Wir brauchen zusätzlich zu der bestehenden guten Ausstat tung auch eine noch bessere Hardwareausstattung. Wir brau chen absolute Hochleistungsrechner, Rechner, die selbst ar beiten, sodass nicht immer der Polizeibeamte während seiner Arbeitszeit daran sitzen muss; die Rechner müssen arbeiten können. Wir müssen adäquat ausgerüstet sein. Da ist mir die Investition in einem solchen Bereich wichtiger als die Perso nalaufstockung in manch einem Ministerium.
Herr Präsident, werte Kolle ginnen, werte Kollegen, liebe Gäste hier im Plenum! Herr Zimmermann, Zahlen sind nicht Ihre Stärke.
(Heiterkeit bei den Grünen – Abg. Friedlinde Gurr- Hirsch CDU: Sie teilen heute aber ganz schön aus!)
Die überwiegende Mehrheit der Tatverdächtigen im Be reich der Wirtschaftskriminalität weist die deutsche Staatsangehörigkeit auf.
Die meisten Straftäter sind Deutsche und kommen nicht aus anderen Ländern. Wenn Sie die Antwort lesen, haben Sie – –
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Sie müssen das doch immer in Relation zur Bevölkerung sehen, werte Da me Kollegin!)
(Abg. Manfred Groh CDU: Die Zahlen sind nicht Ih re Stärke! – Gegenruf des Abg. Karl Zimmermann CDU: Genau!)
„Ich denke, ich trinke noch eine Tasse Kaffee und bearbeite den nächsten Datenträger.“ So könnte der tägliche Stoßseuf zer einer Kripobeamtin, eines Kripobeamten lauten, die im Bereich der Wirtschaftskriminalität arbeiten. Zum Arbeitsalltag gehört stundenlanges Recherchieren in endlosen Schleifen. Die komplexe Materie und die riesigen Datenmengen sind fast un überschaubare Berge für das Ermittlungspersonal.
Gerade im Bereich der Wirtschaftskriminalität lässt sich das Aufgabengebiet nicht auf die regionale oder nationale Ebene beschränken. Wirtschaftsunternehmen sind international ver flochten und agieren über alle Grenzen hinweg; die Täter tun es ihnen gleich. Diese Tatsachen sind viele Jahre in ihrer Be deutung nicht gesehen und nicht wahrgenommen worden.
Insider sagen: Diese Erkenntnis kam fünf Jahre zu spät. Der Schaden, der durch die Wirtschaftskriminalität jährlich ent steht, liegt im dreistelligen Millionenbereich. Ich erspare mir, die weiteren Zahlen zu nennen; der Kollege von der SPD hat dies ausführlich getan. Die Folgen für Betroffene sind im
Dennoch zeigen Zahlen nicht das wahre Ausmaß der Wirt schaftskriminalität. Die Dunkelziffer ist hoch, da aufgrund der Sensibilität der geschäftlichen Transaktionen viele Unterneh men wenig Bereitschaft zeigen, Strafverfolgungsbehörden ein zuschalten. Hier muss sich etwas ändern.
Grün-Rot hat dazu im Koalitionsvertrag klar Stellung bezo gen und lässt diesen Worten nun Taten folgen. Das LKA erar beitete eine Situationsanalyse mit entsprechenden Handlungs empfehlungen. Erste Maßnahmen wurden bereits umgesetzt.
Es wurde bereits angesprochen, dass die Abteilung „Cyber kriminalität/Digitale Spuren“ eingerichtet wurde. Ihr Ziel ist es, Kompetenzen zu bündeln, die Ermittlungen zu koordinie ren und die IT-Beweissicherung zu optimieren.
Ein weiterer Schritt wird im Zuge der Polizeireform erfolgen. Die regionalen Präsidien erhalten Stellen zur Bekämpfung von Cyberkriminalität. Mit der Strukturreform wird meines Erach tens eine wichtige Verbesserung zur Effizienzsteigerung er folgen, indem der Sachverstand für IuK-Kriminalität und ITBeweissicherung in den Präsidien gebündelt wird. Ebenso schließt dies auch eine effektivere Nutzung der Technik ein.
Ebenfalls wichtig ist es, Fortbildungen neu auszurichten, um die Ermittler und Ermittlerinnen der Kripo auf den Stand der Täter zu bringen. Viele Maßnahmen sind bereits umgesetzt, weitere folgen in den nächsten Jahren. Wir sind auf einem gu ten Weg.
