Protocol of the Session on March 20, 2013

Angesprochen wurde auch die Form der Entflechtung der Hol dingmodelle, wie wir sie in Deutschland kennen. Es gab am

28. Februar 2013 eine Entscheidung des Europäischen Ge richtshofs, wonach das deutsche und das österreichische Hol dingmodell zulässig sind. Insofern haben wir da sicherlich nichts zu befürchten. Es gibt aber einige Themen – Stichwort Quersubventionierung –, die man da noch einmal prüfen muss.

Aber im Hinblick auf die Subsidiarität, insbesondere auch mit Blick auf kleinere Eisenbahngesellschaften, gibt es schon ei nige Punkte, die wir auch in Baden-Württemberg im Auge be halten müssen. Das betrifft in erster Linie auch den Aufwand, der vielleicht damit verknüpft ist, wenn man über kleinere na tionale Netze immer in einer europäischen Gesellschaft, in ei ner europäischen Eisenbahnagentur zu entscheiden hat. Das sollte geprüft werden.

Ein weiterer Punkt ist die Problematik der Verfahren der Zu lassung durch die europäische Eisenbahnagentur.

Der letzte Punkt – ein wichtiger Punkt – ist die schon ange sprochene EU-Verordnung Nr. 1370/2007. Jetzt haben wir zum 1. Januar 2013 mit viel Mühe, bei viel Gesprächsbedarf das neue Personenbeförderungsgesetz umgesetzt. Insofern ist es nicht nachvollziehbar, dass man jetzt seitens der EU das Thema wieder aufgreifen will und eine Umstellung beabsich tigt.

Wir sind nun so weit, dass wir für die Aufgabenträger die Wahlfreiheit zwischen Direktvergabe und öffentlicher Aus schreibung geschaffen haben, und jetzt wird das Ganze wie der komplett infrage gestellt. Wir haben es in Deutschland nach vielen Jahren geschafft, das Personenbeförderungsge setz umzusetzen. Daher ist das ein Punkt, bei dem ich sage: Wir müssen auch darauf achten, dass wir nicht wieder in eine Regelungswut verfallen.

Ich möchte den Vorschlag der CDU aufgreifen, zu diesem Thema im Landtag von Baden-Württemberg eine öffentliche Anhörung durchzuführen. Ich glaube, damit würden wir ge rade auch für die kleineren Eisenbahngesellschaften in BadenWürttemberg einen wichtigen Impuls setzen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Hermann das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute mit europäischer Eisen bahnpolitik, mit dem sogenannten 4. EU-Eisenbahnpaket, das die EU-Kommission am 30. Januar vorgelegt hat.

Es geht um insgesamt sechs Legislativvorschläge, um Verord nungen und Richtlinien, um Vorschläge mit dem Leitziel und der Leitidee der Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnverkehrsraums. Dieses Ziel ist absolut sinnvoll und vernünftig.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Die erste Richtlinie setzt sich schwerpunktmäßig mit dem aus einander, was in diesem europäischen Raum bisher geregelt

wurde. Deswegen spricht man auch von Recast, weil man so zusagen die eigenen Regeln noch einmal überprüft und nach schärft.

Die zweite Richtlinie beschäftigt sich mit Fragen des öffent lichen Personenverkehrs und den Dienstleistungen. Hier ist schon gesagt worden: „Jetzt kommen die schon wieder mit ei ner neuen Regelung, wo wir doch gerade erst unsere verab schiedet haben.“ Meine Damen und Herren, das liegt daran, dass wir in Deutschland fünf Jahre gebraucht haben, um eine Regelung umzusetzen. Deswegen wundern wir uns jetzt, dass schon die nächste kommt. Das ist eine Nacharbeitung. Aber dieses Problem geht nicht auf die Europäische Union, sondern auf die Langsamkeit der deutschen Gesetzgebung zurück.

(Zuruf des Abg. Rudolf Köberle CDU)

Dritter Bereich: europäische Eisenbahnagentur. Das ist auch höchst überfällig. Denn es kann doch nicht wahr sein, dass wir weiter einen einheitlichen Europäischen Binnenmarkt ha ben, aber Wagen und Lokomotiven im Schienenverkehr in je dem Land extra genehmigt werden müssen und es in jedem Land nationale Eisenbahnämter wie das EBA gibt, die, wie wir wissen, nicht unbedingt die schnellsten Einrichtungen sind, was die Genehmigung angeht.

