Das Unterrichtsdefizit, das wir geerbt hatten, war deutlich grö ßer. Das wird die Ministerin sicher noch mit Zahlen unterle gen.
Herr Dr. Kern, wenn Sie uns heute sagen, wir wären schuld, dass so viele junge Leute nicht ausbildungsreif seien, verken nen Sie auch die reale Situation. Wir wissen doch, dass wir die Früchte, die gerade aus den Maßnahmen hervorgehen, die wir im Bereich der Bildungspolitik ergreifen, erst Jahre spä ter ernten können.
Eines muss ich auch noch sagen: Wenn wir über Bildungs partnerschaften den Versuch unternehmen, die duale Ausbil dung zu stärken, ist das eine Maßnahme, die in den letzten Jahren erfolgreich aufgegriffen wurde. Sie ist positiv zu be werten. Aber wenn von den 1 600 Schulen mit insgesamt 3 500 Betrieben Bildungspartnerschaften eingegangen wur den und darunter gerade einmal elf Gymnasien sind, die sich auf eine solche Bildungspartnerschaft eingelassen haben, dann sehen wir doch, wo wir ein Betätigungsfeld vor uns haben.
Herr Dr. Kern, Sie haben irgendwann an diesem Pult gesagt, jedes Kind solle das Abitur machen. Das kam von Ihnen.
(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP schüttelt den Kopf. – Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Ich habe nichts da gegen!)
Ich lese es noch einmal nach. – Es wird nicht funktionieren, dass jedes Kind die Chance auf das Abitur haben soll, wenn wir die duale Ausbildung als gleichwertige Qualifizierung se hen wollen.
Der Umstand, dass nur elf Gymnasien in diesen Bildungspart nerschaften mitgemacht haben, zeigt uns ganz deutlich, wo wir ansetzen müssen, nämlich bei einer Berufsorientierung auch in den Gymnasien, die mehr ist als das reine BOGY mit einem kurzen Praktikum. Das gibt den jungen Leuten keinen Einblick in das Berufsleben. Insofern müssen wir an dieser Stelle arbeiten.
Dazu gehört auch, dass wir auf der anderen Seite im Bereich der Lehrerbildung die entsprechenden Qualifikationen bereit halten. Insofern werden wir auch das angehen.
Auch was das Thema Schulentwicklung angeht, können Sie sich ganz entspannt zurücklehnen. Wir stehen seit Jahren, seit Jahrzehnten vor der Situation, dass es aussterbende Berufe gibt. Den Umstand, dass es auch aussterbende Berufe gibt – da können wir hier im Haus machen, was wir wollen –, kön nen wir nicht beseitigen. Wenn es um aussterbende Berufe geht, wird das eben dazu führen, dass wir zunächst einmal über Bezirks-, dann über Landes- und im Zweifel sogar über Bundesfachklassen diesen Bedarf der Wirtschaft decken wer den. Dass wir berufliche Schulen nicht am grünen Tisch schlie ßen werden, auch das können Sie uns einfach einmal abneh men.
Wenn wir über duale Ausbildung reden, meine Damen und Herren, dann müssen wir auch an einen Aspekt denken, der bisher noch nicht angesprochen wurde, nämlich die duale Aus bildung in Teilzeit, gerade für diejenigen, die als Spätstarter in einer familiären Situation sind, in der sie ihre Ausbildung nur in Teilzeit absolvieren können. Das Bundesinstitut für Be rufsbildung hat sich dazu ganz klar positioniert. Wir können da noch viele Potenziale erschließen. Diese Chance sollten wir uns nicht entgehen lassen.
Das Wort für die Lan desregierung erteile ich Frau Kultusministerin Leitheußer, Warminski-Leitheußer.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Da men und Herren! Ich bitte um Entschuldigung für meinen lan gen Namen. Ich habe das wirklich nicht gewollt und bereue es immer wieder.
(Heiterkeit – Vereinzelt Beifall – Abg. Georg Wacker CDU: Das glauben wir Ihnen sogar! – Abg. Dr. Hans- Ulrich Rülke FDP/DVP: Zwangsheirat?)
Sie wissen schon, was ich gemeint habe. Heute Morgen ist ei nem Schüler, der mich angekündigt hat, das Gleiche passiert. Das tut mir dann immer richtig leid.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe das große Glück, das große Vergnügen gehabt, in diesem Land schon viel herumgekommen zu sein. Ich habe schon mit sehr vielen Unternehmer- und Unternehmerinnenpersönlichkeiten spre chen können, die mich sehr beeindruckt haben. Ich darf Ihnen versichern: Diese Menschen sind in ihren Köpfen, auch bil dungspolitisch, schon deutlich weiter, als Sie es gerade hier vorgeführt haben.
Das ist ein Riesenpfund für dieses Land. Baden-Württemberg ist wirtschaftlich einer der Innovationsmotoren in Europa. Glauben Sie denn, wir wären das, wenn die Unternehmerin nen und Unternehmer in diesem Land mit ihren Betrieben ge nau das Gleiche gemacht hätten wie das, was Sie in den letz ten Jahrzehnten mit dem Bildungssystem gemacht haben?
