Protocol of the Session on July 19, 2012

Der Konflikt bezieht sich darauf, ob die Belastungsgrenze in Gorleben derzeit überschritten ist, ob damit die Kapazität der zeit überschritten ist und ob noch andere Kapazitäten frei sind. Entscheidend für ein Zwischenlager muss sein: kurze Wege – das erfüllen Zwischenlager, wenn sie die eigenen Abfälle auf nehmen – und die Sicherheit, der ein Zwischenlager bedarf. Deshalb wurde auch nachgerüstet, auch für den Fall terroris tischer Überfälle wurde nachgerüstet. Ich denke, wir haben beide Möglichkeiten als Lösung. Als Verursacher von Abfäl len sind wir beteiligt, an einer Lösung zu suchen, und bei der Zwischenlagerung sowieso. Insofern ist das einzig Brennen de an diesem Thema die Temperatur der Brennstäbe.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich dem Kollegen Glück das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bis ins Jahr 2040, so schätzt es das Bundesamt für Strahlenschutz, fallen 277 000 m3 an schwach strahlenden radioaktiven Abfällen an. Besonders bedeutsam ist: Zusätzlich kommen noch einmal 27 000 m3 – bis dahin geschätzt – an hoch radioaktivem Abfall hinzu. Die Lagersi tuation bis jetzt sieht so aus: TBL Gorleben 113 Behälter, Phi lippsburg 36, Neckarwestheim 41. Das ist das, was wir an Zwischenlagern im Land haben. Das Problem ist: Aus Sella field und La Hague sollen auch noch weitere Castoren kom men. Es sind 152 bzw. 157 aus La Hague und noch einmal 21 aus Sellafield. Es zeigt sich: Insgesamt ist es eine große Zahl. Es ist völlig klar, dass bei der Suche nach einem Endlager Handlungsbedarf besteht. Darauf muss ich kurz eingehen, weil das nämlich unmittelbar zusammenhängt. Auch die Frage der Zwischenlagerung spielt eine Rolle.

Jetzt muss ich mir über eines im Klaren sein: Je länger man braucht, um ein Endlager zu finden und den Standort zu rea lisieren, umso mehr und länger muss man in einem Zwischen lager lagern. Somit hängen diese zwei Punkte unmittelbar zu sammen.

Ganz kurz zum Endlager: Die Ansprüche daran sind völlig klar: Es muss dauerhaft kontrolliert von der Biosphäre abge schirmt sein – über mechanische, technische und geologische Barrieren –, die Lagerung muss sicher vor dem Zugriff Unbe fugter erfolgen, und es dürfen keine Menschen und andere Le bewesen gefährdet werden.

In diesem Zusammenhang, Herr Schoch, möchte ich Ihnen ei nes sagen: Die Suche, die man da machen muss, muss trans parent und ergebnisoffen gestaltet sein. Ergebnisoffen bedeu tet eine weiße Karte, von der Gorleben nicht von vornherein heruntergestrichen wird.

Wenn Sie vorhin den Ministerpräsidenten und auch den Mi nister Untersteller gelobt haben, muss ich sagen: Für das Er arbeiten der Stellungnahme zum Antrag möchte ich mich herz lich bedanken, aber dafür kann ich das Lob nicht teilen: Wer im Wahlkampf durch die Gegend läuft und die Menschen in Freudenstadt und in Riedlingen verrückt macht, der verdient

in diesem Punkt kein Lob. Das ist Panikmache bei den Leu ten.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Es waren Kamerateams dort, und Sie haben mit den Ängsten der Menschen gespielt.

Bei der Endlagerfrage müssen wir – dazu möchte ich aufru fen – parteiübergreifend vorgehen. Das ist bei diesem Thema ganz wichtig. Es gibt eine sehr lange Planungsphase. Wir müs sen da gemeinsam an einem Strang ziehen. Völlig egal, wel che Partei gerade an der Macht ist, brauchen wir einen brei ten und langfristig wirksamen Konsens. In diesem Zusam menhang machen mir die Grünen und macht mir auch die SPD etwas Sorge.

