Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Jetzt kommt ein Polizeithema, näm lich das Thema „Migrantinnen und Migranten im Polizei dienst“.
Meine Damen und Herren, die Polizei gehört zum Kernbe reich nationaler Identität. Hier geht es um den Umgang mit Straftätern, mit Regelbrechern und Rechtsverletzungen. Letzt lich geht es bei der Polizei um den Wertekanon einer Gesell schaft. Es geht darum, wie man damit umgeht und mit wel chen Instrumenten man Rechtsbrecher behandelt.
Der Leitspruch „Die Polizei, dein Freund und Helfer“ zeigt, wie sehr die Polizei in unserer Gesellschaft verankert ist. Die ser Leitspruch stammt übrigens – das habe ich noch einmal nachgelesen – aus dem Jahr 1926. Es war der sozialdemokra tische Innenminister von Preußen, Albert Grzesinski, der die sen Spruch geprägt hat.
In diesem Leitgedanken der Polizei – „Die Polizei, dein Freund und Helfer“ – wird eben auch das Selbstverständnis einer ganzen Nation in der Frage deutlich, wie man sich zur Polizei stellt. Insofern zeigt sich gerade im Praxisfeld der Po lizei die Integrationsfähigkeit einer Gesellschaft: Wer darf „mitspielen“? Wie wird Zuwanderung in diesem Themenbe reich behandelt?
Dann kommen wir zum Bestand. Aktuell haben in der Polizei in Baden-Württemberg zwischen 7 und 8 % der Polizistinnen und Polizisten, also der Beamtinnen und Beamten, einen Mi grationshintergrund. Allerdings können wir bei den jüngeren Einstellungsjahrgängen schon erhebliche Veränderungen be obachten. In den Jahren zwischen 2009 und 2011 betrug der Anteil der Migranten bei den Neueinsteigern bereits 17 %.
Ganz aktuell wissen wir aus der Stellungnahme zu unserem Antrag, dass inzwischen 22 % derjenigen Polizeibeamtinnen und -beamten, die bei uns neu anfangen, einen Migrationshin tergrund haben. Damit bewegen wir uns nach und nach ganz langsam auf den Anteil zu, den wir erreichen wollen: In ei nem Bundesland, in dem 25 % der Bevölkerung einen Mig rationshintergrund haben, wäre es natürlich ideal, wenn auch die Polizei ungefähr mit einem solchen Anteil ausgestattet wä re.
Inzwischen haben wir über 178 Polizeibeamtinnen und -be amte mit Migrationshintergrund ohne deutsche Staatsangehö rigkeit. Auch das ist ein wichtiger Aspekt: Wer die fachlichen Voraussetzungen erfüllt und zehn Jahre in Deutschland lebt, hat die Möglichkeit, im Polizeidienst zu arbeiten, auch ohne dass er die deutsche Staatsbürgerschaft hat. Ziel des Innenmi nisters und Ziel der Landesregierung ist es, auch diesen An teil zu erhöhen.
Ich will einmal an einem krassen Beispiel deutlich machen, nämlich am Beispiel von Mannheim, wie die Dinge auch aus einanderlaufen können und wo das nicht gut ist. Wir haben in Mannheim über 1 100 Polizeibeamtinnen und -beamte, davon gerade einmal 40 mit Migrationshintergrund. Das sind ca. 4 %. In einer Stadt, in einem Gemeinwesen, wo 38 % der Be völkerung einen Migrationshintergrund haben, ist die Polizei quasi rein deutsch, hat also nur ganz wenige Anknüpfungs punkte im Hinblick auf einen großen Teil der Bevölkerung. Man sieht – das hat auch die Polizei erkannt –, dass wir in Mannheim besonders aktiv werden müssen, um hier eine Ver änderung herbeizuführen. Seit einem Jahr gibt es das Pilot projekt zur Anwerbung und Nachwuchsgewinnung für den Polizeidienst in Mannheim, das sich speziell an Menschen mit Migrationshintergrund richtet. Denn so, wie es ist – das leuch tet jedem ein –, kann es nicht funktionieren.
Dazu nimmt man Einstellungsberater in Anspruch; man ent wirft Anzeigenkampagnen, neuerdings auch auf Facebook – das ist auch vernünftig –, um an Jugendliche heranzukommen. Dazu nutzt man auch das Image – das ist einer der ganz wich tigen Punkte – von Polizeibeamtinnen und -beamten, die selbst einen Migrationshintergrund haben, die die Uniform schon tragen. Man setzt sie als Werber ein, um so an diese Per sonengruppe heranzukommen.
