Protocol of the Session on January 31, 2013

Wir hatten gestern Abend ein Gespräch mit Schulleitern von Gemeinschaftsschulen, die sagen, bei ihren Informationsver anstaltungen für Viertklässler hatten sie so viel Zulauf wie nie in den Jahren zuvor. Es sind vor allem Eltern von möglichen Gymnasialkindern, die gehäuft den Weg an die Gemein schaftsschule finden,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das hätten Sie gern! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das ist doch so!)

um ihre Kinder dort anzumelden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Die Schulleiter an den Gemeinschaftsschulen, die Lehrerin nen und Lehrer an den Gemeinschaftsschulen bieten momen tan allen eine Möglichkeit, sich das Angebot der Gemein schaftsschule anzuschauen. Es gibt eine Vielzahl von Visita tionen von Gemeinderäten an Gemeinschaftsschulen, von Lehrerinnen und Lehrern an Gemeinschaftsschulen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die haben ja schon die fünfte Klasse! Das ist doch lächerlich!)

Daher brauchen wir den flächenmäßigen Ausbau der Ge meinschaftsschule, damit wir dieses Angebot, das von vie len gewünscht wird, in der Breite machen können und allen eine Möglichkeit geben, an die Gemeinschaftsschule zu ge hen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ein halbes Jahr in einer Klasse, und da wollen Sie eine Aussage ma chen!)

Wir kommen mit diesem Angebot der Tatsache entgegen, dass aufgrund des allgemeinen Schülerzahlenrückgangs und des Rückgangs an den Haupt- und Werkrealschulen viele Schu len im Land derzeit Probleme haben, ihre Schülerzahlen auf rechtzuerhalten,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist klar! Dazu haben Sie ja einen Beitrag geleistet!)

dass viele Regionen ein Problem haben, ihr Schulangebot vor zuhalten. Wir kommen damit auch den Eltern entgegen, die fordern, dass ihre Kinder länger gemeinsam lernen können.

Gerade das Handwerk fordert die Gemeinschaftsschule. Es ist ein Partner der Gemeinschaftsschule. Wenn Sie den Präsiden ten des Handwerkstags, Herrn Möhrle, auf seinen Veranstal tungen hören, dann wissen Sie, dass er immer einer derjeni gen ist, die die Gemeinschaftsschule verteidigen und fordern, dass sie breit eingeführt wird.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Sehr gut! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Deswegen hat er beim Neujahrsempfang in Reutlingen auch keinen Applaus bekommen!)

Hierzu, meine Damen und Herren, vermisse ich eine Aussa ge von der Opposition. Seit 20 Jahren sind diese Vorgänge im Land bekannt. Seit 20 Jahren wissen Sie, dass der demogra fische Wandel Baden-Württemberg erreicht, dass die Haupt- und Werkrealschulen einen Rückgang bei den Schülerzahlen zu verzeichnen haben. Sie antworten immer nur mit einem „Weiter so!“. Ein „Weiter so!“ darf es aber in diesem Land nicht geben, denn ein „Weiter so!“ bedeutet Stillstand.

(Abg. Karl Klein CDU: Besser als ein Rückschritt!)

Ein „Weiter so!“ bringt keine Veränderungen für die Lehre rinnen und Lehrer, keine besseren Unterrichtsbedingungen. Es bietet keine Möglichkeiten, dem Fachkräftemangel entge genzuwirken. Wir brauchen darauf eine andere Antwort als einen Stillstand. Diese Antwort vermisse ich von Ihnen, mei ne Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Mich würde schon interessieren, wie Sie in Ihren Wahlkrei sen denn mit diesen Schulen umgehen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja!)

Meiden Sie diese Schulen wie der Teufel das Weihwasser?

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja, genau! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Auf gar keinen Fall! Wir wollen sehen, wen es interessiert!)

Oder was machen Sie? Besuchen Sie doch einmal eine Ge meinschaftsschule. Der Kollege Hauk hat eine Gemeinschafts schule besucht. „Er war begeistert von der Begeisterung an den Gemeinschaftsschulen“, so ein Zitat aus der Zeitung.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Ihm fehlten die Worte! – Gegenruf des Abg. Peter Hauk CDU: Das stimmt doch gar nicht! Sie waren doch gar nicht da bei!)

Wir sind gern bereit, einmal Besuche gemeinsam mit der CDU zu organisieren, damit Sie sehen, dass diese Schulen funktio nieren.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: In der ersten Klas se nach einem halben Jahr! Logisch! Das Angebot ist überzeugend!)

