Protocol of the Session on April 19, 2012

Die Deckelung der Veränderungsraten für die Krankenhaus entgelte war schon damals falsch. Das haben wir in der Op position auch immer heftig kritisiert. Selbst wenn zum dama ligen Zeitpunkt eine solche Deckelung unumgänglich gewe sen sein sollte – in einer Zeit, in der die Arbeitslosigkeit mas siv zugenommen hat und die Gewerkschaften die Sparrunden bei den Tarifabschlüssen mitgemacht haben –, so muss man doch heute feststellen, dass die Wirtschaft glücklicherweise wieder angezogen hat und wir durch den hohen Beschäfti gungsgrad gerade keine Notlage mehr in den Kassen der So zialversicherungen haben.

Jeder und jede von uns weiß, dass die Arbeit der Krankenhäu ser sehr personalintensiv ist. In Sonntagsreden fordern wir al le, dass auch die hoch qualifizierten Pflegekräfte, die in den Laboren, in der Radiologie, im technischen Bereich so wie die Ärztinnen und Ärzte mitarbeiten, ähnlich gut bezahlt werden sollen wie entsprechend ausgebildete Kräfte in der Industrie. Wir wollen aber, dass diese Forderungen auch Folgen haben. Das ist der Unterschied. Die aktuellen Tariferhöhungen, die diese Männer und Frauen redlich verdient haben, müssen sich in den Betriebskostenfinanzierungen der Kliniken auch abbil den lassen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Denn was passiert sonst? Die Kliniken werden Stellen strei chen oder vakant lassen. Die Pflegekräfte sowie das ärztliche Personal werden die Lohnerhöhungen dadurch finanzieren müssen, dass individuell eine höhere Arbeitsleistung zu er bringen ist. Mehr Patientinnen und Patienten müssen in der

selben Zeit mit derselben Personalstärke betreut, behandelt und operiert werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das will meine Fraktion, das will die SPD-Fraktion weder den Kli niken noch – und erst recht nicht – den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zumuten.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Deshalb kann ich nur dafür werben: Unterstützen Sie die In itiative von Gesundheitsministerin Altpeter, die unter den Län dern im Bundesrat für eine Mehrheit mit dem Ziel wirbt, dass die schwarz-gelbe Koalition im Bund das Sonderopfer der Krankenhäuser aussetzen soll.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, reden Sie mit Ihren Parteikollegen, die auf Bundesebene Verantwor tung tragen, und zwar nicht erst bei der nächsten Aktuellen Debatte zum Thema Betreuungsgeld, sondern schon jetzt. Wir benötigen eine auskömmliche Finanzierung für die Kranken häuser in unserem Land. Die strikte Fortführung der Decke lung der Entgelte kann so nicht bestehen bleiben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich Herrn Abg. Haußmann das Wort.

Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehr ten Damen und Herren! Den Titel dieser Debatte müsste man etwas ergänzen: Wenn man von der angemessenen Finanzaus stattung der Krankenhäuser durch den Bund spricht, dann soll te man sich immer wieder klarmachen, dass die Finanzaus stattung zunächst einmal nicht vom Bund kommt, sondern von den gesetzlich Krankenversicherten. Das ist, glaube ich, ganz wichtig.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Lieber Kollege Lucha, ich bin Ihnen außerordentlich dankbar, dass Sie diese Debatte beantragt haben. Wir hätten es uns gar nicht getraut, so ein Bundesthema aufzugreifen. Denn damit können wir einmal über eine der erfolgreichsten gesundheits politischen Maßnahmen der letzten Jahrzehnte sprechen. Wann hat es das denn in den letzten Jahrzehnten einmal ge geben, dass es etwas zum Verteilen gibt? Ich kann mich nicht erinnern, dass es in der Großen Koalition oder in der rot-grü nen Koalition etwas zu verteilen gegeben hätte. Wir hatten 2003 ein Defizit von 8,3 Milliarden € in der GKV. 2009/2010 betrug das Defizit 11 Milliarden €, und jetzt reden wir darü ber, dass wir Milliardenüberschüsse haben. Dass wir jetzt überhaupt in der Lage sind, über Maßnahmen reden zu kön nen, ist das Verdienst der

(Abg. Florian Wahl SPD: FDP!)

