(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Hel mut Walter Rüeck CDU: Bravo! – Zuruf der Abg. Be ate Böhlen GRÜNE)
Die Frau Bundeskanzlerin gehört immerhin der CDU an, und zwar ohne dass es eine Quote gegeben hätte, und die CDU stellt dazu noch zwei Ministerpräsidentinnen in den Bundes ländern.
Ich will die Leistungen der SPD-Frauen in keiner Weise schmälern. Sie haben für die Frauen sehr viel getan.
Eines steht fest: Auf je den Fall muss die Repräsentanz besser werden; wir können so nicht weitermachen. Aber ich denke, das ist Sache der Partei en und des innerparteilichen Prozesses, und ich möchte uns alle ermuntern, dabei nicht nachzulassen.
Wichtig ist vor allem, dass es Frauen sind, die andere Frauen ermuntern. Frauen müssen Frauen ansprechen und dürfen dies nicht den Männern überlassen. Denn nur sie sind als Werbe rinnen glaubwürdig.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Gurr-Hirsch, ich nehme Ihnen persönlich ab, dass Sie sich in Ihrem Aktions feld sehr für die Sache der Frauen einsetzen. Das glaube ich Ihnen, und ich glaube auch, dass Sie erfolgreich waren, als es um die paritätische Besetzung von Listen ging. Das finden wir hervorragend. Allerdings ist das nicht die Regel. Es kann nicht sein, dass es nur vom Engagement einzelner Frauen abhängt, ob Frauen in Zukunft ausreichend in Parlamenten repräsen tiert sind. Deswegen müssen wir etwas ändern.
Noch nicht. – Nicht umsonst hat der Landesfrauenrat nun diese Kampagne unter der Über schrift „Halbe Kraft reicht nicht“ gestartet. Der Landesfrau enrat hat diese Kampagne ausdrücklich mit dem Ziel gestar tet, das Kommunalwahlrecht entsprechend zu ändern. Zu den Erstunterzeichnerinnen und Erstunterzeichnern – diese gibt es auch – gehören nicht nur unsere Ministerin für Arbeit und So zialordnung, Frau Altpeter, und die Vizepräsidentin des Land tags, Brigitte Lösch, sondern, Herr Kollege Goll, dazu gehört z. B. auch Gabriele Heise, die Generalsekretärin der FDP in Baden-Württemberg. Ich würde Ihnen dringend empfehlen, mit ihr einmal das Gespräch darüber zu suchen, wie man das Kommunalwahlrecht ändern soll,
Weil uns so oft entgegengehalten wird, das gehe verfassungs mäßig gar nicht – das ist aber oftmals ein vorgeschobenes Ar gument, ein wahres Totschlagargument –, haben wir als grü ne Fraktion gesagt: Lassen wir doch einmal von einer Kanz lei prüfen, ob es, auch unter den besonderen Bedingungen des Kommunalwahlrechts in Baden-Württemberg, eine Möglich keit für eine verfassungskonforme Lösung gibt. Wir wissen selbstverständlich, dass es dabei darum geht, unterschiedli che, verfassungsmäßig garantierte Rechte in Abwägung und in Verhältnismäßigkeit zu bringen. Unser Auftrag ist es doch, einen Weg zu suchen, der verfassungskonform ist. Da haben wir mit dem Gutachten einen ersten Schritt getan. Wenn das zu Debatten führt wie heute, dann war das schon einmal ein guter Start, meine Damen und Herren.
Ja, es geht um die Freiheit und Gleichheit der Wahl, um die Parteienfreiheit. Es geht aber auch um die Förderung der Gleichstellung. Sie wissen, Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes lautet:
Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleich berechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
Das heißt, der Staat hat einen aktiven Part. Um diesen Part auszufüllen, reicht es nicht, dass wir uns als Gesetzgeber hin stellen und warten, bis es irgendwann besser wird, oder dass wir weiterhin nur appellieren. Gegen Appelle ist nichts einzu wenden. Aber sie haben in der Vergangenheit nicht geholfen. Deshalb wollen wir aktiv tätig sein, um die Gleichberechti gung von Frauen voranzutreiben.
Zu unserem Gutachten: Es wurde bislang noch nie untersucht, was verfassungsrechtlich in Baden-Württemberg möglich ist. Wir wollen die Möglichkeit des Kumulierens und des Pana schierens nicht einschränken. Es soll bleiben wie bisher.
