Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben leider wieder einmal Anlass, über dieses Thema zu diskutieren: Gewalt im und um das Fußballstadion. Die bisherigen Beiträge waren natürlich alle davon geprägt, dass wir diese Gewalt ablehnen. Das ist eine schiere Selbstverständlichkeit; das möchte aber natürlich auch ich betonen. Die Reden waren getragen von einer be stimmten Sorge um diesen Sport. Wenn man selbst im Stadion sitzt und sieht, wie Brandsätze gezündet werden, beschleicht einen natürlich ein massives Gefühl des Unwohlseins. Dann ist jedem klar: Wenn das so aussieht, will man da eigentlich nicht mehr hin.
Deswegen tun wir gut daran, uns zu überlegen: Wie kann man Abhilfe schaffen? Wenn ich jedoch die Kommentare der ver gangenen Tage in den Zeitungen studiere, fällt auf, dass häu fig das Problem beschrieben wird, aber manchmal auch eine gewisse Ratlosigkeit herrscht, was man eigentlich machen soll.
Insofern geht es im Moment darum, die Vorschläge zu sortie ren, die durch die Presselandschaft geisterten, und zu schau en, wo richtige Ansätze sind. Im Ergebnis glaube ich schon, dass wir dieses Problem in den Griff bekommen können. In Baden-Württemberg war es bisher so, dass an manchen Stel len besser gehandelt wurde als an anderen Stellen. Ich kom me noch darauf.
Zunächst aber einmal zu den untauglichen Vorschlägen: Ein Vorschlag, den ich gelesen habe und der sicher wirksam wä re, ist ein Punktabzug für die Vereine. Dies wäre wahrschein lich wirksam, würde sich auf der anderen Seite aber schnell als untauglich erweisen.
Dann wären nämlich wirklich alle normalen Fans – Sie und ich und wir – die Gebissenen, wenn unsere Vereine in der Li ga schlecht abschneiden und ein paar Chaoten es in der Hand hätten, den Tabellenplatz des Vereins zu bestimmen. Diesen Vorschlag sollte man nicht ernsthaft weiterverfolgen.
Nach meiner Meinung gibt es zwei klare Ansätze, bei denen wir die Handlungsmöglichkeiten suchen sollten. Der eine trägt die Überschrift: „Fanbetreuung, Fanprojekte“, und der ande re Ansatz ist das polizeiliche Handeln.
Die Begriffe „Fanbetreuung, Fanprojekte“ dürften in etwa klar sein. Die FDP/DVP-Fraktion hatte in der letzten Legislatur periode im Jahr 2008 eine Große Anfrage zu Fanprojekten ge stellt. Die Antwort dazu ist heute noch lesenswert, weil dort natürlich viele der entsprechenden Anstrengungen des dama ligen Innenministers Rech dargestellt wurden. Es ist ja nicht so, dass in der Vergangenheit nichts geschehen wäre. Es ist viel passiert.
Aber die Vorfälle, die wir nun erlebt haben, geben natürlich Anlass zum Nachdenken: Was können wir noch tun? Fanbe treuung durch den Verein ist eines. Fanprojekte sind Projek te, die von der Kommune und auch vom Land unterstützt wer den, vom Verein relativ unabhängig laufen und sich auf be stimmte problematische Fangruppen konzentrieren. Die Fan betreuung in Baden-Württemberg durch die Bundesligisten
funktioniert sehr gut. Aber auch hier wird man einmal nach fassen müssen: Wie steht es mit Fanprojekten, die hier längst entstanden sein sollten, auch bei den Bundesligisten? Das sind Ansätze, die man aus aktuellem Anlass weiterverfolgen könn te.
Meine Damen und Herren, es sind vor allem die Vereine, die an die Fangruppen herankommen. Sie haben ein Ohr am Ge schehen; da besteht ein direkter Kontakt. Ich meine, wenn richtigerweise darauf hingewiesen wurde, dass es ein be stimmter harter Kern ist, der problematisch ist, dann müsste es nach meiner Meinung auch möglich sein, dieses Problem noch näher einzugrenzen.
