Protocol of the Session on July 19, 2012

Wir in der CDU jedenfalls waren der Meinung, dass ein Waf fenverbot zu kurz greift, dass die Waffe das Werkzeug, das In strument ist, aber nicht die Ursache für solch eine Tat darstellt, sondern eben am Ende einer fatalen Entwicklung steht.

Natürlich ist jetzt viel zur Bedeutung der Beschränkung des Zugangs zu Waffen gesagt worden. Da sind wir uns alle einig. Ich hatte auch den Eindruck, dieser Sonderausschuss hat bei den Sportschützen, in den Schützenvereinen, bei Jägern zu ei ner noch stärkeren Sensibilisierung beigetragen. Es laufen mittlerweile innerhalb dieser Verbände verstärkte Informati onen. Es wird eine ganz bewusste Jugendarbeit betrieben. Das Kultusministerium hat einen Schülersportmentorenkurs in Kombination mit Biathlon auf den Weg gebracht. Die Schüt zenverbände selbst haben einen Wettbewerb ausgeschrieben, der der Gewaltprävention dienen soll.

Ich kann nur noch einmal betonen, Herr Sckerl: Es ist schön, wenn Sie auch sagen, Sie wollen diese Personengruppe nicht unter Generalverdacht stellen. Die fühlen sich halt manchmal so behandelt. Sie müssen sich schon bewusst sein, dass Sie, wenn Sie den Privatbesitz von großkalibrigen Waffen verbie ten wollen, eine olympische Disziplin ausmerzen und von der Bildfläche verschwinden lassen wollen. Das ist nicht im Sin ne der Betroffenen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Hans-Ul rich Sckerl GRÜNE: Großkaliber ist nicht olym pisch!)

Ich will aber auch daran erinnern, dass wir uns in dem Son derausschuss ganz intensiv mit Präventionsmöglichkeiten be fasst haben, weil wir gemerkt haben: Es ist nur die Spitze des Eisbergs, die uns mit solch einem Amoklauf und einer Ge walttat gezeigt wird. Wir haben ein umfangreiches Programm auf den Weg gebracht, um Gewaltprävention in Schulen auf allen Ebenen flächendeckend umzusetzen. Wir haben uns be müht, die Zahl der Schulpsychologen zu erhöhen, einen Stu diengang für Schulpsychologie zu installieren. Wir werden uns hier in diesem Haus demnächst sicherlich darüber unter halten, wie das alles umgesetzt wurde. Ich kann an Sie nur ap pellieren, diesen Programmbereich nicht anzurühren, wenn Sie unter Sparzwängen stehen.

Wir müssen uns, glaube ich, klarmachen, dass auch für Er wachsene Vergleichbares gilt. Die Zahl der Menschen mit see lischen Erkrankungen in diesem Land nimmt zu. Depressio nen, Angststörungen sind eine Volkskrankheit geworden. Of fensichtlich ist Baden-Württemberg gemeinsam mit Bayern und Hessen davon besonders stark betroffen. Sie haben es vor zwei Tagen in der Zeitung gelesen: Die AOK bemüht sich, hier auch von Ärzteseite zu helfen, zu unterstützen und die

sen Menschen die Hilfe zukommen zu lassen, die sie brau chen.

Wir haben in Baden-Württemberg oder überhaupt in Deutsch land nach Schweden offensichtlich die höchste Zahl von Sin glehaushalten. Das muss uns auch zu denken geben. Es ist si cherlich einerseits die Arbeitswelt, die diese Krankheiten her vorruft, aber es sind auch gesellschaftliche Rahmenbedingun gen. Ich meine, denen müssten wir uns widmen. Ich kann da nur die Sozialministerin, die heute leider nicht hier ist, auffor dern zu handeln. Sie war nämlich ein Mitglied dieses Sonder ausschusses mit besonders großer, auch emotionaler Betrof fenheit. Sie hat sich sehr stark in die Arbeit eingebracht. Ich denke, es fällt auch in den Bereich des Sozialministeriums, hier zu reagieren und die medizinischen und gesellschaftli chen Rahmenbedingungen zu verbessern. Kürzlich fand ja der Landespsychiatrietag hier in Stuttgart statt. Die Ministerin hat auch ein entsprechendes Landespsychiatriegesetz angekün digt.

