Protocol of the Session on May 24, 2012

Kollege Sakellariou dargestellt hat. In diesen Zahlen fehlt nämlich z. B. die Anzahl der Verletzten bei den Sonderspie len, also bei Auf- und Abstiegsspielen oder Pokalspielen. Wenn wir diese Zahlen noch mit in diese Statistik einfließen lassen, dann stellen wir fest, dass sich die Zahl der verletzten Personen von 64 auf über 200 entwickelt hat, fast eine, wenn man so will, Vervierfachung dieser Zahl. Dass der Anstieg der Zahl der verletzten Polizeibeamten noch dramatischer war, muss uns eigentlich noch bedenklicher stimmen. Diese Zahl stieg in der vergangenen Saison nämlich auf immerhin 61.

Die Zahl der Straftaten ist übrigens auch gestiegen, und zwar nicht unerheblich von unter 400 in der zurückliegenden Sai son auf jetzt über 500. Auch dies, denke ich, ist allemal Grund zum Handeln. Die Zahl der gewaltbereiten Fans, die wir ken nen – ich glaube, wir kennen diese ziemlich exakt –, ist gleich geblieben und liegt in der Größenordnung 1 400; bundesweit sind es etwa 15 000.

Das heißt insgesamt: Wir müssen einfach resümieren: Die Ge walt in und um Stadien hat zugenommen. Sicherheit erfordert – ich habe es schon gesagt – beständige Anstrengungen.

Diese Anstrengungen können aber nicht bedeuten, dass wir bei jedem Spiel auch in den unteren Ligen Hunderte oder gar Tausende von Kräften einsetzen. Sie wissen – das ist bekannt –, beim Spiel KSC gegen Frankfurt waren 1 600 Polizeibe amtinnen und -beamte im Einsatz –

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Wahnsinn!)

das ist schon eine beachtliche Zahl –, rund 1 000 aus unseren Reihen, also aus den Reihen der Landespolizei Baden-Würt temberg, und 600 Bundespolizeibeamtinnen und -beamte. Am letzten Wochenende waren bei einem Oberligaspiel 500 Kräf te im Einsatz. Das ist Wahnsinn. Herr Sckerl, da teile ich Ih re Auffassung. Das können wir schlicht und ergreifend nicht leisten. Deshalb, finde ich, sind auch die Bemerkungen des ei nen oder anderen Vereinsfunktionärs – da unterscheide ich ge legentlich schon einmal zwischen Vereinen und Verbänden –, „ein bisschen mehr Polizei hätte es bei der einen oder ande ren Partie schon sein können“, nicht unbedingt hilfreich, denn die Polizei allein wird das Problem letztendlich nicht lösen können.

Fußballeinsätze, meine Damen und Herren, sind natürlich für die Polizei wichtig, aber Fußballeinsätze sind nicht die einzi ge Einsatzart, bei der die Polizei am Ball bleiben muss. Sie alle wissen das: Sicherheitslagen, Sonderlagen, wie wir sie haben – bei Stuttgart 21 sind wir seitens der Polizei noch im mer aktiv –, Dauerüberwachung von Sexualstraftätern, Ge waltexzesse und Alkoholexzesse allerorten im Land

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Hört, hört!)

erfordern natürlich überall Präsenz aus den Reihen der Poli zei. Das heißt, wir können uns nicht ausschließlich auf den Fußball konzentrieren.

Ich bin aber, wie gesagt, sehr froh, dass gute Ansätze gewählt wurden. Diese zeigen – ich will es noch einmal sagen – übri gens auch Erfolge. Die Zusammenarbeit der Landesinforma tionsstelle Sport – das gibt es auch auf der internationalen Ebene – hat uns in die Lage versetzt, rechtzeitig auf die Infor mation zu reagieren, dass im Vorfeld des Spiels Bayern Mün

chen gegen Chelsea eine sogenannte Drittortauseinanderset zung von gewaltbereiten Fans gegen Stuttgart hätte stattfin den sollen. Durch die installierten Systeme waren wir recht zeitig darauf vorbereitet, um gegebenenfalls auch eingreifen zu können.