Schließlich geht es um die sogenannte Interoperabilität. Ge meint ist, dass die Technik, mit der jeweils auf der Schiene gefahren wird, auch kompatibel ist, dass es nicht sein kann, dass es in der EU unterschiedliche Signalisierungstechnik, un terschiedliche Kupplungen, unterschiedliche Führerscheine usw. gibt, die alle nicht zusammenpassen. Das ist ein wesent licher Grund, warum der Eisenbahnverkehr in Europa eben noch nicht länderübergreifend funktioniert.

Insofern muss man sagen, dass die Anliegen der Europäischen Kommission absolut unterstützenswert und richtig sind. Es geht um die Stärkung der Eisenbahninfrastruktur, es geht um mehr Wettbewerb und um Transparenz in all diesen Bereichen und bei allen Verfahren, und es geht um eine einheitliche Ge nehmigung gerade auch im Bereich der Fahrzeuge und im Be reich der Verkehrssicherheit.

Insofern kann ich sagen: Im Grundsatz kann man das nur un terstützen. An dieser Stelle kann man wirklich nicht sagen: „Rote Karte, Subsidiaritätsrüge, wir regeln das in BadenWürttemberg besser.“ Es ist doch geradezu das Wesen der eu ropäischen Regulierung, dass man versucht, das europäisch zu regeln, was man eben national und regional nicht regeln kann, weil es sonst keinen funktionierenden kommunizieren den Verkehr gibt.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Kommen wir zum Verfahrensstand. Herr Köberle, Sie müss ten es eigentlich genau wissen: Das, was wir heute diskutie ren, ist ein sogenanntes Vorwarndokument. Das heißt, die Kommission hat sich lange mit der Sache beschäftigt und hat dann einen Vorschlag gemacht. Jetzt beschäftigen sich damit die Parlamente, nämlich der Bundestag, der Bundesrat – stell vertretend als Nichtparlament – und die Landesparlamente, und fragen sich: Berührt dieses Paket unsere landesspezifi schen Interessen, oder nimmt es uns gar die Zuständigkeit für eine Aufgabe ab, die wir selbst besser wahrnehmen können?

Das ist von Bedeutung für die Frage einer Subsidiaritätsrüge. Da muss man schon sagen: Alle, die ich kenne und die von der Sache Ahnung haben – einschließlich der Landtagsver waltung, die uns ja auch in dieser Frage beraten hat –, sagen: Dies ist kein Fall für eine Subsidiaritätsrüge. Das wollen wir doch einmal festhalten.

(Beifall bei den Grünen – Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abg. Köberle?

Nein. Herr Köberle darf mir gern am Ende eine Frage stellen, wenn ich bis dahin seine Frage nicht ohnehin schon beantwortet habe.

Jetzt hat Herr Köberle gesagt, wichtig sei, was der Minister am Freitag im Bundesrat sagt und welche Position er da ver tritt. Herr Köberle, ich kann Ihnen versichern: Ich sage am Freitag gar nichts.

(Lachen des Abg. Werner Raab CDU)

Das steht nämlich am Freitag gar nicht auf der Tagesordnung, sondern die Behandlung ist verschoben worden und wird erst nach Ostern, am 7. April, stattfinden.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Haben Sie Ihre Hausaufgaben nicht gemacht?)

Ich werde mich dann so äußern, wie ich mich auch im Aus schuss geäußert habe.

Ich möchte Ihnen persönlich auch einmal sagen: Ich finde es ziemlich merkwürdig, dass Sie sich hier hinstellen und so tun, als hätte ich im Ausschuss nicht Auskunft gegeben.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf von den Grünen: Ge nau!)

Das war auf der Tagesordnung. In aller Ausführlichkeit habe ich alle Fragen, die mir gestellt worden sind, beantwortet.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Halt wahrschein lich auf Ihre Art!)

Wenn Sie noch eine Antwort erwartet hätten, hätten Sie selbst oder andere Mitglieder Ihrer Fraktion mir eine entsprechende Frage stellen können.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Haben Sie wieder „Om“ gesagt?)

