Lassen Sie mich dazu zwei Anmerkungen machen. Zum ei nen möchte ich daran erinnern, dass zumindest Deutschland bisher auch von dieser Unterstützung profitiert hat. Wir haben uns Geld bei der EZB ausgeliehen und es zu einem viel, viel höheren Zinssatz an Griechenland weitergegeben – ein gutes Geschäft, das uns allerdings langfristig sehr teuer zu stehen kommen kann. Deshalb müssen wir schon aus Eigeninteres se alles daransetzen, um Griechenland zu unterstützen.
Gerade wir in Baden-Württemberg haben traditionell ein be sonders gutes Verhältnis zu Griechenland und auch eine lan ge gemeinsame Geschichte. Viele Griechen sind schon An fang der Sechzigerjahre zu uns gekommen – damals geflohen vor wirtschaftlicher Not – und leben heute bestens integriert bereits in der vierten Generation bei uns.
Ein paar Jahre später, zu Zeiten der Junta, sind wieder Grie chen zu uns gekommen. Auch ihnen haben wir einiges zu ver danken. Meine Generation hat damals gelernt, die Demokra tie zu schätzen, und auch, dass man um Demokratie kämpfen muss.
Aber unsere gemeinsame Geschichte reicht noch einige Jah re weiter zurück – in eine Zeit, als Deutschland Griechenland überfallen hat und die Wehrmacht dort zahlreiche Massaker
begangen hat. Auch damals kamen Griechen nach BadenWürttemberg, allerdings nicht freiwillig. Sie wurden in den Straßen Athens zusammengetrieben und in deutsche Arbeits lager gebracht. Eines dieser früheren Arbeitslager lag in mei nem Wahlkreis. Es hat ziemlich lange gedauert, bis man dar an erinnert hat.
Die Folgen dieses Krieges waren damals für Griechenland wirklich verheerend. Aber Deutschland hat keinen Cent Ent schädigung bezahlt, und zwar nicht etwa – was immer wieder behauptet wird –, weil die Griechen darauf verzichtet hätten. Vielmehr hat Griechenland Deutschland 1953 diese Wieder gutmachung gestundet, damit Deutschland wirtschaftlich wie der auf die Beine kommt. Ich finde, daran darf und muss man in der aktuellen Situation auch einmal erinnern.
Diese gemeinsame Geschichte – die gute und die weniger gu te – bringen wir nun auch gemeinsam in Europa ein. Die un gute Geschichte war der Grund, warum wir dieses Europa überhaupt wollten. In diesem Europa lassen sich die eigenen Interessen nun einmal nicht von denen anderer trennen. Des halb müssen wir unseren Beitrag leisten, damit die Abwärts spirale in Griechenland nicht weitergeht – der Bund ebenso wie die Bundesländer, natürlich auch Baden-Württemberg.
Deshalb finde ich die Idee des Kollegen Paal, eine Arbeits gruppe oder eine Koordinationsgruppe einzurichten, ausge sprochen gut. Da die Landesregierung gerade dabei ist, die europapolitischen Leitlinien zu entwickeln, können auch die Ergebnisse einer solchen Arbeitsgruppe in diese Leitlinien ein fließen.
(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CDU und der Grünen – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Sehr gut!)
Einige Überlegungen dazu: Die Landesregierung hat in ihrem Europabericht den Schwerpunkt Donauraumstrategie genannt. Wenn man sich die Länder entlang der Donau anschaut, stellt man fest, dass in den meisten dieser Länder die Probleme auch nicht anders sind. Die Problemlagen sind gleich. Griechen land hat bei der Stabilisierung des Balkans in den Neunziger jahren eine herausragende Rolle gespielt; daran sollten wir auch einmal erinnern. Deshalb ist meine Überlegung: Kann man nicht die Donauraumstrategie dazu nutzen, Griechenland mit einzubinden und auf diese Art eine beiderseitige Stabili sierung zu erreichen?
