In der Geschäftsordnung wird gegebenenfalls die Betei ligung von Mitgliedern der Jugendvertretung an den Sit zungen des Gemeinderats in Jugendangelegenheiten ge regelt; insbesondere soll dann ein Rederecht, ein Vor schlagsrecht und ein Anhörungsrecht vorgesehen werden.
Das ist der konkrete Vorschlag, den wir mit diesem Gesetz entwurf machen. Ich glaube, dass es sich wirklich lohnt, über diesen Vorschlag zu diskutieren.
Ich habe allerdings nach unseren Erfahrungen hinsichtlich der Direktwahl der Landräte ernsthaft erwogen, ob wir an unsere Gesetzentwürfe künftig für die Angehörigen der Regierungs fraktionen ein Formblatt anheften, auf dem sie einfach ankreu zen können: „Der Entwurf kommt zu früh“, „Der Entwurf kommt zu spät“, „Der Entwurf kommt nicht von uns“, „Der Entwurf ist zu lang“, „Der Entwurf ist zu kurz“. Ich bin ge spannt, was Sie zu diesem Entwurf sagen.
Aber eine Bitte habe ich: Bestärken Sie bei uns nicht noch den Eindruck, dass bei Ihnen schlicht und einfach nichts passiert, dass Sie ein Schneckentempo vorlegen, dass Sie schon eine aktive Opposition brauchen, damit Sie sich ein bisschen be wegen. Deswegen bringen wir diesen Entwurf ein.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Bis wann wird das Formblatt fertig sein? – Gegenruf: Das können wir gleich machen!)
Frau Präsidentin, sehr geehr te Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, insbesondere die Jugendlichen auf der Zuhörertribü ne! Die Einbindung Jugendlicher in die kommunalen Ent scheidungen, die Berücksichtigung ihrer Belange bei den Ent scheidungen, das Wecken und Fördern des politischen Inter esses bei Jugendlichen ist ein wichtiges Anliegen der CDULandtagsfraktion; das war auch schon in früheren Zeiten der Fall. Deshalb hat auch die alte Landesregierung im Jahr 2005 den heutigen § 41 a der Gemeindeordnung eingeführt, wo nach die Gemeinden Jugendliche, wenn deren Interessen be rührt sind, beteiligen können.
Die FDP/DVP schlägt uns heute nun vor, aus dieser Kannre gelung eine Mussregelung zu machen und gleichzeitig den Ju gendgemeinderat, eine äußerst sinnvolle Einrichtung, quasi zur Regeleinrichtung, zur Regelinstitution in den Gemeinden – egal, wie groß oder klein diese sind – zu machen. Sicherlich ist dies in der Sache gut gemeint – das können wir auch un terstützen –, aber man darf fragen, ob das in der Tat gut ge macht ist. Wir glauben nicht unbedingt, dass eine Mussvor schrift – eine Verpflichtung, übergestülpt auf alle Kommunen im Land – tatsächlich den Interessen und Belangen der Ju gendlichen vor Ort dient. Es gibt auch andere Möglichkeiten, die Jugendlichen an den Entscheidungen zu beteiligen oder ihr Demokratieverständnis zu wecken, seien es Jugendforen, Jugendsprechstunden, zeitlich begrenzte konkrete kommuna le Projekte. Im Land gibt es viele Beispiele.
Aber ob es sein muss, mit diesem Vorschlag quasi auch in die kommunale Selbstverwaltung einzugreifen, muss man hier in der ersten Runde der Debatte durchaus hinterfragen. Es gibt ja Stellungnahmen, Herr Kollege Professor Dr. Goll – nicht nur vom Dachverband der Jugendgemeinderäte, sondern eben auch vom Gemeindetag und vom Städtetag –, die diesen Vor schlag kritisch sehen.
Die Zahl der 47 Jugendgemeinderäte, die es bisher in BadenWürttemberg gibt, ist – da sind wir uns sicherlich einig – durchaus steigerungsfähig und steigerungswürdig.
