Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Dass der Fachkräftemangel in den wirtschaftspolitischen Debatten immer mehr Raum einnimmt, merken wir alle, wenn wir uns mit Wirtschaftsverbänden tref fen und vor Ort Unternehmen besuchen. Ihnen wird es sicher lich nicht anders gehen. Unternehmerinnen und Unternehmer, aber auch Belegschaftsvertreter fordern die Politik auf, etwas gegen den Fachkräftemangel zu unternehmen.
Der zunehmende Fachkräftebedarf ist sehr vielfältig. Wir ken nen die Zahlen bezüglich der Ingenieure, die natürlich sehr oft in den Medien auftauchen. Laut Ingenieurmonitor des VDI fehlen derzeit allein in Baden-Württemberg 23 000 Ingenieu re.
Problematisch ist aber auch der Mangel an gut ausgebildeten Erzieherinnen und Erziehern; er erschwert aktuell den Aus bau der Kinderbetreuung. Kollege Storz hat darauf hingewie sen, was das, beispielsweise für Südbaden, bedeutet. Unsere Grenzregionen haben das schon erlebt.
Wenn Fachkräfte knapp sind, heißt das auch, dass sich der Wettbewerb um Fachkräfte intensiviert. Eigentlich handelt es sich also auch um einen Wettbewerb um gute Arbeit. So schlecht ist das gar nicht. Dann muss man als Arbeitgeber richtig etwas tun. Die Kommunen in Südbaden können wir fragen, was sie alles tun müssen, damit sie bei den öffentli chen Dienstleistungen überhaupt noch arbeitsfähig sind.
Nun hat Kollege Löffler ein Kaleidoskop an finanz- und wirt schaftspolitischen Themen angesprochen, die zum Teil mit dem Thema Fachkräfte zu tun haben. Ich fand einige Ihrer Vorschläge wie den zur Internationalisierung der dualen Aus bildung durchaus interessant.
Aber, lieber Kollege Löffler, Sie suchten erstaunlicherweise Ihr Heil allzu oft beim Bundesgesetzgeber. Der Kündigungs schutz wird von uns in keiner Weise beeinflusst. Dabei teilen wir Ihre Auffassung in der Sache nicht. Es nützt uns hier aber auch nichts bei der Frage, was wir vonseiten der Landespoli tik für unsere Unternehmen und unsere Belegschaften hin sichtlich des Fachkräftebedarfs tun können.
Ganz erstaunlich finde ich, dass Sie auch noch einen General angriff auf das Betriebsverfassungsgesetz gestartet haben.
Sie führen den Fachkräftemangel auf zu viele freigestellte Be triebsräte zurück. Darauf muss man erst einmal kommen. Lie ber Kollege Löffler, das ist originell, geht aber fehl.
Wer nach der vergangenen Wirtschaftskrise nicht gelernt hat, dass gute Betriebsräte, die sich in ihrem Laden richtig ausken nen und die konstruktive Vorschläge machen, wie man mit verlängerter Kurzarbeit und mit Maßnahmen zur Qualifizie rung während der Kurzarbeit, die dem Betrieb konkret nut zen, durch die Krise kommt, mit dazu beigetragen haben, dass wir jetzt wieder so gut dastehen, der hat nicht gelernt, wie Wirtschaftspolitik in Baden-Württemberg funktioniert.
Die Ursachen des Fachkräftemangels sind uns bekannt. De mografischer Wandel bedeutet, dass viele gerade im berufli chen Bereich Qualifizierte aus den Belegschaften herauswach sen und in Rente gehen. Das hätte man längst wissen können. Hinzu kommt der technologische Wandel, der große Anfor derungen stellt. Es gibt aber auch einen Bedarf an neuen Dienstleistungen. Die Erzieherinnen und Erzieher spielen hierbei eine ganz besondere Rolle.
