Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Herzlichen Gruß an die Zuhörerinnen und Zuhörer. Ich nehme unsere Haltung vorweg: In unseren Augen gibt es in Baden-Württemberg einen klaren Rahmen, der Kommunen Spekulationsgeschäfte untersagt. In der Aus legung der §§ 87 und 88 der Gemeindeordnung sind solche Geschäfte für die Kommunen untersagt. Wir sehen keinen Be darf, dass man eine weitere gesetzliche Änderung anstrengt.
Sie haben selbst angesprochen, dass man über Verwaltungs vorschriften, über eine Konkretisierung eines Derivateerlas ses reden kann. Dafür wollen wir uns gern offen zeigen. Bis lang ergibt sich aber nicht die Notwendigkeit, dass man ge setzlich etwas ändern muss.
Ich meine, es nimmt auch in einer gewissen Weise fragwür dige Züge an, wie die FDP die Kommunen darstellt. Was wir zu hören bekommen, wenn wir in die Kommunen hineinhö ren, ist, dass sich die große Mehrheit der Kommunen an das Spekulationsverbot hält. Sie dagegen konstruieren hier für ei ne Regelung eine Notwendigkeit, die es gar nicht gibt. In Ih rer Gesetzesbegründung, Herr Dr. Rülke, schreiben Sie von „Hunderten von Fällen“. Wo sind denn diese Hunderte von Fällen in Baden-Württemberg? Wo sind die denn?
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wenn Sie zu gehört hätten, wüssten Sie es! Wenn Sie nicht das, was Sie da vorlesen, vorher schon geschrieben hätten! – Gegenruf des Abg. Walter Heiler SPD: So viele Ge meinden haben wir gar nicht in Baden-Württemberg!)
Beim letzten Mal haben wir uns hier auch schon darüber un terhalten. Damals habe ich vom FDP-Vorgang in Pforzheim gesprochen. Damals wollte Ihre FDP-Oberbürgermeisterin spekulative Geschäfte eingehen. Das ist der einzige Fall, der uns bekannt ist.
Wenn also die Gemeinderätinnen und Gemeinderäte, die Käm merer – darauf hat Kollege Klein hingewiesen –, die Rathaus chefs verantwortungsvoll mit den Anlagen und Anlagemög lichkeiten und den Finanzen ihrer Kommune umgehen und sich an die derzeitigen Rahmenbedingungen halten – das ma chen sie in aller Regel –, dann gibt es keinen weiteren gesetz lichen Änderungsbedarf.
Für die schwarzen Schafe, diese Einzelfälle, brauchen wir in meinen Augen kein Gesetz. Vielmehr brauchen wir eine schar fe Kommunalaufsicht, und die gibt es in Baden-Württemberg.
Wenn Sie jetzt sagen: „Wir müssen darüber reden, ob speku lative Finanzgeschäfte nicht insgesamt untersagt werden sol len, weil das moralisch verwerflich sein könnte“, dann kön nen wir gern darüber sprechen. Dann befinden wir uns aber im Bereich des Banken- und Kapitalmarktrechts. Da hat das Land nun einmal keine Gesetzgebungskompetenz. Dafür wä re der Bund als Gesetzgeber zuständig.
Ich finde, es ist in einer gewissen Weise eine freche Unterstel lung, wie Sie die Kommunen darstellen. Sie gehen nämlich davon aus, die Kommunen wüssten nicht, wie man ordentlich mit Geld umgeht. Das ist nicht unsere Sicht der Dinge. Wir denken, die Kommunen sind sehr wohl in der Lage, mit ihrer Finanzwirtschaft, mit den Steuergeldern der Bürgerinnen und Bürger sorgsam und ordentlich umzugehen.
Ich habe es vorhin angesprochen: Es gibt Handlungsmöglich keiten unterhalb der Gesetzgebung – Richtlinien und Empfeh lungen –, die das Innenministerium oder die kommunalen Landesverbände herausgeben.
Hier ist der Derivateerlass zu nennen. Er setzt in meinen Au gen schon einen eindeutigen Rechtsrahmen.
Ich sehe keinen Bedarf, dass man jetzt aktuell an ein Gesetz herangeht, dass man eine Verwaltungsvorschrift macht, dass man eine Richtlinie ändern muss. Da sehe ich keinen Bedarf. Wir haben diesen Einzelfall Pforzheim, den Sie selbst auch sehr gut kennen. Darüber hinaus gibt es nicht diese Vielzahl von Fällen, die Sie konstruieren.
Wenn aber irgendwann ein Bedarf bestehen sollte, haben wir mit dem Derivateerlass, mit der Kommunalaufsicht und mit der Gemeindeprüfungsanstalt – dem Pendant zum Rechnungs hof – genügend Institutionen, die diesem Herr werden kön nen.
