Protocol of the Session on June 28, 2012

Dabei entpuppten sich die Zinsderivate nach genauer Analyse jetzt als hoch spekulative Geschäfte, die – ver kaufsfördernd – unter dem Deckmantel zulässiger Zins swaps vertrieben wurden. Aus diesen Swaps entstehen im Moment Verluste in Milliardenhöhe für Kommunen.

So weit der Bericht etwa der Kanzlei Rössner Rechtsanwälte aus München.

Offensichtlich können Kommunen aufgrund der Komplexität dieser Finanzprodukte nicht in allen Fällen zwischen Zinsop timierungen, die legal sind und die wir auch für die Zukunft nicht infrage stellen wollen, und rein spekulativen Derivaten unterscheiden.

(Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Die Frage der Konnexität ist hier offensichtlich nicht hinrei chend geklärt.

Deshalb wäre ein Vorteil einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, dass damit auch ein Verstoß gegen diese Vorschrift mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit sanktioniert würde. Scha densersatzansprüche könnten dann nicht mehr mit dem Hin weis auf angeblich ausführliche Beratungsgespräche,

(Vereinzelt Heiterkeit)

in denen die Funktionsweise wie die Risiken entsprechender Produkte umfassend dargestellt worden seien, abgewehrt wer den. Damit wäre zugleich sichergestellt, dass Banken eben kein Interesse mehr daran haben können, Kommunen entspre chende spekulative Papiere zu verkaufen.

In dieselbe Richtung geht übrigens auch die Empfehlung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Das sagt also nicht die FDP, das sage nicht ich, sondern das sagt das Deut sche Institut für Wirtschaftsforschung. Ich zitiere:

Offenbar sind allein im Jahr 2005 von der WestLB mit Hun derten von Gemeinden in Nordrhein-Westfalen Swap-Ge schäfte (Zinswetten) immer nach dem gleichen Muster im Wert von insgesamt 4,1 Milliarden € abgeschlossen worden.

Es sind also keineswegs wenige Fälle.

(Abg. Walter Heiler SPD: Den Kommunen in Nord rhein-Westfalen nützt aber unser Gesetz nicht viel!)

Es ist erstaunlich, dass in Deutschland der Gesetzgeber so lange zögert, mit einer dringend erforderlichen Geset zesänderung die Spekulationsgeschäfte von Bundeslän dern, Kommunen und anderen öffentlichen Einrichtungen grundsätzlich für rechtsunwirksam zu erklären.

Das gilt eben nicht nur für Nordrhein-Westfalen.

Gleichzeitig steht aber bisher in Zweifel, ob solche Deri vat- und Termingeschäfte gegen den Grundsatz des Spe kulationsverbots nach § 88 GemO verstoßen und damit nicht grundsätzlich rechtsunwirksam sind. Daher muss sich jetzt jede der betroffenen nordrhein-westfälischen Kommunen auf einen individuellen Klageweg begeben.... Dies führt zu zusätzlichen Kosten für den Steuerzahler.

Es wird deshalb höchste Zeit, dass endlich eine klare und einheitliche... gesetzliche Regelung erlassen wird, um hoch spekulative Derivatgeschäfte mit insbesondere syn thetischen Finanzprodukten im Kommunalbereich sowie für Bundesländer ein für alle Mal zu unterbinden. Die Kommunen und Gerichte sowie die Steuerbürger werden es dem Gesetzgeber danken. Es wäre eine flankierende Maßnahme zur Schuldenbremse.

So weit das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung.

Wenn man jetzt fragt, was das mit Baden-Württemberg zu tun hat, so muss man sagen: eine ganze Menge. Ich darf nur auf einen Artikel der „Stuttgarter Zeitung“ vom 23. Juni 2012, also vor wenigen Tagen, verweisen. Ich zitiere: Die Banken

sollen Riesa wie auch weiteren 40 sächsischen Städten, Kommunalbetrieben und Zweckverbänden Swapgeschäf te mit dem schönen Namen „Spread Ladder Swap“ auf geschwätzt haben, die sich als reine Zinswetten erwie sen.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Raufelder GRÜNE)

Bei wem landen sie jetzt? Bei unserer Landesbank BadenWürttemberg.

Adressat der Prozesswut ist stets die Landesbank BadenWürttemberg (LBBW).

Die Landesbank hat im Jahr 2008 die sächsische Landesbank übernommen. Es ist also sehr wohl auch eine Betroffenheit des Landes Baden-Württemberg vorhanden – neben den Fäl len, die aus Baden-Württemberg selbst bekannt sind.

Nun zu den Stellungnahmen der kommunalen Landesverbän de. Der Gemeindetag sagt: Grundsätzlich sei er der Meinung, es sei eigentlich keine gesetzliche Regelung notwendig. Wei ter heißt es aber – ich zitiere –:

Im Lichte der negativen Erfahrungen der letzten Jahre wäre es vielleicht angezeigt, den aus dem Jahr 1998 stam menden Derivateerlass an der einen oder anderen Stelle zu aktualisieren.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Hört, hört!)