Die Zahl 47 – nach der Information – ist zwar durchaus stei gerungsfähig, aber ich glaube nicht, dass der Jugendgemein derat als Einrichtung überall passt. Das sagt jemand, der als Jungstadtrat als eine seiner ersten Handlungen in seiner Hei matstadt Heilbronn einen solchen Jugendgemeinderat mitge gründet hat, der im Übrigen bestens funktioniert und der auch ein Rede- und Antragsrecht im Gemeinderat hat.
Wir sollten vielmehr danach trachten, das Verständnis bei al len Verantwortlichen zu wecken – bei Bürgermeistern, bei Ge meinderäten, bei Lehrern, bei Jugendämtern und bei den Par teien vor Ort –, die Beteiligung der Jugendlichen über Jugend gemeinderäte ernster zu nehmen oder andere Möglichkeiten einzuführen. Da sind wir bei Ihnen. Deswegen sehen wir Ih ren Gesetzentwurf als Diskussionsauftakt in den Ausschüs sen, wie wir dieses Bedürfnis besser befriedigen können und wie wir bei den Verantwortlichen mehr Verständnis und mehr
Überzeugung wecken können, um die Jugendbeteiligung in den Kommunen zu verbessern – allerdings nicht unbedingt mit einem Zwang.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Uns geht es darum, nicht nur Politik für junge Menschen zu machen, sondern auch Politik mit jun gen Menschen zu machen. Dass Land muss hierfür die recht lichen Rahmenbedingungen schaffen. Wir werden daher, Herr Kollege Goll, kommunale Demokratie stärken und die Betei ligung von Jugendlichen in der Kommunalpolitik stärken und fördern. Es geht zum einen um die Senkung des aktiven Wahl alters auf 16 Jahre, aber es geht auch darum, den Jugendge meinderat zu stärken. Die Jugendgemeinderäte können die Bedürfnisse und Sichtweisen der Jugendlichen in die Kom munalpolitik einbringen, und durch den Jugendgemeinderat sind Jugendliche dann auch formell vertreten. Momentan liegt es allerdings noch im Ermessen des Bürgermeisters der jewei ligen Gemeinde,
ob die Jugendvertretung ihre Belange im Gemeinderat vor bringen kann. Unser Ziel ist es daher, dieses Recht, dass eben die Belange der Jugendlichen zentral in den kommunalen Gre mien vorgebracht werden können, ohne auf das Wohlwollen der Bürgermeister und der Gemeinderäte angewiesen zu sein, festzuschreiben.
Hier sehen wir Regelungsbedarf. Denn wenn der Jugendge meinderat ein Rede- und Antragsrecht innehat, können die In teressen von jungen Menschen in unseren Kommunen zent ral im Gemeinderat vorgebracht werden. Wir unterstützen da her die Initiative des Dachverbands der Jugendgemeinderäte, wenn es darum geht, Mitbestimmungsrechte junger Menschen in vollem Umfang in der Gemeindeordnung zu verankern.
Wir Grünen stehen seit Langem für ein verbindliches Rede- und Antragsrecht des Jugendgemeinderats im Gemeinderat und für ein eigenes Budget für die Jugendvertretung. Ihr Ge setzentwurf, Herr Kollege Goll, zielt in die richtige Richtung, ist uns aber zu unverbindlich. Sie sagen – Zitat –: „In der Ge schäftsordnung wird gegebenenfalls die Beteiligung... gere gelt“. Wir sagen: „In der Geschäftsordnung ist die Beteiligung des Jugendgemeinderats zu regeln.“ Es sind ein Antrags-, ein Vorschlags- und ein Anhörungsrecht sowie ein eigenes Bud get vorzusehen. Es geht uns also um ein verbindliches Mit wirkungsrecht, nicht um „gegebenenfalls“, sondern um klare Regeln, dass der Jugendgemeinderat im Gemeinderat vorspre chen darf.
