Protocol of the Session on January 30, 2013

Ich habe es Ihnen schon damals gesagt: Entscheidend sind nicht nur die reinen Tourismuszahlen. Schauen Sie sich einmal die Wertschöpfung in den dortigen Gebieten an, und schauen Sie sich vor allem auch die Altersstruktur an. Die jungen Leute gehen weg. Ich will keinen Nationalpark mit Altersheimen. Entschuldigung, das ist ein wichtiger Punkt. Wir brauchen die gesamte Raum schaft. Das lassen Sie völlig unter den Tisch fallen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zurufe der Abg. Beate Böhlen und Andrea Lindlohr GRÜNE)

Für die Landesregierung spricht Herr Minister Bonde.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Konvention zur biologi schen Vielfalt verpflichtete die Staaten dieser Erde und damit auch Deutschland, bis 2010 den Verlust der Biodiversität si gnifikant zu reduzieren. Wir alle wissen, dass dieses Ziel nicht erreicht wurde. Im Gegenteil: Weltweit nimmt die Rate, in der die Arten aussterben, sogar zu. Der politische Auftrag – viel fach von unterschiedlichsten Institutionen wiederholt – lau tet: Wir brauchen Instrumente, um diese Entwicklung aufzu halten.

Deutschland hat unter CDU-Führung die Strategie zur biolo gischen Vielfalt ausgerufen, in der von der Kanzlerin, der CDU-Parteivorsitzenden, festgelegt wurde, dass Deutschland hier einen Beitrag leisten muss, dass auf 2 % der Fläche Deutschlands Wildnisgebiete einzurichten sind und dass 5 % der Waldfläche wieder ungestörten natürlichen Waldentwick lungen zuzuführen sind. Das ist in Deutschland die CDU-Po sition.

Auch das Land Baden-Württemberg ist damit in der Verant wortung. Baden-Württemberg als Flächenland, gerade auch als wirtschaftlich starkes Flächenland, ist hier in der Verant wortung, diese Verpflichtungen einzugehen. Wir, die grün-ro te Koalition, haben uns im Koalitionsvertrag ausdrücklich da zu bekannt. Teile von Ihnen haben sich übrigens im Landtags wahlkampf ebenfalls ausdrücklich dazu bekannt. Herr Hauk, bei der Diskussion mit den Naturschutzverbänden in Radolf zell haben auch Sie sich im Landtagswahlkampf ausdrücklich dazu bekannt.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU zu Abg. Peter Hauk CDU: Hast du in Radolfzell Wahlkampf ge macht?)

Ich finde, das muss man an dieser Stelle einfach auch einmal festhalten, dass man, als es darum ging, bei den Menschen zu werben, hier eine gemeinsame Position hatte.

(Abg. Peter Hauk CDU: Aber bitte ein vollständiges Zitat! Ich habe immer gesagt: „Wenn die Bürger mit machen“! Das war immer das Junktim!)

Ein wichtiger Beitrag zur biologischen Vielfalt kann ein Wald nationalpark sein. Denn die entscheidende Aufgabe für uns ist, zusammenhängende Flächen zu finden, die aufgrund ih rer Struktur, auch aufgrund der Verkehrs- und Wirtschafts struktur um sie herum, dazu geeignet sind.

Es ist völlig klar – alle Studien machen es deutlich –, dass Wirtschaftswald, wie wir ihn an vielen Stellen heute haben, nicht mehr den Raum bietet, den viele Arten bei uns brauchen.

Ich will deutlich sagen: Ich finde, eines der schrägen Bilder der Diskussion, die auch heute wieder hier gepflegt wurde, ist, dass der Eindruck vermittelt wurde, hier würde der gesamte Nordschwarzwald, hier würden 375 000 ha Wald in einen Na tionalpark umgewandelt.

(Abg. Peter Hauk CDU: Wer sagt das? – Zuruf des Abg. Dr. Patrick Rapp CDU)

Sie haben es nicht gesagt, Herr Dr. Rapp.

(Abg. Peter Hauk CDU: Also!)

