Protocol of the Session on April 19, 2012

Offensichtlich haben Sie also zwar den Rollentausch vorge nommen, in Frontstellung zum Mieterbund, aber wenigstens waren Sie so klug, sich nicht auf die eigene, in geringem Maß vorhandene, Kompetenz zu stützen, sondern auf die Kompe tenz der vorherigen Landesregierung. Ich habe den Eindruck: Je länger Sie regieren, desto deutlicher wird, dass dies auch notwendig ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Dr. Schmid das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Diskussion, die wir heute auf der Grundlage des Antrags der CDU führen, hat schon ein erhebliches Maß an Schein heiligkeit.

(Abg. Tanja Gönner CDU: Da steckt viel Erfahrung drin!)

Lieber Herr Löffler, ich frage Sie: Haben Sie sich vor Ihrer Rede einmal mit Herrn Schneider besprochen? Ihr Kollege in der CDU-Landtagsfraktion, Herr Schneider, hätte Ihnen als Sparkassenpräsident sicher vieles von dem erläutern können, was ich Ihnen jetzt erläutern darf, z. B. dass der Verkauf des Wohnungsbestands der LBBW Immobilien GmbH ein Ergeb nis – neben anderen – eines Beihilfeverfahrens der Europäi schen Kommission ist.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Das habe ich ja ge sagt!)

Grund war die Kapitalspritze für die LBBW aus dem Jahr 2009. Bei den im Verfahren geführten Gesprächen war die frü here Landesregierung beteiligt, ich nicht. Insofern sollte Ih nen bekannt sein, dass es sich beim Verkauf der LBBW-Woh nungen eben nicht um einen Verkauf durch das Land handelt, sondern um ein Verkaufsverfahren der LBBW, das sie im Rah men ihres operativen Geschäfts abgewickelt hat. Entsprechend waren die Entscheidungen im Verkaufsverfahren allein durch die zuständigen Gremien der LBBW zu treffen. Dies ist in ers ter Linie der Vorstand, der die Geschäfte der Bank nach wirt schaftlichen Grundsätzen zu führen hat.

Aus diesem Grund übrigens hat der Vorstandsvorsitzende der LBBW, Herr Vetter, in der Finanzausschusssitzung am 1. März 2012 ausführlich Auskunft über das Verkaufsverfahren – den Verkauf an das Konsortium unter Führung der PATRIZIA Im mobilien AG – gegeben. Denn er war derjenige, der in erster Linie dieses Verfahren betrieben hat. Ich habe auch den Ein druck, dass dies im Ausschuss mit den entsprechenden Erläu terungen auch ganz gut verstanden worden ist.

Die EU-Kommission hatte im Rahmen des Beihilfeverfahrens gefordert, den Wohnungsbestand in einem transparenten, fai ren und diskriminierungsfreien Verfahren bestmöglich zu ver äußern. Das hatte die deutsche Seite, also auch die Landesre gierung als einer der Träger, damals zugesagt.

Wir haben in den Koalitionsverhandlungen genau gewusst, dass dieses Verkaufsverfahren auferlegt worden ist. Deshalb haben wir auch bewusst im Koalitionsvertrag eine Erwartung formuliert

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Genau!)

und keine rechtlichen Festlegungen getroffen. Denn wir wuss ten, dass uns das gar nicht zusteht, dass wir es im laufenden Verfahren gar nicht durchsetzen können.

In diesem Punkt unterscheidet sich übrigens auch der Zustand, den wir, die neue Landesregierung, vorgefunden haben, von dem Zustand in Bayern, wo jetzt ein neues Verfahren läuft und wo Herr Söder offensichtlich versucht, mit der Kommission eine andere Lösung zu finden. Wir wollen einmal abwarten, ob es ihm gelingt; denn die rechtlichen Bedingungen sind ana log zum Beihilfeverfahren der LBBW. Aber ich wünsche ihm dabei selbstverständlich viel Glück. Wenn ihm das gelänge, wäre das für Bayern in Ordnung.

Wir hatten eine andere Situation, nämlich ein laufendes Bei hilfeverfahren, das wir, die Landesregierung, umsetzen muss ten, mit dem Aspekt dieses diskriminierungsfreien Verkaufs der LBBW-Immobilien.

„Bestmöglich“ heißt dabei – das wurde von der EU-Kommis sion auch noch einmal ausdrücklich bestätigt –: der größte wirtschaftliche Vorteil für die Bank. Faktoren, die wirtschaft lich für die Bank keine Rolle spielen, durften nicht berück sichtigt werden. Dies wurde übrigens allen Bietern von An beginn des Verfahrens an klar und deutlich erklärt, und es wur de auch durch einen eigens von der EU eingesetzten Treuhän der überwacht.

