Protocol of the Session on May 9, 2012

(Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Politik muss jedoch in erster Linie verlässliche und stabile Rahmenbedingungen schaffen und darf eben nicht, wie GrünRot betont, Spekulationsgeschäften als neuer Wertschöpfung Vorschub leisten. Energiepolitik ist auch Wirtschaftspolitik, Arbeitsmarktpolitik und nicht zuletzt Sozialpolitik. Man kann ein Politikfeld nicht losgelöst von anderen Bereichen betrach ten, sondern muss stets das Gesamtbild im Blick haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Fünfter Kritikpunkt: Sie, Frau Staatssekretärin Dr. Splett, scheinen sich mit dem Konnexitätsprinzip nach Artikel 71 der Landesverfassung nicht beschäftigt zu haben. Ich äußere so gar die Vermutung, dass Sie nicht einmal wissen, was dies überhaupt bedeutet.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Das ist eine Unter stellung!)

Das ist keine Unterstellung, wie Sie ja miterlebt haben. – Nach Ihrer banalen Erklärung im Ausschuss sieht die Regie rung keine erhöhte Fehlerquelle durch die vorgesehene No vellierung. Die Sorgen und Nöte der Kommunalverbände bei der Amtshaftung und fehlerhaften Flächennutzungsplänen bleiben indes bestehen. Das haben die Vertreter bei der öffent lichen Anhörung hier sehr deutlich gesagt. Sie führen nämlich bei den Kommunen besonders bei den Planungskosten zu er heblichen Mehrausgaben. Verursacher des Problems ist auch in diesem Fall allein die grün-rote Landesregierung.

Ein weiterer Kritikpunkt, der sechste: Eine weitere Aussage von Ihnen lautete, dass Kommunen keine Flächennutzungs pläne ausweisen müssten und somit auch keine Extraarbeit für sie anfalle. Dabei scheinen Sie zu vergessen, welche Folgen ein solches Vorgehen für eine Kommune haben kann. Plant nämlich ein Investor die Errichtung einer Windenergieanlage, so muss die immissionsschutzrechtliche Baugenehmigung er teilt werden, wenn diesem Vorhaben kein Flächennutzungs plan und keine öffentlichen Belange im Wege stehen. Dies hängt zum einen mit Ihrer Regelung zusammen, wonach alle planbaren Flächen im Land zu Vorranggebieten erklärt wer den, und zum anderen mit der Tatsache, dass Windenergiean lagen baurechtlich privilegiert zu behandeln sind.

Tut mir leid, Frau Staatssekretärin, aber auch bei diesen ge setzlichen Vorgaben muss ich bei Ihnen von einer gewissen Ahnungslosigkeit ausgehen.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: „Gewissen“ ist gut!)

Die Kommunen müssen zwingend planen, um zu verhindern, dass in nicht gewünschten Bereichen Windenergieanlagen ge baut werden. Ansonsten findet nur eine Prüfung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz statt, und dies natürlich oh ne Bürgerbeteiligung.

Wie stellen Sie sich eigentlich die Einbindung der Windener gie in das Energiesystem vor? Wo ist Ihr Energiekonzept, in dem Sie den Menschen und der Wirtschaft im Land aufzei gen, wo wir im Jahr 2020 in Baden-Württemberg stehen wol len? Es bedarf schon deutlich mehr, um die Energiewende im Land erfolgreich voranzubringen, als nur ein paar Windräder zu genehmigen.

Aufgrund Ihrer Konzeptions- und Planungslosigkeit steht so gar zu befürchten, dass Grün-Rot keine Vorstellung von den volkswirtschaftlichen Kosten hat, die unaufhaltsam auf uns zurollen. Es ist eine Planung zulasten der kommenden Gene rationen.

So viel zum Thema Nachhaltigkeit und Generationengerech tigkeit bei Grün-Rot.

(Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Auch wenn Sie mit vielen Aussagen von den gravierenden Lü cken und Konstruktionsfehlern des Gesetzentwurfs der Lan desregierung ablenken wollen, sage ich Ihnen nochmals: Die se rechtlich und inhaltlich mangelhafte und zeitlich viel zu kurze Planung wird Ihnen eines Tages noch zu schaffen ma chen. In Rheinland-Pfalz sind bereits Klagen anhängig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie Sie sehen, ist die von Grün-Rot ausgerufene große Neuerung ausgeblieben. Bei genauerer Betrachtung der Ergebnisse stellt man fest, dass der Gesetzentwurf und der Beitrag von Grün-Rot zur Ener giewende auf Sand gebaut sind.

Wir lehnen deshalb den Gesetzentwurf ab. Wir halten ihn für rechtlich fehlerhaft und bitten um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf, der, einfach gesagt, fehlerfrei und besser ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Abg. Raufelder das Wort.

Frau Präsidentin, mei ne Damen und Herren! Es ist erstaunlich, welch unterschied liche Eindrücke man über eine Periode gewinnen kann, in der wir über dieses Thema gemeinsam diskutiert haben.