Das Thema ist auch deswegen so wichtig, weil wir aufgrund der demografischen Entwicklung – es zeigt sich, dass in Ba den-Württemberg im Gegensatz zu anderen Bundesländern die Bevölkerungszahl nicht stagniert – bei der Polizei weiter hin eine starke Aufstellung brauchen. Der demografische Fak tor zwingt uns also, aus allen Bereichen die Besten zu holen, auch aus dem Bereich derjenigen, die einen Migrationshinter grund haben.
Wir versprechen uns natürlich auch erhebliche Verbesserun gen, was die Ermittlungserfolge angeht, durch Konfliktlö sungskompetenz, durch zusätzliche Fremdsprachenkompe tenz, aber vor allem auch dadurch, dass die Polizeibeamten in der Community der Migranten eine höhere Akzeptanz haben. Dort, wo die Akzeptanz größer ist, gibt es auch bessere Er mittlungserfolge, und die Sprachprobleme können überwun den werden. Vor allem bezüglich der Schwelle, bevor man Kontakt mit Polizeibeamten aufnimmt oder auch Aussagen zum familiären Hintergrund macht, gibt es etwas zu verbes sern.
Wir müssen Folgendes sehen – ganz aktuell –: Es läuft ein Strafverfahren in Blaufelden, in meinem Landkreis. Da wur den in einer kurdischen Familie der Vater und der Bruder we gen versuchten Mordes angezeigt aufgrund der Angaben der Tochter, die inzwischen im Strafverfahren aber alle Angaben zurückgenommen hat. Der Vater wurde freigelassen, musste entlassen werden. Da fragt man sich, wenn solche Situationen entstehen, ob dies nicht im Vorfeld durch den Einsatz von Po lizeibeamten, die die kulturellen Hintergründe besser verste hen, womöglich vermeidbar gewesen wäre, wenn man recht zeitig alle Fakten und alle Themen hätte offen ansprechen kön nen. Nur so gibt es die Chance, Verbesserungen im Tagesge schäft der Polizei hinzubekommen.
Aber auch die Gesellschaft insgesamt wird von zusätzlichen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten mit Migrationshinter grund erheblich profitieren. Die Annäherung der Zusammen setzung der Polizei an die der Gesellschaft ist ein Wert an sich. Denn die Vorbildfunktion, die Migrantinnen und Migranten in Uniform für andere Migrantinnen und Migranten haben, ist gigantisch.
Ich habe es schon gesagt: Die Polizei gehört zum Kernbereich der nationalen Identität. Wenn die Gesellschaft es zulässt, for dert und dafür wirbt, dass sich junge Türken, junge Griechen, junge Italiener in der Uniform der deutschen Polizeibeamten zeigen, dass sie sich damit – ich sage es einmal so – in ihren Gesellschaften und Gemeinschaften zeigen können, dann ist das geradezu der idealtypische Nachweis dafür, dass unsere Gesellschaft bereit ist, die Migranten zu uns kommen zu las sen, sie aufzunehmen und sie als gleichwertige Mitglieder zu akzeptieren.
Ich habe ein Zitat eines Berliners aus Kasachstan zur Frage, was für ihn Integration bedeutet, mitgebracht. Er hat es so for muliert – ich zitiere den unbekannten Kasachen aus Berlin –:
Integration ist, wenn es keine Rolle mehr spielt, woher und warum du gekommen bist, sondern nur zählt, wer du bist und was du kannst.
Dies verbunden mit dem Zeichen einer deutschen Polizeiuni form ist – das kann ich nur sagen – Ausdruck der höchsten Form der Akzeptanz und ein Signal der Gesellschaft an die Menschen, die zu uns gekommen sind und sich hier integrie ren wollen.
Frau Präsidentin, werte Kolle ginnen und Kollegen! Unsere Polizei ist eine Bürgerpolizei und gilt deshalb zu Recht als ein Spiegelbild der baden-würt tembergischen Bevölkerung. Wir finden in ihr seit jeher Men schen mit unterschiedlichsten Lebensläufen, mit verschiedens ten Wurzeln, Prägungen und Fähigkeiten, die tagtäglich zum Wohl der baden-württembergischen Bevölkerung eingesetzt werden. Die Sicherheitsbilanz unseres Bundeslands ist auch
Zu dieser Vielfalt gehören auch die Menschen mit Migrati onshintergrund. Deshalb ist es richtig, bei der Polizei Men schen mit Migrationshintergrund zu beschäftigen. Eine feste Quote bezogen auf die Zahl der zu beschäftigenden Migran ten halten wir allerdings nicht für zielführend. Wir wollen ge rade nicht, dass sich einzelne Polizisten am Ende als „Quo tenmigranten“ fühlen.
