Für uns in der CDU-Landtagsfraktion ist es wichtig – das ha be ich schon gesagt –, die Wahlfreiheit zu gewährleisten. Da zu brauchen wir ein Miteinander der verschiedenen Betreu ungsformen. Wir brauchen ein bedarfsdeckendes Angebot an Kinderbetreuungsplätzen. Wir brauchen eine bessere finanzi elle Ausstattung der Familien mit Kindern, und wir brauchen eine bessere Berücksichtigung von Erziehungszeiten bei den Renten. So vermeiden wir auch Altersarmut bei Frauen. Das ist ein Punkt, meine Damen und Herren, auf den wir verstärkt den Fokus richten müssen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, was kommt von Ihnen außer emotionaler Überreaktion und populistischen Äußerungen?
Ihnen widerstrebt es, dass das Familienbild, das Sie hinter der Idee des Betreuungsgelds wähnen, nicht Ihrer eigenen Fami lienideologie entspricht.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sehr gut! Ja wohl! – Unruhe bei der SPD)
Sie ignorieren die langjährige erfolgreiche, familienorientier te Politik der schwarz-gelben Landesregierung. Sie haben das Landeserziehungsgeld,
Damit haben Sie vielen Familien die Unterstützung, die für sie wichtig war, um nicht in Armut zu geraten, genommen.
Setzen Sie endlich Ihre ideologischen Scheuklappen ab, und trauen Sie den jungen Vätern und Müttern zu, dass sie mit ih ren Kindern verantwortungsvoll umgehen können.
Sehr ge ehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Für die CDU Baden-Württem berg ist das Jahr 2012 das Jahr der Frau. Ich betone das im mer wieder richtig gern. Da kommt die Debatte um das soge nannte Betreuungsgeld gerade recht, um anschaulich zu de monstrieren, wie sich die CDU eine moderne Familienpoli tik, die aus bekannten Gründen gerade auch Frauen betrifft, vorstellt. Das, was dazu derzeit auf bundespolitischer Ebene von Schwarz-Gelb abgeliefert wird, hat mit einer verantwor tungsvollen, der Lebenswirklichkeit und den Lebensentwür fen der Menschen entsprechenden Familien- und Sozialpoli tik nichts mehr zu tun.
Berechtigte Kritik daran erfährt die Bundesregierung nicht mehr nur von der Opposition, sondern vor allem auch aus den eigenen Reihen. Das sogenannte Betreuungsgeld, das von der CDU als Belohnung und Anerkennungsleistung für diejeni gen proklamiert wird, die ihre Kinder unter drei Jahren zu Hause betreuen, hat mit der Belohnung von elterlicher Betreu ung nichts zu tun. Denn es wird nicht die Betreuung durch die Eltern – im Regelfall durch die Mutter – belohnt, sondern die Nichtinanspruchnahme einer Kindertageseinrichtung, gekop pelt mit der Nichterwerbstätigkeit, in der Regel der Nichter werbstätigkeit der Mutter.
Es handelt sich also um eine reine Fernhalteprämie, und zwar in zweierlei Hinsicht: Sie hält erstens Kinder von guter öffent
licher Kinderbetreuung fern und zweitens Frauen von der Er werbstätigkeit. Dies als Anerkennungsleistung für Familien arbeit zu bezeichnen und mit Steuergeldern subventionieren zu wollen, ist schlichtweg absurd.
Wir sind uns doch alle eigentlich im Ziel einig – oder irre ich mich? –, dass wir Kindern unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem sozialen Umfeld gleiche Bildungschancen für das künf tige Leben ermöglichen wollen. Von einer qualitativ hochwer tigen öffentlichen Kleinkindbetreuung profitieren alle Kinder, besonders aber Kinder aus schwierigen sozialen Verhältnis sen, Kinder aus armen Familien und Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund.