Wir reden über 10 000 ha in einem großen Naturpark,

(Abg. Peter Hauk CDU: Oder weniger!)

in einer großen Fläche Wald, die wir an dieser Stelle haben. Wir reden auch darüber, dass wir im Rahmen von Prozess schutz die Möglichkeiten geben, dass sich bestimmte Natur-, bestimmte Waldphasen wieder herausbilden können, von de nen es heute im Wirtschaftswald kaum noch welche gibt, ob wohl jedoch unzählige Arten darauf angewiesen sind, genau diese Naturräume zu haben. Darüber sprechen wir. Deshalb sprechen wir hier ganz konkret über die Frage der Bewahrung der Schöpfung, bei der man sich nicht mit einer Überhöhung der Rolle des Menschen ethisch aus der Verantwortung her ausziehen kann.

Ich will es einmal konkret machen, meine sehr verehrten Da men und Herren.

(Der Redner hält ein Schaubild hoch.)

Das hier ist der Dreizehenspecht. Der Dreizehenspecht ist ei nes der vielen Lebewesen, die darauf angewiesen sind, Wald phasen zu erleben, die heute im Wirtschaftswald nicht mehr vorkommen. Daraus ergibt sich eine konkrete moralische Fra ge an uns alle, auch an Sie, Frau Kurtz.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Genesis!)

Noah hatte auf seiner kleinen Arche Platz für den Dreizehen specht. Haben wir im großen Schwarzwald hierfür auch Platz? Das ist die moralische Frage, die Sie sich stellen müssen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Um nichts anderes geht es. Die überwiegende Fläche des Nordschwarzwalds wird weiter verantwortlich bewirtschaftet

werden. Ein großer Naturpark wird weiterhin eine wichtige Rolle spielen, um unsere Kulturlandschaften aufrechtzuerhal ten, mit den Arten, die in dieser Natur ihren Raum finden. In einem kleinen Raum kann ein Nationalpark den Raum bieten, den der Dreizehenspecht und viele andere Arten brauchen. Das ist die Dimension, über die wir reden.

Es hilft nichts, wenn man Veranstaltungen macht, bei denen unwidersprochen behauptet wird, im Nationalpark gäbe es ein Betretungsverbot. Es hilft nichts, wenn unwidersprochen be hauptet wird, es ginge um eine Käseglocke.

(Abg. Peter Hauk CDU: Entschuldigung, da waren genügend Leute, die hätten widersprechen können!)

Es hilft nichts, wenn unwidersprochen behauptet wird, dass hier großflächig der Nordschwarzwald abgestellt würde, oder wenn behauptet wird, dass ganze Dörfer der Entvölkerung preisgegeben würden.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ich kann Sie wirklich nur bitten, das Thema im Hinblick auf die Dimensionen sachgerecht zu diskutieren.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So wie Herr Schmiedel?)

Ich habe mich gefreut, dass Herr Abg. Dr. Rapp dies heute hier getan hat.

Jetzt reden wir über die Frage der Wirtschaft. Wir hatten ver gangene Woche auf Einladung des Wirtschaftsausschusses der Schwarzwald-Tourismus GmbH eine große Veranstaltung im Europapark, bei der Tourismusakteure deutlich bestätigt ha ben, dass es bei bestehenden Nationalparks erhebliche positi ve touristische Wirkungen gibt, übrigens auch beim häufig an geführten Nationalpark Bayerischer Wald. Dort haben wir deutlich gesehen, dass die Leistungsträger im Tourismus auch beim Schwarzwald die Notwendigkeit sehen, dass wir hier ei ne bessere Wirkung bekommen. Wir haben ebenfalls gesehen, dass beispielsweise der Sprecher der Schwarzwald-Tourismus GmbH, aber auch jemand wie Herr Mack, der in einem völ lig anderen Bereich des Tourismus unterwegs ist – trotzdem weiß er, wovon er spricht –, sich hier einen deutlichen touris tischen Mehrwert für die Region versprechen.

Das erwähnte Gutachten hat den Auftrag, diesen Punkt noch einmal dezidiert zu untersuchen, auch vor dem Hintergrund, dass, wenn man zur Entscheidung käme, den Nationalpark einzurichten, die Frage, wie man den Mehrwert für die Men schen steigert, ebenso zum Thema Weiterentwicklung gehört wie die Frage, wie wir einen möglichst großen Nutzen unter naturschutzfachlichen Gesichtspunkten erzielen; dies ist eben falls Bestandteil des Gutachtens.

