Leopold Grimm

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Last Statements

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich bedanke mich für diese wie immer sehr sorgfältige und ausführliche Berichterstattung. Europa wird nur dann die Akzeptanz der Bürger finden, wenn es sich mit deren Problemen auch beschäftigt.
Was sind die Probleme der Bürger? Da geht es z. B. um Ge währleistung und Sicherung bezahlbarer Energie. Das sind auch unsere Ziele. Doch die Situation ist schwierig. Die Kos ten für Energie sind schon jetzt viel zu hoch und für manche unbezahlbar. Deutsche Haushalte zahlen die zweithöchsten Strompreise in Europa, damit die Betreiber von Wind-, Son nen- und Biogasanlagen auch 20 Jahre lang Rendite machen können. Die deutsche Industrie zahlt im Vergleich zur franzö sischen Konkurrenz für die gleiche Leistung den doppelten Preis.
Hier sollte der Ausschuss darauf drängen, dass endlich ein echter europäischer Strombinnenmarkt realisiert wird. Wenn die Menschen frei wählen können zwischen deutschen und französischen Stromanbietern, wie sie wählen können zwi schen deutschen und französischen Buchhändlern, wird Ener gie nicht zur sozialen Frage der Zukunft. Diese Themen be wegen die Bürger.
Lassen Sie mich auf die Europawahl eingehen, die einen brei ten Raum in dem Bericht einnimmt.
Die Auswahl des Kommissionspräsidenten war – trotz from mer Wünsche von Herrn Schulz – ein Armutszeugnis. Das Postengeschacher der Regierungschefs hat uns wieder auf den Boden der Tatsachen gebracht: Überall Proporzdenken – Ost gegenüber West, Nord gegenüber Süd, konservativ gegenüber links, Frau gegenüber Mann. Diese Liste ließe sich beliebig fortführen. Dazu kommt, dass viele dieser Posten keinen Mehr wert bieten, sondern lediglich die hiermit bedachten Mit gliedsstaaten befrieden sollen.
Nein, diese Vorgänge zeigen, dass wir eine europäische Re gierung brauchen, die von Bürgern durch Wahlen legitimiert wird.
Uns, der FDP, ist wichtig, dass lediglich solche Fragen in Brüssel entschieden werden, für die wir nur gemeinsam in Eu ropa eine sinnvolle Lösung finden können. Die Mitgliedsstaa
ten sollen hingegen die Politikbereiche gestalten, die sie selbst besser und bürgernäher regeln können. Bislang gibt es EUKommissare für Bildung und Kultur sowie für Gesundheit, obwohl die Zuständigkeiten hierfür jeweils vor Ort liegen. Es gibt aber nach wie vor keinen Kommissar für Energienetze.
Deutschland und die Europäische Union benötigen außerdem eine Migrationspolitik, die wirtschaftspolitische Interessen mit unserem europäischen Wertesystem verknüpft. Europa muss zunächst einmal lernen, zwischen Zuwanderung und Asyl zu unterscheiden, um beiden Gruppen von Menschen ge recht zu werden. Für Asylsuchende brauchen wir in Deutsch land anstelle der Dublin-Verordnung eine gerechte Zuteilung ähnlich dem Königsteiner Schlüssel.
Um im Bereich der gesteuerten Zuwanderung die Menschen zu erreichen, die wir zur Sicherung der Zukunft der europäi schen Gesellschaft brauchen, müssen wir klare Regelungen schaffen. Aber auch eine Willkommenskultur und möglichst wenig Bürokratie sind wichtige Elemente im Wettbewerb um die klügsten Köpfe des Planeten.
Einen erfreulich breiten Raum nimmt die Entwicklungszu sammenarbeit ein. Wir unterstützen die Partnerschaft mit Bu rundi. Jetzt gilt es aber, diese Partnerschaft mit Leben zu er füllen.
Ein Thema von hoher Aktualität kommt in dem uns vorliegen den Bericht jedoch zu kurz: die Gemeinsame Sicherheitspo litik. Noch Ende letzten Jahres sprach die Bundeskanzlerin davon, dass europäische Sicherheitspolitik effizienter, sicht barer und wirksamer werden müsse. Die Realität ist hiervon weit entfernt, wie das traurige Bild im Konflikt um die Ost ukraine zeigt. Was ist das für eine Effizienz, was ist das für eine gesamteuropäische Sichtbarkeit, wenn ein Teil der Staa ten Sanktionen gegen Russland fordert, während gleichzeitig Franzosen und Engländer Militärgüter in das Land liefern und Länder im Süden und im Südosten die South-Stream-Erdgas pipeline weiter vorantreiben? Hier wird schmerzhaft sichtbar, dass Europa noch nicht so weit ist, wie wir es gern hätten.
Es ist an der Zeit, im Bereich der Sicherheits- und Verteidi gungspolitik Egoismen aufzugeben und Kompetenzen abzu geben. Gleichzeitig müssen wir aber auch darauf drängen, dass der damit verbundenen Verantwortung mit der gebotenen Ernsthaftigkeit begegnet wird. Das Amt des Kommissars für Internationale Sicherheitsfragen darf nicht dasselbe Schicksal realer Bedeutungslosigkeit erleiden, wie es die heutige Vize präsidentschaft für Außen- und Sicherheitspolitik erfahren musste.
Ob Energie, Zuwanderung oder Sicherheit – Europa spricht noch nicht mit einer Stimme. Das ist gelebte Subsidiarität, aber an der falschen Stelle. Bei diesen großen Fragen muss Europa sichtbar sein.
Zum Schluss möchte ich noch auf etwas Erfreuliches hinwei sen und möchte die Republik Litauen herzlich im Euroland willkommen heißen. Dieses aufstrebende Land mit seinem hohen Wirtschaftswachstum wird mit Sicherheit eine Berei
cherung für den Euroraum sein. – Seien Sie herzlich willkom men!
Vielen Dank.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie es heute Morgen bereits gesagt wurde, nehme ich heute zum letzten Mal an einer Ple narsitzung teil. Ich möchte mich zunächst bei meinen Frakti onskollegen recht herzlich für die angenehme, gute Zusam menarbeit während der letzten dreieinhalb Jahre bedanken. Ich möchte mich aber auch bei Ihnen allen für die angeneh men, zum Teil streitigen, aber sehr interessanten Gespräche und Diskussionen bedanken, die ich im Europaausschuss und im Petitionsausschuss, aber auch in anderen Ausschüssen er lebt habe.
Ich wünsche Ihnen allen eine gute Zeit – zunächst einmal ei nen schönen Urlaub, und dann einen guten Neubeginn ab Ok tober. Im Oktober findet ja die nächste Plenarsitzung statt.
Ich weiß das, auch wenn ich diesen Termin schon aus meinem Kalender gestrichen habe.
Ich möchte mich recht herzlich für die Aufmerksamkeit be danken, die Sie mir stets entgegengebracht haben.
Ich verabschiede mich jetzt ganz leise; ich nehme mein „Glas Schnaps“ wie immer mit zu meinem Platz.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Debatte zur Umset zung einer EU-Richtlinie ist eine gute Gelegenheit, auf Ba den-Württembergs Rolle als erfolgreiches Wirtschafts- und Integrationsland aufmerksam zu machen. Die Anpassung der Berufsanerkennung ist notwendig, weil – das wurde auch er wähnt – Mitte letzten Jahres nach über zehnjährigen Verhand lungen Kroatien als EU-Mitglied aufgenommen werden konn te. Beide Seiten haben intensiv darauf hingearbeitet und ge zeigt, dass es sich lohnt, wenn Gründlichkeit vor Schnellig keit geht.
Baden-Württemberg ist das Flächenland in Deutschland mit dem höchsten Anteil von Menschen mit Migrationshinter grund. Dieses Zusammenleben fassen wir als Bereicherung auf. Die Verhältnisse bei uns sind aber auch der beste Beleg dafür, dass wirtschaftliche Stärke die beste Grundlage für ei ne gelingende Integration ist. Es gibt keine bessere Willkom menskultur als die Möglichkeit, mit einem Arbeitsplatz für das eigene Auskommen und das der Familie zu sorgen.