Für uns ist es in der politischen Verantwortung eine Aufgabe, dass wir hier eine Antwort auf diese Fragen geben. Vielleicht hätten wir die Gemeinschaftsschule nicht „Gemeinschafts schule“ nennen sollen, sondern „Realschule plus“; dann hät ten wir die CDU an unserer Seite gehabt. Oder wir hätten an bieten sollen, dass am Ende alle Schulen zu Gymnasien wer den; dann hätten wir die FDP/DVP an unserer Seite gehabt.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das wollen Sie ja sowieso! – Abg. Thomas Marwein GRÜNE: Die FDP ist nicht mehr lange da!)

Aber diese Frage entscheidet sich nicht an der Art der Schu le, die sich am Ende dahinter verbirgt. Wir brauchen hier kei ne Etikettenfrage. Wir brauchen eine Antwort auf die Frage: Was macht denn gute Schule aus? Das bisherige Bildungssys tem hat Schwächen. Das wissen wir alle. Bei uns gibt es eine enorme Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft. Im Land fehlt immer noch die Chancengerechtig keit. Wir brauchen daher diese Gemeinschaftsschulen, um bei der Heterogenität im Land am Ende auch allen Schülerinnen und Schülern einen besseren Schulabschluss zu ermöglichen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf von den Grünen: Sehr gut! – Glocke des Präsidenten)

Kollegin Boser, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Röhm?

Ja, Herr Röhm, gern. Endlich einmal eine Frage und kein Zwischenruf von Ihnen, Herr Röhm. Das freut mich.

(Beifall des Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE)

Frau Kollegin Boser, Sie sprechen von Chancengerechtigkeit. Durch die Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung landen nun die 30 % Kinder, die bisher eine Werkrealschule besucht hätten, in der fünften Klasse der Realschule.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: So ist es!)

Was tun Sie dafür, dass den Realschulen die Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, damit diese Kinder im Sinne der Chancengerechtigkeit gefördert werden können? Bislang ist mir davon nichts bekannt. Warum gewähren Sie den Gemein schaftsschulen zusätzliche Stunden? Diese Schulen leben wie im Paradies,

(Lachen bei Abgeordneten der Grünen)

während die anderen Schulen nicht wissen, wie sie zurecht kommen und den Kindern helfen können. Was tun Sie dafür?

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Herr Röhm, wir haben bereits im ersten Jahr nach unserem Regierungsantritt den Realschu len endlich Poolstunden zur Verfügung gestellt. Das haben Sie in den vergangenen Jahren nie getan.

(Zuruf von den Grünen: Genau! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ein Stündchen! Das ist lächerlich!)

Sie wissen, dass seit Jahren die Heterogenität an den Real schulen vorhanden ist. Nach Ihrer Definition hätten Sie die Realschulen schon seit Jahren als „Einheitsschulen“ bezeich nen müssen. Denn dort findet die Heterogenität statt.

(Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE: So ist es!)

Sie müssen sich vergegenwärtigen, dass für die Gymnasien in diesem Jahr eigentlich eine Übergangsquote von 45 % beste hen sollte, diese Quote aber nur bei 43 % liegt. Wo gehen all die Kinder mit Gymnasialempfehlung hin? Zudem sollte man wissen, dass schon in den vergangenen Jahren etwa 15 % der Kinder mit Gymnasialempfehlung diese Empfehlung nicht in Anspruch genommen haben. Wo sind denn all die Kinder mit Gymnasialempfehlung?

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Gott sei Dank auf der Realschule! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wie viele gehen heute nach acht Wochen wieder zurück?)

In den Realschulen. Dann haben Sie wieder die Heterogeni tät an den Realschulen. Dieser Heterogenität wollen wir durch die Gemeinschaftsschulen Rechnung tragen, damit den Kin dern am Ende nicht nur der Bildungsplan der Realschule zur Verfügung steht.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Was tun Sie für die Realschulen, die jetzt diese Heterogenität haben? Das wollen wir wissen!)

Die Realschulen haben die Möglichkeit, sich ebenfalls zu Gemeinschaftsschulen zu entwickeln und auf die Heterogeni tät eine Antwort zu geben.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Zurufe von der CDU: Aha! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Danke schön! – Unruhe bei der CDU)

Die Realschulen haben die Möglichkeit – ich bin noch nicht fertig, Herr Röhm –, beispielsweise in einen Verbund mit den Haupt- und Werkrealschulen zu gehen, wie Sie es in den ver gangen Jahren ebenfalls angeboten haben.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wunderbar! Dan ke! Das heißt, die Realschule bekommt nichts, hat aber Heterogenität! – Unruhe bei der CDU – Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Also, Herr Präsident, las sen Sie einmal die Rednerin zu Wort kommen! – Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Hat der Mann Redezeit, oder hat sie das Wort? – Unruhe – Glocke des Präsi denten)

Kollegin Boser hat das Wort.