Meine Damen und Herren, jetzt wird uns noch einmal so rich tig deutlich, warum sich der Ministerpräsident immer geziert hat, die Schuldenbremse früher in der Landesverfassung zu verankern,
warum Grün und Rot sogar die bestehende Schuldenbremse aus der Landeshaushaltsordnung hinausgekegelt haben. Das wird auch in diesem Nachtragshaushalt klar. 2020 war das neue hehre Ziel. Hier werden Verpflichtungsermächtigungen ausgesprochen, die letztendlich im Jahr 2043 einzulösen sind.
Für diesen Zeitraum, für die nächsten 30 Jahre, entmachtet sich der Landtag selbst, wenn er diesem Gesetz zustimmt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sie haben doch gesagt, Sie stimmen zu! Er hat doch gesagt, er unter stützt das! – Zuruf des Abg. Thomas Marwein GRÜ NE)
Dann stellt sich der Finanzminister noch hierher und sagt: „Wir etatisieren jetzt endlich einmal die Verpflichtungen, die sich aus den Verträgen ergeben können.“ Die Verträge liegen allerdings noch nicht vor. Wer dies tut – Herr Finanzminister Dr. Schmid, Sie haben sich als Haushälter von dem grünen Verkehrsminister schlichtweg über den Tisch ziehen lassen –, der entmachtet sich selbst, weil er den Verkehrsminister gar nicht mehr dazu zwingt, ordentliche, gute Verträge auszuhan deln,
unter Umständen auch mit Ausstiegsklauseln, mit Abbestell klauseln, weil er dem Verkehrsminister im Prinzip freien Lauf gewährt, immer mit der Sicherheit: „Das Geld habe ich ja.“
(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Schlechte Ver kehrsverträge waren immer die Domäne der CDU in diesem Land, Herr Hauk!)
Sie werden doch nicht im Ernst glauben, dass alle Ausschrei bungsstrecken im Wettbewerb laufen. Wer wird sich denn für Stuttgart bewerben, wenn nach S 21 mit einer ganz anderen Verkehrssituation der Bruch kommt?
Es wird sich nur ein Einziger bewerben können, der das über haupt über einen längeren Zeitraum leisten kann. Das wird die Deutsche Bahn sein. Das prognostiziere ich. Ich weiß es nicht; es ist aber doch wahrscheinlich, dass es so sein wird. Sie stel len dem Verkehrsminister hierfür im Prinzip einen Blanko scheck aus.
Dann zu Frau Öney. Sie kannte die Asylbewerberzahlen schon. Es war im letzten Jahr bereits prognostiziert, dass sie steigen würden. Ehrlich gesagt tut mir die Ministerin nur noch leid, weil sie bei der Aufstellung des Urhaushalts nicht die Kraft dazu hatte, das in der Koalition durchzusetzen und umzuset zen. Jetzt eilt man halt im Prinzip zwanghaft getrieben hinter her und bessert in dem Bereich noch nach, weil man aufgrund gesetzlicher Vorgaben und Urteile der Rechtsprechung nicht anders kann.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Was ist das jetzt für ein Vogel? – Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Aufgrund steigender Flüchtlingszahlen!)
Meine Damen und Herren, als Letztes will ich einen Appell an Grüne und Rote richten – den meine ich in der Tat ernst –: Wir haben hier mit dem Nachtragshaushalt ein Ermächti gungsgesetz vorliegen.
(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Wissen Sie, wel chen historischen Vergleich Sie gerade anstellen? Wissen Sie, wie der Name „Ermächtigungsgesetz“ in der Geschichte Deutschlands belegt ist? Entschuldi gung! – Zuruf des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD – Unruhe bei den Grünen und der SPD)
Entschuldigung, Herr Kollege Sckerl, über Historie haben wir vorhin gesprochen. Zu der Historie sollten Sie sich in der Frage verantwortlich bekennen.
(2 a) Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Ministerium... (Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Zurücknehmen, bitte!)