Glauben Sie das denn allen Ernstes? Die Menschen verstehen, die Wirtschaft versteht, dass das, was wir tun, Innovation ist und dass es genau in die richtige Richtung geht.
Die Fachleute für Innovation sitzen in der Wirtschaft; glau ben Sie mir das. Ich habe erst heute Morgen mit Herrn Pro fessor Würth, der in diesem Saal nicht unbekannt sein dürfte, eine sehr schöne Veranstaltung gehabt. Er hat sofort verstan den, worum es geht. Deshalb unterstützt er die Bildungspoli tik auch der neuen, grün-roten Landesregierung mit großer Begeisterung.
(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Wie unterstützt er sie? Wie? – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/ DVP)
Meine Damen und Herren, jetzt kommen wir zum beruflichen Bereich. Wir sind uns einig, dass die beruflichen Schulen, das berufliche Bildungssystem in Baden-Württemberg, die duale Ausbildung mit über 300 Ausbildungsberufen ein tolles Aus hängeschild für Baden-Württemberg und ein wirklicher Quell für Wertschöpfung in diesem Land ist. Deshalb schätzen wir das System auch und werden es auf jeden Fall in den Grund zügen, die wir alle kennen und schätzen, auch weiterentwi ckeln; das ist überhaupt keine Frage.
Schon gar nicht denken wir daran, Grundstrukturen, die sich bewährt haben, zu verändern. Nicht umsonst hat Baden-Würt temberg als erstes Bundesland mit den Spitzen der Kammern und Verbände eine bilaterale Vereinbarung über die Zusam menarbeit geschlossen. Diese Zusammenarbeit werden wir auch weiterführen und weiterentwickeln; das ist überhaupt keine Frage.
Dann kommen wir auch hier wieder zu den Zahlen; sie lügen auch in diesem Fall nicht. Wie ist das denn mit dem struktu rellen Defizit, meine sehr verehrten Damen und Herren? Die Landesregierung ist nach Übernahme der Regierungsverant wortung beim Abbau des strukturellen Defizits viel weiter vo rangekommen als CDU und FDP/DVP während der gesam ten letzten Legislaturperiode. Das halten wir einmal fest.
Bei Übernahme der Regierungsverantwortung hatten wir ein strukturelles Defizit von 4,4 % im beruflichen Schulwesen vorgefunden; das ist ja heute auch schon dargestellt worden. Das ist ein unbefriedigender Zustand gewesen. Sie haben es nicht geschafft, daran etwas zu verändern. Wir haben bereits im letzten Haushalt zusätzlich 100 Deputate für diesen Be reich eingesetzt und konnten dadurch immerhin das struktu relle Defizit auf 4,1 % absenken.
Es ist so, dass Sie in den letzen fünf Jahren, bevor Sie abge wählt worden sind, das strukturelle Defizit konsequent bei 4,4 % gehalten haben. Davor war es noch höher. Das heißt, während der letzten Legislatur hat sich das strukturelle Defi zit um keinen Millimeter verändert. Das ist doch ein Faktum, das wir auch in der Öffentlichkeit deutlich benennen müssen. Wir haben da Bewegung hineingebracht, und wir werden auch weitere Schritte formulieren, um da weiterzukommen.
Nichts da „Kosmetik“! Wenn Sie in der letzten Legislatur in genau den gleichen Schritten das strukturelle Defizit abge baut hätten, wie wir das tun, dann lägen wir jetzt bei 3 % und nicht bei 4,1 %. Sie haben aber nichts getan. Mit den 4,1 % haben Sie sich einverstanden erklärt.
Frau Ministerin, eine konkrete Frage: Ist Ihnen bekannt – es müsste Ihnen eigentlich bekannt sein, weil diese Daten Ihrem Hause vorliegen –, dass in den letzten Jahren durch die frühere Landesregierung das struktu relle Defizit an beruflichen Schulen nachweislich schrittwei se abgebaut wurde?
Und die zweite Frage: Können Sie anhand von konkreten Zah len belegen, dass mit Beginn des Schuljahrs 2012/2013 das strukturelle Defizit tatsächlich weiter reduziert wurde? Diese klare Aussage sind Sie, denke ich, dem Hohen Haus schuldig.
Nach der Tabelle, die mir jetzt zwar nicht konkret vorliegt, an die ich mich aber noch recht genau erin nere, ist es in der Tat so, dass Sie über die letzten Jahre ver sucht haben, das strukturelle Defizit abzubauen. In der letzten Legislatur sind Sie keinen Schritt weitergekommen.
Wir haben uns darüber ja schon vor der Sommerpause ausge tauscht. Da habe ich Ihnen genau die gleichen Zahlen vorge tragen. Diese sind schon belastbar. Sonst würde ich sie nicht benennen.