Meine Damen und Herren, wir alle wissen, wir haben eines der schärfsten, um nicht zu sagen das schärfste Waffenrecht in ganz Europa. Wir ruhen uns darauf aber nicht aus; das wis sen Sie. Es wurde angesprochen: Die europäische Waffenricht linie muss bis Ende des Jahres 2014 umgesetzt sein. Wir sind uns in Baden-Württemberg einig und wir werden es auch schaffen, diese Richtlinie bis Ende des Jahres 2012 umzuset zen.
Natürlich wird es nicht ausreichen, nur diese Richtlinie um zusetzen. Dabei hat der Kollege Sckerl völlig recht. Wir brau chen auch eine Harmonisierung auf europäischer Ebene – aber auf unserem Standard –, was die Waffenkontrolle und die Waf fenüberwachung angeht. Ich habe erhebliche Zweifel daran, dass dies in allen Ländern Europas auf ähnliche Art und Wei se gemacht wird, wie wir das in Deutschland und insbeson dere in Baden-Württemberg machen.
Ziel muss es meines Erachtens bleiben, weniger Waffen zu haben. 150 000 Waffenbesitzer besitzen rund 700 000 Waf fen. Im Schnitt sind dies ungefähr fünf Waffen pro Person. Das heißt im Klartext, es gibt nicht wenige, die deutlich mehr als fünf Waffen besitzen.
Ich weiß, dass diese Waffen alle legal erworben sind und sich zu Recht im Besitz dieser 150 000 Waffenbesitzer befinden. Man kann aber doch ernsthaft hinterfragen, ob diese Anzahl von Waffen zur Ausübung des Schießsports oder zur Aus übung der Jagd wirklich benötigt wird.
Sie haben die An zahl legal erworbener Waffen angesprochen. Gibt es einen ak tuellen Überblick in Baden-Württemberg, wie viele illegal er worbene Waffen man vermutet? Gibt es neueste Erhebungen auf Bundesebene? Gibt es da einen Überblick oder irgendwel che Erhebungen?
Einen Überblick darüber ha ben wir natürlich nicht; denn sonst würden wir entsprechend handeln. Das ist doch völlig klar. Dann gäbe es diesen illega len Waffenbesitz nicht. Dann hätten wir einen Zugriff und rechtliche Möglichkeiten, entsprechend einzugreifen.
(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Schätzun gen, habe ich gesagt! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sie könnten an einzelne Abgeordnete Erhe bungsbögen verteilen!)
Es gibt Schätzungen, wonach die Zahl der illegal erworbe nen Waffen die Zahl der legal erworbenen um das Vierfache übersteigt.
Es ist erfreulich, dass sehr viele Menschen ihre Waffen im Rahmen der Amnestieregelung abgegeben haben. Darunter befanden sich immerhin rund 7 000 illegal erworbene Waf fen. Es ist aber ohne Zweifel noch mehr Potenzial vorhanden.
Ich möchte noch auf großkalibrige Waffen zu sprechen kom men. Die Diskussion verstehe ich an dieser Stelle nicht, Herr Goll. Es war die frühere Landesregierung, die im Jahr 2009 diesbezüglich eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht hat. Ich verstehe nicht, weshalb Sie nun Abstand davon neh men und dies kritisieren.
Die frühere Landesregierung hat im Jahr 2009 diese Bundes ratsinitiative auf den Weg gebracht, die im Bundesrat Zustim mung gefunden hat und im Bundestag auf Ablehnung gesto ßen ist.
Wir werden jedenfalls an diesem Thema dranbleiben, weil dies eine Stellschraube ist auf dem Weg zu dem Ziel, weniger Waffen im Umlauf bzw. im Besitz von Menschen zu haben.
Meine Damen und Herren, wir haben in den zurückliegenden Jahren und jüngst im Innenausschuss immer wieder Gesprä che mit Vertretern von Sportschützen- und Jagdverbänden ge führt. Diese Gespräche waren durchaus konstruktiv.
Ich habe mir in den zurückliegenden Monaten immer wieder einmal angeschaut, wie in den einschlägigen Verbandsvor schriften argumentiert wird. Es gefällt mir nicht alles, was ich dort lese. Ich nehme aber auch zur Kenntnis, dass ausreichend über gesetzliche Regelungen und darüber informiert wird, was geht und was nicht geht. In nicht wenigen Fällen wird um Ver ständnis geworben ob der Vorgänge, die wir zu verzeichnen hatten. Es wird um Verständnis dafür geworben, dass gesetz liche Regelungen sein müssen, und die Mitglieder werden ge beten, dies einfach zu akzeptieren.
