gewissermaßen priorisiert, also die übergeordnete Sichtwei se, die der Bund haben muss, dadurch unterläuft, dass man ihn sozusagen mit Geld ins Ländle oder sonst wohin zieht. Anderswo nennt man das Sponsoring. Es gibt auch noch häss lichere Begriffe. Es ist aus der Perspektive des Bundes und der anderen Länder natürlich ein Problem, wenn sich reiche re Bundesländer Bundesprojekte dadurch erkaufen können, dass sie sagen: Wenn ihr es bei uns macht, zahlen wir einen Anteil, zumindest so lange, bis ihr es machen würdet.
Das führt zu erheblichen Verwerfungen. Das war der Einwand von Professor Meyer, der gesagt hat, darin bestehe die Verfas sungswidrigkeit.
Wenn nun aber wie im Fall des Rheintals alle Beteiligten über zeugt sind, dass es ein richtiges Projekt ist, aber die Lärm schutzmaßnahmen und die Bürger- und Kommunalfreundlich keit nicht gewährleistet sind, und wir für diesen Fall diese zu sätzlichen Aufwendungen durch Landesmittel unterstützen, dann halte ich diese Einwände für nicht zutreffend. Deswe gen kann man das meines Erachtens auch machen.
Ich habe noch eine Anmerkung. Ich bin dankbar, dass Sie das Thema noch einmal aufgegriffen haben. Vorher habe ich nur verkürzt über die Trasse und über die Lärmschutzmaßnahmen gesprochen. Tatsächlich angesagt ist jedoch: Wir müssen es im Rheintal, wo es bei der Ausbaumaßnahme am Ende um 400 bis 600 Güterzüge pro Tag geht – das ist eine extreme Be lastung für die Bevölkerung und eine extreme Lärmbelastung für das gesamte Rheintal – schaffen, dass wir die modernsten Technologien beim Gleisbau, beim Gleisbett einsetzen – es gibt inzwischen neue Technologien von lärmarmen Gleisbett bauweisen; ich nenne auch das regelmäßige Gleisschleifen – und dass der Bund auf dieser Trasse lärmabhängige Trassen gebühren einführt, damit dort wirklich nur die modernsten und leisesten Güterwagen fahren.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Aber nur mit Zustimmung der EU! Das kann nicht der Bund machen!)
Ja, da sind wir bereits mit der Europäischen Union, mit dem zuständigen Kommissar in Verhandlungen. Denn er weiß, dass in Europa zukünftig nirgendwo und schon gar nicht im Rhein tal Trassen durchgebaut werden können, wenn nicht gleich zeitig bei der Technologie im Schienenverkehr in erheblichem Maß umgedacht wird.
Das Schöne ist: Eigentlich können wir technologisch alles ma chen. Wir haben z. B. in Karlsruhe ein Institut und einen Pro fessor, der seit Jahren an Modellprojekten „Leiser Schienen verkehr“ arbeitet. Wir haben bundesweit eine ganze Reihe von Modellprojekten „Leiser Schienenverkehr“. Ich würde gern das ganze Rheintal zum Modellprojekt „Leiser Schienengü terverkehr“ machen und auch den Bund dazu bringen, mehr als bisher zu tun, und die Bahn dazu bringen, mehr zu tun. Wir beteiligen uns ja auch. Ich möchte, dass dies auch zum Mo dellprojekt der Bürgerbeteiligung wird. Wir haben eine Staats rätin, die sich speziell um die Verbesserung der Bürgerbetei ligung bemüht. Wir haben schon verabredet, dass wir im Som mer in das Rheintal gehen und uns vor Ort um die Betroffe nen kümmern.
Weil mich Frau Gönner auch einmal darauf angesprochen hat, weise ich darauf hin: Wenn man die Trasse abweichend von der bisherigen Trasse verlegt, gibt es natürlich neue Betrof fenheiten. Das darf man nicht übersehen. Unser Ansatz wäre, dass wir die neuen Betroffenheiten wirklich angehen und be rücksichtigen und nicht bei den neuen die alten Fehler noch einmal machen. Wir müssen wirklich an alle denken und mög lichst viele Menschen berücksichtigen. Sonst wird man bei der Umplanung schnell scheitern.
Herr Minister, ich kann Ihnen jetzt nicht ganz folgen. Wenn ich den Antrag aus dem letzten Jahr richtig interpretiere, war unser primäres Ziel, bei dem uns auch die SPD zugestimmt hat – genau das Thema, das Sie an gesprochen haben –, den Lärmschutz mitzufinanzieren. Dazu hat die Landesregierung ganz klar gesagt, dass sie sich betei ligen wird. Heute sagen Sie Ja, damals haben Sie dagegen ge stimmt. Können Sie das noch einmal interpretieren? Punkt 1.