Es fällt auf, dass die Problemfans in diesen Gruppen durch aus organisiert sind. Die sind nicht alle in einer Gruppe. Aber ich habe mit Interesse gelesen, dass diejenigen, die dauernd negativ auffallen, durchaus in diesen Fangruppen drin sind, sodass man über die Fangruppen sicher etwas erreichen könn te, z. B. die Betroffenen zu isolieren, auf sie einzuwirken. Not falls kommt dann ein Stadionverbot, dessen Einhaltung an schließend natürlich kontrolliert werden muss. Ich glaube, dass man darüber präventiv durchaus einen Teil des Problems lösen kann.
Jetzt noch ein paar Worte zur Polizeiarbeit. Ich habe vor Jah ren mit Polizeibeamten über das Problem der gewalttätigen Fans gesprochen. Die Beamten haben zu mir gesagt: „In Stutt gart benehmen die sich vergleichsweise ordentlich; das hat aber auch seine Gründe.“ Einer der Beamten hat zu mir ge sagt – ich gebe es mit Genehmigung des Präsidenten etwa wörtlich wieder –:
Wenn halt irgendwo anders am Stadion in der Bundesre publik einer aussteigt und sagt: „Scheißbulle“, passiert gar nichts. Wenn der das bei uns sagt, dann kriegt er so fort Ärger und eine Anzeige, ein Verfahren und Ähnliches, sodass er nicht ins Stadion kommt.
Ich will nicht in Unkenntnis der tatsächlichen Umstände an dere verurteilen. Aber man darf sich bei der Lektüre der Zei tungsberichte schon wundern, dass es möglich ist, dass die Fans auf den Platz kommen. Ich glaube, in Stuttgart wäre es schwer vorstellbar, dass die Fans auf den Platz gelangen.
Der zweite Punkt – Verzeihung –: Dass ein Schiedsrichter malträtiert wird, ist bedauerlich genug; das kann man nicht genug verurteilen. Aber dass es überhaupt passiert, wundert mich eigentlich. Es wundert mich, dass in einer solchen Situ ation der Schiedsrichter nicht von vornherein besser geschützt wird; das erwähne ich nur einmal am Rande.
Die polizeilichen Möglichkeiten sind also auch wichtig. Sie sind übrigens in zweiter Linie auch präventiv wichtig, siehe unser vorhin erwähntes Beispiel der Beleidigung: Wenn sol che Leute wissen, dass sie dann sofort Ärger bekommen, dann überlegen sie sich auch, ob sie so etwas machen oder ob sie lieber brav sind, wie es sich gehört.
Eine Anmerkung gestatten Sie mir allerdings in diesem Zu sammenhang, wenn wir von der Polizeiarbeit sprechen: Ich persönlich verstehe nicht ganz, dass Sie in dieser Situation den Freiwilligen Polizeidienst abschaffen.
Ich kann bestimmte kritische Fragen nachvollziehen. Da hat jeder seinen Standpunkt. Wenn jemand sagt, die Freiwilligen sollten nicht Streife laufen, dann kann er dies von mir aus ver treten; das ist nicht unbedingt mein Standpunkt, aber er ist nachvollziehbar. Aber nicht nachvollziehbar ist, dass man die jenigen Leute heimschickt, die uns genau in diesen Situatio nen helfen können. Wenn man wieder einmal liest, für dieses Spiel – –
Lieber Herr Schmiedel, es ist wirklich augenfällig, und zwar im wahrsten Sinn des Wortes, dass Freiwilliger Polizeidienst hier für Polizeipräsenz sorgen kann. Sie wissen genau wie ich, dass das unter Umständen wichtig ist.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Aber doch nicht im Konfliktfall! – Abg. Andreas Stoch SPD: Dort war Polizei! Jesses Maria!)
Ja, aber es führt kein Weg daran vorbei, dass Sie durch die se Maßnahme die Polizei an einer Stelle schwächen, an der sie eigentlich Unterstützung brauchen könnte.
Ich wundere mich übrigens gerade über Ihre Einwände. Bei Sportgroßereignissen war bisher völlig klar, dass der Freiwil lige Polizeidienst eine segensreiche Rolle gespielt hat. Wenn Sie dies jetzt auch noch leugnen wollen, dann von mir aus.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Wolf gang Drexler SPD: In Fußballstadien? Machen die Gewaltprävention?)
