Protocol of the Session on March 6, 2013

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich glaube, jeder von uns weiß, dass nicht das Land Baden-Württemberg, dass nicht die Landesregierung und nicht die Regierungsfraktionen in diesem Land Baden

Württemberg schuld daran sind bzw. Verantwortung dafür tra gen, dass es in diesem Land weniger Kinder gibt. Das ist näm lich das Faktum, das viele Kommunen heute leider dazu bringt, über die Existenz ihrer Schulen nachdenken.

Das einzige Ziel dieser Landesregierung und der Regierungs fraktionen – ich würde mich freuen, wenn das auch für Ihre Fraktionen gälte – muss es doch sein, dass wir möglichst vie le Schulstandorte halten und gleichzeitig den Bildungsstand ort Baden-Württemberg, was die Qualität der Bildung angeht, bewahren können.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf von der SPD: Genau!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist absolut rich tig: Um die hohe Qualität des baden-württembergischen Bil dungssystems zu sichern und die Herausforderungen zu be wältigen, ist eine Weiterentwicklung der Schulstrukturen er forderlich. Wir müssen die Frage beantworten, wie pädago gisch leistungsfähige und gut erreichbare Schulen unter die sen veränderten Rahmenbedingungen erhalten werden kön nen. Das ist keine angenehme und keine einfache Frage. Sie wird auch in vielen Orten, vielen Regionen zu Ängsten füh ren. Ich bitte Sie aus Verantwortung für unser Land dringend, diese Ängste nicht zu missbrauchen und nicht zu schüren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das ist eine unangenehme Aufgabe, aber die Aufgabe ist für die Zukunft unseres Landes zentral wichtig. Die früher von Ihnen gestützte Landesregierung hat sich an dieses Thema eben nicht herangetraut. Bei diesem Thema sind wichtige und schwierige Diskussionen mit den Kommunen, mit den Regi onen zu führen. Deswegen sind Sie diese Aufgabe nicht an gegangen.

Ich darf Sie bitten, dass Sie, wenn wir die regionale Schulent wicklungsplanung in den nächsten Wochen und Monaten ins Werk setzen, an unserer Seite sind und gemeinsam mit uns um die besten Lösungen für die Menschen in diesem Land ringen werden.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kol legen, es entspricht auch nicht der Philosophie der Landesre gierung, diesen Prozess vom Reißbrett und von Stuttgart aus zentral zu entscheiden. Wir setzen darauf, dass die zukünfti ge Schullandschaft Baden-Württembergs gemeinsam mit den Partnern – das sind insbesondere die Gemeinden und die Landkreise – vor Ort gestaltet wird. Für das Konzept der re gionalen Schulentwicklung werden wir diese Partner zur fach lichen Unterstützung dringend brauchen.

Klar ist allerdings, dass die Schullandschaft auch weiterent wickelt werden muss. Allein schon der kommende Rückgang der Zahl der Schüler – diesen können wir ganz einfach an den Statistiken ablesen – zwingt uns zum Handeln.

Ein kleines Zitat:

„In neun Jahren... haben wir im Alb-Donau-Kreis 27 % weniger Schüler als heute. Da kann ich nicht warten, bis in der Hauptschule der Letzte das Licht ausmacht.“

Von wem stammt dieses Zitat? Dieses Zitat stammt von An nette Schavan, frühere Bundesbildungsministerin – „Schwä bische Zeitung“ vom 24. Oktober 2011. Frau Schavan, genau so ist es. Wir dürfen das nicht geschehen lassen, wir müssen die Zukunft dieses Landes aktiv gestalten.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf von der SPD: Sehr gut! – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

In den vergangenen acht Jahren ist die Zahl der Schülerinnen und Schüler bereits um rund 125 000 zurückgegangen.