Lassen Sie mich am Anfang eines sagen: Wir alle wollen die Energiewende. Die Energiewende muss auch unter dem Ge sichtspunkt durchgeführt werden, dass der Atomausstieg jetzt von allen Parteien beschlossen wurde. Weiter müssen Sie sich vorstellen, dass Baden-Württemberg mit 0,8 % Windkraftan teil – die Windkraft macht einen Teil der regenerativen Ener gien aus – an letzter Stelle unter den Ländern in der Bundes republik steht.

Ich glaube, dass es gerade für ein Land wie Baden-Württem berg kein Ruhmesblatt ist, wenn man sich die ganze Zeit auf dem letzten Platz befindet und wir mit 10 % Windkraftanteil bis zum Jahr 2020 lediglich einen mittleren Platz anstreben. Zu diesem Bereich gehören viele Mosaiksteinchen, und einer davon ist die Änderung des Landesplanungsgesetzes, die von der Regierungsseite vorgelegt wurde. Wir haben dazu eine Diskussion geführt. Dabei wurden viele Fragen, die Sie heu te noch einmal gestellt haben, schon mehrfach beantwortet. Deshalb verwundert es mich etwas, dass Sie nochmals auf die selben Punkte eingehen, die in der Diskussion schon behan delt worden sind.

(Zuruf: Nicht eine haben Sie beantwortet!)

Stellen Sie sich einmal die Aufhebung der Wind-Regionalplä ne vor. Diese Aufhebung bedeutet keine Aufhebung der ge samten Regionalpläne. Vielmehr sind all die Maßnahmen, die in den Regionalplänen ausgewiesen sind, nach wie vor rechts kräftig. Insofern gibt es auch nicht das Problem, dass wir da durch in einen rechtsfreien Raum kommen würden. Das ist die Diskussion, die wir immer wieder geführt haben:

(Abg. Winfried Mack CDU: Was reden Sie denn da?)

Es gibt keinen rechtsfreien Raum, wenn die Aufhebung der Wind-Regionalpläne erfolgt ist. Das muss man ganz deutlich sehen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Winfried Mack CDU schüttelt den Kopf.)

Außerdem ist es so – vielleicht ist Ihnen das auch entgangen –, dass wir für diese Maßnahme, die Änderung des Landes planungsgesetzes, auch sehr viel Lob bekommen haben, und zwar gerade aus einer Richtung, aus der Sie es vielleicht gar nicht so vermutet hätten, nämlich aus den Bereichen Ener giewirtschaft und Industrie. Aus dieser Richtung wurde der Wunsch geäußert, wir sollten die Energiewende eigentlich noch viel schneller vorantreiben. Bei den Hauptversammlun gen von Badenova und MVV konnten Sie sehen, dass diese Betriebe sehr wohl auf die Windenergie, auf die erneuerbaren Energien insgesamt und auf die Änderungen des Landespla nungsgesetzes setzen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Eines freut mich sehr, muss ich sagen: Bei der Anhörung hier war auch der Städtetag vertreten, und es gab im Grunde eine leichte Tendenz zur Kritik. Aber wenn Sie die Briefe, die nachträglich kamen und die auch veröffentlicht worden sind, zur Kenntnis genommen haben, haben Sie auf einmal festge stellt: Die Kommunen sind über diese Lösungen sehr glück lich. Die Städte und Gemeinden sind schon sehr viel weiter, als es hier beschrieben worden ist. Viele Städte und Gemein den sind schon heute auf dem Weg, auf ihrer Gemarkung Stel len zu finden, an denen es eine ausreichende Windhöffigkeit gibt und wo auch die Möglichkeit besteht, ein Windrad zu er richten. All dies wird schon einmal eruiert.

Die Situation, die Sie beschreiben, dass im Moment in den Kommunen noch gar nichts laufe, ist überhaupt nicht gege ben. Vielleicht ein Beispiel, um dies einmal konkret zu ma chen: Schauen wir uns einmal den Nachbarschaftsverband Mannheim/Heidelberg an. Dort sind auf Flächennutzungsplan ebene 29 Standorte ausgewiesen worden oder schon jetzt in der Planung, über die der Regionalverband vorher gesagt hat: In diesem Bereich gibt es keine Möglichkeiten. Woran hing das Ganze? Das lag daran, dass der Regionalverband von ca. 100 m Nabenhöhe ausgegangen ist und sich der Nachbar schaftsverband auch einmal größere Nabenhöhen angeschaut hat und gemerkt hat, dass dann eine für einen wirtschaftlichen Betrieb ausreichende Windhöffigkeit gegeben ist.

