Protocol of the Session on April 18, 2012

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Storz das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Rapp, ich glaube, über die Bedeutung des Tourismus, gerade auch für den ländlichen Raum, sind wir uns einig. Das haben wir hier schon kürzlich diskutiert, als wir die Große Anfrage der SPD miteinander abgearbeitet ha ben. Ich glaube, darüber brauchen wir nicht lange zu reden.

Klar ist, die Erwartungen der Menschen, die in Urlaub gehen, sind so vielfältig und so individuell wie die Menschen selbst. Daher gibt es auch eine Vielfalt von Angeboten, von denen der Agrartourismus ein Segment bildet. Allen Urlaubern ist aber gleich, dass sie mit bestimmten Erwartungen in Urlaub fahren.

(Abg. Winfried Mack CDU: Das stimmt!)

Dafür haben sie auch gute Gründe. Denn der Urlaub kostet Geld. Dafür erwarten sie zu Recht eine Gegenleistung. Wenn wir heute über die Chancen des Agrartourismus für den länd lichen Raum sprechen, dann müssen wir, denke ich, auch das berücksichtigen. Wenn ländliche Betriebe touristische Ange bote machen, dann muss der Rahmen stimmen. Die Urlauber kommen nicht von allein.

Was erwarten die Urlauber, wenn sie im ländlichen Raum Ur laub machen? Sie erwarten zuerst einmal intakte Landschaf ten, die Raum für Erholung bieten. Darum ist gerade dieses „Magische Dreieck“, das Sie auch angesprochen haben, wich tig, dass nämlich Landwirtschaft, Naturschutz und Tourismus zusammenkommen. Denn ohne Naturschutz bleibt die Land schaft nicht intakt, und für die Pflege der Kulturlandschaft sind die landwirtschaftlichen Betriebe unverzichtbar. Nur

wenn beides funktioniert, hat auch der Tourismus auf dem Land eine Chance.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Es ist daher richtig und wichtig, dass wir das Prinzip der Nachhaltigkeit bei den Förderprogrammen im Tourismus stär ker berücksichtigen, als dies bisher geschehen ist, gerade im Blick auf diese Situation.

Gerade in landwirtschaftlich benachteiligten Gebieten – das haben Sie auch deutlich gemacht –, in den Regionen des Schwarzwalds, ist das Potenzial des Agrartourismus als zu sätzliche Einnahme für die landwirtschaftlichen Betriebe be sonders hoch. Darin liegt auch die Chance eines National parks, wenn dort der Tourismus weiter ausgebaut werden kann.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Ich möchte hier noch eine Anregung der Landfrauen einbrin gen. Wir Abgeordneten im Süden waren kürzlich bei den Landfrauen eingeladen. Ich möchte erst einmal deren Enga gement betonen, das in diesem Zusammenhang nicht genug geachtet werden kann. Denn es sind gerade die Landfrauen, die durch ihre Arbeit zum einen in der landwirtschaftlichen Produktion auf dem Hof und zum anderen noch nebenher im Fremdenverkehr, bei der Vermietung von Fremdenzimmern oder Ferienwohnungen, oder auch in der Direktvermarktung aktiv sind und all dies schultern.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Die sind innovativ und kreativ!)

Ich glaube, da haben die Landfrauen ein großes Lob verdient.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen)

An den Tischen wurde mit den Landfrauen über manches dis kutiert, etwa über dies: Je mehr Menschen mit dem Fahrrad unterwegs sind – ich denke, das gilt genauso für die Wande rer –, desto größer ist entlang der entsprechenden Routen der Bedarf an Unterkünften. Hier gibt es schon viele engagierte Landfrauen, die sehr gern die beliebten „Fahrradhäusle“ – ein Begriff, der sich inzwischen wohl etabliert hat – einrichten und bauen würden und damit den Touristen, die mit dem Fahr rad oder zu Fuß unterwegs sind, eine entsprechende authen tische Unterkunft bieten wollen.