Ich denke, das sind Bereiche – auch der Innenminister hat es angesprochen –, in denen wir gefordert sind. Wir sollten uns nicht nur auf das Thema Waffen kaprizieren, das an sich schon umfangreich genug ist.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sehr gut!)

Es gehört noch viel, viel mehr zu dieser Problematik.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU: So ist es!)

Dem hatten wir uns hier im Haus wirklich schon vertiefend gewidmet. Ich meine, wir sollten nicht mehr dahinter zurück gehen und die fraktionsübergreifende Arbeit, die wir da ge leistet hatten, nicht kleinreden oder zerreden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Sehr gut!)

Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Sakellariou.

Herr Präsident, meine Da men und Herren! Als Herr Dr. Goll mit seiner Rede zu Ende war, fragte mich mein Sitznachbar: „Was will er denn jetzt ei gentlich?“ Das ist nicht ganz klar geworden.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Das hat er ganz klar ge sagt!)

Sie haben kritisiert, dass wir versuchen wollen, den Zugang zu Waffen zu erschweren. Darüber habe ich mich schon ge wundert. Wahrscheinlich war die Tatsache, dass Sie so nebu lös gesprochen haben, einfach nur dem Umstand geschuldet, dass Sie nicht sagen wollten, dass aus Ihrer Sicht der Zugang zu Waffen eigentlich erleichtert werden müsste, dass wir ein zu strenges Waffenrecht hätten.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist ja Quatsch! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Schwach sinn!)

Dieser Eindruck hätte jedenfalls entstehen können.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Völliger Quatsch! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das ist Schwachsinn! Nik, hast du schlecht geschlafen, oder was?)

Ich habe ja nicht von Ihnen gesprochen, sondern von den Äußerungen, die von dort kamen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ich habe ihn auch gehört! Deswegen sage ich ja „Quatsch“!)

Der zweite Punkt: Sie haben in diesem Zusammenhang von „Rattenfängern“ gesprochen. Ich möchte noch darauf einge hen, wer die von Ihnen so bezeichneten „Rattenfänger“ sind. Die „Rattenfänger“ sind die Polizeigewerkschaften. Es sind die Polizeigewerkschaften, die sich für ein Verbot von groß kalibrigen Waffen ausgesprochen haben, weil die Polizei in solchen Situationen einfach wissen will, mit welchen Waffen sie womöglich in einem Privathaushalt zu tun hat, auf welche Personen sie trifft und welches Gefährdungspotenzial von ih nen ausgeht. Das war der Grund, warum wir diese Debatte jetzt führen.

Der dritte Punkt: Im Hinblick auf das Urteil gebe ich Ihnen recht. Im Grunde ging es darum, zu prüfen, ob jemand einen zusätzlichen Zugang zu Waffen bekommen soll. Aber in der Begründung wurde die gesellschaftliche Realität aus unserer Sicht falsch bewertet, weil es eben zu einer Veränderung ge kommen ist. Wenn es in einer Gesellschaft zu einer Verände rung gekommen ist, die die Gerichte noch nicht wahrgenom men haben, wir aber in diesem Zusammenhang Tote zu bekla gen haben, dann müssen wir als Politiker eben handeln. Da zu gehört auch, dass wir den Zugang zu Waffen begrenzen.

Ich habe mich extra vergewissert, weil ich in den Sportschüt zenfragen nicht firm bin: Es handelt sich eben nicht um eine olympische Disziplin, die dadurch verschwinden würde, dass wir den Besitz von großkalibrigen Waffen in Privathaushal ten verbieten. Das war mir auch ganz wichtig. Es gibt Euro pameisterschaften oder Deutsche Meisterschaften mit groß kalibrigen Waffen auf Vereinsebene. Aber eine olympische Disziplin wird durch ein Verbot eben nicht tangiert.

