Protocol of the Session on May 15, 2013

Für die Fraktion GRÜNE darf ich Frau Abg. Mielich das Wort erteilen.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Wir wollten diese Debatte „Krank, kränker, Krankenhaus? Unzu reichende Krankenhausbetriebskostenfinanzierung belastet Pflegepersonal und verschärft Personalabbau“ schon vor drei Wochen führen. Das hat aus zeitlichen Gründen leider nicht mehr geklappt. Unsere Fraktion hat sich trotzdem entschie den, für heute erneut eine Debatte mit diesem Titel zu bean tragen und sie zu führen, weil dieses Thema an Aktualität überhaupt nichts eingebüßt hat. Es ist nach wie vor eine hoch brisante und hochaktuelle Debatte; denn es geht um nicht we niger als die Zukunft unseres Gesundheitssystems.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ich möchte am Anfang noch einmal deutlich machen, was die Hintergründe für diese veränderten Rahmenbedingungen der Krankenhäuser sind. Ein ganz einschneidender Punkt war die Einführung der Fallpauschalen im Jahr 2004, die eingeführt worden sind, um mehr Transparenz, mehr Qualitätskontrolle und letztlich auch mehr Wettbewerb zu bewirken. Das waren die wesentlichen Kriterien, die dazu geführt haben, dass die Fallpauschalen eingeführt wurden.

Jetzt müssen wir deutlich konstatieren, was diese Fallpauscha len gebracht haben. Sie haben erstens – ganz besonders in Ba den-Württemberg – zu einem massiven Bettenabbau geführt.

Sie haben zweitens dazu geführt, dass es in den vergangenen zehn Jahren zu vielen Krankenhausschließungen und damit zu einer deutlichen Reduzierung der Zahl der Krankenhaus standorte gekommen ist, und sie haben drittens dazu geführt, dass wir als Rationalisierungsmaßnahme einen ganz massi ven Personalabbau haben.

Das heißt in der Konsequenz: Die Liegezeit in den Kranken häusern hat sich in den vergangenen zehn Jahren von durch schnittlich 10,2 Tagen auf 7,8 Tage verkürzt. Gleichzeitig gibt es weniger Personal, und dieses Personal muss mehr Patien tinnen und Patienten betreuen, die auch noch kränker sind. Das heißt, die Arbeitsbelastung des Personals ist deutlich ge stiegen und hat mittlerweile eine Grenze erreicht, sodass die se Belastung nicht weiter verschärft werden kann.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Gleichzeitig bleibt es bei einer Unterfinanzierung durch die DRGs. Das heißt, der Rationalisierungsdruck bei den Kran kenhäusern bleibt erhalten. Die Krankenhäuser werden be triebswirtschaftlich nicht kostendeckend finanziert. Das be deutet in der Konsequenz, dass der Rationalisierungsdruck, obwohl es schon einen starken Personalabbau und eine deut liche Reduzierung der Zahl der Betten gab, bestehen bleibt. Das ist eine Entwicklung, die ganz klar dazu geführt hat, dass die Krankenhäuser gesagt haben: „Jetzt ist Schluss; wir müs sen aufstehen und deutlich machen, dass es so nicht weiterge hen kann.“ Deswegen ist diese bundesweite Kampagne ins Leben gerufen worden, die wir ausdrücklich begrüßen und die jetzt auch zu einem deutlichen Ergebnis geführt hat.

So weit, so gut. Aber man muss jetzt auch ganz klar konsta tieren: Das, was da herausgekommen ist, wie die Bundesre gierung jetzt reagiert hat, ist ein Schnellschuss, der wirklich bar jeder Überlegung ist und bar jeden Konzepts ist.

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Bahr!)

Genau, Bahr, in diesem Fall sogar mit h. Das kann man gut sagen.

Es gibt keine Reform, es gibt keine Anpassungen, es gibt kei ne Qualitätssicherung durch die DRGs. Stattdessen wird jetzt enorm viel Geld in das System gepumpt. Insgesamt werden in den nächsten zwei Jahren 1,1 Milliarden € für die unter schiedlichsten Maßnahmen verwendet. Es wird aber über haupt nicht das gemacht, was eigentlich hätte gemacht wer den müssen, nämlich dass gesteuert wird, die Qualität gesi chert wird und vor allem geschaut wird, wie erreicht werden kann, dass kein Personal abgebaut wird.

Das heißt, wir haben jetzt eine Maßnahme, die nur mehr Geld in das bestehende System pumpt, aber keines der Probleme löst.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie des Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP)

Was heißt denn das für Baden-Württemberg? Für BadenWürttemberg bedeutet das lediglich, dass die Krankenhäuser 30 Millionen € zusätzlich zu erwarten haben – also nicht 70 Millionen €, was sie sich eigentlich vorgestellt haben. Die ser Betrag wurde jetzt auf der Grundlage der Verteilungs schlüssel errechnet. Das ist das Erste.