Erwähnen möchte ich aber auch, dass gerade die Strafverfol gung innerhalb der Wirtschaftskriminalität ein wichtiger Bau stein ist. Unter dem ehemaligen Justizminister Goll wurde ei ne Taskforce zur Bündelung der Einsätze der Staatsanwälte in den beiden Oberlandesgerichten Karlsruhe und Stuttgart ein gerichtet. Diese Maßnahme hat sich bewährt, weil dadurch die Kräfte gebündelt werden.
Ich komme noch zu einer dritten Säule, die bei der Krimina litätsbekämpfung wichtig ist, nämlich zur Prävention. Nicht nur der Staat, auch die Bevölkerung ist dazu aufgerufen, bei der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität mitzuhelfen. Ähnlich wie bei der Verkehrserziehung kann ein Schwerpunkt auf die Aufklärung der Menschen gelegt werden. Der bewuss te Umgang mit dem Internet muss gelernt werden. Wir brau chen eine erhöhte Wachsamkeit, wenn wir im Internet surfen, einkaufen, Inhalte downloaden und Verträge abschließen. Re geln und Gesetze, die im normalen Geschäftsverkehr gelten, sind für das Internet oft nur bruchstückhaft vorhanden. Kri minelle finden in der virtuellen Welt noch einen weitgehend rechtsfreien Raum.
In vielen Foren sind die User nicht mit ihren Echtdaten vor handen. Namen, Adressen oder Telefonnummern werden falsch angegeben. Das kann eine Vorsichtsmaßnahme sein. Es wird aber problematisch, wenn daraus Straftaten folgen. Dies können und wollen wir so nicht stehen lassen.
Noch ein letzter Satz: Von der Opferschutzorganisation Wei ßer Ring wird gesagt, dass die Initiative der neuen, grün-ro
ten Regierung zur Bekämpfung der Internetkriminalität bei spielhaft ist. Es ist aber wichtig, zu erkennen, dass nicht Ba den-Württemberg allein hier ein Problem hat. Diese Proble matik muss vielmehr auf Bundesebene gesehen werden, und sie muss auf Bundesebene koordiniert angegangen werden. Wir müssen in die Form der Prävention investieren, denn dies zahlt sich aus.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es handelt sich sicher um ein gemeinsames Anliegen, die Wirtschaftskriminalität zu be kämpfen. Das ist eine Herausforderung für jede Landesregie rung und für jedes Land.
Die Anfrage ist umfassend, die Antwort ist es auch. Man wird aber auch darauf hinweisen dürfen, dass schätzungsweise 95 % dessen, was in der Antwort genannt wird – das ist nicht erstaunlich –, noch von der alten Landesregierung veranlasst worden war. Sie waren so freundlich, liebe Frau Häffner, bei spielsweise die Taskforce zu nennen. Es wird jetzt Gott sei Dank ein Thema von eminenter Bedeutung fortgeführt, ein Thema, das erhebliche Schwierigkeiten bereitet, ein Thema, bei dem es um eine Menge geht.
Dabei fällt eines auf. Lieber Herr Sakellariou, Sie haben zu Recht noch einmal die Schadenssumme erwähnt, die durch Wirtschaftskriminalität entsteht: etwa eine halbe Milliarde Eu ro pro Jahr. Aber das Interessante ist – das kann man hier viel leicht schon einmal thematisieren –: Was den engeren Bereich der Wirtschaftskriminalität betrifft, entstehen eigentlich die wenigsten Schäden durch Internetdelikte. Erst wenn man den einfachen Betrug, der eigentlich nicht zur Wirtschaftskrimi nalität gezählt wird, dazunimmt, erkennt man, dass die Zah len in die Höhe gehen.
Wir haben durch Wirtschaftskriminalität eine Schadenssum me von fast einer halben Milliarde Euro. Aber wenn ich die Schäden durch Internetkriminalität zusammenrechne, komme ich auf eine Summe von etwa 20 Millionen €. Die Erklärung ist sehr einfach gefunden: Bei den Fällen klassischer Wirt schaftskriminalität geht es oft um sehr viel Geld. Im Internet dagegen geht es oft mehr um Kleinvieh, um tägliche Betrü gereien, um Dinge, bei denen sich die Betroffenen wahr scheinlich fragen: Machst du da überhaupt etwas? Das ken nen viele von Ihnen wahrscheinlich auch. Solche kleinen Be trügereien sind natürlich mühsam zu verfolgen. Auf alles muss man eine geeignete Antwort finden.