(Oh-Rufe von den Grünen und der SPD)

Am 11. Juli 2012 erschien bei SPIEGEL ONLINE ein Arti kel. Herr Altmaier hatte ein Gespräch mit Herrn Trittin und Herrn Gabriel. Da wurde gerade dieses Prinzip „weiße Land karte“ besprochen. Herr Gabriel und Herr Trittin haben dem so zugestimmt. Aber schon kurz darauf meldeten sich der Lan desverband der Grünen und der der SPD aus Niedersachsen und haben verlautbaren lassen: Nein, Gorleben müsse gleich von der weißen Landkarte gestrichen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist keine ergeb nisoffene Suche, wenn ich schon von Anfang an weiß, wel cher Standort es definitiv nicht wird.

(Zuruf des Abg. Alexander Salomon GRÜNE)

Ich sage bloß: Gorleben darin lassen; es kann jederzeit als Standort herausfallen – alles in Ordnung –, aber es ist absolut daneben, Gorleben von vornherein zu streichen.

Herr Winkler, Sie haben vorhin auch schon erwähnt, dass man jetzt 80 Jahre oder wie lange Zeit auch immer Zeit hatte. Sie müssen sich an dieser Stelle sagen lassen: Während der grünroten Regierungsverantwortung in Berlin

(Abg. Sascha Binder SPD: Der rot-grünen!)

ist zu dieser Endlagerfrage überhaupt gar nichts passiert. Das wurde völlig ausgeklammert. Sie haben Zeit vertrödelt. Das hat zur Folge, dass wir jetzt noch mehr und noch länger in Zwischenlagern zwischenlagern müssen.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Ziehen Sie einmal die Zeit davon ab! Ziehen Sie es mal ab!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zu den Zwischenla gern möchte ich noch einen Punkt aussprechen: Mir macht die dezentrale Lagerung von Atommüll Sorgen. Wäre es denn nicht sinnvoll, wenn wir eine zentrale Lagerung anstreben, z. B. in dem TBL in Gorleben? Das wäre zunächst einmal bes ser, weil wir Synergieeffekte erzeugen würden. Auch unter ei nem Sicherheitsaspekt macht das sicherlich Sinn, weil Gorle ben eben weit mehr ist als nur ein Endlagerprojekt.

Für uns sind zwei Sachen klar. Punkt 1: Der Endlagerstand ort Gorleben gehört zur weißen Karte und darf nicht von vorn herein gestrichen werden. Zweiter Punkt: Das TBL Gorleben

ist genauso gut wie jedes andere Transportbehälterlager, das wir hier in Baden-Württemberg haben, nur dass man eben den Vorteil der zentralen Unterbringung hätte. Aber wir wissen, dass Gorleben für Sie ein Politikum ist. Es kann wohl nicht sein, was nicht sein darf. Das ist nicht ergebnisoffen. Das müs sen Sie sich da sagen lassen. Ich möchte Sie an dieser Stelle einfach bitten – –

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: War Gorleben für Sie ergebnisoffen?)

Das habe ich Ihnen vorhin erklärt. Das müssen Sie im Pro tokoll nachlesen, wenn Sie nicht zuhören.

(Zuruf des Abg. Alexander Salomon GRÜNE)

Lassen Sie sich an dieser Stelle bitte sagen – wirklich im In teresse der Gemeinsamkeit –: Arbeiten Sie hier bei einer Su che nach einem gescheiten Endlager mit dem Bund zusam men, und helfen Sie mit, dass keine kleckerlesweise Zwi schenlagerung stattfindet. Lassen Sie sich bitte an dieser Stel le nicht von Ihren falschen Freunden beraten, die den Land tag verschönert haben mit den Worten:

Grüne: Kein Wortbruch! Castor nach Philippsburg! Greenpeace.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Untersteller das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr ge ehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! In Ba den-Württemberg wird bekanntermaßen spätestens Ende 2022 das letzte Kernkraftwerk endgültig abgeschaltet. Bis dahin fal len aber – das ist in dieser Debatte schon mehrfach gesagt worden – weiterhin abgebrannte Brennelemente an, die an den Standorten – so steht es im Atomgesetz, seit Rot-Grün ent sprechende Änderungen daran vorgenommen hat – zwischen gelagert werden, Herr Kollege Glück. Das ist auch gut so, denn damit haben wir zumindest für die nächsten Jahre das Problem von Atommülltransporten in Deutschland, was hoch radioaktive Abfälle betrifft, vom Hals.