Meine Damen und Herren, wir sind uns darin einig – ich ge he jedenfalls davon aus –, dass wir Gewalttaten, wie wir sie in Winnenden und Wendlingen und jetzt auch in Karlsruhe und Lehrensteinsfeld erleben mussten, auch durch weitere Verschärfungen des Waffenrechts nicht völlig verhindern kön nen. Ich denke, das liegt auf der Hand.
Klar ist aber auch, meine Damen und Herren, dass wir in der Politik trotz der Erkenntnis, dass auch in einer offenen und freien Gesellschaft nicht alles verhindert werden kann, in der Verantwortung stehen, zumindest zu versuchen, diese Gefah ren zu minimieren. Dabei dürfen wir uns – das sage ich auch, und das ist mir wichtig – nicht auf die formellen Veränderun gen bzw. Verschärfungen im Waffenrecht verlassen oder uns darauf beschränken. Wir müssen, meine ich, auch im gegen seitigen Umgang miteinander insgesamt aufmerksamer sein.
Das betrifft auch andere Waffen als die Schusswaffen. Ich will dazu eine Zahl zur Kenntnis geben: Es gab in diesem Jahr, im Jahr 2012 – jetzt haben wir Juli –, in Baden-Württemberg rund 65 Tötungsdelikte bzw. Tötungsversuche mit Messern, Dol chen und ähnlichen Waffen. Das sollten wir im Prinzip auch
immer wieder im Fokus behalten. Deshalb mein Hinweis: Wir müssen im gegenseitigen Umgang aufmerksamer sein.
Erkenntnisse – das ist aber noch nicht abgeschlossen – geben auch im Fall Karlsruhe Anlass zu der Vermutung, dass der Tä ter im Vorfeld gegenüber Dritten durchaus Verhaltensauffäl ligkeiten gezeigt hat und darauf nicht entsprechend reagiert wurde.
Es gibt einen ganz aktuellen Fall, der gerade einmal zwei Ta ge zurückliegt und der dafür spricht, dass so etwas in der Ge sellschaft, im familiären Umfeld, bei denen, die Verantwor tung tragen, inzwischen schon mehr beachtet wird als in der Vergangenheit. Es gab aus einer Arztpraxis einen Hinweis da rauf, dass jemand, der akut alkoholabhängig ist, nicht nur ei ner Eigengefährdung ausgesetzt ist, sondern dass bei diesem auch eine Fremdgefährdung befürchtet wurde. Dies wurde der Polizei mitgeteilt, was dazu geführt hat, dass eingeschritten werden konnte. Auch hierbei handelte es sich um einen Sport schützen.
Ich mag einfach nicht glauben, dass nur in der Arztpraxis auf gefallen ist, dass ein schwer alkoholabhängiger Mensch noch Sportwaffen besitzt. Deswegen gilt nach wie vor mein Appell an die Bürgerinnen und Bürger – wie gesagt: nicht nur im pri vaten Umfeld –, innerhalb der Gesellschaft ein großes Augen merk auf solche Veränderungen zu legen und entsprechend zu reagieren. Ich appelliere in diesem Zusammenhang nach wie vor – das habe ich wiederholt getan – auch an Vereine, Orga nisationen im Bereich der Sportschützen und der Jäger, bei entsprechenden Anhaltspunkten die notwendigen Konsequen zen zu ziehen und diese Informationen der Polizei oder den Waffenbehörden weiterzugeben.
Im Übrigen bleibt schlicht und ergreifend die Aufforderung an unsere Waffenbehörden bestehen, die Regelungen, die wir auf den Weg gebracht haben, konsequent umzusetzen, sodass nach wie vor ein hoher Kontrolldruck aufrechterhalten wird.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Herr Professor Goll, Sie werfen uns vor, wir würden Rattenfängermelodien folgen, aber gleichzeitig pfeifen Sie das Lied der Waffenlobby, und zwar schon ziemlich lange.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Thomas Blenke CDU: Wer ist eigentlich die Waffenlobby? Herr Sckerl, wer ist denn die Waffenlobby?)
