Protocol of the Session on June 27, 2012

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: „Verursacher“? Frie denspolitik!)

Bislang gibt es aus Berlin kein Signal, dass die Bund-LänderFörderprogramme an die anstehende Konversionsproblema tik angepasst werden.

(Zuruf des Abg. Alexander Throm CDU)

Hingegen ist sich die grün-rote Landesregierung ihrer Verant wortung bewusst und hat, Herr Mack, tatsächlich reagiert, und zwar nicht nur mit den zwei Konversionskonferenzen im ver gangenen Dezember und April. Das für den ländlichen Raum federführende Ministerium hat eine räumliche Wirkungsana lyse in Auftrag gegeben und wird anhand der Ergebnisse mit den betroffenen Kommunen Strategien und Perspektiven ent wickeln.

Es geht um die Auswirkungen der Kasernenschließungen, um die Bedeutung der Bundeswehr für Handwerk und Handel, die Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt, auf Schulen, Kin dergärten und die kommunale Finanzsituation.

(Abg. Peter Hauk CDU: Kennen Sie die noch nicht?)

Mit dieser Analyse ist jetzt hinreichend klar, Herr Hauk, in welchem Umfang die Gemeinden tatsächlich vom Bundes wehrabzug betroffen sind. Damit ist es möglich, am Ende kon sensfähige und realistische Vorschläge für eine Nachfolgenut zung zu unterbreiten.

Wir halten jedenfalls unser Versprechen, die Kommunen mit Bundeswehrstandorten in allen Phasen des Konversionspro

zesses konzeptionell zu unterstützen. Das Land ist bereit, bei der Erarbeitung von Konversionsentwicklungskonzepten 80 % der Kosten zu übernehmen. Daraus resultierende Pro jekte wird das Land mit seinen Förderprogrammen wie dem Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum oder der Städte bauförderung wirkungsvoll unterstützen. Wie von Anfang an bereits zugesagt, hat die Landesregierung die Voraussetzun gen dafür geschaffen, dass die Fördermöglichkeiten für den ländlichen Raum an die besonderen Erfordernisse der Kon version angepasst werden.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Ja!)

Die politische Verantwortung endet eben nicht mit Stillle gungskonzepten und Abzugsplänen, sondern sie muss für die betroffenen Kommunen mit einer nachhaltigen und auch im Hinblick auf die Fördermittel verlässlichen Zukunftsperspek tive verbunden sein.

Die Gemeinden brauchen Planungssicherheit. Dabei ist in ho hem Maß auch der Bund in seiner Verantwortung gefragt. Un sere Antennen in Baden-Württemberg sind auf Empfang ge stellt. Signale sind bis dato allerdings ausgeblieben.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht Kollege Grimm.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Konversion müsste neben Fußball eigentlich die schöns te Nebensache der Welt sein. Denn wenn Konversion stattfin det, heißt dies, die militärische Nutzung ist überflüssig gewor den, die Welt ist sicherer geworden, und wir können auf et was verzichten und dürfen jetzt darangehen, umzuwandeln. Man sollte nicht darüber streiten, wer welchen Fehler gemacht hat, sondern darüber diskutieren, wie man diese Probleme ge meinsam löst.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Im März haben alle Fraktionen hier noch an einem Strang ge zogen und die Landesregierung aufgefordert, sich beim Bund umfassend dafür einzusetzen, dass dieser den von der Schlie ßung von Standorten der Bundeswehr und der NATO betrof fenen Kommunen hilft.

Wozu jetzt dieser Alleingang der Grünen mit der Aktuellen Debatte? Ich denke, Sie wollen von Versäumnissen der Lan desregierung ablenken, indem Sie jetzt mit dem Finger auf den Bund zeigen.

(Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Reden wir nicht um den heißen Brei herum: Das Land muss sich mit den Kommunen zusammensetzen und diese unter stützen, allerdings nicht mit der Gießkanne, sondern zielge richtet, dezentral, jeweils nach den unterschiedlichen Stand orten.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Was erwarten Sie jetzt vom Bund?)

Die Auflösung militärischer Standorte bietet den betroffenen Kommunen auch hervorragende Entwicklungschancen. Sie haben Platz für öffentliche Einrichtungen, Innenstadtentwick lung oder Industrieansiedlungen. Sogar für alternative Ener gien tun sich unverhoffte Möglichkeiten auf, und das in voll erschlossenem Gelände. Auch durch Renaturierung kann man der Entwicklung noch eine positive Seite abgewinnen. Ich denke, Beispiele wie Münsingen, Tübingen, Neuhausen oder jetzt Immendingen sprechen dafür.

Die FDP/DVP fordert deshalb die Landesregierung dringend auf, im Zuge der Standortschließungen bzw. -reduzierungen sozial verträgliche Lösungen für die betroffenen Zivilbeschäf tigten zu finden, notwendige Arbeitsplatzveränderungen so zial abzufedern und Standortgemeinden Zukunftsperspekti ven mit Planungssicherheit für die Schaffung und die Erhal tung sozialer, schulischer und kultureller Angebote sowie sonstiger Infrastruktureinrichtungen zu geben.

Die Landesregierung hat es versäumt, vorsorglich entspre chende Mittel im Haushalt für die Konversionszwecke bereit zustellen. Die von SPD und Grünen geforderte Mittelaufsto ckung im Städtebauprogramm und bei der Gemeinschaftsauf gabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ sind vor dem Hintergrund der notwendigen Haushaltskonsolidie rung und dem Vorwurf der SPD, die Koalition spare nicht ge nügend, ein bisschen als scheinheilig zu bewerten.