Das Fachkräftemonitoring des baden-württembergischen In dustrie- und Handelskammertags prognostiziert den Wende punkt beim Fachkräftebedarf für das nächste Jahr. Laut seiner Schätzung wird sich das höchste Fachkräfteangebot in BadenWürttemberg im nächsten Jahr einstellen. Bis zum Jahr 2025 wird das Fachkräfteangebot allein aufgrund der demografi schen Entwicklung um 10 % sinken. Vielleicht wird das An gebot auch noch weiter sinken.
Herr Kollege Löffler, das heißt auch, dass die Belegschaften altern. Zahlreiche wissenschaftliche Studien, die es dazu schon seit über 15 Jahren gibt, zeigen, dass es nicht um alters gerechte Arbeitsplätze, sondern um alternsgerechte Arbeits plätze geht. Es geht darum, qualifizierte Menschen im Job zu halten, damit sie ihre Arbeit noch machen können. Viele älte re Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben eben mehr Er fahrung, können die Aufgaben aber möglicherweise nicht in der gleichen Geschwindigkeit erfüllen wie jüngere. Sie arbei ten aber in guter Qualität. Hierüber liegen viele Erkenntnisse aus einzelnen Betrieben vor.
Dies führt zu der Frage, wie Arbeitsplätze umgestaltet wer den können und welche anderen Tätigkeiten älteren Menschen zugeordnet werden können, damit sie auf einem alternsge rechten Arbeitsplatz ihr Fachwissen weiter in ihren Betrieb und damit in unsere Wirtschaftsleistung einbringen können. Es ist sehr gut, dass dies in der Fachkräfteallianz aufgeführt ist, und so werden wir es angehen.
Fachkräfte sind ohne Zweifel für uns hier in Baden-Württem berg auf Dauer ein Innovationsfaktor, gerade im hoch quali fizierten Bereich, bei Themen, die wir heute schon angespro chen haben: Wer wird am leistungsfähigen Energiespeicher der Zukunft forschen? Wer entwickelt z. B. widerstandsfähi ge Oberflächen? Wo finden wir die Menschen, die unsere Kin der, unsere Enkel und viele andere betreuen?
Wir alle hier im Haus wissen, dass die guten Antworten auf diese Fragen für Baden-Württemberg als Hochtechnologie land entscheidend sind: Ohne Fachkräfte gibt es keine Inno vation auf Spitzenniveau, keine Weltmarktführerschaft und all die Dinge, die uns lieb und teuer sind und die uns hier auch unsere Steuereinnahmen sichern.
Wir müssen uns gemeinsam mit den Sozialpartnern strategisch in der Frage aufstellen, wie wir die Bürgerinnen und Bürger Baden-Württembergs noch qualifizierter und besser bilden. Ich finde, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eine posi tive und eine gute Aufgabe für uns. Es ist gut, dass sich die Landespolitik und die grün-rote Koalition – wie durchaus schon ihre Vorgänger – diesem Thema widmen.
Ich bin also den SPD-Kollegen dankbar, dass im Titel der Ak tuellen Debatte nicht „Fachkräftemangel“ steht, sondern dass es um den zunehmenden Fachkräftebedarf geht. Das zeigt, dass nicht alles nur Mangelverwaltung und negativ ist, son dern dass mehr Qualifizierung und mehr Bildung eine gute Aufgabe sind. Deswegen, liebe SPD-Kollegen, vielen Dank für den Titel dieser Aktuellen Debatte. Ich nehme mir vor, das Wort „Fachkräftemangel“ bei meinen weiteren wirtschaftspo litischen Aktivitäten möglichst wenig zu verwenden
und den zunehmenden Fachkräftebedarf und die Qualifizie rung unserer Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt zu rücken.
Wir arbeiten also für mehr Fachkräfte im Land. Es ist sehr gut, dass der Finanz- und Wirtschaftsminister bereits im letzten Jahr in einem breiten Bündnis mit der Landesvereinigung der Arbeitgeberverbände, dem DGB, der Bundesagentur für Ar beit, der IHK, dem Städtetag und vielen anderen die Allianz für Fachkräfte gegründet hat.