Das Zweite ist, dass nur kurzfristig Geld ins System gepumpt wird. Das heißt, die Versorgungslandschaft bzw. die Siche rung und der Ausbau der Strukturen, die Verlässlichkeit, all das wird überhaupt nicht berücksichtigt bzw. wird sich auch nicht verändern lassen. Die Situation für die Krankenhäuser entspannt sich auf den ersten Blick hin leicht – das ist ja nicht schlecht –, aber ermöglicht auf jeden Fall nicht, dass die Kran kenhäuser eine größere Sicherheit bekommen, wenn es dar um geht, ihr Haus zukunftsfest aufzustellen. Deswegen leh nen wir diese Form der Finanzierung ab.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Es wird nicht gesteuert – das ist für mich ein zentraler Punkt –, sondern es wird sozusagen pauschal mit der Gießkanne Geld in das System gegossen. Das möchte ich am Beispiel der Unikliniken in Baden-Württemberg aufzeigen.

Mit den Unikliniken haben wir Häuser der Maximalversor gung, die ganz besonders schwere Fälle behandeln müssen, die auch insgesamt eine Struktur vorhalten müssen, die ganz besonders kostenintensiv ist. Warum hat man z. B. bei dem Versorgungszuschlag, den es jetzt für alle Häuser geben soll, nicht gesagt: „Wir werden diesen Versorgungszuschlag daran binden, dass z. B. besonders schwere Fälle nach einem CaseMix finanziert werden?“ Das war die Forderung, und das ist leider nicht passiert. Stattdessen bekommen jetzt z. B. Häu ser Geld, die eine zusätzliche Unterstützung gar nicht unbe dingt nötig haben.

Dazu ist nicht erreicht worden, dass man z. B. die wohnort nahen Versorgungsstrukturen deutlich verbessert, indem man sagt: Da bedarf es eines entsprechenden Zuschlags. Das alles ist nicht passiert. Gießkanne ist keine gute Antwort. Qualitäts sicherung wäre besser gewesen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Darum begrüßen wir ausdrücklich, dass die Landesregierung gemeinsam mit anderen Ländern eine Bundesratsinitiative ge startet hat und gesagt hat: Wir brauchen eine verlässliche Krankenhausfinanzierung und vor allem eine Abbildung der Tarifsteigerungen im Personalbereich. Denn nur so wird es gelingen, dass auch die Krankenhäuser letztlich nicht dafür zahlen müssen, dass das Personal insgesamt teurer wird.

Das Dritte ist – das ist ebenfalls eine sehr gute Maßnahme –, dass Baden-Württemberg bzw. die Grünen im Bund gemein sam mit der SPD die Initiative ergreifen, um eine Mindestper sonalbemessung festzulegen,

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

indem das Krankenhausentgeltgesetz verändert wird. Das wird letztlich dafür sorgen, dass es einen Mindestbestand an Per sonal in sämtlichen Häusern gibt.

Das bedeutet, dass endlich die Sonntagsreden aufhören, in de nen es heißt, dass das Personal eine größere Wertschätzung genießt. Das bedeutet auch: Wir sorgen jetzt endlich dafür, dass das tatsächlich auch einmal abgebildet wird und nicht nur eine Sonntagsrede bleibt. Das ist eine sehr gute Maßnahme, die wir wichtig finden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Ich möchte ein Beispiel dafür aufgreifen, was es letztlich be deutet, wenn die steigenden Kosten bei der Finanzierung von Krankenhäusern nicht abgebildet werden. In der Geburtshil fe steigen die Haftpflichtprämien und müssen gezahlt werden. Werden diese nicht abgebildet, heißt das in der Konsequenz, dass zunehmend Krankenhäuser gerade in der wohnortnahen Versorgung im Land ihre Geburtshilfestationen schließen müssen, weil sie genau diese Kosten nicht mehr refinanzieren können. Das darf nicht sein, und das wollen wir auf jeden Fall verhindern. Darum wollen wir, dass insgesamt die DRGs auf den Prüfstand gestellt und neu justiert werden, sodass klar ist, dass die wohnortnahe Grundversorgung ein Kriterium sein muss.

