Protocol of the Session on January 23, 2013

(Anhaltender Beifall bei den Grünen und der SPD)

Nach § 82 Absatz 4 der Geschäftsordnung erteile ich für die CDU-Fraktion Herrn Fraktionsvorsitzendem Hauk das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehr ten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident und Herr Finanzminister, Sie sind jetzt nahezu zwei Jahre im Amt. Die sozialdemokratische Fraktion hat in der vorherigen Legislaturperiode noch angekündigt und dafür gestimmt, dass, sollten Verhandlungen und Gespräche nicht zu Erfolgen füh ren, geklagt wird. Ich glaube, nach zwei Jahren ohne Ergeb nis, ja sogar, ohne ernsthaft Verhandlungen aufgenommen zu haben, ist es jetzt an der Zeit, Zeichen zu setzen. Wann, wenn nicht jetzt?

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Herr Ministerpräsident, passiert denn jetzt – nach Kaminge sprächen und immerhin Vereinbarungen über einen Fahrplan – tatsächlich etwas? Gibt es denn von der Landesregierung ei nen Entwurf für eine Konzeption? Haben Sie denn schon Vor schläge gemacht? Haben Sie sich einmal überlegt, wie das Bundeshauptstadtproblem – Berlin ist objektiv ein Problem; das ist überhaupt kein Thema – im Zweifelsfall auch mit Ein beziehung des Bundes zu lösen wäre?

Es gibt einen Vorschlag aller finanzpolitischen Sprecher der Union in den Landesparlamenten. Darüber kann man disku tieren. Ich kenne bisher nur einen Vorschlag, den die grüne Fraktion eingebracht hat. Dieser Vorschlag sieht so aus, dass wir am Ende deutlich mehr zahlen, und zu einer Veränderung des ungerechten Systems, das Sie richtig analysiert haben, passiert gar nichts. Meine Damen und Herren, das ist doch keine Konzeption. Das ist eine Konzeptionslosigkeit dieser Regierung.

Meine Damen und Herren, die Regierung und Sie wurden ge wählt, um zu handeln. Sie dürfen gern die Opposition um Rat fragen. Ich sichere Ihnen zu, Sie erhalten von uns auch kon krete Vorschläge.

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Wir haben das ja bei den Haushaltsberatungen gesehen!)

Das ist überhaupt kein Thema.

Beziehen Sie doch den Bund mit ein. Das ist ja nicht nur ei ne Frage der Länder, sondern auch eine Frage des Bundes. Wie waren denn die Gespräche mit dem Bund bisher in die ser Frage?

Berlin ist ein Thema. 40 % des Ausgleichs fließen allein in das Bundesland Berlin. Das hat auch etwas damit zu tun, dass die Bundeshauptstadt Hauptstadtaufgaben zu erledigen hat, die ungenügend – nicht überhaupt nicht, aber nur ungenügend – vom Bund wahrgenommen werden.

Sie haben das alles richtig analysiert. Sie sagten dann, eine Klage sei riskant. Natürlich, eine Klage ist immer riskant. Da weiß man nie, was am Ende herauskommt, weil ja nicht Sie entscheiden und nicht wir entscheiden. Aber wahr ist doch: Wer wiederholt Klagen führt – ich erinnere an das Wahlrecht zum Deutschen Bundestag –, hat im Zweifelsfall auch wie derholt Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht hat schon ein mal zum Länderfinanzausgleich klar geurteilt und klare Maß stäbe gesetzt; das ist das eine. Aber es gab dabei auch Ergeb nisse. Dass das Bundesverfassungsgericht es damals den Län dern überantwortet hat, das Maßstäbegesetz auszuhandeln, war unter Umständen ein Fehler, in der Retrospektive betrach tet. Ich vermag nicht zu erkennen, warum das Bundesverfas sungsgericht im Zweifelsfall nicht auch in der Ausrichtung enger urteilen und Maßstäbe selbst vorgeben soll. Diese Mög lichkeit besteht genauso.

Es gibt also nicht nur, Herr Ministerpräsident, ein Risiko ei ner Klage. Es gibt auch die Chance einer Klage,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

und wir erwarten, dass Sie die Chance ergreifen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, geklagt wird sowie so. Unabhängig davon, ob wir uns anschließen oder nicht: Die Klage wird geführt werden. Glauben Sie, es hilft der Position der Geberländer, deren Zahl jetzt auf drei abgeschmolzen ist, wenn eines der Geberländer ausschert, unter Umständen auch mit Modifikationen nicht die Klageerhebung betreibt? Dort hätten Sie die Möglichkeit, Ihre Vorstellungen mit einzubrin gen. Glauben Sie, es hilft den drei Geberländern, wenn Ba den-Württemberg ausschert, wenn geklagt wird? Wenn sich Baden-Württemberg beteiligt, haben wir die Chance, zumin dest die Klageerhebung und das, was in der Klageschrift steht, zu beeinflussen.

Meine Damen und Herren, das ist nicht nur eine Frage der So lidarität der Geberländer. Vielmehr ist es auch die Frage, ob sich die baden-württembergische Regierung mit ihren Steu erzahlern solidarisch erklärt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Denn unsere Bürgerinnen und Bürger erwarten nach zwei Jah ren grün-roter Regierung zu Recht, dass an dieser Baustelle etwas passiert. Deshalb haben wir nicht nur ein Ausgabenpro blem – das heißt, Sie haben ein Ausgabenproblem, weil Sie es nicht schaffen, mit den zur Verfügung stehenden Steuerein nahmen zurechtzukommen –,

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Was?)

sondern wir haben auch ein Einnahmeproblem, und zwar in der Frage des Länderfinanzausgleichs. An dieser Baustelle müssen Sie deutlich und energischer arbeiten, auch Ihr Finanz minister. In allererster Linie ist er gefordert. Man kann nur sa gen: Konzeptionslosigkeit, keine Konzepte – absolute Fehl anzeige.