Im Übrigen sollte man die Fanbetreuung verstärken, Fanpro jekte verstärken, und die Polizei sollte konsequent einschrei ten. Dann, glaube ich, werden wir der Sache Herr.
Die Fußballsaison 2011/2012 neigt sich dem Ende zu. Einige Ligen haben den Spielbetrieb schon abgeschlossen, und an dere sind, wenn man es so will, noch in der Endphase.
Deshalb, denke ich, wird der eine oder die andere von uns auch ein sportliches Fazit dieser Fußballsaison ziehen, zwei felsohne mit unterschiedlichen Wahrnehmungen. Ich jeden falls bin zufrieden. Mein Verein hat sich besser entwickelt, als ich befürchtet hatte.
(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Winfried Mack CDU: Meiner auch! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Immer noch Borussia Mönchengladbach!)
Ich will ausdrücklich sagen: Ich freue mich auch mit Edith Sitzmann und Alex Bonde, dass Freiburg den Abstieg verhin dern konnte.
Ich hoffe natürlich auch, dass sich die Badener darüber freu en, dass uns der VfB Stuttgart auf der europäischen Fußball bühne vertreten wird.
Aber – das will ich schon deutlich sagen – das soll jetzt kei ne spaßige Vorbemerkung gewesen sein. Denn das Thema, über das wir heute diskutieren, ist allemal ernst. Wenn wir die se Saison aus der Sicht der Sicherheitslage bei Fußballspielen und um Fußballspiele herum bewerten, dann ist der Saison verlauf alles andere als zufriedenstellend. Vielmehr muss er uns eher Sorge machen. Diesbezüglich befinden wir uns, um in der Fußballsprache zu bleiben, eher auf einem Abstiegs platz. Das heißt, wir müssen dringend handeln.
Man kann sagen, wir stehen diesbezüglich am Ende dieser Saison dort, wo wir schon 2008/2009 gestanden sind. Es gab damals – das wurde heute schon von Ihnen erwähnt, Herr Rech – einen Sicherheitsgipfel, der sich dieses Themas bzw. dieser Problematik angenommen hat. Ich glaube, da kann man schon sagen: Vereine, Verbände, unsere Sicherheitspartner auch auf der kommunalen Ebene, wir, das Land, selbst, die Polizei, unsere Landesinformationsstelle Sport haben da sei nerzeit, finde ich, schon ein gutes Paket geschnürt und gute Dinge auf den Weg gebracht, Ansätze entwickelt, die Weichen richtig gestellt. Zumindest – das will ich schon einmal in Erinnerung rufen – in der darauffolgenden Saison war dies durchaus erfolgreich. Deshalb war die Bilanz, die ich seiner zeit gezogen habe, schlicht und ergreifend auch richtig.
Aber natürlich hat sich jetzt wieder etwas anderes entwickelt. Wir müssen zur Kenntnis nehmen – leider, muss ich sagen –, dass die Sicherheitslage im Fußball eine Daueraufgabe bleibt. Uns und den beteiligten Sicherheitspartnern geht es da gele gentlich wie dem griechischen Tragikhelden Sisyphus, der, kaum dass er den Stein auf den Berg gerollt hat, wieder von unten beginnen muss. Das ist also eine Herkulesaufgabe, wenn man so will.
Zahlen wurden genannt, allerdings nicht die ganz exakten. Diese sind nämlich noch ein bisschen dramatischer, als sie der
Kollege Sakellariou dargestellt hat. In diesen Zahlen fehlt nämlich z. B. die Anzahl der Verletzten bei den Sonderspie len, also bei Auf- und Abstiegsspielen oder Pokalspielen. Wenn wir diese Zahlen noch mit in diese Statistik einfließen lassen, dann stellen wir fest, dass sich die Zahl der verletzten Personen von 64 auf über 200 entwickelt hat, fast eine, wenn man so will, Vervierfachung dieser Zahl. Dass der Anstieg der Zahl der verletzten Polizeibeamten noch dramatischer war, muss uns eigentlich noch bedenklicher stimmen. Diese Zahl stieg in der vergangenen Saison nämlich auf immerhin 61.