Die Waffenlobby sind diejenigen, die ein geschäftliches In teresse an dem Verkauf möglichst vieler Sportwaffen und an derer Waffen in diesem Land haben. Gehen Sie einmal auf de ren Foren; sie sind sehr gut organisiert. Da gibt es einen brei ten Lobbyismus. Da finden Sie vor allem vor Wahlen, wäh rend der Wahlkämpfe, auch immer viele Einträge gerade aus den Reihen der FDP.
Das ist vor der letzten Landtagswahl und der letzten Bundes tagswahl signifikant aufgefallen. Damals gab es in Foren Aus einandersetzungen. Deswegen, Herr Professor Goll, bitte ich Sie, jetzt so hinzunehmen, dass ich diesen Satz gesagt habe. Ich glaube, hier haben wir Klärungsbedarf. Da liegt auch der Unterschied hier im Haus zwischen unserer und Ihrer Positi on. Wir sind für ein höchstmögliches Maß an Sicherheit und gegen einen falsch verstandenen Begriff von Freiheit.
Wir haben eine Reihe guter Vorschläge gehört; sie liegen auf dem Tisch. Vielen Dank, Herr Innenminister, für Ihre Bemü hungen. Die Vorschläge werden auf Landesebene geprüft. Wir sind uns sicher einig, dass wir in absehbarer Zeit, ohne die un teren Waffenbehörden zu sehr zu drangsalieren, wieder einen Bericht vorgelegt bekommen, wie es mit den Kontrollen wei tergegangen ist und welche Häufigkeiten vorliegen.
Wir haben auf Bundesebene eine Reihe von Vorschlägen ge macht. Wir sind da pragmatisch, meine Damen und Herren. Niemand will mit der großen Keule antreten und ein Totalver bot durchsetzen. Das habe ich klargemacht. Aber es fehlt an der Dialogbereitschaft, Herr Kollege Blenke. Es fehlt an der Dialogbereitschaft Ihrer Bundesregierung. Diese möge jetzt die Evaluation des Gesetzes von 2009 tatsächlich vorlegen. Außerdem fehlt es an der Dialogbereitschaft der Vereine über die künftige Aufbewahrung von Waffen.
Wir können über vieles reden, über die Trennung von Waffen und Munition, über biometrische Sicherungssysteme, über Blockiersysteme und, und, und.
Wir können auch einen Entwicklungsprozess machen und schauen, welche Maßnahmen helfen, um die Sicherheitslü cken zu schließen. Entscheidend ist: Auch die Vereine, die Sportschützen, die Jägerverbände müssen dialogbereit sein, um diese Sicherheitslücken gemeinsam zu schließen. Da müs sen wir dranbleiben.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das sind alle! – Abg. Thomas Blenke CDU: Das sind sie doch! Sie haben immer noch nicht gesagt, wohin die Waffen sollen! Er hat gesagt, die Waffen müssen raus aus den Privatwohnungen, sagt aber nicht, wohin!)
Sehr geehrter Herr Präsident, mei ne sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte jetzt eigentlich gerade auch nach dem Vor trag des Innenministers den Eindruck, wir können an der gu ten, konstruktiven und fraktionsübergreifenden Zusammenar beit, die wir in dem Sonderausschuss gepflegt haben, auch heute wieder anknüpfen. Ich finde, wir hatten uns im Sonder ausschuss mit dieser ganzen Problematik sehr viel tiefschür fender befasst, als uns das heute in dieser Aktuellen Debatte möglich ist.
Wir waren uns eigentlich auch in dem Ziel sehr einig. Wir hat ten nämlich gesagt: Wir wollen versuchen, zu prüfen, was wir
dazu beitragen können, dass solche Bluttaten an unseren Schu len unwahrscheinlicher werden. Wir waren uns, glaube ich, auch darüber einig, dass staatliches Handeln hier beschränkt ist, dass wir nicht alles beeinflussen können.
Vor allem waren wir uns darüber klar, dass das Elend, das sich vor einer solchen Tat abspielt, lang ist, dass es ein langer per sönlicher, biografischer Leidensweg ist, der solch einer Blut tat meist vorausgeht, dass viele Faktoren dazu beitragen und dass wir staatlicherseits nur einen geringen, einen begrenzten Einfluss haben.
Wir in der CDU jedenfalls waren der Meinung, dass ein Waf fenverbot zu kurz greift, dass die Waffe das Werkzeug, das In strument ist, aber nicht die Ursache für solch eine Tat darstellt, sondern eben am Ende einer fatalen Entwicklung steht.