Übrigens werden bereits seit dem Jahr 1993 neben Deutschen mit Migrationshintergrund auch Menschen mit einer anderen Staatsangehörigkeit bei der Polizei in Baden-Württemberg eingestellt. Im Jahr 2010 betraf das rund 160 Beamte. Ich ha be es in den Unterlagen von damals – andere liegen mir jetzt nicht vor – nachgeschaut. Damals waren es vier Spanier, ein Portugiese, drei Polen, 14 Griechen, 17 Italiener, 47 Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien, 69 Türken, ein Ungar und ein Franzose. Darin zeigte sich schon eine bunte Mischung.
In Anbetracht der Herausforderungen der polizeilichen Arbeit werden die Sprachkenntnisse – Herr Kollege Sakellariou hat es zu Recht angesprochen – der Beamten mit Migrationshin tergrund immer wichtiger. Die Sprachkenntnisse tragen zu ei ner erfolgreichen polizeilichen Arbeit bei. So ist es beispiels weise für eine Ermittlungsgruppe – vielleicht betrifft es auch die, die Sie zitierten, Herr Kollege – im türkischen Milieu ei ne Erleichterung, wenn ein Türkisch sprechender Kollege an Bord ist, der versteht, was die Menschen, die ihm gegenüber stehen, miteinander reden, der vielleicht schneller Zugang fin den, Hemmschwellen abbauen und am Ende dazu beitragen kann, den Fall schneller abzuschließen.
Menschen mit Migrationshintergrund bei der Polizei sind al so Ausdruck gelebter Integration. Sie können auch Ansporn für andere sein, sich mit unserem Gemeinwesen zu identifi zieren und Verantwortung zu übernehmen.
Für uns, die CDU, die Union, gilt aber auch: Wer mit auslän discher Staatsangehörigkeit oder als Deutscher mit Migrati onshintergrund in den Polizeidienst einsteigen will, muss die gleichen Voraussetzungen erfüllen wie ein deutscher Bewer ber ohne Migrationshintergrund.
Wir wollen, dass Menschen mit Migrationshintergrund in ih rem Beruf bei der Polizei voll anerkannt werden. Deshalb leh nen wir Abstriche bei den Leistungsanforderungen ab.
Dazu gehört in erster Linie die Kenntnis der deutschen Spra che in Wort und Schrift. Nicht erst seit der Regierungsüber nahme, sondern schon seit Jahren weisen mehr als 15 % – es geht in Richtung 20 % – des Polizeinachwuchses einen Mig rationshintergrund auf. Dass diese Menschen eingestellt wur den, beweist doch, dass eine Absenkung der Einstellungsan forderungen hinsichtlich der Beherrschung der deutschen Sprache nicht notwendig ist.
Deshalb fordern wir: Der Einstellungstest muss für alle Be werber die gleichen Anforderungen und die gleichen Hürden
umfassen. Herr Innenminister, ich sage das vor dem Hinter grund, dass Sie planen – so haben Sie es zumindest im ver gangenen Jahr verlautbaren lassen –, bei den Anforderungen bezüglich der Sprachkenntnisse Abstriche zu machen. Dabei können wir nicht mitgehen. Wenn ich die Debatte richtig ver folgt habe, sieht die Integrationsministerin dies ähnlich wie wir. Bei der Stellungnahme zu dem SPD-Antrag sind Sie auf diese Thematik gar nicht eingegangen. Vielleicht können Sie uns dazu nachher noch genauere Ausführungen machen.
Ich sage an dieser Stelle auch – ohne Wasser in den Wein gie ßen zu wollen –: Es irritiert mich, wenn die Mannheimer Po lizei in ihrer Werbekampagne für kulturelle Vielfalt – die sehr lobenswert ist; Sie haben sie erwähnt, Kollege Sakellariou – auf ihrer Internetseite „Streife im Quadrat“ als Voraussetzung für die Einstellung in den Polizeidienst nur angibt: „Du be herrschst deine Muttersprache in Wort und Schrift!“ Von Deutschkenntnissen ist nicht die Rede. Nebenbei bemerkt: Ich finde, die Sie-Form wäre angebracht.