Also: Stellen Sie doch bitte die Kommunen und darunter auch die Städte nicht so dar, als gäbe es dort keine Fachleute – Fachmänner und Fachfrauen –, die das Ganze bewerkstelli gen können.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Der Wunsch der Landesregierung – diesen unterstützen wir voll – ist gerade diese Flexibilität – auch auf der Landesseite – der Regionalplanungsebene, wo Vorranggebiete ausgewie sen werden, die dann übrigens – auch das muss man dazusa gen – Vorranggebiete sind, auf die man sich verlassen kann. Wenn Sie einmal in die heute bestehenden Regionalpläne hi neingeschaut haben, wissen Sie, dass wir Vorranggebiete ha ben, bei denen diese Wirtschaftlichkeit überhaupt nicht gege ben ist.

In den neuen Regionalplänen, in den Vorrangbereichen kann sich der Investor auf diese Vorrangfläche verlassen, darauf, dass die Windhöffigkeit vorhanden ist und die Möglichkeit

besteht, dort zu bauen. Deswegen ist es wichtig, dass diese Vorranggebiete kommen und nicht Ausschlussgebiete festge legt werden. Sie müssen zugeben, dass die frühere Regional planung deutlich den politischen Willen beinhaltet hat, Wind energie in Baden-Württemberg nicht zu fördern. Sonst wären wir nicht an letzter Stelle mit einem Windkraftanteil von 0,8 %.

Daher müssen wir mit der Mär aufräumen und hier im Parla ment sagen: Wir möchten hier die Windkraft fördern. Dazu gehört die Änderung des Landesplanungsgesetzes als ein klei ner Mosaikstein, um die Energiewende voranzutreiben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Sie können es ernst nehmen, dass auch andere Akteure mit ins Boot geholt werden. Das klappt doch. Die Regionalverbände – wir haben es in der Anhörung mitbekommen – sind bereit, die Kommunen zu beraten. Das ist auch das, was die Landes regierung will. So steht es auch im Koalitionsvertrag. Man will mehr Beteiligungen und dadurch auch eine bessere Aus wertung des ganzen Geschehens in der Energiebranche.

Wir sind auch sehr froh darüber – das muss ich Ihnen auch ganz deutlich sagen –, dass es die Bürgergenossenschaften für Windkraftanlagen gibt. Es war jahrelang so, dass sich die Be völkerung nicht um die Energieversorgung gekümmert hat. Auch die Kommunalparlamente haben sich nicht um die Ener gieversorgung gekümmert. Das wurde an die Energieversor ger, auch an die Stadtwerke abgegeben. Wir möchten gern be flügeln, dass auf kommunaler Ebene, auch hier im Landtag wieder über Energie gesprochen wird. Diese Debatte ist eine wichtige Voraussetzung für die Änderung des Landespla nungsgesetzes.

Wenn Sie ehrlich sind, dann müssen Sie einräumen, dass in der Presse aufgrund der Änderung des Landesplanungsgeset zes viel über Energie geschrieben wird. Meines Wissens ist zuvor noch nie so viel passiert wie jetzt. Das ist meines Er achtens auch ein Vorteil für uns, wobei wir letztendlich in die Richtung marschieren, dass wir sagen: Hier kann sich endlich etwas entwickeln.

Bei den Kritikpunkten – das muss ich Ihnen ehrlich sagen – geht es auch um Punkte, die wir in der Debatte schon benannt haben. Sie wissen ganz genau, dass die Flächennutzungspla nungen von den Kommunen sowieso betrieben werden – das war ein Kritikpunkt. Warum sollen da zum Teil Mehrkosten entstehen, wenn eine Planung – –

(Abg. Ulrich Lusche CDU: Qualifizierte Planung! So ein Quatsch! – Weitere Zurufe von der CDU)

Es hätte eine Planung stattgefunden. Das kann ich Ihnen auch nachweisen, weil ich auch in Nachbarschaftsverbänden bin. Im Etat sind Mittel für solche Gutachten enthalten; diese müssen wir letztendlich auch umsetzen.

Ob es sich um den Einzelhandel oder um Energiebereiche han delt, sie werden in den neuen Planungen für Flächennutzungs pläne auch vor neue Aufgaben gestellt. Da werden auch Gut achten verlangt. Warum wollen Sie nicht zugeben, dass eine neuere Entwicklung auch Flexibilität bei den Regionalverbän den bzw. den Nachbarschaftsverbänden erfordert?

(Glocke der Präsidentin)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Lusche?

Herr Kollege Raufelder, Sie ha ben gerade ausgeführt, da wären kein Mehraufwand und kei ne Mehrkosten zu verzeichnen, es würde ja sowieso auf kom munaler Ebene eine Flächennutzungsplanung stattfinden.

Ist Ihnen bekannt, dass insbesondere von der Rechtsprechung her an die Qualität einer planerischen Steuerung der Wind kraftnutzung erheblich gesteigerte Anforderungen erhoben werden und dass diese z. B. durch Gutachten und anderes un terlegt werden müssen? Halten Sie vor diesem Hintergrund diese Aussage ernsthaft aufrecht?