Protocol of the Session on July 19, 2012

Daher können wir uns eine weitere Verzögerung bei der Su che nach einem Endlager für abgebrannte Brennelemente und hoch radioaktive Abfälle aus meiner Sicht nicht leisten. Viel mehr gehöre ich zu denjenigen, die wirklich darauf drängen, dass wir jetzt zeitnah zu einem Ergebnis kommen und dass im Herbst – möglichst zeitnah nach der Sommerpause – das Ge setzgebungsverfahren im Bundestag auf den Weg gebracht wird.

(Beifall des Abg. Wolfgang Raufelder GRÜNE)

Denn als Alternative bliebe der EnBW, aber auch den ande ren Betreibern der Zwischenlager in Deutschland dann nur,

eine Verlängerung der Zwischenlagergenehmigungen zu be antragen, die in der Regel auf 40 Jahre ausgelegt sind.

Meine Damen und Herren, warum ist diese Situation entstan den? Aus meiner Sicht wurde zu spät erkannt, dass die – wenn wir einmal ehrlich sind – politisch und nicht sachlich begrün dete Auswahl des Standorts Gorleben in die Sackgasse führt. Es ist der Initiative – ich sage es einmal so deutlich – der grünroten Landesregierung und insbesondere des Ministerpräsi denten zu verdanken, dass jetzt endlich ein transparentes, auf wissenschaftlichen Kriterien gegründetes und auf höchste Si cherheitsstandards ausgerichtetes Endlagersuchverfahren auf den Weg gebracht werden kann, wenn wir in den nächsten Wochen und Monaten eine Einigung erreichen, die allein ein rechtlich durchsetzbares und gesellschaftlich akzeptiertes End lager bringen kann.

Obwohl wir, das Land, dafür nicht primär zuständig sind, hat die Landesregierung nach ihrem Amtsantritt zeitnah die Ini tiative ergriffen und mit einem von meinem Haus erarbeite ten Eckpunktepapier zur Endlagerung den Diskussionspro zess um eine neue Endlagersuche in Gang gebracht. Inzwi schen haben wir – ich habe es ausgeführt – fast einen Kon sens zwischen Bund und Ländern, der dann in ein Endlager suchgesetz münden soll, erreicht.

(Beifall bei den Grünen)

Dieser politische Konsens zwischen Bund und Ländern und den im Bundestag vertretenden Fraktionen muss jetzt zum Ab schluss gebracht und in Gesetzesform gegossen werden. Ein solcher Gesetzentwurf muss dann schnellstmöglich verab schiedet werden.

Nur wenn die Endlagersuche sichtbar voranschreitet, werden sich die Befürchtungen der Bürgerinnen und Bürger legen, dass die Zwischenlager an den Standorten Philippsburg und Neckarwestheim in irgendeiner Art und Weise zu Endlagern werden können. Für mich ist es absolut undenkbar, dass so et was der Fall ist. Dafür sind die Dinger nun wirklich nicht ge baut worden. Dafür sind sie auch nicht geeignet.

Nun noch ein paar Bemerkungen zur Frage der Rückführung radioaktiver Abfälle aus dem Ausland, die Sie, Herr Kollege Lusche, angesprochen haben. Die radioaktiven Abfälle aus dem Ausland stammen aus der Wiederaufarbeitung von abge brannten Brennelementen aus allen deutschen Kernkraftwer ken. Infolge der gesetzlichen Änderung, die Rot-Grün im Jahr 2002 vollzogen hat und die im Jahr 2005 gegriffen hat, war die Wiederaufarbeitung nicht mehr möglich und wurde unter sagt. Bis zu diesem Zeitpunkt sind diese Brennelemente an gefallen.

Die Zwischenlagerung dieser radioaktiven Abfälle an den Standorten Philippsburg und Neckarwestheim ist aus meiner Sicht heute kein Thema mehr. Ich will auch gleich erläutern, warum ich das so sehe. In den vergangenen zwei Jahren – Sie haben meine damaligen Aussagen zitiert – hat sich einiges verändert. Aus meiner Sicht ergibt sich das aus unserer schrift lichen Stellungnahme zu dem Antrag der Grünen ziemlich deutlich.

Die Zuständigkeit für die Genehmigung der Standorte liegt in diesem Fall bei der EnBW. Das heißt, der Genehmigungsin

haber müsste diese zunächst einmal ändern. Die Genehmi gungsinhaberin, in diesem Fall die EnKK, ist jedoch nicht be reit, diese Genehmigung zu ändern. Ich habe nicht die Mög lichkeit – auch nicht als Mitglied der Landesregierung –, in das operative Geschäft der EnBW einzugreifen. Es liegt mitt lerweile ein Schreiben des Vorstandsvorsitzenden vor, aus dem hervorgeht, dass die Bereitschaft nicht gegeben ist, die Ge nehmigung zu ändern. Das ist aber nur ein Aspekt.