Präventionsprojekte sind auf den Weg gebracht worden. Ich will da z. B. das Projekt dognbone.tv in Heidenheim nennen, über das ich mich natürlich auch schon informiert habe – auch unter dem Blickwinkel, ob dies für andere Vereine interessan te Ansätze bietet. Fanprojekte – das will ich anfügen; ich glau be, Herr Goll, Sie haben es gesagt – sind zum Teil angesto ßen. Dort gibt es aber deutlichen Verbesserungsbedarf. Des halb rate ich in der Tat dazu, einmal zu schauen, was andere erfolgreich machen. Da gibt es übrigens auch in unserem Bun desland Vereine, die, weil sie entsprechende Finanzmittel ha ben, auch einmal Vorbildfunktion übernehmen könnten. Die örtliche Zusammenarbeit in den Ausschüssen „Sport und Si cherheit“ funktioniert unseres Erachtens. Auch das ist ein Er gebnis des seinerzeitigen Sicherheitsgipfels. Wir werden aber schauen, was sich dort optimieren lässt.

Es genügt aber nicht – das haben Sie, Herr Goll, gerade auch noch einmal erwähnt –, wenn wir uns nur in Baden-Württem berg dieses Themas intensiv annehmen. Vielmehr muss die ses Thema bundesweit ernst genommen werden, und muss es gemeinsame Verhaltensregeln geben, z. B. was den Umgang zwischen den Fans und der Polizei anbelangt. Diese Regeln müssen dann auch überall gleich Anwendung finden und dür fen nicht in einem Bundesland anders gehandhabt werden als in anderen Bundesländern. Das heißt, ein Bundesland darf nicht großzügiger vorgehen als ein anderes oder darf sich dann nicht generös über das eine oder andere hinwegsetzen, was der Sicherheitslage sicherlich nicht dient.

Wir brauchen zweifelsohne verbesserte Zugangskontrollen, wenn man sieht, was an Pyrotechnik und an sonstigen Gegen ständen ins Stadion gelangt. Das kann nicht in Ordnung sein. Die Zugangskontrollen insgesamt müssen verbessert werden.

Wir brauchen in den Stadien, in denen das noch nicht gesche hen ist – solche Stadien haben wir auch in Baden-Württem berg –, eine bessere Trennung der einzelnen Fangruppierun gen. Das muss durch bauliche Maßnahmen geschehen.

Wir brauchen klare Regelungen, was die Anzahl der Ordner anbelangt und was die Frage betrifft, wie sie bei bestimmten Situationen einzuschreiten haben. Auch das wird vor Ort ge legentlich, finde ich, ein bisschen oberflächlich – ich will nicht sagen: fahrlässig – gehandhabt.

In einem Punkt habe ich mich auch vor Gesprächen schon festgelegt – da sollten wir wirklich „harte Kante“ zeigen, Herr Pröfrock, um einmal Ihren Sprachgebrauch aufzugreifen –: Das ist das Verbot von Pyrotechnik in Stadien. Dazu will ich ganz deutlich sagen: Zumindest aus meiner Sicht, meine Da men und Herren, darf es nicht angehen, dass wir aus Ereig nissen wie etwa beim Spiel Borussia Dortmund gegen Dyna mo Dresden – da gab es auch Verletzte, da gab es anschlie ßend Anzeigen und dann Verhandlungen – keine Konsequen zen ziehen. Der Richter hat damals aufgrund der Tatsachen, die dort ermittelt worden sind, festgestellt, es sei nur eine Fra ge der Zeit, bis in deutschen Stadien mit Toten zu rechnen sei. Das muss einem zu denken geben. Dass es dann wenige Wo

chen später beim Spiel Hansa Rostock gegen den FC St. Pau li ähnliche Vorkommnisse gab, ist nicht in Ordnung. Das zeigt, dass die Betroffenen aus solchen Hinweisen nichts lernen.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Deshalb müssen wir auch zu anderen Möglichkeiten greifen.

Viele von uns haben es beim entscheidenden Spiel Hertha BSC gegen Fortuna Düsseldorf gesehen: Dort wurde Pyro technik im Prinzip – ich sage es einmal so – als Waffe einge setzt, um den Spielverlauf zu beeinflussen oder auch, um geg nerische Fans oder gar Spieler zu gefährden.