Das haben Sie aber nicht getan. Sie haben selbst gesagt: „Es ist ausreichend beantwortet. Ende des Tagesordnungspunkts. Wir können weitermachen.“ So war es doch. Jetzt brauchen Sie hier nicht so zu tun, als hätte ich dazu nichts gesagt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Kommen wir zu den eigentlichen inhaltlichen Fragen. Sie wollen ja wissen, wie die Landesregierung darüber denkt und was der Minister dazu sagt.

Das erste Thema – sowohl beim Recast wie bei den anderen Punkten – ist das Projekt des sogenannten Unbundlings. Wir kennen das aus dem Bereich der Energieversorgung. Kann es

sein, dass der Netzbetreiber mit dem Produzenten identisch ist? Im Energiebereich hat man eine Trennung vorgenommen, im Verkehrs- und Schienenbereich noch nicht. Aber es ist das Grundanliegen der Europäischen Kommission, dort eine Tren nung herbeizuführen, weil sie das aus wettbewerblicher Sicht für besser hält, als wenn der Hauptbetreiber, der Monopolist, zugleich Eigentümer des Netzes ist, denn dann kann er kein fairer Bereitsteller von Netzen sein.

Das ist die Grundidee. Das ist das, was die Europäische Kom mission seit Langem kritisiert, wobei wir uns in Deutschland und andere Länder sich sehr schwertun, diese Trennung hin zubekommen. Aber die Grundlinie der Kommission steht. Auch hier sage ich: Ich unterstütze diesen Ansatz. Betrieb und Netz sollten im Prinzip zumindest organisatorisch klar ge trennt sein.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Warum? Weil derjenige, der das Netz besitzt, natürlich Vor teile hat, wenn er gleichzeitig auch Verkehrsleistungen anbie tet.

Sie, Herr Köberle, sind ja wie ich Mitglied in der Bundesnetz agentur gewesen. Wie oft haben wir Fälle behandelt, in denen der Netzbetreiber DB von anderen Anbietern kritisiert wurde, Fälle, in denen sich andere Verkehrsunternehmen beklagt ha ben, dass sie z. B. von der DB Netz diskriminiert werden? Dieses Konzept hat ja nur einen Zweck, nämlich dass man an dere, mögliche Konkurrenten, nicht diskriminiert. Dieses An liegen halte ich für absolut berechtigt.

Ich finde es auch richtig, dass die Europäische Kommission sagt: „Das, was ihr in Deutschland mit der DB macht, das ist eine Art von Quersubventionierung, die nicht funktioniert, die man nicht machen kann.“ Es ist doch so, dass wir mit öffent lichen Mitteln, beispielsweise mit Regionalisierungsmitteln oder mit sogenannten LuFV-Mitteln, also mit Bundesmitteln für die Sanierung von Schienen oder Schienenausbaumitteln, den DB-Konzern „füttern“. Der DB-Konzern macht Rendite, finanziert mit seiner Rendite z. B. billigen Busverkehr und konkurriert in diesem Bereich mit privaten Unternehmen. Das ist eine Form von Quersubventionierung, die die EU nicht will und zu Recht ankreidet. Die EU sagt zu Recht: Hier wird mit staatlichen Mitteln in einen Wettbewerb eingegriffen, ohne dass es einen Grund dafür gibt. Wir sind da für eine saubere Trennung. Deswegen sagt die Europäische Kommission: „Ihr müsst das organisatorisch sauber trennen, auch besser tren nen, als ihr das bisher bei der Deutschen Bahn gemacht habt.“

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Unter dem Druck der Verhältnisse und unter dem Druck der Bundesregierung und der Deutschen Bahn hat man übrigens die strikte Regelung – die sah ja vor, konsequent alles zu tren nen – insofern verändert, als man gesagt hat: Dort, wo es in tegrierte Strukturen gibt wie bei der DB in Deutschland, ak zeptieren wir das, aber es muss formal innerhalb des Konzerns getrennt werden. Dort muss es strengere Regelungen geben, sogenannte Chinese Walls zwischen den verschiedenen Töch tern der Bahn, und bei neuen Anbietern lassen wir es nicht mehr zu, weil es zu sehr den Wettbewerb beeinträchtigt und andere benachteiligt. Meine Damen und Herren, auch das ist korrekt und unterstützenswürdig.

(Beifall bei den Grünen)