Das zeigt, dass auch der Gemeindetag nicht sagt, es sei alles in Ordnung, es könne alles so bleiben, sondern der Gemein detag sagt klipp und klar: Es besteht Handlungsbedarf.

Ähnlich äußert sich auch der Landkreistag. Der Landkreistag spricht davon, es sei eigentlich kein Gesetz erforderlich:

Detailregelungen in der Begründung zum Gesetzentwurf könnten nach unserer Auffassung auch durch eine Ver waltungsvorschrift oder einen Erlass des Innenministeri ums vorgenommen werden.

Damit sagt der Landkreistag ebenfalls klipp und klar: Es ist nicht alles in Ordnung, es muss nachjustiert werden.

Am Weitesten in unserem Sinn äußert sich der Städtetag – ich zitiere –:

Eine explizite Verankerung eines förmlichen Verbots spe kulativer Finanzgeschäfte mit der Rechtsfolge der Nich tigkeit von Geschäften, die gegen das Spekulationsverbot verstoßen, in § 77 der Gemeindeordnung Baden-Würt tembergs könnte aber zur Rechtsklarheit und Sicherheit sowie zur besseren Durchsetzbarkeit von Rückgewähran sprüchen beitragen.

Das ist genau unsere Argumentation,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Hört, hört!)

meine Damen und Herren, und vor diesem Hintergrund möch ten wir schon herzlich an Sie appellieren, zumindest darüber nachzudenken, diesen Schritt mitzugehen.

Im Übrigen möchte ich nach dieser ersten Lesung im Parla ment darum bitten, dass wir im zuständigen Ausschuss noch intensiver darüber debattieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Klein das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte bereits bei der Aktuellen Debatte im März dieses Jahres zum Ausdruck gebracht, dass Gott sei Dank bei uns in BadenWürttemberg Spekulationsgeschäfte von Kommunen nicht an der Tagesordnung sind und dass wir bis auf sehr wenige Aus nahmefälle in Baden-Württemberg auch Gott sei Dank keine Schadensfälle zu beklagen haben. Das heißt, die Oberbürger meister, die Bürgermeister und vor allem die Kämmerer ge hen mit den Finanzen sehr verantwortlich und zuverlässig um und wissen, wie sie das Steuergeld der Bürger zu verwalten haben.

Herr Dr. Rülke, bereits bei der ersten Vorlesung an der Ver waltungsfachhochschule in Kehl wurde mir damals erklärt, es gebe ein Spekulationsverbot für öffentliche Gelder. Das ist richtig so, und dieses Spekulationsverbot besteht auf der Grundlage der Gemeindeordnung und der Gemeindehaus haltsverordnung und vor allem auch – seit 1998 – aufgrund des Derivateerlasses. Es mag sein, dass wir diesen Derivateer lass in Teilen überprüfen und entsprechend fortschreiben müs sen. Aber wir sehen im Grundsatz keinen Bedarf für eine wei tere gesetzliche Regelung in der Gemeindeordnung.

Aus Ihrem Gesetzentwurf geht es hervor: Spekulative Finanz geschäfte sind verboten. Das Kind würde da einen Namen in der Gemeindeordnung bekommen, aber in der Gesetzesbe gründung stünde dann eigentlich genau das, was auch im De rivateerlass steht, nämlich was spekulative Geschäfte sind und wovon die Kommunen ihre Hände zu lassen haben.

Eines möchte ich auch noch feststellen: Meine Damen und Herren, wenn ein Kämmerer, ein Oberbürgermeister oder Bür germeister ein Finanzgeschäft wirklich nicht durchschaut, sollte er doch am besten die Hände davon lassen. Dann ent steht auch kein Schaden für die Kommune und für die öffent liche Hand.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf von der SPD: Sehr gut! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/ DVP: Aber es machen halt leider nicht alle!)

Es ist derzeit schon so, dass die Banken genau wissen, dass den Kommunen spekulative Finanzgeschäfte verboten sind und aus diesem Grund auch eine verstärkte Informations- und Aufklärungspflicht besteht. Wenn sich die Banken nicht da nach richten, sind sie eben zum Schadensersatz verpflichtet. Deshalb sehen wir im Moment keine Notwendigkeit, weiter gehende gesetzliche Regelungen zu schaffen.

Herzlichen Dank.

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Kollegen Schwarz das Wort.

Ich möchte zuvor ganz herzlich die Glücksbringerinnen und Glücksbringer, die Schornsteinfegerinnen und Schornsteinfe ger auf der Zuhörertribüne begrüßen.

(Beifall bei allen Fraktionen – Zuruf des Abg. Wal ter Heiler SPD)

Bitte schön, Herr Kollege Schwarz.