Deshalb: Pyrotechnik gehört nicht ins Stadion. Da bin ich, meine Damen und Herren, wirklich festgelegt. In dieser Hin sicht ist der DFB meines Erachtens zu lax, indem er das Sig nal gegeben hat, darüber könnte man diskutieren. Man muss sich einfach vorstellen – Sie sehen es anhand der Fernsehbil der –: Bei diesem Verbrennungsprozess entstehen Tempera turen von fast 1 500 Grad Celsius. Man stelle sich einfach vor, was einem dann, wenn diese Pyrotechnik in die Stehränge der Stadien gelangt, dort an persönlichem Schaden zustoßen kann, aber eventuell auch an Panikreaktionen entstehen kann.

Deshalb will ich ausdrücklich sagen: Wer die Gefährdung an derer Menschen zur feierlichen Emotion und Kultur stilisiert, wie es manche tatsächlich tun, wer seine Freude nicht vom Spiel mit dem Ball, sondern vom Spiel mit dem Feuer abhän gig macht, der ist kein Fußballfan, meine Damen und Herren. Deshalb muss reagiert werden.

(Beifall bei allen Fraktionen – Abg. Walter Heiler SPD: Da musst du jedem ein C-Rohr mitgeben!)

Sie haben bestimmte Broschüren zitiert, weil man darin auch lesen kann: Emotionen respektieren, Pyrotechnik legalisieren. Dazu sage ich: Ja, ich bin dafür, Emotionen zu respektieren. Emotionen gehören zum Fußball, gelegentlich auch zur Poli tik. Natürlich muss die faszinierende Atmosphäre im Stadion auch erlebt werden können. Im Stadion muss durch Gesänge, durch andere choreografische Einlagen, die es dort gibt, auch Fankultur gepflegt werden dürfen. Über die Inhalte der Ge sänge brauchen wir uns hier wohl nicht zu streiten. Das ist al les akzeptabel. Das gehört zum Fußball dazu. Aber Pyrotech nik – dabei bleibe ich – hat im Stadion nichts zu suchen.

Wir sind uns erfreulicherweise einig, dass Handlungsbedarf besteht. Das habe ich heute Morgen spüren können. Das se hen nicht nur wir in der Politik so, das sehen auch die Verei ne so. Der Württembergische und der Badische Fußballver band haben die klare Position bezogen, dass sie das in ähnli cher Weise sehen. Diesen Eindruck habe ich. Deshalb verspre che ich mir auch tatsächlich viel davon, wenn ich mich noch vor der Sommerpause mit den Vereinen, den Verbänden, den Fangruppierungen zusammensetze, um nach gemeinsamen Lösungs- und Handlungsansätzen zu suchen.

In diesem Sinn freue ich mich über Ihre politische Unterstüt zung.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Kollege Pröfrock.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Herr Minister, Sie haben es angespro chen: Das baden-württembergische Innenministerium unter Ihrem Vorgänger Heribert Rech hat in der Vergangenheit ein enges Sicherheitsnetz zwischen den Kommunen, den Verei nen, den Verbänden und der Polizei geknüpft. Sie haben dar gestellt, dass dazu die Sicherheitsgipfel 2009 und 2010 wich tige Instrumente waren. Sie haben auch erklärt, dass diese be schlossenen Maßnahmen erfolgreich waren.

Was haben Sie seitdem unternommen? Was haben Sie Neues vorgeschlagen und eingefordert? Haben Sie diese Spitzenge spräche fortgesetzt? Was war mit dem Sicherheitsgipfel 2011? Man hört nichts mehr.

Eine Daueraufgabe ist eben eine Daueraufgabe. Da darf man sich nicht auf Erfolgen ausruhen. Innenminister Rech hat den Stein relativ weit hinaufgerollt. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei, den Stein wieder dorthin zu bringen, wo er bereits ein mal lag.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Herrn Kollegen Sckerl das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Noch einmal kurz zu den Maßnahmen, die nicht wir, sondern die Vereine, die Polizei und die Verbän de ergreifen müssen.

Ich bin dem Innenminister ausdrücklich für seine Initiative während der Spielpause dankbar und hoffe, dass wir zu guten Lösungen kommen.

Polizei ist wichtig, Sicherheit ist wichtig. Aber ich denke, wir sind uns auch einig: Polizei allein kann das Problem überhaupt nicht lösen. Ziel muss es sein, die Polizeipräsenz in den Sta dien und darum herum wieder deutlich zu reduzieren. Es ist für niemanden ein schöner Zustand – weder für die Polizei mit der Dauerbelastung an Wochenenden überall in der Repu blik, auch in Baden-Württemberg, noch für die Fans –, wenn es nur noch Massenkontrollen an den Eingängen gibt und letztendlich jeder einzelne Fan nach Pyrotechnik untersucht werden muss oder die Kontrolle der Ausweise, Gesichtsscan ning oder anderes, was da diskutiert wird, geschieht. Das kann nicht die Zukunft des deutschen Fußballs sein.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Deswegen ist es sehr wichtig, auf mehreren Gleisen unterwegs zu sein und durch Prävention und Initiative die friedlichen Fans zu stärken und zu stützen.