Gesundheitspolitik der FDP. Das möchte ich an dieser Stelle sagen.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Das ist ja wirklich Unsinn! – Zu ruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Ich komme noch dazu, Herr Kollege Heiler.

Es ist gar keine Frage – da sind wir uns auch einig –: Wir ha ben bei den Krankenhäusern in Baden-Württemberg im lau fenden Betrieb Investitionen in Höhe von 63 % im Personal bereich. Das heißt, das ist der entscheidende Faktor in den Krankenhäusern; das ist doch gar keine Frage. Es ist auch kei ne Frage, dass die letzten Jahre bitter waren. Aber dann müss ten wir hier beginnen, Debatten nicht nur über die Kranken häuser zu führen. Wir müssten über die Rehaeinrichtungen sprechen, über die Apotheken, über die Ärzte, über die Zahn ärzte, über die Versicherten, über die Heilmittelerbringer. Al le haben dazu beigetragen, genauso wie die Pharmaunterneh men, dass wir jetzt über diese Überschüsse sprechen können.

Grün und Rot im Bund haben die Dinge möglichst großzügig verteilt. So ist dieses Defizit überhaupt erst entstanden.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Wir haben jetzt die Situation, dass wir über einen Milliarden überschuss sprechen können. Das ist das Verdienst der Ge sundheitspolitik der Bundesregierung. Bei diesem Thema ha ben Sie einiges zu lernen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Wir haben die Situation, dass die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft eine Vereinbarung mit den Kranken versicherungen abgeschlossen hat, die dieses Jahr unterhalb der Veränderungsrate des Landesbasisfallwerts liegt. Es wur de nicht einmal die Schiedsstelle dafür mit in Anspruch ge nommen.

Wir sind uns einig – das wurde vom Kollegen Lucha auch an gesprochen –, dass die Orientierung an der Grundlohnsumme diskutiert werden kann; das ist doch gar keine Frage. Es wird auch über Orientierungswerte diskutiert, und derzeit laufen hierüber auch Gespräche. Am 14. April war in einem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu lesen, dass man über Unterstützungsleistungen, über Änderungen nachdenkt. Da wurde eine Größenordnung von 350 Millionen € genannt.

Jetzt bin ich natürlich nicht Bundespolitiker. Ich bin Landes politiker, und als Landespolitiker muss ich auf die Dinge schauen, die wir im Land Baden-Württemberg machen. Da ist das Landeskrankenhausprogramm ein Thema, für das das Land Baden-Württemberg zuständig ist. In den Wahlprogram men von Grün und Rot stand: Wir wollen mindestens 600 Mil lionen € für das Landeskrankenhausprogramm.

(Ministerin Katrin Altpeter: Das steht da nicht drin!)

Das stand in den Wahlprogrammen; ich weiß nicht, ob von den Grünen oder von der SPD. Die einen haben gesagt: 600 Millionen €. Die anderen haben gesagt: Wir verdoppeln.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Alles Luft nummern! Wahlkampf!)

In den letzten zwölf Jahren – ich habe das Jahr 2011 mit 50 Millionen € einmal weggelassen – waren es im Durch schnitt 320 Millionen €. Wenn Sie den heutigen Gegenstands wert nehmen, dann liegen Sie bei etwa 360 Millionen €. Wir hatten im letzten Jahr 382,5 Millionen €, und für dieses Jahr sind im Haushaltsplan 370 Millionen € enthalten. Dann ha

ben Sie aber wieder 50 Millionen € aus der Rücklage genom men und 45 Millionen € aus der Kommunalen Investitions pauschale. Im Grunde genommen haben Sie also weniger ge tan als die frühere Regierung.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist Unsinn!)

Ihr Versprechen auf 600 Millionen € steht zwar nicht im Ko alitionsvertrag – das ist doch gar keine Frage –, aber es steht in den Wahlprogrammen. Dazu muss ich sagen: Wer im Glas haus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Fangen Sie lieber an, hier ordentliche Politik zu machen. Sie brauchen der Bun desregierung in der Gesundheitspolitik nichts vorzumachen, wenn Sie nicht einmal Ihr Landeskrankenhausprogramm ent sprechend auflegen.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: So ist es!)