In Baden-Württemberg leben fast 80 000 Kroatinnen und Kro aten – so viele wie in keinem anderen Bundesland. Zwischen Baden-Württemberg und Kroatien, dieser Schnittstelle zwi
schen West- und Südosteuropa, besteht eine gute und traditi onsreiche Beziehung. Wir sollten auch nicht vergessen, dass unser Bundesland in den Neunzigerjahren vielen Menschen von dort einen sicheren Aufenthalt und Chancen gegeben hat. Beide Seiten profitieren bis zum heutigen Tag von dieser Zu wanderung, insbesondere aber Baden-Württemberg als das In genieurland Nummer 1 in Deutschland.
Eine Persönlichkeit, die ich in diesem Zusammenhang erwäh nen möchte, ist Professor Fran Bosnjakovic, der im Jahr 1961 an der Universität Stuttgart das Institut für Thermodynamik in der Luft- und Raumfahrt gründete. Es genießt heute welt weit einen ausgezeichneten Ruf und schafft Grundlagen in ei nem hochkomplexen Bereich, in dem gerade wir in BadenWürttemberg als Zulieferer sehr stark profitieren.
Der Verein kroatischer Ingenieure, Techniker und Ökonomen in Baden-Württemberg ist sehr gut vernetzt und aktiv. Der Vereinsvorsitzende, Jozo Ilic, bestätigt die gute Integration von Kroaten in Deutschland. Kroatische Ingenieure und Öko nomen finden sich in allen Branchen unserer Wirtschaft wie der – in Produktion, Konstruktion, Forschung und Entwick lung. „Was kann man sich hier mehr wünschen?“, schreibt auch Herr Ilic. Wir wissen, was diese Fachleute für unsere Wirtschaft erreichen.
Die Ausbildungswege in beiden Ländern gleichen einander. Das Niveau der Diplome, der Magisterabschlüsse und der Pro motionen entspricht den Anforderungen in Deutschland. Die kroatischen Ausbildungsgänge etwa für Architektur sowie für Maschinenbau und Schiffbau an der Universität Zagreb müs sen den internationalen Vergleich in keiner Weise scheuen.
Angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung machen wir mit der heute zu beschließenden Anpassung deutlich, dass uns ge rade hier Fachkräfte willkommen sind. Denn Baden-Württem berg braucht qualifizierte Kräfte, um sein hohes Niveau zu halten. Hierfür gibt es aber auch bei uns noch einige Hausauf gaben zu erledigen. Doch ich muss feststellen, dass eine po litisch propagierte Technologieskepsis, eine Regierungspar tei, die gleichzeitig gegen Autoverkehr und gegen Schnellzü ge ist, die jede Energieform ablehnt, die nicht aus subventio nierten Windrädern und Solarpaneelen kommt, in diesem Be reich viel Schaden anrichtet.
Ich vermisse das klare Bekenntnis zu Baden-Württemberg als Industrie- und Technologieland, das seinen Wohlstand der Leistung von Ingenieuren und Technikern verdankt. In ande ren Ländern sieht man nicht in allererster Linie die Risiken beim technischen Fortschritt, und wir sollten dankbar sein, dass das so ist. Somit beschließen wir heute eine willkomme ne technische Wissenshilfe und heißen kroatische Architek ten und Ingenieure herzlich willkommen.
Mit diesem Schritt setzen wir nicht nur eine EU-Richtlinie um, sondern senden das Signal, dass Kroatien willkommen ist. Ich denke, in diesem Sinn stimmen wir gern dieser Vorla ge zu.
Vielen Dank.
Herr Präsident, sehr geehr te Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Jahr 2005 hat die christlich-liberale Landesregie rung eine Neufassung der Gemeindeordnung umgesetzt, die für den Mittelstand eine deutliche Verbesserung darstellt. Durch die Regelung der verschärften Subsidiarität wurde vie len kleinen Unternehmen überhaupt erst der Zugang zu Auf trägen ermöglicht. Von dieser Regelung haben alle profitiert, da Arbeits- und Ausbildungsplätze geschaffen und entspre chend Steuern gezahlt wurden.
Diese Regelung drohen Sie nun wieder abzuschaffen.
Gleichzeitig haben wir das Örtlichkeitsprinzip im Energiebe reich gelockert, um Stadtwerken eine Handhabe zur Umset zung der Energiewende zu geben. Trotzdem wurde uns hier in diesem Haus unter dem Deckmantel der Energiewende die Rückkehr zur einfachen Subsidiarität unterbreitet.
Bedenken Sie bitte, was das für den Mittelstand bedeutet. Die Beweislastumkehr fordert vom privaten Anbieter, nachzuwei sen, dass sein Angebot besser und effizienter als das der staat lichen Konkurrenz ist. Das ist für kleine und mittlere Unter nehmen in der Regel nicht zu schultern.
Dabei geht die tatsächliche wirtschaftliche Betätigung kom munaler Unternehmen schon heute weit über die Daseinsvor sorge hinaus, und das deutschlandweit. Zwischen 2000 und 2010 hat die Zahl kommunaler Unternehmen um über 23 % zugenommen. Während ihr Umsatz im Bundesdurchschnitt bei jährlich 3 000 € pro Einwohner liegt, beträgt er in BadenWürttemberg 6 500 €. Das ist eine Menge Geld, das der regi onalen Wirtschaft vorenthalten wird.
Was machen die kommunalen Firmen? Sie vermieten Fahrrä der an Touristen, bieten Garten- und Hausmeisterdienste an, planen und bauen sogar für andere Kommunen Immobilien und ganze Quartiere. Da stellt sich schon die Frage: Gibt es Ihrer Meinung nach für diese Aufgaben nicht auch Kompe tenzen im privaten Bereich?
Dies alles geschieht unter Ausnutzung unfairer Wettbewerbs vorteile. Es ist bekannt, dass Unternehmen, die Kommunen als Hafter im Hintergrund haben, günstigere Kreditkonditio nen erhalten.
Nein. Erst mal zuhören.
Doch stellte der Bund der Steuerzahler fest, dass dadurch auch größere Risiken eingegangen worden sind. Für das Jahr 2011 wurden mit 5,9 Milliarden € aus öffentlichen Mitteln defizi täre Unternehmen subventioniert. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.
Gerade die Energiewende, die ja der vorgebliche Grund Ihrer Rolle rückwärts ist, birgt große Risiken. Dessen sind sich die Verantwortlichen oft gar nicht bewusst, denke ich. Da wird in Gaskraftwerke investiert, und hinterher reiben sich die Ge meinderäte verwundert die Augen, dass sich solche Kraftwer ke heutzutage überhaupt nicht mehr rechnen. Da versucht man
sich vorbildlich in der Kraft-Wärme-Kopplung, und dann müssen die Stadtwerke die finanziellen Folgen einer unaus gegorenen EEG-Novelle tragen.
Zweiter Wettbewerbsvorteil: die Umsatzsteuerbefreiung. Na türlich erbringen kommunale Unternehmen eine Leistung günstiger, wenn ihnen 19 % der Kosten erlassen werden. Er bringen sie diese Leistung aber nicht für die eigene Kommu ne, sondern als Beistandsleistung, dann ist der Tatbestand der Wettbewerbsverzerrung erfüllt.
Der Bundesfinanzhof hat dieser Praxis schon 2011 einen Rie gel vorgeschoben, aber bis heute findet das Urteil keine An wendung, weil es immer noch nicht im Bundessteuerblatt ver öffentlicht ist. Herr Finanzminister Schmid, Sie haben dem Handwerk Ihre Unterstützung bei der raschen Behebung die ses unhaltbaren Zustands zugesagt. – Er ist jetzt leider nicht da, aber ich würde ihn gern fragen, wann und wie er die Waf fengleichheit zwischen kommunalen und privaten Dienstleis tern schaffen möchte.
Oder wird nun mit der Aufweichung des § 102 der Gemein deordnung stattdessen noch eins draufgesetzt?
Zu guter Letzt erlaube ich mir noch, auf einen Widerspruch hinzuweisen. Explizit ist von den Befürwortern einer Auswei tung kommunaler Wirtschaftstätigkeit zu hören, man wolle Energieberatung als mit dem Hauptzweck von Stadtwerken verbundene Dienstleistung ermöglichen. In den entsprechen den Förderrichtlinien für das Handwerk wird dort aber gera de zwischen Beratung und Hauptleistung getrennt. Sie wol len also eine Aufgabenverquickung ermöglichen, die bei pri vaten Unternehmen gerade nicht gewünscht ist. Da zeigt sich doch der wahre Geist dieser Landesregierung: Sie haben ein tief verwurzeltes Problem mit dem selbstständigen Unterneh mertum.