Die Strukturmittel, die Herr Paal angesprochen hat, werden von den Balkanländern nicht abgerufen und von Griechenland nicht abgerufen – zum Teil auch, weil keine Kofinanzierung möglich ist. Deshalb wäre da eine verstärkte Zusammenarbeit sehr gut. Man muss sich auch einmal überlegen, ob man die Kooperationsräume bei INTERREG künftig verändert.
Zweiter Punkt: Seit einem Jahr gibt es eine Partnerschaft zwi schen der Region Stuttgart und der Region Thessaloniki. Die se Kooperation sollte auch vonseiten des Landtags und der Landesregierung unterstützt und ausgebaut werden.
Da gibt es sehr gute Ansätze. Es gab jetzt eine ganze Reihe von Konferenzen in Griechenland, bei denen viele gute Vor
schläge gemacht wurden. Auf europäischer Ebene wird im Moment auch über die sogenannten Projektfonds diskutiert. Diese könnte man genau dafür einsetzen, die Umsetzung der Vorschläge, die gemeinsam erarbeitet worden sind – z. B. die Solarenergie, die Energiegewinnung aus Biomasse, den diver sifizierten Tourismus in Griechenland usw. zu fördern –, zu unterstützen.
Ein anderes Stichwort ist der Katastrophenschutz. Griechen land ist ein Land, das immer wieder von Erdbeben und Wald bränden heimgesucht wird. Deshalb hat Griechenland in die sem Zusammenhang ein großes Interesse an einer Zusammen arbeit, z. B. auch beim Aufbau von freiwilligen Feuerwehren.
Von Bundesseite ist die administrative Unterstützung Grie chenlands in Fragen der Wirtschaftsgesetzgebung angekün digt. Die Landesregierung hat zugesagt, zu prüfen, ob sich Ba den-Württemberg da mit einbringen kann.
In diesem Zusammenhang ist auch interessant, dass es mitt lerweile ein KfW-Programm zur Unterstützung von Investiti onsprojekten in Griechenland gibt. Ich denke, man wäre in dieser Richtung gut aufgestellt, wenn man sich da mit einklin ken würde.
Letzter Punkt: Trotz vieler griechischer Gemeinden und deutsch-griechischer Gesellschaften – ich selbst bin Mitglied in einer deutsch-griechischen Gesellschaft – ist der kulturel le Austausch mit Griechenland leider noch sehr unterentwi ckelt. Die EU macht jetzt ein Städtepartnerschaftsprogramm. Das gab es zu Zeiten des Mauerfalls auch in Richtung osteu ropäischer Städte. Das war ein sehr erfolgreiches Programm. Auch bei diesem Programm könnte sich Baden-Württemberg einklinken. Ich bin sicher, bei den vielen hier lebenden Grie chen besteht ein großes Interesse, Partnerschaften in Richtung Griechenland zu entwickeln. Solche Kooperationen – davon bin ich überzeugt – tun beiden Seiten gut, Griechenland und uns. Denn die Stimmung ist ziemlich auf dem Tiefpunkt.
Aber lassen Sie mich eines sagen: Die Griechen sind so we nig deutschfeindlich, wie die Deutschen griechenlandfeind lich sind. Deshalb kommt es in dieser Situation darauf an, zu zeigen: Wir sind alle Europäer, und Antieuropäer und Popu listen auf beiden Seiten sollen bei uns keine Chance haben. Deshalb müssen wir gemeinsam etwas tun, und wir werden das auch tun.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kol leginnen und Kollegen! Unterstützung für Griechenland? Ne, ne, ne! Das war jetzt Griechisch und bedeutet: Ja, ja, ja! Zwei Ja für das Anliegen der beiden Antragsteller, das dritte Ja si
gnalisiert unseren Respekt vor dem informativen Leistungs nachweis des Ministers für Bundesrat, Europa und internati onale Angelegenheiten, Drucksache 15/1706.