Wir wollen entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismä ßigkeit Ausnahmeregelungen zulassen, wenn nicht ausrei chend geeignete Kandidatinnen für Frauenplätze oder Kandi daten für Männerplätze zur Verfügung stehen. Aber das soll die Ausnahme und nicht die Regel sein.
Das Gutachten hat eine Debatte darüber in Gang gebracht, wie das Kommunalwahlrecht verfassungskonform geändert wer den kann. Diese Debatte wollen wir führen mit dem klaren Ziel, für die nächste Kommunalwahl mehr Frauen in die Par lamente zu bringen.
Meine Damen und Herren, wenn Sie das unterstützen, dann freut uns das außerordentlich. Die Zahlen vorhin haben ge zeigt: Es wird höchste Zeit, dass sich etwas ändert. Wir wol len nicht 140 Jahre darauf warten.
Frau Kollegin Sitzmann, Sie ha ben auf die Kollegin Gurr-Hirsch reagiert, die, wie ich finde, sehr eindrücklich ihre Erfahrungen aus der Praxis dargestellt hat.
Ich bin überzeugt: Wenn wir uns gemeinsam bemühen wür den, würden wir empirisch feststellen, dass dieser Einzelfall in etwa dem Durchschnitt entsprechen dürfte.
Die Frage an Sie lautet: Geht es Ihnen nur darum, paritätische Listen zu bekommen, oder geht es Ihnen darum, Frauen in Parlamente zu bekommen?
Zweitens: Würden Sie die Förderung, die im Grundgesetz vor gesehen ist, dadurch erfüllt sehen, dass man diese zur Pflicht macht? Glauben Sie, dass das erfolgversprechend ist?
Drittens: Würden Sie aufgrund Ihrer Erfahrungen als Frau zu gestehen, dass eine Frau, die einmal auf einer Liste stand und nicht gewählt wurde, sich sehr gut überlegt, ob sie ein zwei tes Mal antritt oder nicht? Damit einhergehend die Frage:
Könnte es sein, dass Sie mit dem, was Sie gerade als Symbol politik vorhaben, genau das Gegenteil erreichen?
Wir haben einen großen Kreis von Unterstützerinnen und Unterstützern. Ich habe Ih nen Erstunterzeichnerinnen des Aufrufs des Landesfrauenrats genannt. Kollege Schmiedel hat auch schon darauf hingewie sen, dass es dabei nicht nur um Einzelpersonen geht, sondern dass ganze Verbände mit unterzeichnet haben, u. a. der Land frauenverband, Evangelische Frauen in Württemberg, DGB, Baden-Württembergische Wissenschaftlerinnen usw. Insofern stehen wir nicht allein da, sondern haben ein breites Feld an Unterstützerinnen und Unterstützern, die den Weg, im Kom munalwahlrecht eine Verbesserung hinzubekommen, mitge hen.
Um Symbolpolitik geht es uns in keiner Weise. Wenn Sie sich die Zahlen der Repräsentanz von Frauen der unterschiedli chen Parteien in den Gemeinderäten und Kreistagen genau an sehen, können Sie erkennen, dass gerade die Grünen mit der paritätischen Listenaufstellung extrem erfolgreich waren und einen Frauenanteil in den kommunalen Räten von über 40 % haben.
Bei 52 % weiblichen Wahlberechtigten ist unser Ziel, die ent sprechende Repräsentanz von Frauen in den Parlamenten si cherzustellen. Ich bin mir sicher: Je mehr Frauen im Kreistag, im Gemeinderat sind, desto mehr werden sich auch die Ar beitsbedingungen nach den Bedürfnissen der Frauen richten.
Frau Gurr-Hirsch, Sie haben die Sitzungszeiten angesprochen. Wenn der Frauenanteil niedrig ist, haben die einzelnen Frau en keine Chance, diesbezüglich etwas zu ändern. Wenn es mehr Frauen werden, werden sich automatisch auch die Rah menbedingungen verbessern, und die Attraktivität einer sol chen Position wird deutlich steigen. Frauen werden die Inte ressen von Frauen am besten vertreten. Wenn Sie, die Frauen in der CDU, dies unterstützen würden, würde es der Sache guttun.