Punkt 2, zur Klarstellung: Dort, wo das Baurecht für die Rheintalbahn besteht, wurde das Geld vom Bund auch zur Verfügung gestellt.
(Zuruf von den Grünen: Es gibt kein Baurecht im Rheintal! – Gegenruf der Abg. Tanja Gönner CDU: Doch, das gibt es!)
Vielleicht haben Sie Verständnis dafür, dass ich mei ne Abstimmungshaltung im letzten Jahr im Landtag nicht be gründe.
Ich war damals im Bundestag und habe mich im Bundestag übrigens sehr dafür eingesetzt – Sie können auch bei den Kol legen Ihrer Fraktion nachfragen –, dass wir einen möglichst überparteilichen Antrag zum Rheintal zustande bringen, der sich für die Umplanung, für eine lärmschonende Trasse, für Trassengebühren, die lärmabhängig sind, einsetzt, und dass wir Pilotprojekte machen. Wir haben das leider nicht ge schafft. Am Ende hat sich auch da das Spiel „Opposition und Regierung“ durchgesetzt.
Wir hatten sozusagen getrennte Anträge. Wir hatten einen An trag gemeinsam mit der SPD, und die CDU hatte zusammen mit der FDP einen Antrag. In der Sache waren wir aber sehr nah beieinander. Das möchte ich mir eigentlich ungern zerre den lassen. Ich glaube, dass wir bei diesem Projekt richtig weit gekommen sind. Auch im Beirat sind wir, finde ich, weit ge kommen. Auch von meiner Vorgängerin im Ministeramt weiß ich – zum Teil Vorgängerin; sie hatte ja viel größere Kompe tenzen als ich –,
dass sie sich für das Rheintal eingesetzt hat. Ich war auch be reits im Bundesministerium und habe mit dem zuständigen Staatssekretär, der zusammen mit mir den Beirat leitet, über dieses Projekt gesprochen. Wir haben uns darüber verständigt, dass wir beide – er kommt übrigens aus Baden-Württemberg, obwohl er von der CSU ist –
bei diesem Projekt keinerlei Dissens haben und dass wir die se Chance nutzen sollten, auch deshalb, weil es in diesem gan zen Gebiet – im Unterschied zu Stuttgart – keine einzige Ge meinde gibt, die sagen würde: „Wir wollen keine Schienen hier.“ Alle sagen: „Wir sind der Meinung, dass wir einen bes
seren Schienenverkehr brauchen. Wir wollen die Verlagerung. Wir wollen, dass etwas anderes, etwas Besseres entsteht.“
Letzter Punkt: Sie haben nach der Finanzierung gefragt. Der Rastatter Tunnel ist schon lange fertig geplant; man könnte schon lange bauen. Er ist aber noch immer nicht finanziert. Ich muss schon sagen: Es ist ein ernsthaftes Problem, dass wir in Deutschland und auch in Baden-Württemberg so tun, als wären alle unsere Großprojekte schon finanziert. Tatsächlich sind sie krass unterfinanziert. Wenn man sich einmal ausrech net, was wir hier im Land im Schnitt der letzten Jahre an Fi nanzierungsmitteln vom Bund bekommen haben oder was auch andere Bundesländer bekommen haben, dann wird es ei nem eher schlecht, weil man denkt, es wird auf Jahre hinaus nicht klappen, dass man das realisiert, was man gern hätte.
Sehr geehrter Herr Minister, wenn man die bisherigen Aussagen, die Sie im Zusammen hang mit Infrastrukturprojekten getätigt haben, zusammen fasst, kommt man – gerade wenn man auf Stuttgart 21 schaut – doch eher zu dem Eindruck, dass Sie gewissermaßen ein ge spanntes Verhältnis zur Bahn haben.
Die „Badische Zeitung“ zitiert heute die Bürgerinitiative MUT, die befürchtet, dass das angespannte Verhältnis, das Sie in Sachen Stuttgart 21 bisher an den Tag gelegt haben, eine Belastung für die Verhandlungen in Sachen Rheintalschiene sein könnte. Dazu hätte ich Sie gern um eine Stellungnahme gebeten.
Ferner haben Sie zuvor die Idee des Regierungspräsidenten Würtenberger wiederholt, ein Modellprojekt mit einer ganz tollen Schiene dort unten zu realisieren. Das finde ich klasse. Sie haben aber gerade das rollende Material angesprochen, und wir wissen, dass diesbezüglich nur ein ganz geringer An teil aus dem deutschen Wagenbestand kommt. Meine Frage lautet – ich bitte Sie, eine etwas dezidiertere Antwort zu ge ben –, wie Sie denn die europäischen Bahnen davon überzeu gen wollen, dass sie jetzt alle möglichst schnell auf dieses lei se rollende Material umzustellen haben, und mit welcher Fi nanzierung dies geschehen soll.