Sie misstrauen der mittelständischen Wirtschaft, die das Rück grat unseres Wohlstands ist.
Meine Damen und Herren, Kommunen und Mittelstand sind Partner. Die einen schaffen die notwendige Infrastruktur und vergeben Aufträge, die anderen bieten ihre Dienstleistungen an und geben der Gesellschaft dafür viel zurück. Diese Part nerschaft darf nicht zerstört werden. Erkennen Sie bitte einen wichtigen Unterschied an: Kommunale Unternehmen sind Ga ranten der Daseinsvorsorge, sie sind keine normalen Markt teilnehmer. Deshalb fordern wir Sie mit Nachdruck auf, es bei der bestehenden Gemeindeordnung zu belassen und damit die Belange der privaten Handwerksunternehmen und deren Kun den zu wahren.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der heutigen Debatte über die Besetzung der Lehrstellen in Baden-Württemberg und über die Maßnahmen zur Gewinnung von Auszubildenden für of fene Lehrstellen sprechen wir über ein Thema, das seit dem Antrag von Ende November und der Mitte März ergangenen Stellungnahme nichts an Dringlichkeit verloren hat. Ich möch te aber darauf hinweisen, dass die „Südwest Presse“ heute auf der Titelseite einen Artikel mit der Überschrift „So wenige Lehrlinge wie noch nie“ veröffentlicht hat.
Ein zweiter Artikel im Wirtschaftsteil der „Südwest Presse“ trägt den Titel: „Duale Ausbildung in der Krise“.
Interessant ist, was der Journalist in diesem Artikel schreibt – ich darf zitieren –:
In Sonntagsreden wird die duale Berufsausbildung gerne als Stärke des deutschen Wirtschaftssystems gepriesen. Doch sie steckt in der Krise, weil immer weniger junge Menschen sich für eine Lehre entscheiden.
Mehr noch, während dieser Zeit hat das Thema eine weitere Verschärfung erfahren. Auch das können wir der Presse ent nehmen. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden schlägt ebenfalls Alarm: Bundesweit ging die Zahl der Ausbildungs verträge 2013 um 4,3 % zurück. Im Handwerk betrug der Rückgang bundesweit sogar 5 %.
Wir erleben momentan den Schwung einer beneidenswert gu ten Konjunktur. Es gilt jetzt, diesen Schwung zu nutzen, wenn wir den Wirtschaftsstandort halten wollen. Das ist natürlich eine Frage der Infrastruktur, Straßen, Brücken, Energieversor gung und Internetverbindungen. Aber nicht minder wichtig für die Zukunft ist die Frage, wie wir gut ausgebildete Nach wuchskräfte in allen Bereichen der Wirtschaft bekommen. Das Handwerk spielt hierbei eine zentrale Rolle.
Wenn Lehrstellen dauerhaft unbesetzt bleiben, weil sich kei ne geeigneten Bewerberinnen und Bewerber finden, wird dies auf Dauer zu einer schleichenden Schwächung unser Wirt schaftsstruktur führen. Die Ausbildungsbetriebe werden nicht sofort zusammenbrechen, sondern einfach nicht mehr ausbil den. In der Praxis bedeutet dies aber, dass mit der Zeit viel Kompetenz in der Ausbildung junger Menschen verschwin den wird. Dieser Effekt wird ausgesprochen schwer wieder
auszugleichen sein. Gerade in diesem Bereich ist das Ausru hen im derzeitigen konjunkturellen Sonnenschein falsch. Die Herausforderung besteht jetzt. Jetzt müssen wir uns Gedan ken machen, und zwar gemeinsam auf allen Ebenen: Bund, Länder, Kommunen, Schulen und Wirtschaft.
Die Finanz- und Wirtschaftskrisen in den vergangenen Jahren haben gezeigt, dass der Standort Deutschland mit einem star ken produzierenden Gewerbe krisenfester ist als die anderen Länder. Diese Struktur, gepaart mit Innovation und Effizienz, kann aber nur bestehen bleiben, wenn wir den Level auch mor gen noch halten können. Grundlage für die Besetzung offener Lehrstellen ist eine ausreichende Anzahl von bildungsmoti vierten Jugendlichen mit Spaß an praktischen Tätigkeitsfel dern. Dass es dabei in erster Linie um die schulische Bildung geht, wird hier wohl niemand bestreiten.
Der Geschäftsführer der IHK Stuttgart, Martin Frädrich, schlug vor einigen Tagen Alarm: Allein in der Region Stutt gart ist der Anteil der Betriebe, die nicht mehr alle angebote nen Ausbildungsplätze besetzen können, von 19 auf 25 % ge stiegen. Es liegt, wie er feststellt, keineswegs an der Bereit schaft. Allein die IHK bietet eine Fülle von Projekten an, um Auszubildende zu gewinnen und sie während der Ausbildung zu begleiten. „Die Ausbildungsreife bleibt nach wie vor ein Ausbildungshemmnis“, stellt Frädrich fest.
Hier entdecken wir, dass die Wurzel des Problems der offe nen Lehrstellen eigentlich genau in den Bildungsprinzipien liegt, mit denen Sie seit 2011 das Land beglücken. Seien Sie doch einfach einmal ehrlich, und bekennen Sie, dass die du ale Ausbildung nicht Ihre Herzensangelegenheit ist. Ich füge hinzu: Das wird auch in Zukunft nichts. Sie haben in Ihren Koalitionsvertrag geschrieben:
Deswegen streben wir an, dass mittelfristig mindestens 50 % eines Altersjahrgangs im Lauf ihres Lebens ein Hochschulstudium abschließen.
Dies zeigt, wohin die Reise gehen soll.
Deshalb wundert es nicht, dass Lehrstellen nicht mehr besetzt werden können, wenn die Bildungspolitik in Baden-Württem berg das Abitur für alle in Aussicht stellt und den Schlüssel zum persönlichen Glück einzig in der akademischen Berufs laufbahn sieht. Der Trend zum Studium ist laut Statistischem Bundesamt neben dem demografischen Wandel der Haupt grund für die unbesetzten Lehrstellen.
Ich möchte hier auf einen Redebeitrag der Bundesbildungs ministerin Johanna Wanka vom vergangenen Donnerstag im Bundestag verweisen, der heute veröffentlicht wurde und demzufolge die Zahl der Ausbildungsverträge auf dem nied rigsten Stand seit 1990 sei. Erstmals gebe es mehr Studienan fänger als Einsteiger in eine Berufsausbildung. Sie sagte wört lich:
Deshalb muss es ein politischer Schwerpunkt sein, die At traktivität der beruflichen Ausbildung zu stärken.
Die Weichen in der Bildung werden durch die Landesregie rung falsch gestellt. Statt andere Möglichkeiten zum Einstieg in das Berufsleben attraktiver zu gestalten, entwerten Sie die duale Ausbildung auf unterschiedliche Weise. Ganz offen sichtlich geschieht dies durch den konsequenten Mangel an beruflichen Schulen und beruflichen Gymnasien. Das war auch in diesem Haus schon einige Male Thema.
Sie müssen mir daher nachsehen, dass ich Ihrem angekündig ten Bündnis zur Neukonzeption der Übergangszeit von der Schule in den Beruf mit einem gewissen Misstrauen begeg ne. Ihr Umgang mit der beruflichen Bildung legt nahe, dass es sich dabei um ein sportlich aufgemachtes Einsparmodell handeln könnte. Ich bin sehr gespannt auf die ersten Erfah rungsberichte.
Die Schwächung findet auch in anderen Bereichen statt. Das schleppende Ende der Werkrealschulen zugunsten Ihrer Lieb lingskinder, der Gemeinschaftsschulen, ist ein gutes Beispiel.
Die Ausrichtung der Werkrealschulen ist ganz eindeutig be rufsorientiert. Ihr Schwerpunkt liegt in der Vorbereitung auf eine Ausbildung und auf die Berufspraxis. Da ist die über frachtete Gemeinschaftsschule wohl kein Ersatz. Denn ein Schwerpunkt bei dieser Schulidee kann gar nicht erkannt wer den.
In der heutigen Zeit, in der angesichts der Lage auf dem Aus bildungsmarkt die gezielte Förderung und Berufsorientierung angesagt ist wie nie zuvor, gehen Sie, die Landesregierung, genau in die entgegengesetzte Richtung – als ob es den Be darf an Auszubildenden und die daraus folgenden Konsequen zen nicht gäbe.