(2 c) Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur wird ermächtigt, zur Ausschreibung... So geht es gerade weiter. Der Gipfel ist folgende Formulie rung – das setzt dem Ganzen noch die Krone auf –: Die Inanspruchnahme der Verpflichtungsermächtigungen bedarf jeweils der gesonderten Einwilligung des Minis teriums für Finanzen und Wirtschaft. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie kastrieren den Landtag von Baden-Württemberg, (Widerspruch bei den Grünen und der SPD)
indem Sie durch Verpflichtungsermächtigungen bis zu 30 Jah re lang bestimmte Aufgaben nur noch der Landesregierung überantworten und diesen Landtag von der Wahrnehmung sei nes Königsrechts, nämlich Haushaltsrechts, bewusst fernhal ten.
Das ist ein Missbrauch der Landesverfassung. So war das In strument der Verpflichtungsermächtigungen nie gedacht.
die die Königsrechte des Landtags immer verteidigt hat? Wo bleibt der Ministerpräsident, der hehr angekündigt hat, er wer de diesen Landtag respektieren, ganz anders als es die frühe ren Regierungen getan hätten,
er werde ihn respektieren, akzeptieren, eine ganz neue Kultur einführen? Wo bleibt die Fraktion GRÜNE, die früher noch
für Freiheitsrechte, für parlamentarische Rechte gekämpft hat? Mit Verpflichtungsermächtigungen in diesem Nachtragshaus halt im Volumen von 12 Milliarden €, zum Teil bis zum Jahr 2043, kastriert sie sich selbst, nimmt sich ihre eigenen Rech te und sanktioniert im Prinzip von vornherein alles Regie rungshandeln.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Es ist schon ungeheuerlich, welche Worte heute in diesem Landtag fallen. Ich bin jetzt zwei Jah re hier, und normalerweise geht es sehr sachorientiert zu.
Aber Sie, Herr Hauk, sprechen jetzt in einer Debatte über den Nachtragshaushalt von Missbrauch und von einem „Ermäch tigungsgesetz“. Es fehlen einem fast die Worte, um dem zu entgegnen.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Unverschämtheit!)
Ich bitte Sie, Begriffe wie „Ermächtigungsgesetz“ – Sie sag ten, es würde ein „Ermächtigungsgesetz“ geben; das ist ein Begriff, der in einem klaren historischen Kontext steht – hier nicht zu benutzen.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Streichen Sie doch das Wort „Ermächtigung“ raus!)
Jetzt möchte ich zur Sache reden. Der Nachtragshaushalt, den wir beraten, hat zwei wichtige Aspekte. Es geht zum einen um einen attraktiven Schienenverkehr zu wirtschaftlichen Kon ditionen. Der zweite wichtige Bereich ist die Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen.
Es ist ein Kennzeichen unserer humanen und solidarischen Gesellschaft, dass wir denjenigen, die bei uns Schutz vor Krieg und vor Misshandlung suchen, eine Zufluchtsstätte an bieten.
Jetzt haben sich die Asylbewerberzahlen stärker entwickelt als angenommen. Deswegen ist es nur konsequent, dass wir im Nachtragshaushalt die Zuweisungen an die Stadt- und Landkreise bedarfsgerecht erhöhen. Es ist von 30 bis 40 Mil lionen € die Rede. Diese Zahlen waren im Vorfeld jedoch noch nicht klar; sie waren so gar nicht erkennbar.
Wir wollen die Lebenssituation der Asylbewerber verbessern. Wir reagieren auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Wir haben es politisch immer gefordert, und jetzt unterstüt zen wir die Kommunen dabei.
Herr Hauk, Sie haben der Ministerin vorgeworfen, sie hätte andere Zahlen verwenden sollen. Ich sage nur: Schauen Sie doch einmal, von wem diese Prognose kommt. Die Prognose von 6 000 neuen Flüchtlingen in Baden-Württemberg kommt