Protocol of the Session on May 15, 2013

Bei der Krankenhausfinanzierung brauchen wir erstens eine dauerhafte strukturelle Begrenzung von Mehrleistungen. Dies sind Fehlanreize im DRG-System. Das muss auch von der Bundesregierung mit aufgenommen und behoben werden.

Zweitens benötigen wir eine Weiterentwicklung des Vergü tungsrechts zur flächendeckenden Sicherung der Kranken hausversorgung. Drittens müssen alle Länder ihren Verpflich tungen bei den Investitionen nachkommen. Die CDU-Land tagsfraktion wird diese Entwicklung mit den Kliniken wohl wollend begleiten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Frau Abg. Haller-Haid.

Herr Teufel, können Sie mir sa gen, warum die Initiative der Bundesregierung die Universi tätskliniken nicht in entsprechendem Maß erfasst? Sie haben ja sicherlich auch von dem Aufschrei der Kinderkliniken in Baden-Württemberg gehört. Dort ist die Situation besonders drastisch, weil viele Erkrankungen überhaupt nicht durch das DRG-System abgebildet werden und weil inzwischen alle Kinderkliniken rote Zahlen schreiben. Es ist dringend notwen dig, dass da etwas passiert. Dazu möchte ich jetzt Ihre Positi on hören.

Frau Haller-Haid, die CDU-Land tagsfraktion setzt sich dafür ein, dass gerade dieser Bereich in den DRG-Katalog aufgenommen wird, damit es auch hier zu einer finanziellen Befriedung kommt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Für die SPD-Fraktion er teile ich Herrn Abg. Wahl das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Da men und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möch te erst einmal der Fraktion GRÜNE dafür danken, dass sie die ses Thema in Form einer Aktuellen Debatte auf die heutige Tagesordnung gebracht hat. Denn ich denke, das ist ein wich tiges Thema, bei dem wir auch in diesem Jahr vor ganz kla ren Weichenstellungen stehen: Wie geht es mit unserer Kran kenhauslandschaft und der ärztlichen Versorgung in BadenWürttemberg weiter?

Wir müssen schlicht und ergreifend sehen: Jedes zweite Kran kenhaus in Baden-Württemberg ist nicht mehr in der Lage, seine Betriebskosten zu decken, ist defizitär. Wir sehen das, und ich denke, gerade die Gesundheits- und Sozialpolitikerin nen und -politiker sehen das, wenn sie durch das Land gehen, wenn sie Gespräche mit Herrn Einwag – der hier oben auf der Zuhörertribüne sitzt – oder Herrn Reumann führen. Die Mit arbeiter leiden unter der Situation, dass es keine hinreichen de Betriebskostenfinanzierung gibt. Dies wirkt sich auch auf die Pflege aus, die übrigens immer noch durch die DRGs un terbelichtet ist. Das ist ein strukturelles Problem. Da stehen wir vor einer ganz schwierigen Situation.

Dann kommt ganz kurz vor der Wahl Daniel Bahr u. a. mit seiner baden-württembergischen Staatssekretärin WidmannMauz – darauf werde ich noch kommen – und sagt: „1,1 Mil liarden € schütten wir mit der Gießkanne über das Land.“

Wenn Sie, Herr Teufel, die Umsetzung der Hygieneverord nung begrüßen, dann weise ich darauf hin: Wir reden da über einen Betrag von 5,2 Millionen € bundesweit. Da muss man

wirklich die Kirche im Dorf lassen und sehen, dass wir mit dieser Förderung, die 20 Millionen € bis 30 Millionen € für Baden-Württemberg bedeutet, das strukturelle Problem, das wir in unseren Kliniken haben, nicht lösen können.