Vielen Dank für Ihre Frage. – Zunächst zur Infrastruk tur Schiene. Ich habe überhaupt kein gespanntes Verhältnis zur Infrastruktur Schiene; im Gegenteil.
Ich kann differenzieren, keine Sorge. – Aus meiner Sicht ist Folgendes wichtig: Wenn man erkennt, dass Infrastrukturmaß nahmen in Deutschland prinzipiell sehr teuer und auch nicht genügend finanziert sind, sollte man bei den Infrastrukturent scheidungen selbst sehr streng darauf achten, dass man nicht diejenigen Maßnahmen und Projekte zuerst umsetzt, die kei nen so großen Nutzen haben, und andere, die einen ganz gro ßen Nutzen haben, später realisiert. Das ist ein Stück weit auch der Hintergrund der Debatte um Stuttgart 21.
Jetzt zum Verhältnis zur Bahn. Ich habe prinzipiell ein gutes Verhältnis zu Bahnen. Es gibt in Deutschland über 300 Bah nen und nicht nur eine Deutsche Bahn. Die Deutsche Bahn ist eine Aktiengesellschaft – noch im Eigentum des Bundes; ich hoffe, das bleibt noch lange oder immer so. Es ist aber nicht die einzige Gesellschaft. Wir haben auch zwei baden-würt tembergische Gesellschaften. Ich begrüße es außerordentlich, wenn es auf der Schiene mehr Konkurrenz gibt, denn wir wis sen: Dort, wo Konkurrenzangebote bestehen und wo Wettbe werb herrscht, ist das Angebot der Deutschen Bahn – und das der Konkurrenz oft auch – in der Regel billiger, preiswerter und besser.
Insofern setzen wir uns für wettbewerbliche Verfahren ein. Das können Sie auch in unserem Koalitionsvertrag nachlesen.
Natürlich gehen auch für die Deutsche Bahn, die es gewohnt ist, in vielen Bereichen als Monopolist aufzutreten, dem man sich fügen muss und der sagt, was getan werden muss, diese Zeiten allmählich zu Ende. Dass damit nicht alle glücklich sind, kann ich nachvollziehen. Aber ich stelle fest, dass die Führungsriege der Deutschen Bahn, die Herren, mit denen ich öfter zu tun habe, alle ein Bekenntnis zum Wettbewerb abge ben und sagen: Es tut auch unserer Deutschen Bahn gut, wenn wir Wettbewerb haben.
Ich habe übrigens keine Probleme damit, wenn ich in einem Punkt mit Managern streite, dass ich mich in anderen Punk ten gut mit ihnen verstehe. Ich hatte erst heute Morgen ein Te lefonat dieser Art geführt, bei dem wir uns versichert haben: Egal, wie der Streit läuft, wir werden in allen anderen Berei chen weiterhin gut miteinander verhandeln und so miteinan der umgehen, wie es zivilisierte Menschen tun, die zwischen einer politisch anderen Meinung und einer anständigen Kom munikationsform unterscheiden können.
Nun zum Problem der europäischen Bahnen und der Europä ischen Union – das ist ja auch eine Frage der Regulierung durch die Europäische Union. Richtig ist, dass das ein extrem schwieriges Unterfangen ist. Aber wir in Deutschland treiben es voran. Deswegen war es wichtig, dass alle Fraktionen die Bundesregierung unterstützt haben, als sie Kommissar Kallas gesagt hat, dass auf europäischer Ebene endlich etwas kom men muss.
Seit fast 30 Jahren haben wir europäische Regularien bezo gen auf Autos: Wie laut darf ein Auto sein? Welche Abgase darf es ausstoßen? Das alles ist geregelt. Das ist eigentlich ei ne wunderbare Erfolgsgeschichte. Ärgerlich ist nur, dass wir in anderen Bereichen, insbesondere auf dem Bahnsektor, weit hinterherhinken. Dort haben wir sozusagen noch viel Klein
staaterei in Europa. Man merkt, dass die Bahnen trotz der Li beralisierung häufig noch völlig in Staatshand sind, sich wie Monopolisten aufspielen und die Politik entsprechend führen und nicht dafür sorgen, dass wir moderne Technologien, auch sehr viel modernere Fahrzeuge bekommen.
Der frühere Bahnchef Hartmut Mehdorn hat mir, als wir dar über diskutierten, wie man Lärmschutzmaßnahmen auf der Schiene regeln könne, klipp und klar gesagt: „Das Beste ist, wenn die Politik europaweit harte Grenzwerte schafft. Dann werden wir alle uns umstellen müssen, und es ist wieder wett bewerbsneutral.“ Ich glaube, damit liegt er gar nicht so falsch.