Regeln müssen verbindlicher werden. Vor allem die Vereine müssen stärker in die Pflicht genommen werden. Offensicht lich muss mit Blick auf Düsseldorf auch die Ordnerausbildung angepasst werden. Dort wurde gesagt, sie hätten genügend Ordner gehabt, es sah auch so aus, aber sie waren offensicht lich nicht darauf eingestellt, das Fluten des Spielfelds im Fuß ballstadion zu unterbinden. Sicherheitskonzepte müssen über arbeitet werden.

Was aber auch nicht geht, ist das, was der Präsident des KSC gemacht hat. Da gab es ein Spiel. Es war klar, dass das Spiel Frankfurt gegen Karlsruhe ein Problemspiel ist. Der Innenmi nister hat die Polizeizahlen genannt. Die Emotionen haben sich zu Gewalt hochgeschaukelt. Und anschließend sagte der Präsident des KSC: „Die Polizeipräsenz war kritisch, hat viel leicht zu manchem geführt; hättet ihr uns ein neues Stadion zur Verfügung gestellt, dann wäre das gar nicht passiert und wäre die Polizeipräsenz nicht notwendig gewesen.“ Das, mei ne Damen und Herren, ist eines Vereinsvorsitzenden sicher lich unwürdig.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Matthi as Pröfrock CDU: Jetzt sind wir aber nicht im Ge meinderat von Karlsruhe!)

Nein, aber das muss an dieser Stelle einmal gesagt werden. Wenn wir sagen, wir nehmen die Vereine in die Pflicht, dann sind es in erster Linie die obersten Repräsentanten, und der oberste Repräsentant eines Vereins – der sicherlich in einer problematischen Situation ist; ich bedaure, dass der KSC ab gestiegen ist; das hat er fußballerisch nicht verdient – sollte unterscheiden können zwischen seinem Wahlamt als Vereins vorsitzendem und seinen politischen Ambitionen. Auch wenn man für das angestrebte künftige Amt bei der Mitgliederschaft des KSC geworben hat und vielleicht auf diese setzt, um Ober bürgermeister zu werden, muss man trotzdem eine klare An sage gegen Gewalt machen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Matthi as Pröfrock CDU: Jetzt machen wir doch keinen OB- Wahlkampf im Landtag! – Zuruf von der SPD: Pro paganda! – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich darf Sie um Ruhe bitten.

Das war das negative Beispiel in dieser Saison, in dem sich ein Vereinspräsident im Zusammenhang mit Gewalt und Fanausschreitungen ganz ein deutig disqualifiziert hat.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Heribert Rech CDU: Das war jetzt Amateurliga! – Abg. Fried linde Gurr-Hirsch CDU: Das muss man doch gar nicht kommentieren!)

Natürlich muss es Sanktionen gegen Vereine geben. Herr Dr. Goll, ich teile Ihre Einschätzung, was das Thema Punktabzug betrifft. Das würde Willkür und Gewaltbereitschaft unter den Fans tatsächlich Tür und Tor öffnen. Aber Geisterspiele müs sen sicherlich nach wie vor ein Thema bleiben. Ich habe er lebt, dass hingegen hohe Geldstrafen gewaltbereite Fans in der Regel nicht sehr beeindrucken und sie von ihrem Tun nicht abhalten.

Deshalb ist es nach wie vor ganz wichtig, Maßnahmen zur Prävention, etwa Fanprojekte, zu unterstützen. Da müssen sich die Vereine finanziell mehr engagieren, und zwar gerade die Vereine in der ersten und zweiten Liga mit ihren hohen Fern seheinnahmen. Das sehen wir auch so. Die Prävention muss sich bis in den Jugend- und den Amateursportbereich hinun ter erstrecken.

Meine Damen und Herren, Gewaltlosigkeit muss zur Selbst verständlichkeit in allen Fankurven werden. Diese Selbstver ständlichkeit müssen wir zum Prinzip erheben.