Die Schwierigkeit ist nun, dass es Widersprüche in den ge setzlichen Regelungen gibt. Da muss man, denke ich, drin gend herangehen. Es ist nämlich nicht verständlich, warum durch das Agrarinvestitionsförderungsprogramm jeweils 25 Gästebetten in diesem Bereich förderfähig sind, während nach dem Baurecht nur 15 Betten erlaubt sind. Ich denke, man muss bestrebt sein, diese Widersprüche in den Regelungen aufzu lösen.

(Zuruf von der SPD: Ja!)

Klar ist: Die Landesregierung hilft den einzelnen Betrieben bei der Finanzierung von Investitionen. Sie unterstützt damit die vorhandene Bereitschaft und den Unternehmergeist im Land und ermöglicht Vorhaben, die ohne Förderung in vielen Fällen nicht möglich wären.

Klar ist auch: Neben dieser Einzelförderung ist die Ausbil dung und Weiterbildung – Sie haben es hier betont, Herr Rapp; das sehen wir genauso – wichtig.

Klar ist zudem: Es wird immer wichtiger werden, das touris tische Potenzial weiterer Regionen des Landes mit innovati ven Projekten zu erschließen. Dazu zählt das LEADER-Pro jekt, das die Regierung in der Stellungnahme zum vorliegen den Antrag erwähnt hat. Dieses Projekt läuft noch bis Ende 2013. Ich denke, es ist bald Zeit, dass wir miteinander Bilanz ziehen und gegebenenfalls Entscheidungen zur Anschlussfi nanzierung treffen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Ich möchte zum Schluss kommen und noch einmal deutlich machen: Die Urlauber kommen nicht von allein. Sie kommen dann, wenn eine Urlaubsregion attraktiv und bekannt ist. Auch im Tourismus im ländlichen Raum, im Agrartourismus, ist es Aufgabe der Betriebe und der Kommunen, attraktive Ange bote zu schaffen. Unsere Aufgabe ist es dann, gute, nachhal tige Ansätze zu unterstützen, zu verstärken und wirksam zu machen.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Das Wort für die FDP/ DVP-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Bullinger.

(Zuruf von der SPD: Jetzt wird es schwer! – Abg. Al fred Winkler SPD: Wie ist das im Hohenlohischen?)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Tourismus und seine Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg wurde sehr gut, sehr umfangreich und inhaltlich fundiert in der Debatte über die Große Anfrage der Fraktion der SPD und Antwort der Landesregierung – Entwicklung des Tourismus in BadenWürttemberg –, Drucksache 15/865, am Mittwoch, 15. Febru ar 2012, an dieser Stelle erörtert.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Um es klar und deutlich zu sagen: Auch bei den Haushaltsbe ratungen haben wir dieses „neue Kind“ im MLR entsprechend gewürdigt. Das heißt, hier im Haus besteht bei diesem Thema viel Konsens.

Ich darf mich bei meinem Kollegen für das Lob der Landfrau en bedanken. Als Mitglied des Landfrauenvereins in Brett heim habe ich mich darüber besonders gefreut.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren, leider stand das angesprochene Thema bei der letztmaligen Diskussion und steht es auch heu te wieder sehr spät auf der Tagesordnung. Ich würde mich freuen, wenn dieses Thema einmal ganz am Anfang einer Ple narsitzung vor entsprechend vielen Zuhörerinnen und Zuhö rern erörtert würde. Denn in Baden-Württemberg gibt es im merhin über 280 000 Arbeitsplätze im Bereich des Tourismus

einschließlich des Bäderlands und des heute angesprochenen Agrartourismus.