Der Antrag unserer Fraktion musste leider vor dem Hinter grund eines Bildungssystems mit falschen Anreizen gestellt werden. Umso wichtiger ist es, dass Sie jetzt bei diesem An trag beweisen, was Sie, die Landesregierung, leisten können.
Vielen Dank.
Herr Staatssekretär, lieber Kollege Lehmann! Baden-Württemberg ist in der Vergangen heit u. a. durch das duale Ausbildungssystem stark geworden.
Deshalb ist es schon ein bisschen schwierig, bei dem, was Sie in den Koalitionsvertrag 2011 ohne Gründe hineingeschrie ben haben, an die Ehrlichkeit Ihrer Intentionen hinsichtlich der dualen Ausbildung zu glauben. Das wirkt hier unglaub würdig. Deshalb dürfen Sie sich auch nicht beschweren, wenn Sie permanent darauf aufmerksam gemacht werden und ein mal darüber berichten sollen, weshalb Sie beabsichtigen, den Akademisierungsgrad nach oben zu treiben.
Sie haben einiges erwähnt. Das Thema Lehrstellen ist ein The ma für viele Beteiligte. Einige Bemühungen sind besser, an dere enttäuschen. Sie, Herr Staatssekretär, haben einige Punk te genannt, die richtig und wichtig sind. Ausdrücklich möch ten wir das Vorgehen des Wirtschaftsministeriums, die Aus bildungsbündnisse fortzuführen und immer wieder neu auf zulegen, begrüßen. Sie haben auch schon angesprochen, dass diese Maßnahme nicht von Ihnen ist, sondern Sie manches von der Vorgängerregierung übernommen haben.
Aber wohin gehen wir? Diese Bündnisse wurden geschaffen, um für eine ausreichende Zahl von Ausbildungsplätzen zu sor gen. Jetzt müssen wir jedoch das Ding drehen. Denn mittler weile dreht sich die Situation: In vielen Bereichen gibt es Aus bildungsplätze, doch es fehlen die geeigneten Auszubilden den. Die Ausbildungsbündnisse müssen jetzt also gerade an dersherum geschlossen werden. Hier liegt es an der Landes regierung. Es wird etwas gemacht, aber es wird zu wenig ge macht.
Es war auch die Frage: Was tut die Landesregierung jetzt? Sehr geehrter Herr Kollege, es hieß nicht: Was war vor zehn Jahren? Das hat etwas damit zu tun, wie sich Ausbildungsbe rufe an Schulen präsentieren können und wie Ausbildungsbe rufe allgemeingesellschaftlich anerkannt sind. Ich denke, in diesem Bereich müssen wir sehr viel mehr tun, damit wir die Ausbildungsberufe, die duale Ausbildung in der Gesellschaft wieder besser verankern.
Nein. – Einen weiteren Be reich lege ich Ihnen ans Herz: die Förderung junger Men schen. Viele junge Menschen im Alter von 25 bis 35 Jahren sind ohne Ausbildung. Davon haben wir auch schon gespro chen. Allein 60 000 Jugendliche in Baden-Württemberg ar beiten ohne Schulabschluss. Das sind die Arbeitslosen von morgen. In konjunkturell schwachen Zeiten werden diese auch zuerst entlassen. Die Bundesagentur für Arbeit bietet diesen An- und Ungelernten gezielte Förderprogramme an. Das sind Bemühungen, die die Bundesregierung nun mit ihrem Min destlohnkonzept konterkariert.
Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass der Altersdurch schnitt der Jugendlichen im Ausbildungsbereich mittlerweile bei 19,5 Jahren liegt. Vor 15 Jahren lag er bei 16 oder 16,5
Jahren. Auf Bundesebene führen eben nicht alle Bemühungen zum Erfolg, wie ein aktuelles Beispiel zeigt. „Ein Europa, das in den nächsten fünf Jahren die Jugendarbeitslosigkeit deut lich reduziert“ – so ist auf großen Wahlplakaten des SPD-Spit zenkandidaten Martin Schulz und im Internet zu lesen. Wer wollte da widersprechen? Jeder weiß, dass der Schlüssel zur Reduzierung der Jugendarbeitslosigkeit in Ländern wie Spa nien eine gute Ausbildung ist. Dies kann beiden Seiten hel fen, muss jedoch auch sorgfältig vorbereitet werden.
Eine Region in unserem Land hat damit sehr gute Erfahrun gen gemacht. Ich darf an dieser Stelle die Gewinnerregion Schwarzwald-Baar-Heuberg erwähnen, die sehr gute Erfolge damit erzielt hat, Fachkräfte und Lehrlinge für ihre Region zu gewinnen. So ist beiden Seiten geholfen.
Das hat sogar die Bundesregierung bemerkt und hat sicher lich ganz im Sinne von Martin Schulz gehandelt, als er ein Hilfsangebot für ausbildungswillige Jugendliche aus den eu ropäischen Krisenländern ankündigte. Aus diesem guten Vor haben wurde aber eine peinliche Bauchlandung mit Anlauf. Zunächst hat die Sache sehr gut angefangen. 243 Jugendliche aus dem Ausland – davon 188 Jugendliche aus Spanien – ka men zu uns nach Baden-Württemberg und begannen eine Aus bildung.
Dann musste die Vorstel lung aufgrund des großen Erfolgs – so könnte man sagen – leider plötzlich beendet werden. Es hatten sich zu viele ge meldet. Die Fördermittel von 48 Millionen € für 2014 sind schon aufgebraucht. Den Ankündigungen der Kanzlerin und der Werbetour der damals zuständigen Ministerin von der Leyen folgten ein paar schöne Fotos und Plakate, aber zu we nige finanzielle Mittel.
Meine sehr verehrten Da men und Herren,
um mehr Jugendliche einer Lehrstelle zuzuführen, wäre es wichtig, dass die Landesregierung noch mehr für das Image dieses Landes, für die duale Ausbildung tut.
Es reichen – so, wie es auch in der Presse heute steht – keine Lippenbekenntnisse. Sie sind aufgefordert, mehr zu tun. Ich wünsche es Ihnen auch, dass Sie es schaffen.
Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Her ren! Kommen wir ein wenig zum Antrag zurück, über den wir heute sprechen. Wir haben uns schon am 30. April 2014 bei der Einsetzung der Enquetekommission „Konsequenzen aus der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU)/ Entwicklung des Rechtsextremismus in Baden-Württemberg – Handlungsempfehlungen für den Landtag und die Zivilge sellschaft“ darüber unterhalten: Die Grünen blicken nur nach rechts und blenden den Linksextremismus nach wie vor völ lig aus. Das hat System, und das ist auch europaweit so.
Ich erinnere an die Demonstration zum Bildungsplan in Stutt gart. Deren Anliegen mag man nicht teilen, aber Tatsache ist,
dass das ganze Geschehen wegen linker militanter Gruppen ausgeartet ist.
Das weiß jeder hier. Tatsache ist auch, dass wir viele Demons trationen gegen Stuttgart 21 erlebt haben.
Unter diesen Demonstranten gibt es eine ganze Menge integ rer Leute, deren Meinung wir respektieren, auch wenn wir sie nicht teilen. Man muss aber schon ziemlich blind sein, um nicht zu sehen, dass auch dieses Geschehen von einer ganzen Reihe linker militanter Gruppen, gewaltbereiter Aktivisten ge nutzt wurde, die, wie wir wissen, sogar munter durch die Re publik ziehen.
Natürlich hat diese Debatte einen europapolitischen Hinter grund. Trotzdem: Dieses Spiel der Grünen spielen wir nicht mit.
Es ist offensichtlich auch ein politisches Spiel, das gespielt wird. Es bleibt das auf der Strecke, was wir wirklich wollen, nämlich eine ernsthafte und umfassende Bekämpfung von Ex tremismus und Populismus in jeder Form.
Konkret zum Antrag: Wir müssen uns klar darüber sein, dass die Grünen bundesweit keine Volkspartei sind und auf abseh bare Zeit auch nicht werden.
Wir wissen, dass Sie das nicht sind, auch wenn Sie hier im Land vermeintlich diesen Anspruch erheben.
Dass den Grünen wie übrigens auch uns das Votum gegen Mas seneinwanderung bei der Volksabstimmung in der Schweiz nicht passt, ist uns auch klar.