(Zuruf von den Grünen: Ja, ja!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, warum durchbre chen wir dieses System nicht generell und wählen nicht ein mal einen ganz anderen Ansatz, einen Ansatz, den wir auf eu ropäischer Ebene haben? Ich meine den Ansatz, Hilfen an Sanktionen zu knüpfen, nicht an konkrete Sanktionen – Stich worte Nürburgring und Berliner Flughafen –, aber beispiels weise an Sanktionen der Haushaltskonsolidierung. Warum tun wir das nicht? Das wäre ein ganz anderer systemischer An satz. Er widerspricht dem Grundgedanken des Grundgesetzes nicht.

Wenn es um Europa geht, sind Sie sehr wohl bereit, weitere und zusätzliche Forderungen zu stellen, und zwar zu Recht. Da sind wir uns alle einig: Wir geben nicht, ohne dass sich an den Baustellen in diesen Ländern in der Frage der Haushalts konsolidierung etwas verändert, damit die Hilfe nicht zur bo denlosen Hilfe wird, damit die Hilfe letztendlich wirklich ei ne Hilfe zur Selbsthilfe wird.

Gerade jüngst haben Sie, wie ich meine, zu Recht gefordert, die Diskussion über eine Transaktionssteuer auf Zypern zu er weitern, und die Zyprioten aufgefordert, sich an dem Verbund der europäischen Nationen, die eine Transaktionssteuer ein führen wollen – ich glaube, es sind elf Staaten – zu beteiligen und dort nicht auszuscheren. Dies geschah vollkommen zu Recht. Dort sind Sie bereit, Sanktionierungen vorzunehmen – hier sind Sie dazu nicht bereit, unter Umständen mit diesem Instrument zu arbeiten.

Was in Europa richtig ist und über alle Parteien als richtig an erkannt wird, meine Damen und Herren, das kann in Deutsch land nicht falsch sein. Denn wahr ist: Wir haben doch auch hier griechische Verhältnisse. Wir haben doch auch hier Län der,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Die nicht mit Geld umgehen können!)

die in der Frage der Haushaltskonsolidierung – –

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Aber es ist wahr. – Wir haben hier Länder, die schlichtweg nicht einen Konsolidierungspfad beschreiten wollen. Wir müssten doch ein Interesse daran haben, dass die Schulden bremse nicht nur in Europa, sondern in allererster Linie auch in Deutschland funktioniert, und wir müssten zumindest in diesem Bereich einen Anreiz setzen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, wir fordern Sie deshalb auf, um gehend ein Konzept vorzulegen, eine Verhandlungsgrundla ge zu schaffen und nicht nur von Verhandlungen zu sprechen. Ein Konzept vorzulegen ist Ihre Aufgabe, die Aufgabe der Re

gierung, und nicht die Aufgabe der Opposition. Sie haben es hier vorzulegen. Wir erwarten die zügige Vorlage eines Kon zepts, über das man diskutieren kann, über das man streiten kann, das zumindest eine Verhandlungsgrundlage ist. Wenn dieses Konzept vorliegt – das sollte zügig erfolgen; in Ihrer nahezu zwei Jahre andauernden Regierungszeit haben Sie Zeit dazu gehabt –, erwarten wir, dass darüber gesprochen wird, dass darüber mit den Ländern gesprochen wird, dass darüber mit dem Bund gesprochen wird.

Man kann im Prinzip auch parallel zu einer Klage Verhand lungen führen. Denn jeder weiß – Sie haben es erwähnt –: 2019 läuft das bisherige System des Länderfinanzausgleichs aus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Klage ist nicht die Ultima Ratio, aber die Klage setzt Druck. Es glaube doch keiner – ob Schwarz, ob Gelb, ob Grün, ob Rot regiert –, dass auch nur eines der Nehmerländer, der Empfängerländer im Fi nanzausgleich freiwillig auf Millionen oder zum Teil Milliar den verzichten würde.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ja! Genau!)

Es glaube doch keiner, dass dies so kommt.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Nur wer an Märchen glaubt!)

Weil das so ist, brauchen wir den Druck der Klage beim Bun desverfassungsgericht.

Die SPD war schon viel weiter. Die SPD hat in den letzten zwei Jahren ihrer Regierungszeit einen Rückschritt erlebt.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Die fällt öf ter zurück!)

Die SPD und Sie, Herr Finanzminister, haben uns im Mai 2010 aufgefordert und entsprechend angemahnt, dass wir bis zum November 2010 eine Klageschrift vorlegen müssten. Es hieß, wenn dies geschehe, hätten wir, die damalige Regierung aus CDU und FDP/DVP, Sie, die Sozialdemokraten, an der Seite. Sie haben entsprechende Entschließungsanträge mit uns gemeinsam verabschiedet, waren mit an Bord. Wo bleiben Sie heute, wo bleibt die auf Baden-Württemberg bezogen einst so stolze SPD in dieser Regierung? Sie finden doch in Wahrheit schon gar nicht mehr statt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)

Nach § 82 Absatz 4 der Geschäftsordnung erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden der FDP/DVP-Fraktion, Herrn Abg. Dr. Rülke, das Wort.

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, ich un terstütze ausdrücklich Ihre Analyse des Länderfinanzaus gleichs und kann mich ausdrücklich auch der Wortwahl an schließen. Ja, dieses System ist bescheuert. Das Bescheuerts te daran ist, dass diejenigen, die unsolide wirtschaften,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

diejenigen, die Geld verbrennen,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

keine Sanktionen zu befürchten haben.