Zum Schutz der Mitarbeiter und der Mieter wurde im vergan genen Sommer, auch auf nachdrückliche Einforderung der Vertreter des Landes im Aufsichtsrat, aber auch im Einver nehmen mit den anderen Trägern, ein strafbewehrter Sozial katalog, die sogenannte Sozialcharta, erstellt. Die dort festge legten Anforderungen gehen über die gesetzlichen Regelun gen und über die Vorgaben in vergleichbaren Verkaufsverfah ren hinaus. Insofern ist dies auch nicht mit dem GAGFAHVerkaufsverfahren in Dresden vergleichbar.

Die Akzeptanz dieser Sozialcharta war Bedingung für die Teil nahme am Bieterverfahren. Sie ist verpflichtend für die Käu ferin und beinhaltet u. a. Regelungen zum Schutz der Mieter vor Eigenbedarfskündigungen und übermäßigen Mieterhö hungen. Sie geht auch bei einer eventuellen Weiterveräuße rung auf den Erwerber über.

Übrigens haben genau diese Sozialcharta und das sich daran anschließende Verfahren den Zweck erfüllt. Denn im Lauf des Verfahrens sind alle reinen Finanzinvestoren – wenn man sie einmal so nennen darf –, die landläufig manchmal als „Heu schrecken“ bezeichnet werden, ausgeschieden. Übrig geblie ben sind zwei seriöse und notariell beglaubigte Angebote von Ende Januar. Diese unterschieden sich um 30 Millionen € bei der Höhe des Kaufpreises. Ansonsten waren es nach den Be dingungen des EU-Beihilfeverfahrens für die Bank wirtschaft lich gleichwertige Angebote.

Daher konnte aufgrund dieser Regelungen der Zuschlag nur an den Meistbietenden erfolgen. Andere Faktoren wie z. B. Weiterungen der Sozialcharta durch das sogenannte BadenWürttemberg-Konsortium konnten nicht berücksichtigt wer den, da sie für die Bank in dieser Betrachtung der EU wirt schaftlich nicht relevant waren. Dies hat der Treuhänder auch noch einmal ausdrücklich bestätigt.

Hätten die Vertreter des Landes und hätten andere Vertreter der Eigentümer im Aufsichtsrat anders entschieden, wären sie also abgewichen von den Vorgaben der EU, an den wirtschaft lich Meistbietenden zu veräußern, hätten sie sich den Vorwurf eingehandelt, gegebenenfalls Untreue an dem Vermögen der LBBW begangen zu haben. Das konnte und wollte niemand von den Vertreterinnen und Vertretern im Aufsichtsrat riskie ren. Deshalb wurde dann auch dem Verkauf an den Meistbie tenden zugestimmt.

Jetzt kommt der Punkt: Aufgrund der Informationen über die Angebote konnten ich und andere Vertreter im Aufsichtsrat guten Gewissens PATRIZIA den Zuschlag erteilen. Beide Bie ter sind in ihrer Zusammensetzung ähnlich. So besteht das PA TRIZIA-Konsortium zu 95 % aus namhaften Pensionskassen, inländischen Versicherungsgesellschaften, Versorgungswer ken und einer baden-württembergischen Sparkasse. Wenn ei ne baden-württembergische Sparkasse nicht der Inbegriff von Solidität und langfristigem Interesse ist, dann frage ich mich, welche Vorstellung Sie davon haben. PATRIZIA selbst ist nur zu 2 % am Konsortium beteiligt. Das Konkurrenzkonsortium – das wurde schon dargestellt – ist ähnlich zusammengesetzt, auch mit den wirtschaftlichen Interessen von Versicherungs gruppen im Hintergrund.

Allein die Tatsache, dass eine städtische Wohnungsbaugesell schaft Teil dieses Konkurrenzkonsortiums war, bürgt ja nicht unbedingt für mieterfreundliches Agieren. Wir haben in Stutt

gart eine Debatte über Mieterhöhungen um bis zu 60 % we gen Sanierungen. Diese Sanierungen sind immer wieder recht lich möglich.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Deshalb rate ich auch davon ab, jetzt zu einseitig Etiketten zu kleben. Ich finde, gerade Sie, Herr Löffler, als Stuttgarter Ab geordneter und aufgrund Ihrer persönlichen Geschichte, die mir sehr nahe ging, weil ich das für die Mieterinnen und Mie ter genauso empfinde, sollten da ein bisschen vorsichtiger sein.

PATRIZIA hat nach dem Zuschlag öffentlich erklärt – ich zi tiere –:

Eine Abschmelzung und Aufteilung des Portfolios ist nicht Auftrag und Strategie des von der PATRIZIA geführten Konsortiums.

Aber es war nicht nur die Zusammensetzung des Konsorti ums, die den Aufsichtsrat guten Gewissens hat zustimmen las sen, sondern auch die vorgelegten Angebote und Businessplä ne machten deutlich, dass beide Bieter unter sozialen Ge sichtspunkten die gleichen Interessen einer langfristigen und nachhaltigen Bewirtschaftung im Sinne der Mieter und nicht gegen die Interessen der Mieter verfolgen.