Es kommt noch etwas hinzu, was für mich ausschlaggebend ist. Die Transporte mit den hoch radioaktiven Glaskokillen aus La Hague sind abgeschlossen. Das geht im Übrigen aus unserer Stellungnahme deutlich hervor. Dabei verwechseln Sie etwas. Bezogen auf die hoch radioaktiven Abfälle haben wir nämlich keine Transporte mehr, die zurückkommen. Herr Kollege Lusche, der Liste, die wir mitgeliefert haben, ist zu entnehmen, dass wir dort eine Null eingetragen haben. Ich kann Ihnen die Drucksache auch gern geben. Ich habe sie hier.

Die Zwischenlager, die wir in Baden-Württemberg haben, sind an den beiden Standorten nur für hoch radioaktive Abfälle zu gelassen.

Die Diskussion, die ich damals angestoßen habe, bezog sich darauf, ob man die Zwischenlager für hoch radioaktive Ab fälle öffnet, die aus La Hague und aus Sellafield zurückkom men. Ich kann Ihnen die Drucksache gern geben.

(Minister Franz Untersteller übergibt die Drucksache 15/1549 an Abg. Ulrich Lusche CDU.)

Somit haben Sie völlig recht. Ich habe das damals ausgeführt. Dazu stehe ich auch. Aus La Hague haben wir heute aber ei nen Rücklauf von null.

Aus Sellafield werden noch 21 Transport- und Lagerbehälter mit hoch radioaktiven Glaskokillen erwartet, von denen aber nur drei Behälter kalkulatorisch dem Kernkraftwerk Neckar westheim zugeordnet werden können und kein Behälter dem Standort Philippsburg zugeordnet werden kann. Der Rest ver teilt sich auf die norddeutschen Kernkraftwerke. Diese Behäl ter kommen über die See nach Norddeutschland.

Ein Transport der Behälter quer durch ganz Deutschland nach Neckarwestheim oder Philippsburg wäre aus meiner Sicht nur dann vertretbar, wenn das Zwischenlager in Gorleben heute sicherheitstechnisch deutlich schlechter dastehen würde als die Zwischenlager an den Standorten in Neckarwestheim oder in Philippsburg. Dann könnte man diese Debatte führen. Es macht aber ansonsten wirklich keinen Sinn, die Abfälle, die aus Sellafield kommen, in die Zwischenlager in Süddeutsch land zu bringen. Meine damalige Überlegung gründete sich vor allem auf Abfälle, die aus La Hague zurückgekommen sind. Den letzten Transport aus La Hague gab es im vergan genen Jahr. Dadurch gab es auch die Debatte mit Greenpeace.

Nur, wenn man ehrlich argumentiert – das habe ich damals in Gesprächen mit Vertretern von Greenpeace auch gemacht –, muss man sagen: Angenommen, die EnBW wäre dazu bereit gewesen, die Genehmigung zu ändern, dann hätten wir ein völlig neues Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbe teiligung und allem, was dazugehört, benötigt. In Bezug auf die Zeitschiene hat man mir gesagt: „Das dauert etwa andert halb Jahre, wenn es gut geht, ansonsten eher zwei Jahre.“ Für den letzten Transport war es also schon rein rechtlich nicht möglich, so zu verfahren.

Nochmals: Es kommen keine Transporte mit hoch radioakti ven Abfällen mehr aus La Hague zurück. Ich bitte Sie, zu ak zeptieren – die Zahl steht auch in der Drucksache 15/1549 –: Die Transporte aus La Hague sind abgeschlossen.

Zum Schluss, meine Damen und Herren: Die Standortzwi schenlager für abgebrannte Brennelemente werden noch lan ge betrieben werden müssen. Ich kann leider auch nicht aus schließen, dass die Zwischenlagerung sogar über die Frist von 40 Jahren hinaus fortgesetzt werden muss und die Zwischen lagergenehmigungen verlängert werden müssen. Das kann nur noch verhindert werden, wenn ein bundesweiter Konsens über die Aufnahme einer neuen bundesweiten Endlagersuche in dem von mir jetzt mehrfach angesprochenen geplanten Ge setz zur Endlagersuche schnellstens umgesetzt wird.

Hier ist vor allem der Bund in der Pflicht. Die baden-württem bergische Landesregierung ist – ich denke, das haben wir in den letzten Monaten deutlich gezeigt – bereit, hier konstruk tiv mitzuwirken.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Herzlichen Dank meinerseits, dass Sie meine Frage zulassen. Ich stelle eingangs fest: Wir haben zwar keinen Transport mit hoch radioaktiven Abfällen, aber es gibt fünf Behälter mit mittel radioaktiven Abfällen, die nach Gorleben gebracht werden. Die Zahl Null trifft – erste Fest stellung – nur auf die hoch radioaktiven Abfälle zu.

Dann möchte ich noch zwei Fragen stellen. Sie haben vorhin in wünschenswerter Deutlichkeit das Modell einer weißen Landkarte vertreten. Meine erste Frage: Wie beurteilen Sie Ausführungen, wonach diese weiße Landkarte zwar eine Ein gangsannahme sei, sie aber ausschließlich deswegen erfolge, damit die sicher feststehende Ausscheidung des Standorts Gorleben nach wissenschaftlichen Kriterien vorgenommen werden kann, um dem Betreiber gegenüber nicht schadenser satzpflichtig zu sein?

