Protocol of the Session on March 6, 2013

Die Landesregierung wird mit der Stärkung der demokrati schen Strukturen in Europa Ernst machen. Wir sollten sie da bei unterstützen und – das haben Sie auch angemahnt – Ver trauen der Bürgerinnen und Bürger in und für Europa zurück gewinnen.

Die Landesregierung sollte die Unterstützung aller Fraktio nen in diesem Landtag haben, wenn es zur Einberufung eines Konvents kommt, um auch die vertraglichen Voraussetzun gen zu schaffen, die Europa insgesamt krisenfest machen.

Die mit dem Vertrag von Lissabon bereits eingeleitete Demo kratisierung holt die Bundesregierung jetzt beim mehrjähri gen Finanzrahmen ein. Sie hat offenbar übersehen, dass nach dem Vertrag von Lissabon zum ersten Mal in der Geschichte der EU im Europaparlament eine qualifizierte Mehrheit zu

diesem Finanzrahmen vorhanden sein muss. Natürlich kann das Europaparlament diesen Kürzungen nicht zustimmen. Ich meine, wir sollten auch aus Sicht des Landes diesen Kürzun gen nicht zustimmen.

Deshalb haben wir zur heutigen Beratung den vorliegenden Beschlussvorschlag eingebracht, den wir auch zur Abstim mung stellen werden. Die Milliardenkürzungen gegenüber dem Vorschlag der EU-Kommission in den beiden angespro chenen Rubriken beeinträchtigen unsere zukünftigen Maß nahmen im Bereich der Energie- und der Verkehrsinfrastruk tur, und zwar auch in Deutschland und Baden-Württemberg. Die Kanzlerin ist uns bisher eine Antwort auf die Frage schul dig geblieben, wie wir in Baden-Württemberg mit dem Rück gang der Mittel umgehen wollen. Sagen Sie uns einmal, Frau Merkel und Herr Reinhart, wie wir zukünftig die für uns wich tigen Projekte, etwa im Rahmen der europäischen territoria len Zusammenarbeit mit der Schweiz, finanzieren sollen.

Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die 6 Milliarden €, die zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit eingesetzt wer den sollen, vom Europäischen Sozialfonds abgezwackt und als neues Produkt verkauft wurden. Bei diesen Taschenspieler tricks machen wir nicht mit.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Unser Dank gilt Minister Friedrich, der unsere Stimme in Eu ropa ist

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Genau!)

und sich dort für das Erreichen weiterer Fortschritte, die in der Wirtschafts- und Währungsunion nötig sind, einsetzt.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch Frau Merkel anerkennt, dass wir im Bereich des Schuldentilgungsfonds und der Eu robills vorangehen müssen. Da wird sie sicherlich von der Re alität eingeholt werden.

Lassen Sie uns deshalb in Zukunft die Schritte in Richtung ei nes gemeinsamen europäischen Hauses mit gutem Brand schutz solider, solidarischer und etwas schneller gehen.

Ich danke Ihnen, wenn Sie dem Entschließungsantrag, den wir eingereicht haben, nachher zustimmen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion spricht Kolle gin Haller-Haid.

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen, meine Damen und Herren! Wenn wir hier im Landtag über den Europabericht der Landesregierung spre chen, dann ist er meist schon etwas veraltet. Aber ein Thema bleibt leider aktuell: Das ist die Finanzkrise. Das hat auch mit der einseitigen Sparpolitik, die es in Europa gibt, zu tun. Ein seitige Sparpolitik, Kollege Reinhart, hat eben nichts mit So lidität zu tun, sondern sie bewirkt letzten Endes das Gegen teil. Die Arbeitslosigkeit in den südeuropäischen Ländern steigt weiter. Vor allem die Jugendarbeitslosigkeit steigt dort in unvorstellbare Höhen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Frau Kollegin, wenn ich spare, habe ich etwas! Wenn ich nicht spare, ist es ein Minus!)