(Beifall der Abg. Rita Haller-Haid SPD)

Wir müssen vielmehr sehen, dass wir das Ganze auf solide Füße stellen. Denn wir stehen doch gerade in Baden-Würt temberg vor einer Situation, in der sich zukünftig entscheidet: Werden wir diese öffentlich-rechtlichen, diese kommunalen Kliniken – das ist ein Schatz, den wir hier in Baden-Württem berg und in Bayern haben – erhalten oder nicht? Mit der Po litik, die gerade betrieben wird, werden wir sie nicht erhalten. Das ist wirklich fatal für die Gesundheitsversorgung in Ba den-Württemberg.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das ist auch der Grund. Es ist ja nicht so, dass die Landräte eine Vorfeldorganisation der SPD-Fraktion oder der Grünen wären. Aber wie die uns in den letzten Monaten zum Teil fast schon angefleht haben: „Bitte stellt eine Bundesratsinitiative mit der neuen Mehrheit im Bundesrat, um da etwas zu verän dern“, das zeigt, wie groß die Not vor Ort ist. Das kann man an dieser Stelle leider nicht schönreden.

Deswegen ist es richtig, dass Sozialministerin Altpeter zusam men mit anderen Ländern eine Bundesratsinitiative gestartet hat, die am 3. Mai auch eine Mehrheit gefunden hat. Diese In itiative sieht vor, den sogenannten Landesbasisfallwert um ei nen weiteren Prozentpunkt zu erhöhen. Das wäre eine wirk liche Soforthilfe, die auch wirken würde.

Die Krankenhäuser müssen in der Lage sein, Kostensteige rungen ohne Mehrleistungen und ohne Personalabbau zu fi nanzieren. Kollegin Mielich hat es schon gesagt: Es muss ein Mindeststandard für die Personalausstattung vorgegeben wer den. Vor allem müssen wir – das ist für Baden-Württemberg ganz wichtig – in strukturschwachen Regionen für Kranken häuser mehr Flexibilität bei der Ausgestaltung der regionalen Versorgungsstrukturen ermöglichen.

Der nächste Punkt: Die bei der Vereinfachung des Landesba sisfallwerts verankerte Kollektivhaftung aller Krankenhäuser für Leistungssteigerung muss abgeschafft werden, und wir müssen krankenhausspezifische Lösungen schaffen. An die ser Stelle müssen wir strukturelle Änderungen vornehmen.

Die Gießkanne mit einem Volumen von 1,1 Milliarden € wird uns nicht helfen. Helfen wird, wenn wir strukturelle Maßnah men ergreifen.

Es geht – da müssen wir auch überparteilich immer einen Konsens finden – gerade für Baden-Württemberg darum, dass wir unsere Krankenhäuser nicht in die Situation bringen, dass wir sie an große Aktiengesellschaften verkaufen müssen. Viel mehr müssen die, die den Sicherungsauftrag haben – die Krei se –, auch noch die Träger der Krankenhäuser sein. Das ist Kommunalpolitik. Dem sollten wir uns alle verpflichtet füh len.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die FDP/DVP-Frak tion erteile ich Herrn Abg. Haußmann das Wort.

Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zunächst dem Dank des Kollegen Teufel anschließen, dass wir in Baden-Württemberg eine hervorragende Versorgung der Menschen in unserem Land haben. Das verdanken wir den vielen Menschen, die in den Kliniken jeden Tag Verantwor tung übernehmen – von der Verwaltung und den Pflegekräf ten über die Mediziner bis hin zum ganzen Umfeld. Dem Dank können wir uns in diesem Haus alle anschließen.

Das, was sich in den letzten 30 Jahren vollzogen hat, kann man gemeinhin als Strukturwandel bezeichnen. In den letzten 30 Jahren haben über ein Fünftel aller Kliniken in BadenWürttemberg ihre Bettenzahl reduziert. Wir haben in BadenWürttemberg noch 285 Krankenhäuser und haben über ein Viertel der Betten abgebaut. Derzeit liegen wir knapp unter 57 000 planmäßigen Betten in Baden-Württemberg.

Dazu beigetragen haben natürlich – Frau Kollegin Mielich, Sie haben es gesagt – die Fallpauschalen. Dazu hat auch ein finanzieller Druck, der in den letzten Jahren begonnen hat, beigetragen. Ich darf beispielsweise an die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes in der letzten Legislaturperiode in Ber lin erinnern. Ich darf daran erinnern, dass es neue Arbeitszeit gesetze gab, die die Personalkosten gesteigert haben. Auch hat die Große Koalition einen Sanierungsbeitrag in Höhe von 500 Millionen € abverlangt, was diesen Druck verstärkt hat. Dieser Druck wurde durchaus auch in den letzten Jahren wei terhin signalisiert.

