemeindegebiet deutlich abheben und für die die Annahme gerechtfertigt ist, dass auch künftig mit der Begehung alkoholbedingter Straftaten usw. zu rechnen ist. Deshalb könnte es uns dabei ähnlich ergehen, wie es uns bei der Videoüberwachung ergangen ist. Wir haben zur Videoüberwachung eine Vorschrift erlassen und darin ein paar vernünftige Begrenzungen eingebaut, doch im Laufe der Jah re haben wir festgestellt, dass es einen entsprechenden Platz in Baden-Württemberg gar nicht gibt.

(Lachen der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)

Deshalb wurden zuletzt in Mannheim die Videoüberwachungs anlagen wieder abgeschraubt. Das ist für mich ein typischer Fall.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Durch die Videoüber wachung ist die Zahl der Straftaten zurückgegangen! Nur deshalb!)

Hier ist es auch so: Sie müssen erst einmal belegen, dass stän dig neue Straftaten begangen werden oder zumindest drohen.

Übrigens zu der Begründung, die immer wieder einmal ange führt wird, dass die Plätze zum „Vorglühen“ erfasst werden sollten, auf denen die Jugendlichen trinken, bevor sie auf ein Fest gehen: Diese erfassen Sie damit natürlich gerade nicht; denn Auffälligkeiten gibt es hinterher auf dem Fest und nicht beim „Vorglühen“. Da gibt es also viele Haken und Ösen.

Dabei handelte es sich fast schon um einen historischen Mo ment, als Herr Kollege Sckerl in dieser Debatte alles gesagt hat, was ich eigentlich sagen wollte.

(Beifall bei den Grünen)

Das könnte man z. B. in eine gemeinsame Koalitionsverein barung hineinschreiben,

(Heiterkeit der Abg. Andreas Schwarz und Hans-Ul rich Sckerl GRÜNE)

aber ich befürchte, die würde im Weiteren ziemlich kurz aus fallen. Aber hier sehen wir es ähnlich: Wir sollten vorhande ne Möglichkeiten nutzen.

Gerade dieser Tage – vielleicht hat es auch Frau Kollegin Alt peter wahrgenommen – stand bei uns im Rems-Murr-Kreis im „Wochenblatt“, im „Stadtanzeiger“ oder in einer anderen Zeitung auf Seite 1, wie es die Kommunen im Rems-MurrKreis machen wollen. Ergebnis einer Befragung war, dass zwei Drittel der befragten Kommunen von einem Verbot we nig halten. Sogar der Sprecher der Waiblinger Polizei hat – was mich gewundert hat – gesagt, er sei skeptisch, ob das et was nützt. In Remseck und anderen Gemeinden gehen sie, wenn sich irgendein Brennpunkt bildet, rechtzeitig mit der Ju

gendarbeit auf die Betroffenen zu. In anderen Gemeinden ist es ähnlich.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: In Remseck gibt es auch keine schwierigen Plätze! Da ist noch alles in Ordnung!)

Sie wissen genau, dass das Problem gerade auch in eher ländlichen Strukturen virulent ist.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Aber in Remseck ist überhaupt nichts! Mein Wahlkreis!)

Ja, gut. Fragen Sie Ihren Herrn Oberbürgermeister Schlum berger; er wird das sicher genauso wiederholen.

Es wird immer gesagt: Das wollen alle. Das ist jedoch sicher nicht so. Es ist vielmehr besser, diesem Phänomen mit ande ren Methoden zu begegnen als mit einem Verbot. Diese ande ren Wege sollten wir aber auch tatsächlich beschreiten. Dazu gibt es sowohl die Möglichkeit der Repression als auch die der Prävention, für die wir uns natürlich ausdrücklich ausspre chen. Für ein Verbot sind wir auch jetzt noch nicht. Ich finde es allerdings ganz clever, wie Sie das gemacht haben. Offen bar hat jemand aus dem Innenministerium den Entwurf noch rechtzeitig mitgenommen.