Wenn wir aber die direkte Demokratie ausbauen wollen, müs sen wir mit solchen Ergebnissen leben – egal, von welcher po litischen Richtung die Initiative gestartet wurde und ob das Ergebnis passt oder nicht.
Die politische Meinung in der Bevölkerung ist leider immer noch nicht so, wie es sich manche kleine und pluralistisch ori entierte Parteien vorstellen. „Europa braucht Demokratie mit Demokraten“ – was wollen Sie mit diesem Titel aussagen? Sind aus Ihrer Sicht die Republikaner Demokraten? Was tun die Grünen, um undemokratische Gruppen und Parteien in der
Bundesrepublik zu bekämpfen? Akzeptieren sie Entscheidun gen des Bundesverfassungsgerichts?
Es tut mir leid, aber mit solchen banalen Parolen werden Sie diesen uns alle berührenden Themen nicht gerecht.
Konsequenzen der Landesregierung laut Stellungnahme zu dem vorliegenden Antrag: null. Die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern wird nicht infrage gestellt. Ungarn wird so gar als aktiver Partner gelobt – als ob wir darüber im Parla ment nicht bereits sehr kritisch gesprochen hätten.
Natürlich ist auch jedes Projekt wie etwa das Lehrlingsaus tauschprogramm xchange ein Beitrag zur Völkerverständi gung und ohne Zweifel auch wichtig. Aber seien wir doch ein mal ehrlich: Die große Linie bei der Bekämpfung extremisti scher Parteien fällt der Landesregierung schwer, wie man an der Bezugnahme auf viele wichtige, aber kleine Projekte se hen kann: statt eines großen Wurfs viel Klein-Klein.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Her ren! Um die Frage des Kollegen Pröfrock nach dem „Chlor hühnchen“ richtig zu beantworten: Das gerupfte Huhn kommt in eine Chlorlauge. Der Unterschied zwischen Deutschland und den USA ist: Wenn es aus der Lauge herauskommt, wür de man es in Deutschland mit Trinkwasser abspülen, während es in Amerika bleibt, wie es ist. Guten Appetit!
Ein „Chlorhühnchen“ entsteht so ähnlich wie die Kuchenstü cke, die man zum Teil in amerikanischen Konditoreien sieht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, auf der Tagesord nung steht der Europabericht der Landesregierung. Ich habe
zwei Punkte herausgenommen, die vielleicht interessant sind: „Inner-Circle-Sitzungsformat in den EU-Ministerräten“ und „Vertiefte Überprüfung der EU-Kommission zur Ermittlung makroökonomischer Ungleichgewichte“. Beide Themen ste hen im Bericht; sie sind wichtig, das ist uns klar. Ich glaube aber nicht, dass sie bei der bevorstehenden Europawahl am kommenden Sonntag für die Entscheidung der Menschen be deutsam sind.
Europa ist das Fundament unserer Politik und der Friedens garant für unser Land. Das war in der Vergangenheit so und wird auch in Zukunft so sein. Wir können unsere Interessen, unseren Lebensstil und unseren Wohlstand in dieser sich wan delnden Welt nur als Europäer gemeinsam behaupten – erst recht als Baden-Württemberger, die ganz besonders von Eu ropa profitieren.
Genauso wissen wir aber auch, dass Europa durch die Staats schuldenkrise der vergangenen Jahre in einer Bewährungs probe ist. Es wäre in dieser Situation leichter gewesen, die eu ropäische Idee zu relativieren oder ganz aufzugeben. Wir ha ben uns aber in Regierungsverantwortung in Deutschland und in parlamentarischer Verantwortung in Europa nicht für die sen leichten Weg entschieden. Wir haben dafür gekämpft, dass aus der Schuldenunion wieder eine Stabilitätsunion wird: in Europa und in Deutschland. Wir haben von hier aus, von Deutschland aus, dafür gesorgt, dass mit dem Stabilitätspakt alle Euroländer Schuldenbremsen in ihre nationalen Verfas sungen aufnehmen.
Bedauerlich in diesem Zusammenhang ist, dass ein Land wie Baden-Württemberg trotz unverändert guter Wirtschaftsdaten den Spitzenplatz bei der Neuverschuldung einnimmt. Von so lider Haushaltsführung spricht nur noch der Verantwortliche, der es in der Hand gehabt hätte, dies zu ändern.
Wenn andere auf die Strukturprobleme Europas mit Skepsis oder Romantik reagieren, sagen wir, dass Europa für seine Zu kunft nicht mehr Skepsis oder mehr Romantik, sondern vor allem mehr Realismus und mehr Bürgernähe braucht.
Wir wollen Marktwirtschaft statt Schulden, Bürger statt Bü rokratie. Wir wollen Einheit, aber in Vielfalt. Das braucht Eu ropa, ein Europa, das bei den großen strategischen Fragen handlungsfähig ist, aber nicht zu einer alles regelnden Super behörde wird. Die Kommission muss sich wieder auf das We sentliche beschränken, statt darüber nachzudenken, die Oli venölkännchen auf den Restauranttischen zu verhindern.
Die großen Aufgaben in Europa liegen auf der Hand: etwa Bürgerrechte und Datenschutz. Deutschland allein wird nichts erreichen. Das haben auch die Gespräche der Kanzlerin in den USA gezeigt. Wir brauchen eine europäische Initiative, um auf Augenhöhe mit den Vereinigten Staaten über bürgerliche Freiheiten zu sprechen.
Die Energiepolitik wird für Europa von zentraler Bedeutung werden. Heute entscheiden in ungleich größerem Maß als da mals die Energiekosten über den jeweiligen Unternehmens sitz, den Produktionsstandort, über die Frage, ob Wachstum möglich ist oder nicht. Wir brauchen in Europa und insbeson dere in Deutschland eine Agenda für bezahlbare und sichere
Energie. Es macht keinen Sinn, an Autarkie zu denken – phy sikalisch nicht, weil die Netze europäische Netze sind. Da in Spanien die Zahl der Sonnenstunden doppelt so hoch ist wie bei uns, sollte die dortige klimatische und topografische La ge genutzt werden.
Es macht aber auch ökonomisch keinen Sinn, nur auf Deutsch land zu schauen. In acht europäischen Ländern ist die Energie versorgung unverändert komplett in staatlicher Hand. Schon im Jahr 2012 hätten die europäischen Energieverbraucher 13 Milliarden € Kosten sparen können, wenn sie zu einem eu ropäischen Anbieter ihrer Wahl hätten wechseln dürfen und nicht an ihren eigenen nationalen Anbieter gebunden gewe sen wären. Wir müssen die provinzielle Planwirtschaft der Bundesregierung überwinden und auch in der Energiepolitik zu einer europäischen Marktwirtschaft kommen. Das ist im Interesse der Menschen. Wir sollten ihnen das nicht länger vorenthalten.
Das letzte europäische Thema, das ich ansprechen möchte – auch Herr Stratthaus hat es schon aufgegriffen –, ist die Sta bilisierung unserer gemeinsamen Währung, des Euro. Wir ha ben in den vergangenen Jahren Fortschritte gemacht. Die ers ten Länder haben den Rettungsschirm verlassen. Die Leis tungsbilanzsalden in Europa zeigen eine gewisse Entspannung an. All das ist kein Grund zur Entwarnung; aber es sind Fort schritte sichtbar. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass diese Fortschritte damit zusammenhängen, dass die Rettungsschir me kombiniert sind mit den eingeforderten Reformanstren gungen all der Länder, die Solidarität in Anspruch nehmen.
Darüber wacht nicht die Politik, sondern eine Troika aus In ternationalem Währungsfonds, Europäischer Zentralbank und Europäischer Kommission. Die machen sich zwar nicht im mer beliebt, sorgen aber dafür, dass die Programme tatsäch lich durchgesetzt werden. Das wird mitunter kritisch gesehen. Nicht nur in den betroffenen Ländern, sondern auch bei uns wird die Troika für die harten Auflagen, die sie zum Teil macht, kritisiert.
Deshalb fordern immer mehr Politiker einen stärkeren politi schen Einfluss auf die Rettungspolitik in Europa. Aber wenn nicht mehr die unabhängigen Instanzen der Troika hart orien tiert an der Sache entscheiden, führt das dazu, dass letztend lich die strukturelle Mehrheit der Nehmerländer in Europa über die Geberländer entscheidet. Das wäre so wie beim Län derfinanzausgleich und würde nicht zu einer strikten Haus haltsdisziplin und sicheren Finanzen in Europa führen.