Ich meine, dass wir auch überlegen müssten – Sie haben die psychischen Krankheiten angesprochen –, ob die Erteilung von solchen Waffenlizenzen nicht befristet werden sollte,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist richtig!)

sodass nach Ablauf der Befristung eine Neuerteilung der Er laubnis erfolgen muss, wofür die betreffende Person noch ein mal komplett überprüft werden muss, anstatt eine Verlänge rung zu erteilen, die womöglich mit geringeren Anforderun gen verbunden ist.

Genau dieses Paket müssen wir uns anschauen,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! Dann sind wir auf dem richtigen Weg!)

um das Ziel zu erreichen. Weniger Waffen bedeuten im Er gebnis hoffentlich auch weniger Gefährdung und weniger sol cher Vorfälle.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht Herr Kollege Professor Dr. Goll.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Vielleicht war es in gewisser Weise zu erwarten, dass diese Debatte nicht ohne Unterstellungen und gezielte Missverständnisse genau gegenüber dem, was ich ge sagt habe, verläuft. Deswegen habe ich mich jetzt noch ein mal gemeldet, um noch einmal auf drei Punkte einzugehen.

Erstens: Herr Sckerl hat gemeint, ich würde das Lied der Waf fenlobby pfeifen. Ich finde es traurig, dass man das hier klar stellen muss. Aber es sind ja auch Leute auf der Zuhörertri büne, die nachher mit dem Eindruck „Typisch!“ und sonst et was weggehen könnten. Deswegen sage ich Ihnen: Es gibt ja Waffenhersteller in Baden-Württemberg. Zu diesen habe ich nicht den leisesten Kontakt – kein Brief, nicht einmal eine E-Mail oder eine SMS. Es gibt keinen Kontakt.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Kein Mensch will etwas von Ihnen!)

Das muss man traurigerweise hier betonen.

Ich war vor zehn Jahren einmal, wenn ich mich richtig erin nere – so lange ist es mindestens her –, bei Heckler & Koch in Oberndorf. Das war eigentlich mein einziger Kontakt zu der sogenannten Waffenlobby.

Das, lieber Herr Sckerl, zeigt aber Ihr Bild. Auch da muss man wieder den Kontext sehen. Überall, wo es nach Wirtschaft riecht, werden Sie misstrauisch. Das ist das Interessante.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Sie haben doch gar keine Ahnung!)

Aber das sind auch unsere Arbeitsplätze. Da kann man lange genug Kreide fressen. Wenn es zum Schwur kommt, dann heißt es: „Der Goll pfeift das Lied der Waffenlobby.“ Das ist eine üble Unterstellung und zeigt auch ein gestörtes Verständ nis von den Arbeitsplätzen bei uns im Land.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Zweitens: Was mich ein bisschen gewundert hat, lieber Herr Gall: Sie haben so getan, als hätte ich von Hirnlosigkeit gere det. Deswegen versuche ich, noch einmal klarzumachen, was ich meine und wie der Kontext ist. Ich habe meine Aussagen bewusst in einen Kontext gestellt, z. B. in den der Bildungs politik, z. B. in den der Energiepolitik. Deswegen sage ich noch einmal, falls es nicht richtig angekommen ist, was ich ausdrücken wollte: In der Energiepolitik oder in der Schulpo litik reden Sie für meine Begriffe die Leute besoffen mit Kon zepten, die nicht funktionieren können.

(Heiterkeit des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Das ist bei der Windenergie offensichtlich, das ist bei der Ge meinschaftsschule offensichtlich. Das ist mein Standpunkt. Davor warne ich.

Genauso funktioniert es eigentlich im Hinblick auf das Waf fenrecht. Die emotionale Betroffenheit ist mehr als verständ

lich. Ich habe vorhin nur gesagt, ich würde auch in dieser auf gewühlten Situation trotzdem nicht den Verstand abschalten. Darum geht es.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf: „Hirnlos“, haben Sie gesagt!)

Nein. Wenn Sie das Protokoll lesen und in meinem Beitrag das Wort „hirnlos“ finden, dann zahle ich Ihnen 100 €. Sind Sie einverstanden?