Selbstverständlich könnte es so sein: Man bildet ein großes Bündnis, und am Ende wird nur gesprochen. Das kann pas sieren, wenn die Politik solche Bündnisse anregt. Aber wir se hen schon jetzt daran, dass das Arbeitsprogramm bereits im Juli vorgelegt wurde, dass das hier nicht der Fall ist. Vielmehr ist es eine Stärke, dass ein breites Bündnis die Maßnahmen tragen wird.
Diese Maßnahmen gehen über das, was wir bisher im Land gesehen haben, hinaus, denn es geht auch um ein Weiterden ken. Dazu kurz noch einige Beispiele: Zur Stärkung des An teils von Frauen in MINT-Berufen – also im Bereich Mathe matik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik – gibt es jetzt auch ein Bündnis von Ministerin Bauer und Minister Schmid. Allmählich steigt der Anteil der weiblichen Studie renden in diesen Fächern. Die Mädchen werden angesprochen, und das zeigt allmählich Wirkung. Das finde ich sehr gut.
Ich habe gestern noch etwas Neues gelernt. Gestern hat der Maschinenbaudialog des Ministeriums für Finanzen und Wirt schaft stattgefunden. Dort hat Herr Professor Bauernhansl ge sprochen. Er ist der neue Chef des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung in Stuttgart. Er hat gesagt, im Moment betrage der Anteil von Frauen im Maschi nenbau nur 8 %. Wenn man bedauere, dass sich so wenige Frauen dieser Fächer annehmen, dann müsste man sich auch als Hochschule einmal etwas Neues einfallen lassen. Seine Analyse war: Frauen wollen etwas machen, das Sinn macht.
Wenn man einen neuen Studiengang zu Dingen anbietet, die Sinn machen – ein Beispiel war ein Studium im Bereich der erneuerbaren Energien –, dann gibt es viel mehr Frauen, die in Thermodynamik ausgebildet werden, als zuvor. Daran se
Wir wollen und wir sollten die Potenziale ausländischer Ar beitskräfte tatsächlich stärker nutzen. Wir haben hier im Land tag in der vergangenen Legislaturperiode öfter darüber ge sprochen, wie viel Potenzial hier verloren geht. Wir sind froh, dass sich der Bund bewegt hat. Bundesministerin Schavan hat hierzu nach langen Jahren des Zögerns etwas auf den Weg ge bracht: Seit dem 1. April gilt das Berufsqualifikationsfeststel lungsgesetz. Dieses beinhaltet – Herr Kollege Löffler hat es angesprochen –, dass diejenigen, die hier sind, ein Recht da rauf haben, ihre Qualifikation daraufhin überprüfen zu lassen, ob ihre Qualifikationen mit den hiesigen kodifizierten Quali fikationen gleichwertig sind.
Ich bin sehr froh, dass sich Frau Ministerin Öney – die gera de noch hier saß – diesem Thema widmet.
Sie sehen: Die Landesregierung arbeitet hier breit für dieses Thema mit dem Ziel, dass wir nun eine Anrechnung der Schul- und Ausbildungszeiten auf die Einbürgerungsfrist haben. Wir werden nach der Sommerpause sehen, dass die Landesregie rung hierzu einen Gesetzentwurf vorlegt. Denn die Landes ebene hat die Verantwortung für die Anerkennung von rund 260 Berufen. Wir werden unseren Beitrag leisten, um die Po tenziale derer, die zu uns gekommen sind, tatsächlich besser zu nutzen.
Schließlich verbessern wir die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, von Kindern und Karriere für Frauen und für Män ner. Der Pakt mit den Kommunen war ein Meilenstein. Ich bin froh, dass wir jetzt das Bundesland im Westen sind, wo der Ausbau der Kinderbetreuung für die Kommunen wohl am bes ten gesichert ist. Auch hier wissen wir: Das kann Fachkräfte potenziale heben und ist für gut qualifizierte Frauen ein wich tiges Moment, um sich gut im Arbeitsleben einzubringen.