Unser Land hat sich in den letzten Jahren aufgrund einer marktwirtschaftlichen Politik exzellent entwickelt. Das Er gebnis sind stabile öffentliche Haushalte, volle Sozialkassen, Rekordzahlen am Arbeitsmarkt. Die marktwirtschaftliche Po litik in Deutschland hat sich also als richtig herausgestellt. Das haben mittlerweile auch die Franzosen festgestellt.
Aber was macht die Bundesregierung? Sie beschließt die Ren te mit 63,
mehr Subventionen, höhere Sozialabgaben. Sie senkt nicht die kalte Progression, belastet also, nimmt wirtschaftliche Frei heit zurück. Ich denke, das sind die falschen Signale.
Nehmen Sie die Rentenpolitik: Da sprechen wir bis zum Jahr 2030 über 160 Milliarden €. Das ist mehr als die maximale Haftungssumme Deutschlands beim europäischen Rettungs schirm. Der Betrag geht mal eben so über den Tisch: 160 Mil liarden €. Dann sagt der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, nach der nächsten Legislaturperiode, nach 2017, könne man das nicht mehr mit dem Geld der Beitrags zahler finanzieren. Da müsse man dann neu überlegen. In die ser Legislaturperiode plündert die Große Koalition die Sozi alkassen, und in der nächsten Legislaturperiode kommen dann höhere Schulden oder höhere Steuern. Das ist ein Wortbruch der Union mit Ansage.
Die Bürgerinnen und Bürger wissen, wie verantwortungslos das ist. Die Große Koalition mag im Bundestag eine 80-pro zentige Mehrheit haben – das spürt man derzeit in den Debat ten –, trotzdem kann sie nicht entscheiden, wie die Weltkon junktur läuft. Sie kann den demografischen Wandel nicht auf halten. Deshalb müssten gerade jetzt die Weichen richtig ge stellt werden. Es dürfte keine Gefälligkeitspolitik auf Pump gemacht werden.
Wir brauchen solide Finanzen statt teurer Wahlgeschenke. Wir wollen, dass Kinder und Enkel nicht in der Zukunft belastet werden, sondern dass heute in Wettbewerbsfähigkeit und In novation investiert wird. Das ist unser Angebot an die Men schen: eine Politik mit klarer europäischer Identität, die aber auch weiß, dass Europa mehr Marktwirtschaft, mehr Bürger nähe und mehr Verantwortung braucht, um Zukunft zu haben.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Schön wäre es gewesen, die Hal tung der die grün-rote Regierungskoalition tragenden Frakti onen zum Meister wäre schon im Jahr 2004 die gewesen, die Gewichtigkeit des Meisters anzuerkennen.
Der Antrag der CDU-Fraktion zur Zukunft des Meisterbriefs kommt zum richtigen Zeitpunkt. Denn in wenigen Tagen fin den die Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Die Zu kunft des Meisterbriefs und der dualen Ausbildung ist mitt lerweile auch ein europäisches Thema geworden.
Anlass für diese Debatte ist die Mitteilung des EU-Kommis sars Barnier an alle Mitgliedsstaaten, europaweit 740 regle mentierte Berufe zu überprüfen. Regulierung heißt bei uns, dass die Meisterqualifikation überprüft werden soll, was nach der Handwerksordnung jetzt noch 41 Gewerke betrifft. Aus vielen Reaktionen von Handwerksbetrieben und Handwerks verbänden weiß ich, dass die Sorge groß ist, durch die EU werde hier versucht, das Meisterniveau zu zerschlagen oder zumindest abzusenken.
Die Handwerksberufe mit Meisterpflicht garantieren bei uns – das wurde auch schon öfter gesagt – ein hohes Niveau beim Verbraucherschutz und hochwertige handwerkliche Leistun gen. Doch das ist nicht alles. Meisterbetriebe gewährleisten die Qualität und den Erhalt der dringend nötigen Ausbildungs plätze und gewährleisten eine solide kleinbetriebliche Struk tur in unserem Land. Diese Vorteile bilden einen unschätzbar wichtigen Faktor bei der Bewältigung konjunktureller Schwä chen und Krisen der vergangenen Jahre. Deutschland ist ge rade wegen seines Mittelstands und seiner Meisterbetriebe besser durch die Krise gekommen. Das werden Sie sicherlich auch nicht vergessen haben.
Der Prüfauftrag der EU darf nicht dazu führen, den deutschen Meisterbrief oder gar das duale Ausbildungssystem infrage zu stellen. Für uns, die FDP/DVP-Fraktion, steht fest: Die vor liegenden Zahlen belegen, dass dieses System eine dauerhaft niedrige Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland gewährleistet. Nicht umsonst bemühen sich viele Länder derzeit intensiv da rum, das deutsche System bei sich einzuführen. Gerade dar an sehen wir, wie wichtig das Meisterprinzip für die Ausbil dung ist. In vielen Ländern ist gar nicht die erforderliche Be triebsstruktur vorhanden, um eine duale Ausbildung nach deutschem Vorbild umzusetzen. Dies wird nämlich von den Meisterbetrieben getragen.
Der internationale Vergleich zeigt: In Ländern mit Meister brief und dualer Ausbildung ist die Jugendarbeitslosigkeit niedriger. In Deutschland liegt die Quote bei 7,4 %, in Öster reich bei 8,9 %, in der Schweiz und in den Niederlanden, die
vergleichbare Meisternachweise haben, sind es 10,4 % bzw. 11,3 %. In Dänemark sind es 12,9 %. Besonders auffällig ist die Situation in Italien: Während das Land mit 41,6 % eine der höchsten Jugendarbeitslosenquoten in Europa aufweist, sind es in Südtirol, wo eine mit der unseren vergleichbare Handwerksgesetzgebung gilt, gerade einmal 11,5 %.
Gleichzeitig müssen wir in Deutschland feststellen, dass die Novellierung der deutschen Handwerksordnung durch die rotgrüne Bundesregierung im Jahr 2004 – auch das wurde schon öfter angesprochen – zwar zu Neugründungen deregulierter Betriebe geführt hat, dass in diesen Betrieben jedoch keine Ausbildungs- und Arbeitsplätze geschaffen werden und kei ne Ausbildung mehr stattfindet. Das kommt nicht von unge fähr. Schließlich bedeutet die Ausbildung zum Meister auch die Ausbildung zum Ausbilder. Dass dies auch zur Anwen dung kommt, sichert den Berufsnachwuchs.
Aus all diesen Angaben und den vorliegenden Zahlen ist zu entnehmen, dass das duale Ausbildungssystem und die Meis terqualifikation von niemandem infrage gestellt werden kann, der sich für eine solide Gewerbestruktur einsetzt. Das deut sche Handwerk braucht keine Überprüfung zu fürchten. Die anstehende Evaluation wird den Sinn der bisherigen Ordnung verdeutlichen. Alle Augen richten sich dabei natürlich auf das zuständige Ministerium in Baden-Württemberg, von dem hier Koordination und Führung verlangt wird. Ich denke, dass wir hier alle eine echte Meisterleistung verlangen können.
Gleichzeitig möchte ich aber auch davor warnen, sich zulas ten Europas profilieren zu wollen. U. a. die CDU organisiert hier einen großen Opernchor, der gemeinsam nach Richard Wagner singt:
Verachtet mir die Meister nicht, und ehrt mir ihre Kunst.
Hier wird der Eindruck erweckt, als ob Europa das deutsche Erfolgsmodell beschädigen will. Bei aller Sorge um das dua le Ausbildungssystem: Es handelt sich um einen Prüfauftrag. Das duale Ausbildungssystem wird in keiner Weise zur De batte gestellt. Gesetzlich verpflichtende Regelungen sind nicht vorgesehen.
Wie ich vorhin bereits ausgeführt habe und wie dies bei der heutigen Debatte auch schon mehrfach betont wurde, ist das System der beruflichen Ausbildung ein Erfolgsmodell, zu dem der Meister dazugehört. Viele Landtagsfraktionen in ganz Deutschland sind emsig bemüht, Treueschwüre dazu abzuge ben. Sie sind aber nicht die Einzigen, die sich für dieses Sys tem einsetzen; das zeigt diese Debatte. Gerade jetzt in der hei ßen Phase des Europawahlkampfs tun wir alle gut daran, wenn wir uns vor Überhitzungen in Acht nehmen. Ein Praktikum bei den Kälteanlagenbauern täte manchem Kollegen oder mancher Kollegin ganz gut.