Jetzt kommen wir zu dem Punkt, der auch Gegenstand einer öffentlichen Debatte war, nämlich zu der Frage: Was hätten wir vereinbaren können? Da ist es nun in der Tat so, dass wir im Aufsichtsrat über weitere, über die in der Sozialcharta nie dergelegten Aspekte hinausgehende Zusicherungen geredet haben, dass sie aber bei der Entscheidung im Aufsichtsrat selbst aus rechtlichen Gründen selbstverständlich nicht be rücksichtigt werden konnten. Denn der Aufsichtsrat konnte nur die notariell beurkundeten Kaufangebote annehmen oder ablehnen. Wir konnten nicht Weiteres vereinbaren. Das liegt nicht in den rechtlichen Möglichkeiten des Aufsichtsrats. Des halb war es klar, dass wir das an diesem Punkt nicht rechtlich verbindlich machen konnten. Aber es war – das war auch der Grund, weshalb wir dann sehr gewissenhaft und sehr souve rän diese Entscheidung treffen konnten – aufgrund der Busi nesspläne und der Erläuterungen auch im Aufsichtsrat klar, dass beide Bieter über die Sozialcharta hinausgehen wollten.

Wenn Sie, lieber Herr Löffler, jetzt behaupten, im Protokoll zu der Sitzung des Aufsichtsrats hätten Sie nichts dazu gefun den, dann frage ich Sie: Wie sind Sie denn an dieses Protokoll der Sitzung des Aufsichtsrats gekommen?

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Das würde mich auch interessieren!)

Ich erwarte, dass Sie dazu heute Auskunft geben, weil das für alle Beteiligten eine sehr interessante Erkenntnis wäre.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Zuruf von den Grünen: Untersuchungsausschuss!)

Die Stadt Stuttgart hat erst „Feuer! Feuer!“ geschrien und dann den Feuerwehrmann gespielt, indem sie mit PATRIZIA zu den Aspekten, die schon im Businessplan und in den An geboten sowie in der Diskussion des Aufsichtsrats eine Rolle gespielt haben, nochmals Vereinbarungen getroffen hat.

Ich will ausdrücklich sagen, dass ich das begrüße. Das ist gar keine Frage. Aber ich finde es ein bisschen unlauter, so zu tun, als hätte die Stadt Stuttgart dies nach heftigem Ringen er reicht. Dass dies jetzt aber verbindlich festgehalten ist, ist völ lig in Ordnung. Das habe ich zu keinem Zeitpunkt kritisiert. Ich fand nur die Begleitmusik, die Inszenierung insbesonde re von Herrn Föll und Herrn Schuster etwas befremdlich. Es entspricht auch nicht unserem Markenzeichen eines guten ge meinsamen Zusammenwirkens als Träger der Landesbank Baden-Württemberg, das wir auch in der Vergangenheit in schwierigen Situationen hatten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin überzeugt, dass wir mit dem Konsortium unter Führung der PATRIZIA Immobi lien AG einen Käufer gefunden haben, der die Interessen der Mieter der LBBW-Wohnungen umfassend berücksichtigen wird.

(Glocke der Präsidentin)

Die SPD-Landtagsfraktion wie auch ich als Minister haben PATRIZIA aufgefordert, öffentlich Stellung zu den Plänen zu nehmen, die sie zu dem Wohnungsbestand gerade in den gro ßen Städten haben. Das würde ich sehr begrüßen. Dann wür de klar, was das konkret für die betroffenen Mieterinnen und Mieter bedeutet. Da ist PATRIZIA in der Pflicht, da die Trans aktion im öffentlichen Raum steht und nicht ohne öffentliche Erörterungen ablaufen kann.

Eines will ich zum Schluss schon sagen – so viel Aufrichtig keit, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, muss sein –: Auch die Vertreter der früheren Landesregierung im Aufsichtsrat hätten bei der gegebenen Sachlage nicht an ders entscheiden können und deshalb auch nicht anders ent schieden.

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Das weiß man nicht! Siehe EnBW!)

Deshalb wäre es wichtig, dass wir hier jetzt nicht weiter mit fadenscheinigen Vorwürfen usw. operieren und damit die Mie ter weiter verunsichern. Wenn dies mit dieser Debatte been det wäre, wäre ich Ihnen sehr verbunden.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Herr Minister, gestatten Sie eine Nachfrage des Herrn Abg. Dr. Löffler?

Ja, klar.

(Abg. Sascha Binder SPD: Vielleicht kann er auch gleich eine Antwort auf die Frage geben!)

Herr Minister, wir sind uns einig: Das Rechtsgeschäft war in Ordnung. Auch die Aus schreibung war in Ordnung. Nichts anderes habe ich behaup tet.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Immerhin!)

Das war auch gar nicht das Thema meiner Rede. Mein Vor wurf war, dass Sie Ihre Möglichkeiten nicht genutzt haben.