Auf der anderen Seite müssen gleichzeitig die besonderen Be lastungen der Häuser der Maximalversorgung, der Uniklini ken, deutlich abgebildet werden, damit auch dort der Perso nalabbau aufhört. Dieser muss in allen Kliniken aufhören, weil wir insgesamt mehr Personal brauchen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wir haben – das möchte ich jetzt zum Schluss noch einmal deutlich sagen – uns im Land verpflichtet, eine Gesundheits versorgung auf den Weg zu bringen, die verlässlich ist und die genau diese Kriterien abbildet. Wir kämpfen im Bundesrat, dort, wo es auf Bundesebene notwendig ist, aber wir sind auch bereit, im Land deutlich das Heft in die Hand zu nehmen. Wir haben sowohl für dieses Jahr als auch für nächstes Jahr im Doppelhaushalt jeweils 250 Millionen € für die Kranken hausinvestitionskostenfinanzierung bereitgestellt. Das ist ein deutliches Wort. Wir haben den sektorenübergreifenden Lan desbeirat installiert, der dafür sorgen soll, dass wir die ambu lante und stationäre Versorgung zusammenbinden, dass es ei ne gemeinsame Versorgung gibt, dass da bessere Strukturen auf den Weg gebracht werden.

Das ist unser Ziel, das ist unser Einsatz. Ich finde, da haben wir einiges vorzuweisen. Jetzt kommt es darauf an, dass der Bund auch endlich Farbe bekennt und ein vernünftiges Kon zept vorlegt.

Schönen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Manfred Lucha GRÜNE: Super! – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sehr gut!)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Teufel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, mei ne sehr verehrten Damen und Herren! Die Kliniken in BadenWürttemberg und in Deutschland leisten einen unverzichtba ren Beitrag zur guten medizinischen Versorgung der Men schen in unserem Land. Hierzu möchte ich auch im Namen der CDU-Fraktion dem Direktor der BWKG ein herzliches Dankeschön für die Arbeit aussprechen. Ich bitte Sie, diesen Dank auch an die Mitarbeiter in den Kliniken weiterzugeben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDU-Landtags fraktion begrüßt die Initiative der Bundesregierung, die ein Volumen von 1,1 Milliarden € umfasst, um die Entlastung der

Kliniken voranzutreiben. Dies waren auch Forderungen in ei nem Entschließungsantrag aus Bayern, und dies waren auch Forderungen der BWKG in Baden-Württemberg.

Diese Entlastung beträgt für die Jahre 2013 und 2014 1,1 Mil liarden € für alle Kliniken in Deutschland. Sie umfasst folgen de Eckpunkte: eine Erhöhung des Versorgungszuschlags, den vollen Orientierungswert ab 2014, die anteilige Tariflohnrefi nanzierung. Auch sie ist mit abgebildet, wobei die Tariflohn erhöhung teilweise auch schon in den DRGs, den Fallpauscha len, mit abgegolten ist. Wir, die CDU-Landtagsfraktion, be grüßen besonders, dass das sogenannte Hygiene-Förderpro gramm auch mitfinanziert wird. Dies waren auch die wesent lichen Punkte des Entschließungsantrags aus Bayern, welche die CDU-Landtagsfraktion nachhaltig begrüßt und unterstützt hat.

Die CDU-Landtagsfraktion steht zur Weiterentwicklung der Krankenhausstrukturen. Wir sehen die Weiterentwicklung der Krankenhausstrukturen im Land Baden-Württemberg als ei ne wichtige landespolitische Aufgabe an.

Die CDU-Landtagsfraktion steht auch zur dualen Finanzie rung im Land Baden-Württemberg. Seit 1990 wurden über die duale Finanzierung über 6 Milliarden € für die Kranken hausinvestitionsförderung etatisiert.

Die grün-rote Landesregierung hat im Wahlkampf verspro chen, dass die Investitionsförderung erhöht bzw. verdoppelt wird und der sogenannte Antragsstau bis zum Ende dieser Le gislaturperiode abgebaut wird.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Woher kommt der Antragsstau? – Gegenruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜ NE: Echt!)

An diesen Punkten werden wir Sie auch messen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Jo chen Haußmann FDP/DVP – Glocke der Präsidentin)

Herr Kollege Teufel, ge statten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Haller-Haid?

Am Schluss. – Die CDU-Landtags fraktion steht zur bestmöglichen Versorgung der Menschen hier in Baden-Württemberg. Die Kliniken sind einem beson deren Veränderungsprozess ausgesetzt: erstens der Zunahme an ambulanten Operationen und zweitens dem Rückgang der Verweildauer. Frau Mielich, Sie haben es angesprochen: Der Rückgang der Verweildauer wird sich in den nächsten Jahren noch dramatisch verstärken.

Wir sehen von unserer Fraktion aus drei große Handlungsfel der. Erstens: Wir brauchen in der Organisation weiterhin Be strebungen in Form sektorenübergreifender Versorgungskon zepte. Zweitens: Wir müssen weiterhin eine Optimierung von ambulanten und stationären Versorgungskonzepten vorantrei ben. Drittens: Wir benötigen eine Weiterentwicklung der Kran kenhausfinanzierung.

Bei der Krankenhausfinanzierung brauchen wir erstens eine dauerhafte strukturelle Begrenzung von Mehrleistungen. Dies sind Fehlanreize im DRG-System. Das muss auch von der Bundesregierung mit aufgenommen und behoben werden.