Auch das ist übrigens ein Meisterberuf.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir behandeln heute die Große Anfrage der Fraktion GRÜNE und die Antwort der Landesregierung unter dem Ti tel „Wertschöpfung und Arbeitsplätze im ländlichen Raum in Baden-Württemberg“. In der Wirtschaft nennt man so etwas eine Istanalyse. Immerhin haben Sie es nach drei Jahren ge schafft, nachzufragen, wie der ländliche Raum dasteht. Das sollte man bereits dann tun, wenn man eine Regierung über nimmt. Dann macht man eine Istanalyse und sieht sich diese Zahlen, die Sie heute präsentieren, an.
Ich möchte ein bisschen differenzieren – Frau Kollegin Sitz mann hat das ein bisschen grob beschrieben –,
den Kehrschluss zu der Einschätzung, wie die Landesregie rung gestartet ist, ziehen, beschreiben, wie jetzt tatsächlich die Realitäten sind und ein bisschen die Augen öffnen. Es hat sich in der heutigen Diskussion bereits gezeigt, dass Sie den länd lichen Raum kennengelernt haben und dass Sie die Wertschät zung des ländlichen Raums in Zahlen dokumentieren.
Der ländliche Raum umfasst 70 % der Fläche Baden-Würt tembergs. Dort lebt etwa ein Drittel der Bevölkerung; diese trägt etwa 30 % zur Bruttowertschöpfung bei. Im Jahr 2010 zählten die 160 000 Unternehmen im ländlichen Raum 1,05 Millionen Beschäftigte. 27,7 % der Erwerbstätigen arbeiten im ländlichen Raum. Davon arbeiteten im Jahr 2012 etwa 47 % im produzierenden Gewerbe; im Landesdurchschnitt waren es nur 38 %. 52 % arbeiteten im ländlichen Raum im Dienstleistungssektor; im Landesdurchschnitt waren es 62 %.
Der Wandel zu mehr Dienstleistung verläuft im ländlichen Raum ähnlich stark wie im Landesdurchschnitt. Allerdings ist der Anteil des produzierenden Gewerbes im ländlichen Raum deutlich stabiler als im Landesdurchschnitt.
Die Herausforderungen des ländlichen Raums stellen der de mografische Faktor und die Abwanderung Hochqualifizierter in die Ballungsräume dar. Die forcierte und immer weiter stei gende Akademisierungsquote verstärkt diesen Effekt, da ein Hochschulstudium im Gegensatz zu einer dualen Ausbildung nicht in der Fläche im ländlichen Raum möglich ist.
Ein paar Sektoren, die den wirtschaftlichen Stabilitätsanker und das Rückgrat des ländlichen Raums in Baden-Württem berg darstellen, möchte ich herausgreifen:
Handel und Kfz-Gewerbe: 32 000 Betriebe mit ca. 190 000 Beschäftigten im Zeitraum von 2006 bis 2010; Umsatz ca. 51 Milliarden € im Jahr 2006 und 61 Milliarden € im Jahr 2010.
Verarbeitendes Gewerbe: 19 600 Unternehmen 2006; heute sind es 18 800 Unternehmen mit nach wie vor 440 000 Ar beitnehmern. Der Umsatz stieg von 80 Milliarden € im Jahr 2006 auf 88 Milliarden € im Jahr 2010.
Baugewerbe: Die Zahl der Unternehmen im Baugewerbe liegt nach wie vor konstant bei 18 000. Die Beschäftigtenzahl liegt bei 73 000. Der Umsatz wurde in dem genannten Zeitraum von 11 Milliarden € auf 12 Milliarden € gesteigert.
Freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleis tungen: Die Zahl der Unternehmen stieg von 16 000 im Jahr 2006 auf 17 500 im Jahr 2010. Die Beschäftigtenzahl liegt bei 37 000. Aber diese Beschäftigten waren zum Teil auch vor 2011 schon hier tätig. Die Zahlen beziehen sich auf den Zeit raum von 2006 bis 2010.
Das, was Sie hier heute als Erfolg des ländlichen Raums dar gestellt haben, das ist nicht der Erfolg der jetzigen Landesre gierung, sondern das Ergebnis der Arbeit der Vorgängerregie rung. Das muss man hier ganz klar betonen.
Was sagen uns diese Angaben? Die ideologische Stoßrichtung der Grünen, die erneuerbaren Energien und den Ökolandbau als Zukunftsbranchen des ländlichen Raums darzustellen, trägt nicht.
Wer den ländlichen Raum auf die Rolle der Windkraftstellflä che und des Naturkostlieferanten reduziert, hat das wirtschaft liche Erfolgskonzept Baden-Württembergs nicht verstanden.
In der Antwort der Landesregierung zur Großen Anfrage Drucksache 15/3942 heißt es – das ist bemerkenswert –:
Insgesamt hat der ländliche Raum bereits heute einen überdurchschnittlichen Anteil an der Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien. Der von der Landesregierung forcierte Ausbau der Windenergie steigert weiter die Be deutung des ländlichen Raumes für die Energieerzeugung. Damit verbunden kann ein Anstieg der regionalen Wert schöpfung erwartet werden.
Diese Wertschöpfung ist allerdings ohne Substanz. Sie baut allein auf der Zuweisung von Subventionen auf. Hierbei han delt es sich nicht um Wertschöpfung im ländlichen Raum, son dern um Kapitalabschöpfung aus dem ländlichen Raum.
Die wirtschaftliche Bedeutung der erneuerbaren Energien für den ländlichen Raum wird hier erstens überhöht und zweitens einseitig dargestellt.
Man muss hier auch einmal erwähnen: 2010 waren im Ener gieversorgungsbereich im ländlichen Raum gerade einmal 4 900 Arbeitnehmer beschäftigt. Selbst wenn man Teile des
Sektors „Technische Dienstleistungen“ hinzurechnet, bleibt die Bedeutung der erneuerbaren Energien mit Blick auf die Beschäftigungszahlen überschaubar.
Gleichzeitig werden die Belastungen, welche die erneuerba ren Energien für den ländlichen Raum mit sich bringen, in der Antwort der Landesregierung praktisch nicht erwähnt. Die Energiekosten steigen zulasten von Unternehmen und Verbrau chern. Ich will daran erinnern: Die Gesamtbelastung durch die EEG-Umlage ist von 2,2 Milliarden € im Jahr 2002 auf 23 Mil liarden € im Jahr 2013 gestiegen.
Hier entsteht eine Ökoblase, deren Belastungswirkung von der Regierung nicht erwähnt wird. Durch den Bau von Wind rädern kommt es zu einer Wertminderung von mühsam erspar ten Eigenheimen – heute gibt es mehr Bürgerinitiativen ge gen Windkraftanlagen als Bürgergenossenschaften für deren Betrieb – und...
... – ich bin gleich so weit – einer touristischen Entwertung attraktiver Landschaften.
Zudem stellt sich beim Bau von durchschnittlich elf neuen Windrädern pro Jahr unter Grün-Rot die Frage, wie dies zu einer nennenswerten Wertschöpfung im ländlichen Raum füh ren soll. Maßgeblich war hierbei auch die Verzögerung aller Maßnahmen um eineinhalb Jahre durch das neue Landespla nungsgesetz. Ich denke, der unter dem früheren Minister Ernst Pfister erstellte Windkraftatlas hätte dieser Landesregierung geholfen, schneller in die Windkraft einzusteigen, und die Ak zeptanz in der Bevölkerung wäre wahrscheinlich auch größer gewesen.
Ich komme zum Schluss. – Ähnlich verhält es sich mit dem Ökolandbau.
Sicherlich wäre ein höherer Anteil der Ökolandbaufläche aus gesamtlandwirtschaftlicher Sicht zu begrüßen.
Wenn aber im Jahr 2013 von den insgesamt 42 000 landwirt schaftlichen Betrieben nur 3 300 Betriebe nach den entspre chenden Vorgaben arbeiteten,...
... kann dies keine Schlüs selbranche sein.
Danke schön.
Herr Minister, danke, dass Sie meine Frage zulassen.