Trotzdem – auch das wurde schon gesagt – ist der Agrartou rismus ein sehr kleines Segment in der Tourismuswirtschaft. Die betroffenen land-, forst- und weinwirtschaftlichen Betrie be bieten dies oft als zusätzlichen „Wirtschaftszweig“ an. Sie tragen damit auch zu den Aktionen der Bauernverbände wie beispielsweise „Gläserne Produktion“ und „Offener Bauern hof“ bei. Es ist besonders gut und wichtig für Familien mit Kindern, dort Urlaub zu machen und die Natur zu erleben. Denn am PC oder mithilfe sonstiger moderner elektronischer Unterhaltungsmedien kann man das nicht erfahren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der SPD)

Deshalb ist dies auch wichtig für die Kultur in unserem Land und für die Ausbildung und die Bildung insgesamt, sowohl der Kinder als auch der Erwachsenen; denn häufig haben auch junge Eltern in diesem Bereich noch große Lücken.

Meine Damen und Herren, ich möchte eines feststellen: Der Agrartourismus bietet für die Land- und Forstwirte und die Weinbauern ein zusätzliches Einkommen. Dieser Bereich – das muss man klar und deutlich sagen – ist ausbaufähig und muss auch ausgebaut werden. Bisher verdienen sich nur 33 von 1 000 Betrieben damit ein Zubrot; manche haben diesen Bereich auch als Haupterwerb.

Deshalb ist es wichtig – ich wiederhole die Aussage aus mei ner Rede zum Haushalt –, dass man diesen Bereich in Ihrem Haus, Herr Minister, entsprechend koordiniert.

Ich sage ganz klar: Der Agrartourismus ist nicht in Konkur renz zur traditionellen Gastronomie und Hotellerie auszubau en, sondern zusätzlich und gemeinsam mit ihnen. Da gibt es sehr gute Beispiele. So nimmt man z. B. das Frühstück auf dem Bauernhof ein, und dort nutzt man auch die Möglichkeit, zu übernachten und die Kinder spielen zu lassen. Zum Mit tagessen jedoch geht man in die örtliche Dorfwirtschaft – so fern sie noch da ist. Es ist gut, wenn man diese Bereiche mit einander koordiniert. Dafür sollte man vor allem die Chancen, die wir hier haben, entsprechend nutzen.

Ich habe allerdings, Herr Minister, hierbei auch eine große Sorge. Denn der Agrartourismus erfordert auch Infrastruktur im ländlichen Raum, und wir haben heute Morgen von Abbe stellungen im Schienennahverkehr gehört.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das hat die CDU ge sagt!)

Ja, weil sie recht hat mit diesen Bedenken, Herr Schmiedel.

Gerade in ländlichen Regionen, in Urlaubsregionen hängt der Tourismus entscheidend davon ab, wie die Strukturen sind, welche Möglichkeiten es gibt und ob der Urlaub dort auch mit dem Auto gestaltet werden kann.

Ein weiterer Punkt, meine Damen und Herren: Diese Stief kinder in der Politik für den ländlichen Raum, für die die Lan desregierung die Verantwortung trägt, sind nicht förderlich. Wenn ich mich richtig erinnere, haben in der letzten Woche die Fahrradverbände beklagt, dass auch hier von der neuen Landesregierung bisher außer Luftnummern nicht viel gekom

men ist. Schauen Sie sich einmal an, was die Vorsitzende des Fahrradverbands dazu gesagt hat.

(Unruhe – Zuruf von der SPD: Was?)

Dieses „Magische Dreieck“, das der Herr Ministerpräsident erst kürzlich auch beim BLHV in Tiengen beschworen hat, wird Magie bleiben, wenn man den ländlichen Raum nicht mit der Infrastruktur, mit der Bildungsstruktur und dem ge samten Verkehrsbereich als Ganzes sieht.

Meine Damen und Herren, die Touristen wollen Baden-Würt temberg erleben. Sie wollen dieses Kulturland erleben, sie wollen auch die Kulinaristik erleben, sie wollen den grünen Süden und nicht den „Totholzsüden“.

(Beifall bei der SPD – Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Genau, den grünen Süden!)

Danke, dass Sie dazu geklatscht haben.