Zusammen mit dem Bericht der Landesregierung über aktu elle europapolitische Themen beraten wir, der Landtag, damit heute konkrete Auswirkungen und Auswege aus der Staats schuldenkrise, der Bankenkrise und der Wirtschaftskrise. Das ist gut so. Denn wir, das Parlament, müssen einfordern, dass die Europapolitik mit ihren Kriseninstrumenten, aber auch mit ihrer Zukunftsplanung für die Zeit von 2014 bis 2020 unter starker demokratischer Mitwirkung und Kontrolle stattfindet. Das Land hat im Bundesrat bei wichtigen europapolitischen Entscheidungen mitzubestimmen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn heute einige Regierungen der Eurozone nur intergouvernemental zusam menarbeiten, ohne dass das Europäische Parlament eingebun den ist, dann brauchen wir eine breite öffentliche Debatte über die Zukunft Europas. Denn in demselben Maß, wie beim Eu rokrisenmanagement in den letzten Monaten nationale Kom petenzen an die europäische Ebene abgegeben wurden, müs sen wir auf nationaler Ebene dafür sorgen, dass die Parlamen te und die Zivilgesellschaft, die Europäerinnen und Europä er, auf dem Weg aus der Krise und in ein neu konstituiertes Europa beteiligt werden.
Griechenland hat sich trotz der verheerenden Auswirkungen der Krise bei der letzten Präsidentschaftswahl für Europa und für den Euro entschieden. 80 % aller Griechen sprechen sich für den Euro und gegen den Ausstieg aus der Eurozone aus. Das breite griechische Regierungsbündnis aus Konservativen, Sozialisten und Demokratischen Linken bittet nun die Euro päische Union, die harten Auflagen des Sparprogramms um zwei Jahre zu strecken. Diese Zeit sollten wir dem Land zur Stabilisierung geben, meine Damen und Herren. Eine Verlän gerung des Reformzeitplans darf allerdings kein Blankoscheck sein, die Konsolidierungsziele zu vernachlässigen.
Die Troika aus Kommission, EZB und IWF hat nun bei ihrer Prüfung festgestellt, dass Griechenland erst knapp ein Drittel der Reformmaßnahmen umgesetzt hat. Gerade deshalb braucht das Land jetzt nicht Daumenschrauben, sondern mehr Zeit. Denn bisher gehen die Milliardenkredite aus dem Rettungs schirm EFSF an den Menschen vorbei. Nur ein kleiner Teil fließt überhaupt in die Haushalte der Krisenstaaten. Der größ te Teil der Hilfsprogramme dient vor allem der Stabilisierung der Banken. Bezahlt wird für die Rekapitalisierung und Ab wicklung maroder Banken und für die Ablösung alter Kredi te zu teuren Zinsen, und das nicht zuletzt auch im Interesse der deutschen Anleger.
Konkret haben die EU-Finanzminister der Eurogruppe in der letzten Woche für Griechenland 1 Milliarde € aus dem EFSF freigegeben. Die griechische Regierung kann das Geld nicht nutzen, um offene Rechnungen zu bezahlen, sondern muss 900 Millionen € davon, also 90 %, im Herbst in den Europä ischen Stabilitätsmechanismus ESM einbezahlen.
Deshalb sollte die Troika mit der neuen griechischen Regie rung eine Neufassung der Fristen und Ziele des zweiten Spar pakets aushandeln. Beide Seiten müssen sich bewegen. So kommt Europa Schritt für Schritt voran.
Wir begrüßen es sehr, dass EU und IWF nun offensichtlich zu Erleichterungen für Griechenland bereit sind. Konkret geht es um Zinssenkungen für den griechischen Schuldendienst. Au ßerdem wird über eine Verlängerung der Laufzeiten der Kre dite diskutiert.
Die EZB und der IWF sind nach dem Schuldenschnitt die größten Gläubiger Griechenlands. Sie haben es in der Hand, die Bedingungen für den griechischen Schuldendienst zu ge stalten. Im August ist eine Zinszahlung an die EZB in Höhe von 3,9 Milliarden € fällig. Daher ist es auch in deren Inter esse, dass Griechenland weiter zahlungsfähig bleibt.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die einseitig aufs Ein sparen ausgerichtete Politik der letzten Jahre hat die Krisen länder im Euroraum – allen voran Griechenland – immer tie fer in die Krise geführt und droht sie zu strangulieren. Folgen davon sind die Massenarbeitslosigkeit – die Punkte, die vor hin schon beschrieben worden sind – und die Gefahr von of fen extremistischen, nazistischen Parteien.