Der Jugendgemeinderat soll also kein Bittsteller sein, sondern er soll auf Augenhöhe seine Belange im Gemeinderat einbrin gen können. Die Vorschläge der jungen Rätinnen und Räte
Das ist Teil unseres Gesamtpakets zur Änderung der Gemein deordnung. Wir werden das noch rechtzeitig vor der nächsten Kommunalwahl hier vorlegen. Dann, denke ich, haben wir für die Jugendlichen etwas Gutes erreicht.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Demokratie muss gelebt werden, und Demo kratie muss erlebt werden. Deswegen sind die Jugendgemein deräte, die wir in Baden-Württemberg bereits haben, ein gro ßer Schatz, der ausgebaut werden muss. Denn wenn wir Men schen für Demokratie begeistern wollen, reicht es nicht, dass wir gute Gemeinschaftskunde-Unterrichtsstunden halten, son dern dies muss tagtäglich in den Vereinen, aber vor allem auch in der Kommune, dort, wo man direkt etwas gestalten kann, erlebt werden.
Deswegen zielt der Gesetzentwurf aus meiner Sicht erst ein mal durchaus in eine richtige Richtung, und wenn ich wohl wollend bin, dann sage ich: Es ist eine gewisse Form einer Rückbesinnung auf eine sozialliberale Ära unter Walter Scheel, in der es hieß: „Mehr Demokratie wagen“. Aber es ist natürlich auch wieder typisch, dass diese Gesetzentwürfe dann kommen, wenn die FDP in der Opposition ist. Als Sie von der FDP/DVP etwas hätten machen können, haben Sie nichts ge tan. Erich Kästner sagte: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ Sie haben nichts getan, im Gegenteil. Hagen Kluck hat sich in der Landtagsdebatte vom 18. Februar 2009 für die Fraktion der FDP/DVP explizit gegen eine Stärkung der Ju gendgemeinderäte ausgesprochen.
Jetzt kommen Sie hoppla hopp mit einem Gesetzentwurf um die Ecke. Es ist eigentlich schon eine Ironie der Geschichte: Sie wollen die Jugendbeteiligung stärken, ohne Vertreter der Jugendlichen an der Entwicklung dieses Gesetzentwurfs be teiligt zu haben, ohne ein Beteiligungsformat zu haben und ohne eine Gesamtkonzeption zu haben.
(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Unglaublich! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Das ist Aufgabe des Land tags!)
Was ist denn mit den Jugendforen, was ist denn mit den Pro jekten davor? Da bedarf es eines Gesamtkonzepts,
da reicht nicht nur eine Änderung in der Gemeindeordnung. Deswegen können wir dem heute auch nicht zustimmen.
Man muss auch sagen – Kollege Schwarz hat es schon gesagt –, der Gesetzentwurf geht uns an einer Stelle nicht weit ge nug; denn wenn wir das einführen, dann bedarf es einer Ver bindlichkeit. Doch durch dieses „gegebenenfalls“, das Sie in § 41 a Absatz 2 hineinschreiben wollen, wird das Anliegen, das wir hier vertreten, mit einem Schlag wieder weggewischt.
Deswegen verbleibt mir, an dieser Stelle zu sagen: Die Ziel richtung ist in Ordnung, aber der Gesetzentwurf ist in diesem Punkt nicht ausgegoren, es gibt kein Gesamtkonzept. Deswe gen: Vom Ziel her gut; leider wird es in dieser Form verwäs sert. Es ist ein kleiner, netter Marketinggag der Fraktion der FDP/DVP.
Die Koalition hingegen wird das Thema richtig angehen. Wir machen das mit Substanz und laden Sie ein, uns dann auch zu begleiten und an dieser Stelle mitzuwirken.
(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Formblatt Kästle 4! – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU – Gegenruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD: Herr Zimmermann, das sieht schlecht aus!)