Damit steigt natürlich auch die Staatsverschuldung, Herr Zim mermann. Gleichzeitig sinkt die Realwirtschaft und insgesamt die Wettbewerbsfähigkeit der Länder in Europa.

Die Politik „Kredite gegen Sparkurs“ hat nicht funktioniert. Das sehen wir jetzt in Italien. Die Italiener haben gewählt, wie sie gewählt haben, weil sie das eben nicht akzeptieren. Das Wort „Reform“ ist bei vielen Menschen in Europa mittlerwei le zum Unwort geworden.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das Unwort ist „Po lizeireform“! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP)

Wir laufen große Gefahr, dass die Vertrauenskrise in Europa zunimmt. Welche Auswirkungen das hat, können wir uns al le vorstellen, zumal das Vertrauen in Europa ohnehin nicht be sonders stark ist.

(Zuruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Deshalb nun einige Stichworte zum Europabericht. Das erste Stichwort ist die Stärkung der parlamentarischen Demokratie und die Reform der EU. Dabei geht es auch um die Rolle, die die Regionen und die einzelnen Bundesländer spielen. Wie Sie wissen, gibt es inzwischen einen Gesetzentwurf, der die Beteiligungsrechte des Bundesrats festschreibt und der unter Federführung Baden-Württembergs zustande gekommen ist.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, wir müssen hier in diesem Zusammenhang auch über die Rolle der Land tage sprechen. Ich meine, die Landtage müssen in Bezug auf Europa ein Wörtchen mitreden.

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Da sind wir bei einander! Jawohl!)

Auch wenn es um den Umbau der EU geht, sollten die Land tage gefragt sein. Deshalb möchte ich eine entsprechende Dis kussion auch hier im Landtag einfordern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen sowie des Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU)

Das zweite Stichwort ist die Krisenbewältigung. Die krisen geschüttelten Länder brauchen entsprechende Wachstumsin itiativen. Deshalb muss es ein Ende damit haben, dass Frau Merkel nur immer wieder die Keule „Haushaltskonsolidie rung“ schwingt. Mit dieser Politik hat sie nämlich ganz we sentlich zur Verschärfung der jetzigen Situation beigetragen.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Sie hat übrigens auch immer nur da Zugeständnisse gemacht, wo es letztlich unvermeidlich war.

Im letzten Jahr ist es zu einem Wachstumspaket gekommen. Dies war jedoch einmalig, und es reicht auf keinen Fall aus. Deshalb brauchen wir jetzt keine weiteren Ausgabenkürzun gen so, wie sie im Haushalt vorgesehen sind, sondern wir brauchen in der Tat Konjunkturprogramme. Um Konjunktur programme auf den Weg zu bringen, sind Steuereinnahmen erforderlich. Deshalb kommt es ganz entscheidend darauf an, dass wir in Europa endlich die Steuerschlupflöcher schließen und dass der einseitige Wettbewerb um niedrige Steuersätze und niedrige Sozialstandards beendet wird.

Die Landesregierung setzt sich deshalb für ein europäisches Bündnis zur Stärkung der Staatseinnahmen und für einen eu ropaweiten Mindestsatz für die Besteuerung von Vermögen ein.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Zu begrüßen ist auch, dass wir endlich eine Finanztransakti onssteuer bekommen. Dafür hat sich die sozialdemokratische Fraktion sehr stark eingesetzt, ebenso wie die Grünen. Das ist aber auch der zähen Kampagnenarbeit vieler Initiativen, auch hier in Deutschland, zu verdanken. An dieser Stelle möchte ich mich einmal ganz ausdrücklich für diese Arbeit bedanken.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Be ate Böhlen GRÜNE)

Aber es kommt jetzt natürlich auch darauf an, dass die Finanz transaktionssteuer auch vor dem Hintergrund der anstehenden Bundestagswahl endlich umgesetzt wird. Dies muss schnel ler vonstattengehen.