Daher kann man unseres Erachtens im Finanzausschuss oder im Innenausschuss gern noch einmal darüber diskutieren. Wir sehen aber momentan keinen Bedarf, die Gemeindeordnung hier anzupassen.
Frau Präsidentin, meine lieben Kol leginnen und Kollegen! Herr Dr. Rülke, Sie haben viele Fäl le aus Nordrhein-Westfalen genannt.
Sie haben viele Fälle aus Sachsen genannt. Sie haben keinen einzigen Fall genannt, in dem eine Kommune aus BadenWürttemberg betroffen ist
ja, das ist die große Frage –, außer dem Fall Pforzheim. Ich denke, das ist der wahre Ausgangspunkt Ihres Gesetzentwurfs. Sie wollen sich selbst schützen; so sieht es fast aus.
Denn es war die Oberbürgermeisterin von Pforzheim, Ihre Parteikollegin, die vor sieben oder acht Jahren Spekulations geschäfte gemacht hat, die die Stadt Pforzheim – nach mei nem Wissensstand – letztlich 57 Millionen € gekostet haben. Meine Vorredner, Herr Kollege Klein und Herr Kollege Schwarz, haben es gesagt. Ich brauche es nicht in epischer Breite zu wiederholen.
In Baden-Württemberg ist die Rechtslage eindeutig. Speku lationsgeschäfte sind den Kommunen strikt verboten.
Ich habe den Bericht der GPA aus dem Jahr 2008 mitgebracht – Sie haben den Bericht aus dem Jahr 2009 zitiert –, in dem sich die GPA mit diesen Problemen in besonderer Weise be schäftigt. Ich muss daraus vorlesen. Zitat:
In Ergänzung der besonderen Verantwortung der öffent lichen Hand bei der Verwaltung der ihr quasi treuhände risch überlassenen (Steuer-)Mittel sind bei der kommu nalen Aufgabenerfüllung die Gebote von Wirtschaftlich keit und Sparsamkeit (§ 77 Absatz 2 GemO) zu beachten.
Zwei Seiten weiter steht klar, was verboten ist und was nicht. Unter der Überschrift „Für Kommunen gilt striktes Spekula tionsverbot“ heißt es:
Den Kommunen sind ihrer Aufgabenstellung und dem Ge bot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit entsprechend spekulative Finanzgeschäfte zur Erwirtschaftung separa ter Gewinne untersagt. Allgemein hat ein Finanzinstru ment bereits dann spekulativen Charakter, wenn dessen Ertragsseite variabel und zusätzlich das Risiko eines Ka pitalverlustes wahrscheinlich ist.
Das ist die Rechtslage in Baden-Württemberg. Hinzu kommt – ich habe es schon in einer Aktuellen Debatte vor drei Mo naten gesagt –, dass dazu eigentlich auch ein gesunder Men
schenverstand gehört, der bei unseren Oberbürgermeisterin nen und Oberbürgermeistern, bei den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, bei den Stadträtinnen und Stadträten und bei den Gemeinderätinnen und Gemeinderäten hier in BadenWürttemberg in ganz großem Maß vorhanden ist.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Genau! – Abg. Alfred Winkler SPD: Außer in Pforzheim!)
Herr Kollege Schwarz hat es erwähnt: Es gibt hier in BadenWürttemberg kaum Fälle, in denen Kommunen gegen das Spekulationsverbot verstoßen haben. Jeder Oberbürgermeis ter und jeder Bürgermeister müsste die Rechtslage eigentlich kennen, und ich glaube, sie kennen sie auch: durch Berichte der GPA, durch viele Mitteilungen des Städtetags, des Ge meindetags, des Ministeriums usw.
Jetzt frage ich Sie: Denken Sie, diejenigen Bürgermeister und Oberbürgermeister, die schon die jetzige Gesetzeslage nicht beachten, würden die Gesetzeslage beachten, wenn man das Gesetz in Ihrem Sinn ergänzen würde?
Zum gesunden Menschenverstand: Das Wort „spekulieren“ kommt aus dem Lateinischen, von „speculari“. Das bedeutet, frei übersetzt, darüber nachdenken, sprechen oder handeln, wie sich etwas, über das man nicht viel weiß, entwickeln wird. Wenn es sich um solch spekulative Geschäfte handelt, dann lassen die kommunalpolitisch Verantwortlichen in BadenWürttemberg in aller Regel – außer in dem Fall in Pforzheim, dem Fall, der mir bekannt ist – die Hände davon weg, und das ist auch richtig so, meine Damen und Herren.
Jetzt darf ich noch zur Frage der Nichtigkeit kommen. Herr Dr. Rülke, ich gebe offen zu, dass Ihr Ansatzpunkt sehr inte ressant ist. Wenn ich den Münchener Kommentar, Palandt und Ähnliches in die Hand nehme – – Lieber Kollege Uli Sckerl, das gibt es heute noch, und wir kennen es nicht nur aus unse rem Studium.