Ich darf daran erinnern, wo man gestartet ist, als die FDP das Gesundheitsministerium übernommen hat. Es gab in der ge setzlichen Krankenversicherung ein Defizit von 11 Milliar den €. Das sollte man durchaus auch erwähnen. Denn das hat uns, das hat die Krankenhäuser, aber auch alle anderen Betei ligten im Gesundheitswesen in den letzten Jahren viel Kraft gekostet. Sie haben dazu beigetragen – zuzüglich zu der gu ten wirtschaftlichen Entwicklung –, dass wir jetzt einen Über schuss haben, damit man auch diese Themen wieder bearbei ten kann.

So ist auch erklärbar, dass es jetzt zu diesem Schritt gekom men ist. Am 24. April wurde die Gesetzesvorlage eingebracht. Die 1,1 Milliarden € – Kollege Teufel hat es beschrieben; da rauf brauche ich nicht mehr stark einzugehen – – Ich verwei se auch auf das Hygiene-Förderprogramm. Das ist ein erster Schritt. Wir sind da noch nicht zufrieden. Das sage ich aus drücklich. Ich bin auch Mitglied im Aufsichtsrat einer öffent lichen Klinik. Da sind wir nicht zufrieden. Aber es ist ein ers ter Schritt, und ich glaube: Da müssen wir weiter ansetzen. Wenn man auch das Land Baden-Württemberg anschaut: Wir wollen die duale Finanzierung behalten.

Ich darf noch einmal betonen, was Kollege Teufel bereits ge sagt hat. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Ihrem Wahlpro gramm stand, dass Sie die Investitionsförderung verdoppeln wollen. Davon sehen wir im Moment nicht mehr viel. Im Bau programm sind 250 Millionen € enthalten. Bei der alten Lan desregierung waren dies 185 Millionen €.

Für die Pflegeheimförderung waren bis 2010 über zehn Jahre hinweg durchschnittlich über 50 Millionen € pro Jahr ausge

bracht. Diese Förderung ist dann ausgelaufen. Wenn man die sen Betrag hinzurechnet, sich anschaut, dass bei Ihnen das Haushaltsvolumen um 15 % gestiegen ist, und wenn man be rücksichtigt, wie sich der Baukostenindex in den letzten zehn, 15 Jahren entwickelt hat, dann muss ich sagen: Ich hätte an der Stelle der Grünen diese heutige Debatte nicht beantragt.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Es gibt hier auch Hausaufgaben, die gemacht werden müssen. Ich bezeichne dies auch als ersten Schritt. Das ist ein erster Schritt, aber wir sind noch weit davon weg, den Investitions stau nachhaltig abzubauen, so wie Sie es sich im Wahlpro gramm vorgenommen hatten.

Zu einer ganzheitlichen Betrachtung gehört, dass man nicht außer Acht lassen darf, dass die Krankenkassen, beispielswei se die AOK oder der Verband der Ersatzkassen, davon spre chen, es sei eine medizinisch nicht erklärbare Mengenauswei tung feststellbar. Die AOK Deutschland hat allein für die Jah re 2005 bis 2010 bei der Zahl der Wirbelsäulenoperationen ei nen Zuwachs um 118 % zu verzeichnen: 2005 waren es knapp 98 000, 2010 knapp 218 000 Wirbelsäulenoperationen. Ich könnte noch andere Beispiele anführen.

Dem müssen wir meiner Meinung nach Rechnung tragen. Ich würde mir von einer Sozialministerin wünschen, dass sie die se Themen aufgreift, wenn es darum geht, für das Land Struk turen zu schaffen. Sie sollte nicht nur fordern, dass Berlin mehr Geld geben muss.