(Zuruf des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Für die Zeit bis 2020 rechnen wir mit einem weiteren Rück gang in der Größenordnung von 190 000 Schülerinnen und Schülern. Auch die Entscheidungen über die Bildungsgänge nach der Grundschulzeit und die Attraktivität der verschiede nen Schularten haben sich verändert. All dies hat dazu geführt, dass nicht wenige Schulen im Land kritische Größen erreicht haben. Die Zahl dieser Schulen wird weiter zunehmen. Das ist eine große Belastung für die Schulen.

Betroffenen Lehrerinnen und Lehrern, Eltern und Kommunal politikern fehlt heute die Perspektive, eine Perspektive, die wir ihnen dringend geben müssen und die wir ihnen geben werden, indem wir den Rahmen für eine regionale Schulent wicklung setzen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Ziel der Bildungspolitik, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist, dass jedem jungen Menschen hochwertige Bil dungsangebote in erreichbarer Nähe gemacht werden.

Wir haben bereits heute Morgen darüber gesprochen: Wenn wir die regionale Schulentwicklung zum Erfolg führen, dann schaffen wir es, zahlreiche Schulstandorte gerade im ländli chen Raum – für den ländlichen Raum sind sie von eminent großer Bedeutung – zu erhalten. Tun wir nichts, wie Sie lei der in den vergangenen Jahren, haben wir ein zufälliges Schul sterben. Wir werden weiterführende Schulen dann nur noch in den mittleren und größeren Städten haben. Das ist keine Politik für den ländlichen Raum, die Sie in den vergangenen Jahren in diesem Bereich gemacht haben.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Neben dem Faktum der zurückgehenden Schülerzahlen ist na türlich auch zu konstatieren – das hängt mit den zurückgehen den Schülerzahlen zusammen –, dass noch viel zu viele Ju gendliche unser Bildungssystem verlassen, ohne ihren Weg machen zu können, ohne gleich in eine berufliche Ausbildung finden zu können oder in ein erfolgreiches, selbstbestimmtes Leben starten zu können.

Deswegen hat diese Landesregierung ganz erhebliches Au genmerk darauf gelegt, die Unterschiede im Bildungssystem, gerade was Bildungsgerechtigkeit angeht, auszugleichen. Des wegen haben wir erhebliche Investitionen im vorschulischen Bereich vorgenommen. Deswegen werden wir auch, was die Schullandschaft angeht, bei integrativen Lernkonzepten, beim Ausbau der Ganztagsschulen ein ganz erhebliches Gewicht darauf legen, dass Bildungsgerechtigkeit in diesem Land funk

tioniert und wirklich alle jungen Menschen, alle Kinder und Jugendlichen Chancen haben, in Baden-Württemberg eine Bildung vorzufinden, die ihnen ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es ist dabei nicht erfolg versprechend, wenn man Schularten gegeneinander ausspielt.

(Zuruf von der CDU: Wer macht denn das?)

Ich bitte Sie und ich lade Sie dazu ein, die verschiedenen Möglichkeiten, die verschiedenen Wege, wie Kinder und Ju gendliche erfolgreich zu Bildungsabschlüssen gelangen kön nen, nicht schlechtzureden,

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Genau!)

sondern die weiterführenden Schulen – heute Morgen haben wir über Realschulen gesprochen – auch zu unterstützen, da mit sie dieses Ziel erreichen können.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Und erhalten!)

Jede Schule, die bereit ist, sich auf die veränderten Gegeben heiten einzustellen, die bereit ist, sich weiterzuentwickeln – ich weiß, dass das die meisten Schulen sind –, wird unsere Unterstützung haben. Gemeinsam werden wir so, glaube ich, ein vielfältiges Bildungsangebot haben.