Darüber hinaus ist die Koalition in Berlin bereits tätig gewor den und hat im Haushaltsausschuss in Form eines Maßgabe beschlusses den Kommunen auch das Erstzugriffsrecht ein geräumt. Dadurch werden die Kommunen, was die sich erge benden strukturellen Probleme angeht, entlastet. Eine verbil ligte Abgabe hätte angesichts der nötigen Haushaltskonsoli dierung negative Folgen und würde reichen Kommunen ei nen Vorteil verschaffen.

Die FDP/DVP-Fraktion weist darauf hin, dass das Land die betroffenen Kommunen bei der Abwicklung des Konversions prozesses mit verschiedenen Förderprogrammen von Land und Bund finanziell unterstützen kann.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Das heißt einfach: Geld folgt Ideen. Unter diesem Motto soll ten die möglichen Förderinstrumente auch genutzt werden. Wir wollen hier nur die drei wichtigsten Fördermaßnahmen nennen: Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum, städtebau liche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen und Mittel ausgleichstock im Bereich des Innenministeriums. All dies hätte in einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen einflie ßen können. So aber bleibt der Eindruck, Ihnen von den Grü nen, meine Damen und Herren, ist es nur um ein polemisches Ablenkungsmanöver gegangen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Lernen Sie von den Bienen: Gehen Sie mit Fleiß an die Kon version heran, und helfen Sie den betroffenen Kommunen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Georg Nelius SPD)

Für die Landesregierung spricht der Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Alex ander Bonde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident! Ich bin über die Auftritte der bei den Oppositionsfraktionen in dieser Debatte etwas erstaunt.

(Zurufe von den Grünen: Wir auch!)

Es ist schon bezeichnend, dass Sie sich in der Situation, in der Sie sich für das Interesse des Landes Baden-Württemberg, für das Interesse der Kommunen in Baden-Württemberg oder für die Loyalität gegenüber Ihren Parteibrüdern in Berlin,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: „Brüder“! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Schwestern! – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

die unsere Kommunen im Stich lassen, entscheiden müssen, wahrlich nicht als Patrioten gezeigt haben.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zurufe von der CDU: Zuhören! – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Herr Mack, Sie haben in Ihrer Rede wieder gezeigt, dass Ih nen die Partei über das Land geht. Davon haben die Leute in diesem Land wirklich die Nase voll.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Dann haben Sie hier ein Schauspiel aufgeführt und gesagt, ich sei verantwortlich dafür, dass 2004 die Regelungen der BImA zum Nachteil der Kommunen geändert wurden. Es ist Ihr gu tes Recht, ahnungslos zu sein. Aber ich rate Ihnen davon ab, dies auch noch sehr offen zu dokumentieren. Im Jahr 2004 gab es die BImA überhaupt noch nicht.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Blatt schuss! – Abg. Winfried Mack CDU: Der Haushalts ausschuss hat getagt!)

Die Zuständigkeit für die Vermarktung von Bundeswehrlie genschaften ging 2008 vollständig auf die BImA über. Die Kundigeren von Ihnen wissen, wer damals regiert hat. Inso fern bitte ich, die Argumente erst zu recherchieren, bevor man sie hier vorträgt.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Jetzt komme ich zur Situation. Wir haben vor Kurzem gemein sam über alle Fraktionen hinweg den Bund aufgefordert, hier seiner Verantwortung gerecht zu werden. Am 27. Oktober des letzten Jahres hat Bundesverteidigungsminister de Maizière in der Nachfolge seines Vorgängers, des Herrn von und zu Guttenberg, die Bundeswehrreform verkündet und konkreti siert. Da haben wir erfahren, welche Standorte in Baden-Würt temberg betroffen sind. Bei uns werden vier Standorte kom plett geschlossen und vier weitere Standorte fast vollständig aufgegeben. Die Betroffenheit ging quer durch das Land. Die Entscheidung bedeutet einen Abbau von 9 600 Dienststellen, davon 7 000 im ländlichen Raum.

Wir haben den Bund damals gemeinsam aufgefordert, seiner Verantwortung gerecht zu werden und sich dafür einzusetzen, dass die Gemeinden eine faire Chance bekommen, mit dieser schwierigen Herausforderung umzugehen.

Ich finde, die heutige Debatte trägt den richtigen Titel. Denn wir können einmal festhalten: Trotz mehrfachen Beschlusses der Ministerpräsidentenkonferenz, also von allen 16 Ländern, bewegt sich der Bund beim BImA-Gesetz nicht. Das heißt, es wird der BImA auch weiterhin nicht erlaubt, strukturpolitisch bedingte Anpassungen bei den Preisen vorzunehmen. Das be deutet, der Bund blockiert.

Weiter liegt bei allen Fragestellungen, was Hilfestellungen des Bundes zur Unterstützung der Konversionsanstrengungen der Gemeinden und des Landes angeht, bis heute nichts auf dem Tisch. Auch hier blockiert der Bund.

(Unruhe)

Ich finde, jetzt ist es auch die Aufgabe des Parlaments, deut lich zu machen, dass Baden-Württemberg es nicht zulässt, dass sich der Bund vollständig aus seiner Verantwortung für die Konversionsgemeinden stiehlt.