Sie haben gerade gesagt: alles nach Gorleben. Überlegen Sie einmal, was das, einmal abgesehen von dem Problem der Transporte, bedeuten würde. Schauen Sie sich einfach einmal die Kapazitäten in Gorleben an. Dann werden Sie feststellen: Da passt einiges nicht zusammen. Dann würde ich auch noch überlegen, ob es klug wäre, dies zu tun, und zwar im Hinblick darauf, dass keiner von uns hier im Saal weiß, wo zukünftig das Endlager in Deutschland sein wird. Daher macht es nicht sehr viel Sinn – um es einmal ganz vorsichtig zu sagen –, heu te solch eine Strategie zu fahren und ein zentrales Zwischen lager in Gorleben zu haben. Über das politische Signal und das, was das dort in der Region bedeuten würde, will ich gar nicht reden.

Über das notwendige Endlager für die abgebrannten Brenn elemente in Deutschland – früher waren 19, heute sind noch neun deutsche Kernkraftwerke in Betrieb – wurde in der Ver gangenheit, wie wir alle wissen, viel gestritten. Allmählich nähern wir uns in dieser Frage aus meiner Sicht einem Kon sens.

Es ist auch schon angesprochen worden: Das ist einer Initia tive hier aus dem Land wesentlich mit zu verdanken – einer Initiative des Ministerpräsidenten und einem Papier, das ich im vergangenen Herbst auf den Weg gebracht habe. Dabei ging es um die Frage: Wie könnten die Eckpunkte für ein auf wissenschaftlichen Kriterien basierendes Verfahren für die Su che nach einem geeigneten Endlagerstandort in Deutschland aussehen? Dies hat eine Debatte in Gang gebracht.

Seit Oktober vergangenen Jahres sitzen wir in einer Runde unter Leitung des Bundesumweltministers zusammen. Sie be stand zunächst nur aus den Ländervertretern, seit kurzer Zeit sind nun auch die Vorsitzenden der im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen dabei. Ich gehe davon aus, dass es in diesem Monat noch einmal ein Treffen geben wird, und bin eigentlich zuversichtlich, dass wir die noch offenen Fragen dann klären. Es ist auch kein Geheimnis, um welche Fragen es geht: z. B. um Fragen der zukünftigen Behördenstruktur.

Es gibt noch ein paar Diskussionspunkte – aber das ist keine große Sache – wie die Frage, welche Kriterien in das Gesetz hineingeschrieben werden sollen. Es geht auch noch um die Frage, wie viele Standorte zum Schluss untersucht werden. Diese Fragen dürften meines Erachtens keine unüberwindba ren Hindernisse darstellen. Bei ihnen haben wir eigentlich gu te Chancen, zu einer Einigung zu kommen. Vermutlich wären wir schon früher dazu gekommen, wenn uns nicht eine unvor hergesehene Wahl in Nordrhein-Westfalen in die Quere ge kommen wäre.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Ist gut ausgegan gen, die Wahl!)

Ich jedenfalls bin zuversichtlich, dass wir zu einem Durch bruch kommen. Nur: Nach außen hin ist ein Durchbruch in der Bevölkerung jetzt leider noch nicht erkennbar. Das führt dazu, dass die Bürgerinnen und Bürger auch in Sorge sind, dass die Standortzwischenlager heimlich – so sage ich einmal –, still und leise zu Endlagern werden könnten.

Die Landesregierung ist sich dieser Sorgen wohl bewusst. Deshalb ist es wichtig, dass es bei der Endlagersuche zeitnah vorangeht und dass hier die notwendigen Beschlüsse – auch ein solches Gesetz, über das wir in diesen Runden in Berlin nun seit Monaten diskutieren – auf den Weg gebracht werden.