Vonseiten Baden-Württembergs sind wir auch dafür, dass die ses Geld der EU zur Verfügung gestellt wird. Denn mit die sem Geld könnte man z. B. die Programmmittel für die Ju gendgarantie aufstocken, was dringend notwendig wäre. Im Rahmen dieser Jugendgarantie gibt es derzeit Zuschüsse für Länder, die eine Jugendarbeitslosenquote von über 25 % auf weisen. Das ist sicher ein richtiger Schritt, reicht aber nicht aus. Denn schon eine Jugendarbeitslosenquote von 20 % ist eine Katastrophe, und selbst eine Quote von 10 % ist viel zu hoch. Jeder arbeitslose Jugendliche ist nämlich ein arbeitslo ser Jugendlicher zu viel.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen sowie der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Das dritte Stichwort heißt Bankenregulierung. Wir haben uns ja gemeinsam dafür eingesetzt, dass die Sparkassen und Ge nossenschaftsbanken – die nicht die Verursacher der Krisen waren – keine Nachteile durch die Regulierungen haben. Das ist auch weitgehend gelungen. Um die Kreditvergabe für un seren Mittelstand müssen wir uns, glaube ich, keine Sorgen machen. Die Kreditvergabe wurde vereinfacht, und damit sind Kredite auch billiger, sodass hierdurch ein Schub zu erwarten ist.

Was jedoch die Aufsicht anbelangt, gibt es noch einige Unter schiede. Es gibt eine Erklärung der EU, dass dies in nationa ler Hand verbleiben soll. Aber eine Erklärung ist eine Erklä rung. Ich denke, an dieser Stelle müssen wir wachsam blei ben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Richtig erfreulich finde ich, dass die Tage der schwindelerre genden Bankerboni endlich gezählt sind. Da ist eine Einigung erzielt worden: Bonuszahlungen werden jetzt grundsätzlich auf den doppelten Betrag des Grundgehalts begrenzt. Das ist ein großer Fortschritt, denn die Boni haben natürlich dazu bei getragen, dass die Banker in der Vergangenheit bestimmte Ri siken eingegangen sind. So wurde u. a. die Finanzkrise mit verursacht.

Noch ein Wort zur Trinkwasserversorgung: Wir haben dazu einen gemeinsamen Entschließungsantrag verabschiedet. So,

wie es jetzt aussieht, wird die Europäische Kommission einen neuen Vorschlag vorlegen. Ich finde es übrigens sehr erfreu lich, dass die hierfür notwendige Zahl von Unterschriften zu sammengekommen ist. Ich möchte mich bei allen, die mitge holfen haben, noch einmal herzlich bedanken; denn das ist letzten Endes auch ein Erfolg für die Demokratie.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Als letztes Thema der EU-Haushalt: Die Bundesregierung hat beim letzten Gipfel die Möglichkeit vertan, den EU-Haushalt an der Europa-2020-Strategie auszurichten. Hinzu kommt, dass beim jetzigen EU-Haushaltsplanentwurf die Ausgabener mächtigungen die Einnahmen übersteigen. Damit gehen wir die Gefahr ein, dass es in Europa zur Verschuldung kommt. Allerdings sieht die Sparpolitik, die jetzt vorgeschlagen ist, Kürzungen der Strukturmittel für Forschung, für Innovation vor. Das schadet letzten Endes auch Baden-Württemberg.

Daher möchte ich Sie im Interesse unseres Landes herzlich bitten, unserem Antrag heute zuzustimmen und die Mitglie der des Europäischen Parlaments aus Baden-Württemberg aufzufordern, im Europäischen Parlament das Wort für Ba den-Württemberg zu ergreifen und diesen Kürzungen, die vor allem die Hochschullandschaft in Baden-Württemberg mas siv betreffen, nicht zuzustimmen.

Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht Herr Abg. Grimm.