Für die Landesregierung erteile ich der Ministerin für Arbeit und Sozialordnung, Fa milie, Frauen und Senioren Katrin Altpeter das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine sehr geehr ten Damen und Herren! Lassen Sie mich vorab eines sagen, damit hier kein falscher Tenor entsteht: Wenn es bei der ge setzlichen Krankenversicherung Defizite oder Überschüsse gibt bzw. gegeben hat, dann hat das nichts mit der Frage zu tun, welcher Gesundheitsminister oder welche Gesundheits ministerin für eine Sache Geld ausgibt, sondern es hat unmit telbar mit der Einnahmesituation der GKV zu tun.

Wenn es in den Jahren 2009 und 2010 Defizite bei der GKV gegeben hat, dann hat das unmittelbar mit der Einnahmesitu ation durch die Wirtschaftskrise zu tun. Wenn wir 2012 glück licherweise Überschüsse haben, dann hat das ebenfalls mit der Einnahmesituation – aufgrund der Gott sei Dank guten kon junkturellen Lage – zu tun und mit nichts anderem.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Lassen Sie mich zur Situation in Baden-Württemberg kom men. Die derzeitige Versorgungssituation in unserem Bundes land ist von einem leistungsfähigen stationären und ambulan ten System geprägt. Wir sehen aber die Probleme, die es ge ben kann, und wir reagieren darauf entsprechend.

Deshalb haben wir – vorhin wurde ja eine sektorenübergrei fende Zusammenarbeit gefordert – als erstes Bundesland über haupt aufgrund des Versorgungsstrukturgesetzes im Land ei nen sektorenübergreifenden Beirat eingerichtet, um die Ver zahnung des ambulanten und des stationären Bereichs in un serem Land voranzubringen. Ich finde – das darf man auch mit einigem Stolz sagen –: Verglichen mit anderen Bundes ländern sind wir hier auf einem guten Weg.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie des Abg. Arnulf Freiherr von Eyb CDU)

Gleichzeitig müssen wir erkennen, dass die finanzielle Situa tion in der Mehrzahl der Kliniken im Land alarmierend ist.

Rund 60 % der Krankenhäuser in Baden-Württemberg konn ten 2011 keinen positiven Jahresabschluss vorweisen. Auch die Erwartungen für die kommenden Monate sind bezüglich der Finanzierung der Betriebskosten der Krankenhäuser im Land überwiegend pessimistisch.

Wir wissen, dass die Betriebskosten insbesondere aufgrund von höheren Personalkosten steigen. Die Refinanzierung für die Krankenhäuser ist aufgrund der bundesrechtlichen Vorga ben nur anteilig möglich. Deshalb fordern wir

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Keine Doppelstruk turen!)

von der Bundesregierung ganz konkret, den Sparbeitrag zu rückzunehmen, den die Krankenhäuser 2012 erbringen müs sen – übrigens sind sie die Einzigen, die noch einen Sparbei trag erbringen müssen –, damit die Betriebskostenfinanzie rung für die Krankenhäuser in unserem Bundesland auskömm lich sein wird.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Wenn man dann einerseits aufgrund der Überschüsse in Mil liardenhöhe bei der GKV öffentlich mit der Frage von Bei tragssenkungen spielt – ohne zur Kenntnis nehmen zu wollen, dass es auch bei der GKV demografische Veränderungen gibt – und dem Versicherten andererseits suggeriert, er wäre mit einer Beitragssenkung von 25 Cent im Monat wesentlich ent lastet, dann, finde ich, wäre es doch ehrlicher und aufrichti ger, zu sagen: „Wir nehmen den Sparbeitrag zurück.“ Aber der FDP-Gesundheitsminister ist eben seiner Klientel ver pflichtet und nicht den Patientinnen und Patienten in den Krankenhäusern.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Wieso gibt es Krankenhäuser, die gut wirtschaften, und Krankenhäuser, die schlecht wirtschaften? – Weitere Zurufe)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich ei nige Worte zur Finanzierung der Investitionen in den Kran kenhäusern sagen. Wir wissen, für die Betriebskosten ist der Bund zuständig. Hier ist der Bund gefordert. Hier werden wir