Dann noch eines dazu: Es ist für mich klar – da sind wir uns hoffentlich einig –: „Weiße Landkarte“ heißt nicht, dass an ei ner Stelle ein rotes Kreuz gemacht ist – das beträfe Gorleben –, sondern „weiße Landkarte“ heißt: weiße Landkarte

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Voll offen!)

und voll offen. Wenn, dann fällt Gorleben im Verfahren aus einer solchen transparenten Suche heraus – aber nicht vorher. Das ist völlig indiskutabel. Das ist auch in der Runde, an der ich in den letzten Monaten teilgenommen habe, nicht der gro ße Streitpunkt.

Jetzt kommen wir einmal zu den Zwischenlagern: Bereits heu te – das ist angesprochen worden –

(Zuruf)

Herr Kollege, ich würde gern weitermachen und anschlie ßend noch Fragen beantworten – lagern in den Zwischenla gern an den Kernkraftwerksstandorten in Baden-Württemberg insgesamt ca. 2 200 abgebrannte Brennelemente. Am Ende werden es aller Voraussicht nach ca. 5 300 abgebrannte Brenn elemente sein, insbesondere durch den Anfall aus den beiden noch in Betrieb befindlichen Anlagen GKN II und KKP 2, aber natürlich auch durch die Brennelemente, die aus dem Nassla ger in Obrigheim herausgenommen werden und in ein Zwi schenlager gebracht werden müssen. Damit sind dann bei Phi lippsburg zwei Drittel und bei Neckarwestheim drei Viertel der Lagerkapazität in den Standortzwischenlagern ausge schöpft.

Herr Kollege Lusche, hätte man im letzten Jahr nicht die Kehrtwende gemacht, die wir alle zusammen im Bundestag und im Bundesrat erlebt haben, würden wir heute nicht über die Frage reden, was man in den Zwischenlagern noch alles Schönes machen kann, sondern dann würden wir über die Er weiterung dieser Zwischenlager reden. Davon bin ich fest überzeugt, weil die Kapazitäten nicht ausgereicht hätten.

Für die 342 zurzeit noch im externen Nasslager lagernden Brennelemente am Standort Obrigheim ist eine Zwischenla gergenehmigung vonseiten des dortigen Betreibers beantragt. Brennelemente anderer Anlagen oder radioaktive Abfälle aus der Wiederaufbereitung abgebrannter Brennelemente im Aus land können in den Zwischenlagern nach den bestehenden Ge nehmigungen nicht angenommen werden. Ich komme nach her noch auf das zurück, was Sie angesprochen haben.

Spätestens im Jahr 2047 laufen die Genehmigungen für die Standortzwischenlager aus. Meine Damen und Herren, bereits acht Jahre vor Ablauf der Genehmigung muss die EnKK, die Kernkraftwerksgesellschaft der EnBW, eine Planung über die Räumung der Zwischenlager bis zum Auslaufen der Geneh migung vorlegen. So ist es in einer Auflage für die Genehmi gungen der beiden Zwischenlager – sowohl in Neckarwest heim als auch in Philippsburg – festgelegt. Damit die EnKK verlässlich planen und die Auflage erfüllen kann, sollte bereits zu diesem Zeitpunkt – also ungefähr bis zum Jahr 2038 – ein annahmefähiges Endlager mit entsprechenden Oberflächen anlagen, z. B. hier Konditionierungsanlagen, zur Verfügung stehen. Das ist aus heutiger Sicht schwer realisierbar; ich will nicht sagen: nicht realisierbar.

Daher können wir uns eine weitere Verzögerung bei der Su che nach einem Endlager für abgebrannte Brennelemente und hoch radioaktive Abfälle aus meiner Sicht nicht leisten. Viel mehr gehöre ich zu denjenigen, die wirklich darauf drängen, dass wir jetzt zeitnah zu einem Ergebnis kommen und dass im Herbst – möglichst zeitnah nach der Sommerpause – das Ge setzgebungsverfahren im Bundestag auf den Weg gebracht wird.