Protocol of the Session on October 10, 2012

Das war zum einen, dass man auch in einem anderen Wahl kreis eines Landkreises kandidieren kann als dem, in dem sich der Hauptwohnsitz befindet.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Das geht jetzt dicht an der Wahrheit vorbei!)

Diese Neuerung hat sich bewährt, weil das die Chancengleich heit zwischen kleinen und großen Gruppierungen verbessert und der Wählerwille nicht verzerrt wird. Diese Sache ist aus unserer Sicht unstreitig und sollte belassen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Die beiden letzten Kreistagswahlen haben in der Praxis aller dings gezeigt, dass die zweite Änderung, die 2003 auch von uns mitgetragen worden ist, zu einer Verzerrung des Wähler willens geführt hat.

Damals wurde – auch auf Wunsch unseres Koalitionspartners FDP/DVP – mit unserer Zustimmung die Regelung eingeführt, dass ein Kandidat in zwei Wahlkreisen kandidieren kann. Genutzt worden ist diese Möglichkeit von etwa 10 % der Bewerber im Jahr 2004 und von etwa 14 % der Bewerber im Jahr 2009. Im Jahr 2004 sind nur zwei Doppelbewerber gewählt worden, und das von damals fast 1 300 Doppelbe werbern; im Jahr 2009 sind sieben von fast 2 000 Doppelbe werbern gewählt worden – also außerordentlich wenige.

Die größeren Gruppierungen, CDU, SPD und Freie Wähler, haben sehr wenig von der Möglichkeit der Doppelkandidatur Gebrauch gemacht. Die Grünen und die FDP haben etwas mehr Gebrauch davon gemacht. Bei den Grünen hatten 2004 13,5 % und 2009 16,5 % der Kandidaten eine Doppel kandidatur, bei der FDP waren es bei beiden Wahlen jeweils etwa 24 %.

Aber – jetzt kommt der entscheidende Punkt – problematisch wurde es vor allem bei Splitterparteien und radikalen Grup pierungen. Das hat die Auswertung der letzten beiden Kreis tagswahlen eindeutig gezeigt.

Ich will zwei Beispiele aus den vielen Beispielen, die wir nen nen könnten, herausgreifen.

Erstes Beispiel: Bei den Republikanern haben im Jahr 2009 fast 90 % aller Kandidaten in zwei Wahlkreisen kandidiert.

Zweites Beispiel: Im Landkreis Böblingen haben die Repub likaner, die Partei Bibeltreuer Christen und die NPD aus schließlich Kandidaten gehabt, die in zwei Wahlkreisen kan didierten.

Nach unserer Auffassung führt das, auch wenn es juristisch zulässig sein mag, zu einer Verzerrung des Wählerwillens. Wir sind der Meinung, dass diejenigen Sitze bekommen sollen, die die entsprechende Stimmenzahl bei der personalisierten Kreistagswahl erhalten, und zwar so, wie es tatsächlich dem Wählerwillen entspricht. Wenn es aber solche überproportio nalen Verwerfungen gibt, dann führt das eben dazu, dass z. B. die NPD einen Sitz bekommt. Wäre nur eine Kandidatur mög lich, hätte sie keinen Sitz, und dann hätten auch Republikaner und Linke weniger – teilweise deutlich weniger – Sitze, als es durch diese Verzerrung des Wählerwillens der Fall ist.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

Ein zweiter Punkt ist – ich habe es einleitend gesagt –, dass die personenbezogenen Elemente im Kreistagswahlrecht wie der stärker gewichtet werden sollten, als es jetzt der Fall ist. Die enge persönliche Verbundenheit eines Bewerbers mit ei

nem Wahlkreis ist bei der Kreistagswahl ein Grundgedanke. Klare Zuordnung und Bindung der Wähler an die Kandidatin nen und Kandidaten im Wahlkreis – diesen Grundgedanken wollen wir mit diesem Gesetzentwurf wiederherstellen. Da gibt es auch einen Unterschied zur Landtagswahl, bei der ebenfalls eine Doppelkandidatur möglich ist: Eine Landtags wahl ist sehr viel mehr parteienorientiert, als dies bei der Kreistagswahl der Fall ist. Bei Kreistagswahlen hat man auch mehr Stimmen – mindestens vier, manchmal, in ganz großen Wahlkreisen, auch 15 oder 20 Stimmen –, während man bei der Landtagswahl als einer stärker politisch ausgerichteten Wahl nur eine Stimme hat.

Bei der eben von mir erwähnten Beratung der Ergebnisse der Kreistagswahl 2009 im Innenausschuss war eine breite Mehr heit der Auffassung, dass man diese Doppelkandidaturen auf grund der in den Jahren 2004 und 2009 gemachten Erfahrun gen wieder abschaffen sollte.