Kollege Dr. Kern, wenn Schulen Konzepte entwickeln, die er folgreich sind, wären wir absolut falsch beraten, wenn wir die se Schulen nicht unterstützen würden. Wir müssen es schaf fen, die Vielfalt in Baden-Württemberg auch in regionalen Unterschieden, auch in lokalen Besonderheiten zu akzeptie ren und da unsere Hilfe angedeihen zu lassen, wo es für die Kinder und Jugendlichen wichtig ist.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Zum Verfahren der regionalen Schulentwicklung darf ich Ih nen sagen: Die regionale Schulentwicklung ist das zentrale Instrument, um zu gewährleisten, dass wir diesem zufälligen Schulsterben Einhalt gebieten.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Weil in diesen beiden Anträgen auch das Gutachten der GEW, das sogenannte Bargel-Gutachten, angesprochen ist,

(Abg. Georg Wacker CDU: Das beerdigen Sie lie ber!)

zitiere ich daraus:

Aufgrund ihrer Größe kann die überwiegende Mehrheit der Gemeinden zukünftig nicht einmal die Schülerschaft für eine einzügige Hauptschule aufbringen. Bei einer Zu gangsquote von 25 %, wie gegenwärtig landesweit, blei ben gut zwei Drittel... der 1 109 Gemeinden unter der Zahl von 16 Hauptschüler/-innen; fällt der Zugang auf 20 %, steigt dieser Anteil auf 75,7 % der Gemeinden, in absoluten Zahlen: 839 Gemeinden, die das Schülerpoten zial für eine einzügige Hauptschule nicht erreichen...

Tun wir nichts und hängen wir weiter dem Märchen an, dass das dreigliedrige Schulsystem in alle Ewigkeit weitergeführt werden kann, dann haben wir das, was ich vorhin beschrie ben habe: eine Bildungslandschaft in Baden-Württemberg, die Baden-Württembergs, wo die Kraft in der Fläche liegt, nicht würdig ist. Dann haben wir noch wenige weiterführende Schu len in den mittleren und großen Städten. Das können Sie ganz sicherlich nicht wollen. Wir wollen es jedenfalls nicht.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Wo kommen denn Ihre Gemein schaftsschulen hin? Ohne gymnasiales Niveau!)

Jetzt zur Frage der divergierenden Interessen von Gemeinden in räumlichen, in lokalen Zusammenhängen. Ich glaube, vie le von Ihnen als Abgeordnete in Wahlkreisen wissen, dass Kommunen, die ihre Schule zu verlieren drohen, zunächst ein mal versuchen, Konzepte zu erstellen, die ihrer Gemeinde den Erhalt ihrer Schule gewährleisten. Viele Schulen haben das probiert. Einige haben Konzepte entwickelt, und zahlreiche haben sich auf den Weg gemacht, um beispielsweise in einer Gemeinschaftsschule verschiedene, differenzierte Bildungs abschlüsse anbieten zu können.

Aber Sie wissen auch: Nicht alle Schulen, nicht alle Kommu nen haben genug Kinder, um eine weiterführende Schule be wahren zu können. Da ist es jetzt eine zentrale Aufgabe der regionalen Schulentwicklungsplanung, für Kommunen, die in räumlichen Zusammenhängen sind, Bildungsangebote, die be reits vorhanden sind, so zu organisieren, dass möglichst we nige Schulstandorte geschlossen werden müssen, dass mög lichst viele Schulen mit guter Qualität erhalten bleiben. Da werden wir nicht jede kleine Schule halten können. Aber, wie gesagt: Die Alternative dazu ist das Nichtstun. Die Alternati ve zu unserem Konzept ist, dass noch viel mehr Schulstand orte von der Bildfläche verschwinden würden.

Uns deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, vor zuwerfen, wir würden eine Schulschließungsliste aufstellen oder wir würden auf die Schließung von weiterführenden Schulen in Baden-Württemberg Wert legen, ist im Hinblick auf das, was ich Ihnen gerade ausgeführt habe, geradezu ab surd. Ich rufe Sie auf, ich appelliere an Sie: Seien Sie dabei, wenn wir die regionale Schulentwicklung angehen. Wir wer den mit den Kommunen schwierige Diskussionen führen. Da hilft es uns allen nichts, wenn falsche Erwartungen geweckt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die regionale Schul entwicklung muss für das Land Baden-Württemberg, für die Kinder und Jugendlichen und ihre Zukunftschancen ein Er folg werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Wacker das Wort.