(Abg. Johannes Stober SPD: Das hat er doch gerade gesagt!)

Ich kann Ihnen auch sagen, woher ich diese Aussage habe: aus Ihrem Haus.

Das Zweite: Ich verstehe jetzt, dass Sie sagen, die Frage ha be sich erledigt. Aber Sie müssen mir dann doch noch einmal erklären, warum Sie am 19. Oktober 2011 Herrn Münchmey er schreiben – ich zitiere –:

Der nächste Transport mit Castoren... wird nicht vor 2014/2015 aus Sellafield kommen.

Weiter heißt es:

Natürlich muss ein Antrag auf Lagergenehmigung recht zeitig gestellt werden,... Dafür ist noch ausreichend Zeit. Anderes zu behaupten, ist Stimmungsmache.

Trotzdem kann ich Ihnen versichern, dass ich natürlich mit Vertretern der EnBW über die Thematik Zwischenla ger Philippsburg sprechen werde.

Das bekomme ich mit Ihren Ausführungen von eben nicht ganz unter einen Hut.

Ich komme zunächst einmal zu Ihrer ersten Fra ge: Wie sollte die Suche nach einem geeigneten Endlager standort in Deutschland passieren? Ich glaube, wir haben nur dann die Chance, dass dies akzeptiert wird, wenn wir die Su che streng auf der Basis von vorgegebenen Kriterien, die nach Möglichkeit zumindest teilweise im Gesetz stehen, angehen. Die Kriterien entwickeln sich ja mit der Zeit auch weiter. Je denfalls sollten wir am Anfang einiges von dem, was wir bei spielsweise aus dem Prozess vom AK End 2005 wissen, ins Gesetz hineinschreiben. Es besteht Einigkeit unter den Betei ligten, dass wir eine Basis brauchen. Das wird sich dann im Zuge der ganzen Debatte weiterentwickeln.

Es kann sein, dass Gorleben als Standort in einer der verschie denen Stufen ausscheidet: Es kann aber auch sein – das kann ich nicht ausschließen –, dass der Standort Gorleben noch bis zum Schluss im Verfahren bleibt.

(Abg. Ulrich Lusche CDU: Okay! Das wollte ich hö ren!)

Nur: So, wie ich die Debatte nach all den Jahren kenne, kom me ich zu der begründeten Annahme, dass es nicht unwahr scheinlich ist, dass der Standort Gorleben nicht bis zum Schluss im Verfahren ist. Aber noch einmal: Es geht streng nach wis senschaftlichen Kriterien.

Ich will noch einmal versuchen, deutlich zu machen: Im Jahr 2010, als ich die Debatte angefangen habe, ging es auch noch um Transporte zurück aus La Hague. Da standen noch meh rere an. Die Transporte von La Hague nach Deutschland ge hen in der Regel immer auch durch Baden-Württemberg. Dann war es aus der damaligen Sicht naheliegend, dass man über die Frage nachdachte: Kann man nicht einen Teil, jeden falls den Teil, der für Baden-Württemberg Sinn macht, Philippsburg zurechnen?

Ich habe jetzt noch einmal deutlich gemacht: Es kommen kei ne hoch radioaktiven Abfälle mehr aus La Hague, sondern es kommen nur noch schwach und mittel radioaktive Abfälle. Diese fünf Behälter enthalten mittel radioaktive Abfälle. Al le deutschen Zwischenlager an den Standorten, jedenfalls die, in denen sich die hoch radioaktiven Abfälle befinden, haben nur eine Zulassung für hoch radioaktive Abfälle. Das andere sind andere Zwischenlager.

(Abg. Ulrich Lusche CDU: Aber 19. Oktober 2011!)

Ich stelle fest: Sie sind von Greenpeace gut versorgt. 19. Ok tober, noch einmal: Das hat nichts mit Seitenwechsel zu tun. Die Diskussion habe ich seither auch weitergeführt, auch mit Vertretern der EnBW. Es ist schlicht die Frage: Macht es Sinn, Abfälle, die in Norddeutschland anlanden – nehmen wir ein mal an, in Bremerhaven oder in einem anderen Hafen –, quer durch Deutschland nach Süddeutschland zu transportieren, wenn den baden-württembergischen Anlagen mittlerweile nur noch diese drei Behälter für Neckarwestheim zuordenbar sind – aber keiner mehr für Philippsburg –

(Abg. Ulrich Lusche CDU: Das macht keinen Sinn!)

und wenn es gleichzeitig in dieser Situation keinen Unter schied im sicherheitstechnischen Standard zwischen der An lage in Gorleben und den Anlagen in Süddeutschland gibt?

(Abg. Ulrich Lusche CDU: Also sind wir beide der Meinung: Das macht keinen Sinn!)

Daher haben sich auf der Zeitschiene schlicht und ergreifend auch Veränderungen ergeben, durch die aus meiner Sicht die se grundsätzlichen Überlegungen, die ich 2010 angestellt ha be, heute keinen Sinn mehr machen.

(Abg. Ulrich Lusche CDU: Okay!)

Danke.