Wir sind auf einem guten Stand. Die grün-rote Landesregie rung und die sie tragenden Fraktionen arbeiten am Thema Fachkräfte. Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit der badenwürttembergischen Wirtschaft dadurch stärken und ausbauen. Wir nehmen unsere Aufgaben wahr. Die Regierung arbeitet daran. Der Finanz- und Wirtschaftsminister wird sicherlich dazu gleich Ausführungen machen.
Unser Motto ist: Wir wollen sie alle. Wir wollen die Schüle rinnen und Schüler, die schon erfolgreich sind, und die, die noch nicht so erfolgreich sind. Wir wollen die Un- und Ange lernten, damit sie Fachkräfte werden. Wir wollen die Frauen. Wir wollen die Generation „55 plus“. Wir wollen die Migran ten, die da sind, und die Qualifizierten aus dem Ausland, die wir anwerben können, damit wir die Wettbewerbsfähigkeit hier steigern und mehr Fachkräfte in Baden-Württemberg ge nerieren. Grün-Rot arbeitet daran.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Auch ich glaube nur der Statistik, die ich selbst gefälscht habe.
Auf der einen Seite spricht die SPD von einem zunehmenden Fachkräftemangel als Wachstumshemmnis; auf der anderen Seite werden in Deutschland bis 2025 über sechs Millionen Erwerbspersonen weniger zur Verfügung stehen. Da beißt sich doch die Katze in den Schwanz. Oder macht die SPD einen ganz speziellen Fachkräftemangel dafür verantwortlich, dass weniger Menschen in Deutschland geboren werden? Wenn Sie von der SPD schon heute wissen, wer in den nächsten zehn Monaten oder in den nächsten Jahren geboren wird, dann wis sen Sie mehr als andere hier im Saal.
Wenn Sie wissen, wer in den nächsten Jahren nach Deutsch land zuwandert oder nicht, dann wissen Sie ebenfalls mehr als die meisten unter uns. Weniger Einwohner bedeutet weniger Erwerbstätige. Wenn ich die Aussage der SPD richtig verste he, dann will sie offenbar trotzdem mehr Wachstum. Wie ver trägt sich dies mit den von der Regierung propagierten Zielen von mehr Nachhaltigkeit und Ökologie, um deren Schlagwor te zu verwenden?
Wenn ich mir anschaue, was die Regierung tut, dann stelle ich fest, dass die Regierung eine Menge tut, damit unsere Wirt schaft auch weiterhin Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt fin det. Ich stelle fest: Die Regierung will durch verschiedene Maßnahmen die Attraktivität der beruflichen Ausbildung er höhen. Ich stelle fest, dass die Regierung die berufliche Wei terbildung durch mehrere Initiativen stärken will. Ich stelle fest, dass die Regierung etwas für die Qualifizierung von Un gelernten und Angelernten tun will. Ich stelle fest, dass sich die Regierung auch für die Anerkennung zusätzlich erworbe ner Kompetenzen von Arbeitnehmern einsetzt. Ich stelle fest, dass sich die Regierung darum kümmert, dass wir auch im Handwerk Fachkräfte bekommen. Ich stelle fest: Die Regie rung will eine stärkere Erwerbsbeteiligung von Frauen. Ich stelle fest: Die Regierung möchte, dass ältere Menschen län ger im Arbeitsleben bleiben können. Ich stelle fest: Die Re gierung setzt auch auf den Zuzug von Fachkräften aus dem Aus- und Inland.
Das ist wirklich eine ganze Menge, was die Regierung zur Si cherung des Fachkräftebedarfs in Baden-Württemberg tut. Da für möchte ich die Regierung auch loben. Ich lobe die Regie rung für all die genannten Maßnahmen, auch wenn diese größ tenteils bereits von ihrer Vorgängerregierung, also von CDU und FDP/DVP, stammen. Nur der Name ist anders: Heute heißt es „Allianz“, früher war von einer „Initiative“ die Rede. Sonst hat sich nichts geändert.
Dass Sie dies übernommen haben, zeigt doch, dass BadenWürttemberg zuvor schon auf dem richtigen Weg war und