So richtig die Sparauflagen und Strukturanpassungen sind, sie dürfen nicht zum Totsparen führen. In den letzten zwei Jah ren des Rettungspakets gab es einen dramatischen wirtschaft lichen und sozialen Abschwung in Griechenland, den meine Vorredner auch beschrieben haben.
Dass 400 000 Menschen von der Kirche ernährt werden und Eltern ihre Kinder in Kinderheime zum Essen bringen müs sen ist ein Skandal erster Klasse, meine Damen und Herren.
Die Instrumente des bisherigen Krisenmanagements sollen nach den Beschlüssen des letzten Krisengipfels nun flankiert werden durch die längst überfälligen Impulse für nachhalti ges Wachstum, Investition, Beschäftigung und soziale Wirt schafts- und Fiskalpolitik. Griechenland muss diese Impulse zum Wiederaufbau nun auch nutzen können.
Griechenland und die anderen Krisenstaaten brauchen Euro pas Solidarität. Wenn das Land Baden-Württemberg dazu bei tragen kann, Griechenland wieder Hoffnung und Perspektive zu geben, sollten wir das auch im Kleinen und auf unserer Ebene tun.
Die Stellungnahmen der Ministerien zum derzeitigen Stand der Beziehungen Baden-Württembergs zu Griechenland ge ben allerdings alles andere als Anlass zu Euphorie. Im Ver gleich zu Kooperationen mit europäischen Nachbarstaaten im Rahmen der kleinen Außenpolitik des Landes, zu Kooperati onen etwa mit den „Vier Motoren“, den Donauländern und mit Frankreich, sind die Beziehungen zu Griechenland unter dem Strich eher ernüchternd. Wobei: Internationale Freund schaften, Herr Paal, bauen sich nicht in wenigen Monaten auf. Das wissen wir aus unserer Geschichte mit Frankreich. Wir wollen auch keine „Facebook-Freunde“-Qualität, sondern wir wollen Freundschaften, die auch Krisen aushalten, wie Sie sie beschrieben haben.
Auf Regierungs- und Verwaltungsebene gibt es bisher keine gewachsenen Strukturen zwischen Baden-Württemberg und Griechenland – abgesehen von denjenigen, die in den Stel lungnahmen beschrieben werden. In der Vergangenheit gab es wohl auch kein ausgeprägtes Interesse an einer engeren Zu sammenarbeit.
Schauen wir uns einmal an, wo die Ressourcen und damit die Kooperationsmöglichkeiten Griechenlands liegen. Die wich tigsten Wirtschaftssektoren des Landes sind Landwirtschaft, Tourismus, Baugewerbe und Schifffahrt. Immerhin war Deutsch land im Jahr 2010 weltweit der wichtigste Außenhandelspart ner Griechenlands für Textilien, Bekleidung, Tabak, Oliven öl, Obst, Zement. Das sind die Exportprodukte, die Griechen land auf unserem Markt absetzt.
Der zweite wichtige Faktor ist für Griechenland der Touris mus, der jährlich mehr als 18 % des Bruttosozialprodukts er wirtschaftet. Insgesamt 14 Millionen Touristen pro Jahr sor gen für ca. 700 000 Arbeitsplätze. Auch in diesem Bereich sind wir Deutschen zusammen mit den Engländern bisher Spitzenreiter. Deutsche und Engländer wechseln sich an der Spitze der Einreisestatistik jährlich ab.
Allerdings führten in diesem Jahr die Krise und der Klima wandel sowie der heiße Sommer zu einem Einbruch des Tou rismus. Um 45 % ist der deutsche Griechenlandtourismus in diesem Jahr seit Februar eingebrochen.