Frau Kollegin Mielich, Sie haben selbst gesagt, man müsse über die Qualität, man müsse über die Strukturen sprechen. Deswegen meine ich, man könnte durchaus – wie es seiner zeit Ministerpräsident Oettinger gemacht hat – einen runden Tisch einrichten, um die Thematik noch einmal näher zu be leuchten.

Da das Thema relativ komplex ist, hat das Bundesgesundheits ministerium bereits im letzten Jahr hierzu einen wissenschaft lichen Forschungsauftrag vergeben. Das Ergebnis soll im Sommer, im Juni/Juli, vorgestellt werden.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Das hat keine Konse quenzen mehr!)

Daraus kann man dann die Punkte ableiten, die Sie auch an gedeutet haben. Daher widersprechen Sie sich ein Stück weit selbst, wenn Sie einerseits sagen, man sollte nicht einfach mehr Geld in das System geben, aber gleichzeitig eine Bun desratsinitiative starten, die letztendlich auch nur mehr Geld in das System bringt. Es ist keine Frage: Wir brauchen mehr Geld im System in Baden-Württemberg, aber wir müssen dies stichhaltig bewerten. Deshalb tun wir uns keinen Gefallen, wenn wir noch mehr Geld ins System geben möchten, ohne eine inhaltliche Prüfung vorzunehmen.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Aber das tun sie doch!)

In den letzten vier Jahren haben die Krankenkassen in der Bundesrepublik Deutschland Mehreinnahmen von 10 Milli arden € erzielt. Daher, meine ich, ist es die richtige Entschei dung, die Ergebnisse des Forschungsauftrags abzuwarten und daraus dann die entsprechenden Schlüsse zu ziehen, sodass

man die Finanzierung der Kliniken im Grunde auf eine neue Grundlage stellen kann.

Wenn man die Perspektive der Bürgerversicherung sieht, die in Ihrem Wahlprogramm steht, ist es schon bemerkenswert, dass man dem Gesundheitsministerium vorwirft, nicht wirt schaftlich vorzugehen. Ich frage mich dann schon – das müs sen Sie mir einmal beantworten –, wie mehr Geld in das Sys tem kommen soll, wenn neun Millionen privater Vollversiche rungen und zehn bis 20 Millionen Zusatzversicherungen nicht mehr zur Verfügung stehen. Das hätte nachhaltige finanzielle Auswirkungen auf das Gesundheitswesen, auf die Kranken häuser.

Daher sage ich ganz klar: Eine Bürgerversicherung wäre ins besondere für den Standort Baden-Württemberg, für die Kli niken in Baden-Württemberg alles andere als ein Vorteil. Das hätte gravierende Auswirkungen auf die finanzielle Situation.

Noch ein Punkt: Sie sprechen zu Recht davon, dass die Me diziner und die Pflegekräfte einen immer höheren Aufwand haben. Da ist es aber schon ein Widerspruch, wenn die Frak tion der Grünen im Bundestag bei der Beratung des Patien tenrechtegesetzes, das im Februar verabschiedet wurde, bei spielsweise eine volle Beweislastumkehr beantragte. Da müss ten Sie einmal die Mediziner in den Krankenhäusern fragen, was hierdurch für ein Aufwand ausgelöst worden wäre. Wir hätten amerikanische Verhältnisse produziert,

(Abg. Florian Wahl SPD: Und das als Bürgerrechts partei!)

bei denen man alles hätte dokumentieren müssen und einen sehr hohen Verwaltungsaufwand gehabt hätte. Ich glaube, dass es richtig war, dass man diesem Vorschlag nicht gefolgt ist.

Ein weiterer Punkt war übrigens die Forderung, dass die Ärz te verpflichtet werden sollen, bei Minderjährigen festzustel len, ob diese schon in der Lage sind, über ihre Gesundheit selbst zu entscheiden. Dies müsste dann entsprechend doku mentiert werden, sodass die Ärzte verpflichtet worden wären, intensive und ausführliche Gespräche mit Minderjährigen zu führen, um festzustellen, ob diese in der Lage sind, selbst zu entscheiden oder nicht.