Ich will Sie einfach nur bitten, damit aufzuhören, in der Re gion mit zu befördern, dass falsche Behauptungen gestreut werden.

(Abg. Peter Hauk CDU: Dann reden Sie doch mal mit den Kritikern!)

Sehr verehrter Herr Hauk, wir haben inzwischen über 130 Diskussions- und Informationsveranstaltungen in der Region

durchgeführt. Wir werden, wenn das Gutachten vorliegt, er neut große Diskussionsveranstaltungen anbieten. Ich weiß, das ist für viele von Ihnen ungewohnt, weil Sie das in Ihrer Regierungszeit nicht gemacht haben.

(Abg. Peter Hauk CDU: So ein Blödsinn!)

Sie werfen uns vor, wir würden in der Region zu wenig dis kutieren. Mit Verlaub, da spricht jede Statistik gegen Sie.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ich will noch einen Punkt ansprechen, der mir wichtig ist. Wir gehen davon aus, dass dieser Nationalpark als wichtiges Na turschutzprojekt auch einen ökonomischen Mehrwert hat. Nun gibt es Menschen, die sich skeptisch hierzu einlassen – der Geschäftsführer der IHK Nordschwarzwald wurde hier bereits zitiert – und die, auch auf Ihrer Veranstaltung, die These ver treten, dass ein Nationalpark das Image einer Region schädi ge. Ich teile diese Auffassung dezidiert nicht; ich glaube auch, dass wir inzwischen in unserem Diskurs auch wirtschaftspo litisch weit davon entfernt sind, zu meinen, dass der Schutz von Natur und Umwelt wirtschaftsschädlich sei. Ich hoffe, dass sich auch die IHK Nordschwarzwald irgendwann der mo dernen Erkenntnis anschließt, dass eine solche Kombination geradezu hilfreich ist und dass man dann Innovationsregion sein kann, wenn man es hinbekommt, Umwelt, Klimaschutz, Artenschutz gemeinsam mit wirtschaftlicher Prosperität zu buchstabieren.

Mein Anspruch als Einwohner dieser Region ist, dass wir ge nau das hinbekommen. Denn genau da liegt nämlich die Chan ce für eine Region im ländlichen Raum wie den Nordschwarz wald.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Sie haben gesagt, wir sollten einen Kompromiss schließen und schauen, dass diejenigen, die in dieser Hinsicht besonders gro ße Sorgen haben, in dieser Suchkulisse letztlich nicht vertre ten sind. Ich bin da sehr offen. Ich sage Ihnen aber nur eines: Wir kommen da bereits in ein Dilemma. Bleiben wir einmal beim Geschäftsführer der IHK Nordschwarzwald. In der be sagten Resolution wurden die beschriebenen Thesen verab schiedet. Gleichzeitig beschließen sie aber, dass Kaltenbronn, der Wohnort des Hauptgeschäftsführers, der dort auch Frak tionsvorsitzender der CDU ist, auf jeden Fall im Gebiet des Nationalparks Nordschwarzwald liegen müsse. So steht es wörtlich drin.

(Heiterkeit bei den Grünen)

Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, gibt einen ge wissen Hinweis darauf, dass selbst diejenigen, die sich im Mo ment negativ aufstellen, wissen, dass ein ökonomischer Mehr wert damit verbunden ist, und dass sie mit ihren Kommunen daran auch partizipieren wollen.

Ich finde, an dieser Stelle macht ein bisschen Ehrlichkeit auf allen Seiten wirklich Sinn. Dabei habe ich schon den Ein druck, dass der eine oder andere hier mit einer seltsamen Doppelagenda verhandelt. Ich komme damit klar. Aber es schwächt die politische Argumentation. Ich glaube, wir kön nen es an dieser Stelle wirklich einmal deutlich machen: Es schwächt die Argumentation von so manchem Gegner, wenn

er den Nationalpark eigentlich doch haben will, weil er weiß, dass dieser wirtschaftlich gut ist.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)