(Heiterkeit bei den Grünen)

Aber auch heute sind wir nicht dabei.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die Landesregie rung erteile ich Herrn Innenminister Gall das Wort.

Herr Präsident, werte Kolle ginnen, werte Kollegen! Herr Kollege Blenke, ich denke, mei ne Position und die Position der SPD-Fraktion zu diesem The ma ist sicherlich bekannt. Wäre sie nicht bekannt, dann hät ten Sie diesen Gesetzentwurf heute vermutlich erst gar nicht eingebracht. Denn, bei allem Respekt, so ganz hehre Ziele ver folgen Sie mit diesem Gesetzentwurf anscheinend nicht. Er ist schon ein bisschen darauf ausgerichtet, die kleinen Unstim migkeiten, die es da zwischen den Regierungsfraktionen gibt, in der Öffentlichkeit deutlich zu machen.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Sie haben es doch selbst vorgeschlagen!)

Sie haben darauf hingewiesen, dass Sie in der zurückliegen den Legislaturperiode ein ähnliches Problem hatten. Sie ha ben zwar freundlicherweise heute als Reverenz an Ihren ehe maligen Koalitionspartner ein gelbes Hemd gewählt,

(Heiterkeit des Abg. Thomas Blenke CDU – Abg. Thomas Blenke CDU: Und Sie die blaue Krawatte dazu!)

aber dass dort eine große Diskrepanz vorhanden war, brauche ich, glaube ich, heute nicht zu wiederholen.

Werte Kolleginnen, werte Kollegen, in diesem Haus waren wir uns in den zurückliegenden Jahren – und zwar quer durch alle Fraktionen – immer einig. Wir hatten eine große Gemein

samkeit, wenn es darum ging, das Thema „Alkohol und Ge waltexzesse im Land“ in den Mittelpunkt zu stellen und uns dieses Themas ernsthaft anzunehmen, uns über Ursachen, aber auch über Konsequenzen zu unterhalten und darüber zu dis kutieren.

Wir waren uns einig, dass wir möglichst frühzeitig auf solche Entwicklungen reagieren müssen. Ich will ausdrücklich sa gen: Landesweit sind umfangreiche Maßnahmen initiiert wor den, sowohl von Ihrer Regierung, aber insbesondere auch auf kommunaler Ebene zwischen Städten und Gemeinden und der Polizei vor Ort, und diese sind in Kraft getreten. Verstärkte Aufklärung hat eine große Rolle gespielt; es gab Prävention, Polizeipräsenz, aber auch Kontrollen und Jugendschutzkon zeptionen vor Ort. All das waren zweifelsohne wichtige und richtige Maßnahmen, die wir natürlich auch in Zukunft fort setzen werden. Wir werden sie sogar intensivieren, und wir werden diesbezüglich auch neue Modelle entwickeln, um Ge walt und Alkoholexzessen entgegenzuwirken.

Ich will aber sagen: Von einer Eindämmung können wir trotz dem nicht sprechen. Wir haben dieses Problem nach wie vor in nicht wenigen Städten und Gemeinden unseres Landes, zu mindest wenn ich unseren Kommunen Glauben schenken darf – und ich glaube ihnen, wenn sie solche Rückmeldungen ge ben.

(Abg. Walter Heiler SPD: Kommunen kann man im mer glauben! – Zuruf des Abg. Dieter Hillebrand CDU)

Wer keinen Handlungsbedarf sieht, dem rate ich einfach, ein mal des Nachts und an den Wochenenden, über die wir reden und die wirklich Probleme bereiten, mit einer Polizeistreife oder dem Rettungsdienst unterwegs zu sein. Jetzt weiß ich na türlich auch: Das kann nicht jeder machen; Parlamentarier können das übrigens, aber es kann nicht jeder und nicht jede, die auf Parteitagen eine andere Meinung vertreten, und des halb wäre es – –