Das Beispiel Thüringen hat gezeigt, dass eine finanzielle Leis tung für die Nichtinanspruchnahme einer Kindertagesstätte gerade diese Familien dazu bewegt, ihre Kinder aus der Be treuung herauszunehmen. Es kann nicht sein, dass die CDU sehenden Auges solche Fehlanreize schaffen will. Wenn der Verzicht auf Betreuung monatlich bis zu 200 € erspart und diese Ersparnis zusätzlich mit einer Fernhalteprämie um 100 bis 150 € aufgestockt wird, ergibt sich ein Gesamtbetrag von 350 €. Wer also erwerbstätig ist, und sei es nur in Teilzeit, ver zichtet netto auf 350 € pro Monat. Das mag für die gehobene Mittelschicht kein Verzicht sein, für ärmere Familien hat dies fatale ökonomische und biografische Auswirkungen.
Wir sind uns doch im Ziel einig – oder irre ich mich? –, dass eine verantwortungsvolle Familienpolitik Eltern, also auch Müttern, eine eigenständige Existenzsicherung und die Ver einbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen soll. Die Fern halteprämie schafft einzig und allein Anreize für Ausbildungs- und Berufsunterbrechungen, die fast ausschließlich Frauen betreffen, noch dazu großteils gering verdienende Frauen.
Damit wird eine Dynamik verstärkt, die zu Aufstiegshemm nissen und Einkommensverlusten bei Frauen führt und damit prekäre Lebensverhältnisse und weibliche Altersarmut vor programmiert.
Die CDU argumentiert, sie möchte diejenigen belohnen, die gern und aus freien Stücken voll und ganz für ihre Kleinkin der da sein möchten – ganz so, als wäre diese Wahlmöglich keit für alle Mütter und Väter tatsächlich vorhanden. Viele Fa milien sind heute aber auf zwei Einkommen angewiesen, und viele Frauen wollen oder können nicht drei Jahre aus dem Be rufsleben ausscheiden. Daran ändern 100 oder 150 € auch nichts.
Wir wollen niemandem vorschreiben, eine Kleinkindbetreu ung in Anspruch zu nehmen. Betreuung zu Hause oder in der Kindertagesstätte – für diese Entscheidung gibt es unterschied liche und sehr individuelle Gründe, die wir vonseiten der Po litik nicht zu bewerten haben.
Die Nichtinanspruchnahme müssen wir aber auch nicht mit öffentlichen Geldern in Höhe von geschätzten 2 Milliarden €
jährlich belohnen, wenn wir gleichzeitig das Geld für den wei teren Ausbau der U-3-Betreuung dringend brauchen.
Die grün-rote Landesregierung hat deshalb bereits im vergan genen Jahr eine Bundesratsinitiative gegen das sogenannte Betreuungsgeld eingebracht. 21 Verbände und Gewerkschaf ten, vom Deutschen Frauenrat bis zum Deutschen Gewerk schaftsbund, vom Juristinnenbund bis zum Landfrauenver band, von der Frauenunion bis zum Verband alleinerziehen der Mütter und Väter, haben sich explizit gegen das sogenann te Betreuungsgeld ausgesprochen. Inzwischen haben 23 CDUAbgeordnete im Bundestag angekündigt, gegen den Gesetz entwurf abzustimmen. Selbst der Präsident des CDU-Wirt schaftsrats gibt seiner eigenen Partei den Rat – ich zitiere –:
Gesamtgesellschaftlich sinnvoller wäre es, die für das Be treuungsgeld vorgesehenen Mittel für den versprochenen Ausbau des Kindertagesstättenangebots einzusetzen.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Hört, hört! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Und die von der CDU hier haben keine Meinung zu dem Thema!)
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wenn man merkt, dass das Pferd, auf dem man reitet, tot ist, sollte man absteigen.
Es ist nicht Aufgabe der Politik, bestimmte Lebensentwürfe zu bewerten oder mit Barauszahlungen zu belohnen. Unsere Aufgabe ist es, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, die es den Menschen ermöglichen, ihren Lebensent wurf gleichberechtigt umzusetzen. Von gesellschaftlicher Ver antwortung und dem Ausbau einer bedarfsgerechten und flä chendeckenden Infrastruktur kann sich deshalb eine glaub würdige Politik nicht freikaufen.
Deshalb erwarten wir von der CDU, das sogenannte Betreu ungsgeld in jeglicher Form umgehend ad acta zu legen.