Wenn nun heute die Regierung und die sie tragenden Frakti onen ankündigen sollten, dass sie unsere Anregung aufgrei fen und dies bei einer Novelle des Kommunalwahlrechts mit einbringen, dann sind wir selbstverständlich bereit, die wei tere parlamentarische Behandlung unseres Gesetzentwurfs und auch die Beratung im Innenausschuss so lange zurückzu stellen, bis der Regierungsentwurf vorliegt. Wenn Sie die von uns vorgeschlagene Abschaffung der Doppelkandidatur über nehmen, dann begrüßen wir das; denn sie ist inhaltlich not wendig. Wenn das rechtzeitig vor der Kommunalwahl 2014 umgesetzt wird, können wir diesem Passus der von Ihnen vor geschlagenen Änderungen des Kreistagswahlrechts zustim men.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Abg. Schwarz das Wort.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Das Kommunalverfassungsrecht scheint spannend wie selten zuvor zu sein. Wir machen auf diesem Themenfeld die Erfahrung, dass sich die früheren Re gierungsfraktionen, also die jetzigen Oppositionsfraktionen, freischwimmen wollen.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Das probiert ihr in der Regierung!)

Dabei ist das Vorgehen immer wieder das gleiche: Themen aus dem Koalitionsvertrag werden herausgegriffen und dann hier in teilweise unzureichenden Gesetzentwürfen einge bracht.

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Was ist unzureichend?)

Das war in Bezug auf die Wahl der Landräte so. Da war un zureichend, dass verschiedene rechtliche Aspekte nicht bear beitet worden sind. Ein anderes Thema, das die FDP/DVP ein gebracht hat, war das Thema Jugendgemeinderäte. Das war klar ein Thema aus dem Koalitionsvertrag. Es wurde heraus gegriffen und als Einzelpunkt hier ins Parlament eingebracht. Begründung der FDP/DVP damals: Die Mehrheiten hätten sich geändert; jetzt gehe das, was früher, Herr Herrmann, mit der CDU nicht möglich gewesen sei.

Auch die CDU macht sich dieses Vorgehen zu eigen, getreu dem Motto: In der Opposition gibt es keine Koalition.

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Das stimmt ja auch!)

Musste die CDU vor Jahren noch auf Druck der FDP/DVP das Kreistagswahlrecht ändern, so will sie das jetzt zurück drehen.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Euch geht es doch auch so mit der Citymaut!)

Die Begründung: Die CDU wollte die Änderung im Kreis tagswahlrecht ja schon damals nicht und hat nur auf Veranlas sung der FDP/DVP zugestimmt.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Sie haben doch dasselbe bei der Citymaut! – Abg. Peter Hauk CDU: Das ist wie bei der Citymaut! – Gegenruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So schlimm kann es nicht sein!)

Daher sage ich zum Gesetzentwurf der CDU genau das Glei che,

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: So ist es halt, wenn man nicht die absolute Mehrheit hat!)

was ich zur Direktwahl der Landrätinnen und Landräte sowie bei den Jugendgemeinderäten gesagt habe: Es geht in die rich tige Richtung.

Es ist, Herr Kollege Herrmann, ein klarer Bestandteil unserer Absichten, und sinnvollerweise bringen wir diese Gesetzes änderungen, die mit der Kommunalwahl zu tun haben, in ei nem Gesamtpaket hier in den Landtag ein.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Und was heißt das?)

Die Doppelkandidatur, die Kandidatur in zwei Wahlkreisen, ist ja keine grün-rote Erfindung. Sie war eine schwarz-gelbe Erfindung. Aus unserer Sicht gibt es keinen sachlichen Grund, warum diese Doppelkandidatur zulässig sein sollte.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Die Wahl des Kreistags sollte, wie früher üblich, in Wahlkrei sen durchgeführt werden, und jede Kreiseinwohnerin und je der Kreiseinwohner sollte in einem Wahlkreis kandidieren können. Gründe, warum es Doppelkandidaturen geben sollte, erschließen sich uns nicht.

Jetzt muss man sich noch einmal anschauen, Kolleginnen und Kollegen, wer denn tatsächlich davon profitiert hat. Bei der Kreistagswahl 2009 waren es in erster Linie die rechtsextre men Republikaner, die profitiert haben. Die rechtsextremen Republikaner haben allein schon einen Anteil von 90 % an den Doppelkandidaturen gestellt. Auch die rechtsextreme NPD hat profitiert, indem sie im Landkreis Böblingen einen Kreis rat stellt.

Wenn es uns also darum geht, rechtsextremen Splittergruppie rungen wie beispielsweise der NPD oder den Republikanern keine Sonderrechte oder besonderen Chancen bei einer Kreis tagswahl einzuräumen, dann müssen wir das Kreistagswahl recht ändern und Doppelkandidaturen untersagen.

Wir sind dem Innenminister sehr dankbar. Wir hören, dass die ses Thema schon seit mehreren Monaten hausintern bearbei tet wird, dass es der Innenminister bereits in seine hausinter nen Entwürfe eingearbeitet hat, und wir halten es für sinnvoll, für all diese Themen, die das Kommunalwahlrecht betreffen, rechtzeitig vor der Kommunalwahl im übernächsten Jahr hier ein Gesamtpaket einzubringen. Dazu gehören die Abschaf fung der Doppelkandidatur,

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Sehr gut! Sie waren bisher aber nicht dafür!)

die Absenkung des Wahlalters für Kommunalwahlen auf 16 Jahre und auch die Änderungen des Auszählverfahrens hin zu Sainte-Laguë/Schepers. Ich denke, es ist gut, das Thema in ei nem solchen Gesamtpaket abzuarbeiten, und freue mich dar auf, wenn wir das hier tun.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Haller.

(Zurufe: Heiler!)

Heiler.

Herr Präsident Dressler!

(Heiterkeit)