Wir sprechen heute über Wertschöpfung, über Arbeitsplätze im ländlichen Raum. Mir wäre es schon wichtig, dass Sie er läutern, welche Maßnahmen Sie für den ländlichen Raum, für die dortige Infrastruktur ergreifen.
Wir haben jetzt wieder sehr viel über Landwirtschaft gespro chen. Aber ich glaube, die vorhin genannten Statistiken haben gezeigt, wo die Schwerpunkte im ländlichen Raum liegen. Mir fehlt von Ihnen eine substanziierte Aussage dazu, was Sie ge tan haben, und dazu, was Sie wirklich vorhaben.
Danke, Frau Kollegin Sitz mann, dass Sie die Frage zulassen.
In welche Verbindung, glauben Sie, ist die Landesregierung seit 2011 mit dem wirtschaftlichen Aufschwung, mit der Kon junktur in Baden-Württemberg und in Deutschland zu brin gen? Ich frage Sie dies, weil Sie das vorhin thematisiert ha ben. Die Zahlen, die ich genannt habe, umfassten nur den Zeit raum bis 2010, also bis kurz nach der Krise. Seither haben wir einen konjunkturellen Aufschwung zu verzeichnen.
In welche Verbindung brin gen Sie die Landesregierung seit 2011 mit dem wirtschaftli chen Aufschwung in Baden-Württemberg?
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was erwarten die Bürgerinnen und Bürger von Europa? Ganz klar: dass wir die EU besser ma chen, dass wir sie transparenter, demokratischer und auch er folgreicher machen. Europa braucht eine neue Kultur der Sta bilität und Verantwortung für Banken und Staaten. Der Fi nanzsektor darf nicht länger von Steuerzahlern gerettet wer den. Für Staaten darf es Hilfe nur bei entschlossenen Refor men geben, damit Europa zur Stabilitätsunion wird.
Auch ein Insolvenzrecht für Staaten, das einem Mitgliedsstaat einen Austritt aus der Eurozone ermöglicht, gilt es zu etablie ren.
Eine starke Wirtschaft und solide Haushalte sind die Grund lagen für Wachstum. Unternehmer müssen in ihrer Kreativi tät und Tatkraft gestärkt werden, damit mehr Menschen Ar beitsplätze und mehr Chancen bekommen.
Wir müssen durch eine Bildungsoffensive die Jugendarbeits losigkeit in den Mitgliedsstaaten entschlossen bekämpfen. Ei ne Jugendarbeitslosenquote von über 50 % wie in Griechen land ist nicht akzeptabel. Dieses Problem muss an Ort und Stelle angepackt werden. Unterstützen wir Länder, die Prob leme haben, mit der dualen Berufsausbildung, und helfen wir beim Aufbau von notwendiger Infrastruktur!
Europa setzt auf Wirtschaftswachstum. Dies zieht Zuwande rung an. Wie gehen wir damit um? Diese Frage muss geklärt werden. Sie betrifft die Außengrenzen der EU.
Wenn immer wieder von einer Willkommenskultur gespro chen wird, sollte genauer von einer gemeinschaftlichen Auf nahmekultur gesprochen werden. Das ist es nämlich, was wir brauchen. Warum führen wir in der EU nicht europaweit ein gemeinsames Punktesystem ein, wie es z. B. die Kanadier vor bildlich haben?
Die EU hat zweifellos aus früheren Länderbeitritten gelernt. Ganz so schnell geht es nicht mehr. Die Frage ist aber, ob es nicht immer noch zu schnell geht.
Hat die EU mit Kroatien nicht vielleicht einen neuen Kandi daten für den Rettungsschirm geholt? Das, was in Ungarn pas siert, darf auch an uns nicht ruhig vorbeigehen. Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit sind erlaubt.
Hinter Verhandlungen zum Beitritt von Serbien und zu einer Assoziierung des Kosovo, die als Einzelstaaten kaum überle bensfähig sein dürften, müssen wohl Fragezeichen gemacht werden, genauso hinter angekündigten neuen Verhandlungs runden mit der Türkei. Das Land entfernt sich – das wurde schon öfter angesprochen – auch von Merkmalen der Rechts staatlichkeit als Bedingung für eine Mitgliedschaft in der EU.
Die FDP steht für eine Politik der sozialen Marktwirtschaft, die auf Wettbewerb setzt und dem Mittelstand Chancen eröff net.
Sie fordert eine gemeinsame EU-Politik für bezahlbare Ener gie durch ein europäisches Mengenmodell. Die FDP fordert Investitionen in die Zukunft, in die digitale Wirtschaft, in For schung, Entwicklung und Infrastruktur. Das braucht Europa.
Enthüllungen über Ausspähungen durch internationale Ge heimdienste machen deutlich, dass eine gemeinsame Antwort aller Europäer erforderlich ist. Bürger dürfen nicht pauschal unter Verdacht gestellt werden.
Die Liberalen – angefangen mit den Liberalen hier in BadenWürttemberg – haben dafür gekämpft, dass die Bankdaten
oder Fluggastdaten von Millionen von Europäern nicht an lasslos gesammelt, gespeichert oder ohne konkreten Verdacht an Drittstaaten weitergegeben werden.
Nicht verwundern darf uns, dass die NSA auch Wirtschafts spionage betreibt. Ich hatte erst jüngst die Gelegenheit, auch aufgrund von Daten des Verfassungsschutzes hier im Haus da rauf hinzuweisen, dass der Schaden für die Wirtschaft in Ba den-Württemberg durch Spionage auf jährlich 7 Milliarden € geschätzt wird.
Weitere Ziele von uns sind weniger Bürokratie und weniger überflüssige Regulierung aus Brüssel, dafür aber mehr Ge meinsamkeit dort, wo ein starkes Europa benötigt wird: bei Fragen der gemeinsamen Währung und im Binnenmarkt, in der Handelspolitik, in der Energiepolitik und in der Rechts politik, in der Außenpolitik und in der Sicherheitspolitik. Au ßerhalb dieser Kernbereiche wollen wir möglichst viel Spiel raum für mitgliedsstaatliche und regionale Regelungen lassen und subsidiaritätswidrige Vorschläge der EU-Kommission ab lehnen.
Mehr Demokratie, starke Parlamente, eine starke, aber kleine Kommission und transparente Entscheidungen, das braucht Europa.
Wir unterstützen selbstverständlich auch den gemeinsamen Antrag aller Fraktionen hier im Haus, mit dem wir uns dafür einsetzen, dass der europäische Abwicklungsmechanismus si cherstellen muss, dass insolvente Kreditinstitute nicht dauer haft subventioniert werden und dass die Abwicklung solcher Institute in der richtigen Reihenfolge erfolgt. In erster Linie sind die Eigenkapitalgeber heranzuziehen, in zweiter Linie die Fremdkapitalgeber und erst danach auch die Einleger un ter Berücksichtigung der in den Mitgliedsstaaten geltenden Einlagensicherungssysteme. Eine Doppelbelastung deutscher Sparkassen und Genossenschaftsbanken durch nationale Re strukturierungsfonds und einen einheitlichen europäischen Abwicklungsfonds ist inakzeptabel. Die Basel-III-Kriterien haben von Anfang an für Kritik gesorgt. Die Regeln sind zu wenig variabel bezüglich der spezifischen Eigenschaften von Geldinstituten.
Sowohl Banken als auch Unternehmen des Mittelstands kla gen über noch mehr Bürokratie. Ergebnis: Investitionen blei ben aus, da es noch schwieriger und noch umständlicher ge worden ist, an Kredite heranzukommen.
Meine Damen und Herren, es geht um unser gemeinsames Haus Europa. Dieses Europa ist unsere Chance. Dieses Haus kann nur infrage stellen, wer aus populistischen Gründen Ob dachlosigkeit vorzieht. Wir haben es selbst in der Hand, wie dieses gemeinsame Haus eingerichtet wird. Reden wir da mit!
Am 25. Mai sind die Bürgerinnen und Bürger in diesem ge meinsamen Haus aufgerufen, mitzureden. Aber eine Wahlbe teiligung von zuletzt europaweit 43 % – in Deutschland wa ren es gerade einmal 0,3 Prozentpunkte mehr – muss uns doch zu denken geben. Dass die Landesregierung Maßnahmen zur Steigerung der Wahlbeteiligung ankündigt, klingt eher rüh rend und hilflos. Ob Putztücher für Smartphones, Bustouren oder Backwaren die Wähler an die Urnen rufen werden