Meine Damen und Herren, wenn wir die Einstellungskriteri en zugunsten einer einzelnen Klientel absenken, wird dies zu Unruhe und zu Unverständnis bei den Anwärtern führen. Dann wird es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis andere Kriteri en, wie etwa die sportliche Tauglichkeit, infrage gestellt wer den.
Deshalb sagen wir von der Union: Gleiche Einstellungsvor aussetzungen für alle, damit die Chancengleichheit für alle Bewerber gewahrt bleibt, und zwar unabhängig vom Migra tionshintergrund. Dann kann die von uns allen gewünschte kulturelle Vielfalt auch wirklich gelingen.
Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Alle im Landtag vertretenen Fraktio nen begrüßen es, dass alle Menschen gleichberechtigt sind und dieselben Chancen haben. Mit dem Antrag, mehr Mig rantinnen und Migranten im öffentlichen Dienst zu beschäf tigen, rennt die SPD-Fraktion bei der Polizei offene Türen ein. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass die Polizei schon seit längerer Zeit innerhalb der Landesverwaltung eine Vor reiterrolle eingenommen hat. Was mittlerweile in vielen Be reichen des Arbeitsmarkts diskutiert wird, nämlich mehr Mi grantinnen und Migranten als Arbeitskräfte zu gewinnen, wird bei der Polizei schon erfolgreich praktiziert. Die Polizei hat die Zeichen der Zeit frühzeitig erkannt. Das möchte ich hier ausdrücklich loben.
Um Personal zu werben, wurde ein Sonderweg aufgrund ei ner Ausnahmeregelung im Landesbeamtengesetz eingeschla gen. So können seit 1993 auch nicht deutsche Bewerberinnen und Bewerber eingestellt werden. Die Erfahrungen mit dieser Öffnung sind sehr positiv.
Heute, 20 Jahre später, geht es darum, genügend Nachwuchs für die in absehbarer Zeit ausscheidenden Polizeibeamtinnen
und -beamten zu finden. Wie andere Berufsfelder auch benö tigt die Polizei dringend genügend gut ausgebildete und mo tivierte junge Menschen. Dass bei der Werbung verstärkt Mi grantinnen und Migranten angesprochen werden, ist auch ein Hinweis darauf, dass die Integration innerhalb der Polizei ge lungen ist. Migrantinnen und Migranten können ganz selbst verständlich die Polizeilaufbahn einschlagen. Das sendet ein positives Signal an alle Menschen, die als Einwanderer zu uns kommen: Wenn du es willst, kannst du es schaffen.
Zum anderen muss die Polizei auch ein Abbild unserer gesell schaftlichen Wirklichkeit sein. Da sind wir mit den bisheri gen Rednern von SPD und CDU sehr nah beieinander. Mitt lerweile hat jeder vierte Baden-Württemberger einen Migra tionshintergrund. Diese Zahlenverhältnisse sollen sich auch in öffentlichen Institutionen und Gremien wie Polizei, Schu le, Gemeinderat usw. widerspiegeln.
Wir sprechen hier, Herr Blenke, übrigens nicht von Quoten, sondern diese Institutionen sollen ein ganz selbstverständli ches Abbild der Gesellschaft sein.
Die Polizei in Baden-Württemberg ist voller Motivation an diesem Thema dran und entwickelt gute Strategien und Ide en. Wegweisend sind Projekte, die bereits angelaufen sind, wie der Facebook-Auftritt vom Polizeipräsidium Stuttgart. Unter dem Slogan „Komm ins Team der Polizei Stuttgart“ werden dort Migrantinnen und Migranten sowie Ausländerin nen und Ausländer ausdrücklich zur Bewerbung aufgefordert. Gleiches gilt für das Pilotprojekt zur Nachwuchsgewinnung des Polizeipräsidiums Mannheim, einer Stadt mit Menschen aus beinahe 200 Nationen. Es wurde bereits erwähnt, dass dort gezielt auch mögliche Bewerberinnen und Bewerber mit Mi grationshintergrund angesprochen werden. Ihr besonderes Wissen über Mentalität und Kulturen ihrer Herkunftsländer soll in die Mannheimer Polizei eingebracht werden.
Migrantinnen und Migranten stärken die interkulturelle Kom petenz innerhalb der Polizei. Diese Kompetenz ist für die Po lizei ein immer wichtiger werdender Faktor in ihrem Berufs alltag,