Das ist bei den großen Verfahren nicht einfach, bei den Ver fahren, die in der Presse immer wieder eine Rolle spielen. Wir haben erst vor überschaubarer Zeit noch unter der früheren Regierung sieben Staatsanwaltsstellen extra der Staatsanwalt schaft Stuttgart zugewiesen, damit sie diese Fälle schneller über die Bühne bringen kann. Bei ihnen wird natürlich von außen auch gefragt: Wann werdet ihr eigentlich einmal fertig? Aber da bekommt man mit, wie kompliziert und anspruchs voll solche über die Börse begangenen möglichen Delikte sind.
Beim Internet geht es um einen Wettlauf, was die Technik an belangt. Da geht es darum, die Behörden in die Lage zu ver setzen, zu reagieren. Die Behörden müssen technisch mindes tens genauso gut ausgestattet sein wie die, die die Taten bege hen. Da ist in den letzten Jahren zwar eine Menge geschehen, aber es muss noch mehr geschehen.
Auf einen sehr wichtigen Umstand, finde ich, hat der Kolle ge Zimmermann hingewiesen. Die modernen Kommunikati onstechniken bieten nicht nur Kriminellen – leider – „reizvol le“ Möglichkeiten, sondern sie haben auch die Möglichkeiten der Fahndung, der Aufklärung, der Recherche gewaltig beför dert. Insofern sind wir der Entwicklung sicher nicht schutzlos ausgeliefert. Aber beides wird auf seine Art – das Internet mehr aus technischen Gründen und weil es massenhafte Ver fahren sind, die Wirtschaftskriminalität wiederum, weil es sehr anspruchsvolle, sehr komplizierte Verfahren sind – eine dau ernde Herausforderung für jeden Rechtsstaat, für die Strafver folgungsorgane bleiben. Aus der Antwort auf die Große An frage geht hervor, dass man da am Ball ist. Das kann man auch aus der Sicht der Opposition nur begrüßen.
Für den heute Nachmit tag entschuldigten Innenminister Gall erteile ich Herrn Jus tizminister Stickelberger für die Landesregierung das Wort.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Ich nehme in dieser Debatte gern Stellung und vertrete den Kol legen Innenminister Gall gern. Er ist heute Nachmittag ver hindert. Er nimmt an einer Veranstaltung anlässlich der Rück kehr von Soldatinnen und Soldaten aus Afghanistan teil. Er vertritt dort das Land Baden-Württemberg, die Landesregie rung.
Ich darf deshalb hier in dieser Debatte einige Ausführungen machen. Das mache ich auch deshalb gern, weil nicht nur das Innenministerium, sondern auch das Justizministerium an der Beantwortung dieser Großen Anfrage beteiligt gewesen ist.
Ich bin Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch dankbar, dass Sie in sehr sachlicher, fast einvernehmlicher Weise die Bilanz, die wir vorgelegt haben, gewürdigt haben und sich da durch wohltuend von der eher fasnächtlichen Fragestellung der vorangegangenen Debatte abgesetzt haben.
Die Bilanz, die wir vorgelegt haben, ist nicht nur ein Zahlen werk und dessen Interpretation. Vielmehr zeigt die Beantwor tung auch auf, wo noch Handlungsdefizite bestehen und wo das Land insgesamt und damit auch der Landtag und die Lan desregierung in Zukunft gefordert sind.
Meine Damen und Herren, es ist vielfach gesagt worden: Wirt schaftskriminalität ist ein besonders sozialschädliches Krimi nalitätsphänomen. Jeder von uns ist in irgendeiner Form Op fer von Wirtschaftskriminalität – und sei es nur, dass er als Verbraucher überhöhte Preise zahlen muss oder Rechnungen für Waren oder Dienstleistungen erhält, die er über das Inter net vermeintlich bestellt hat, aber nicht erhalten hat.
Es ist gesagt worden: Fälle von Wirtschaftskriminalität ma chen zwar nur 2,5 % aller Straftaten in Baden-Württemberg aus, verursachen aber über 60 % des durch Kriminalität ent stehenden wirtschaftlichen Schadens.
Die Zahlen sind Ihnen bekannt. Innerhalb von 20 Jahren hat sich die Zahl der Delikte vervierfacht. In den Jahren 2006 bis 2010 hatten wir im Durchschnitt einen Schaden von 436 Mil lionen € pro Jahr – also ein stattlicher Betrag.
Es besteht nach wie vor ein großes Dunkelfeld. Viele Wirt schaftsstraftaten werden nicht aufgeklärt. Meine Vorredner haben zu Recht darauf hingewiesen, dass viele Unternehmen auch kein Interesse an einer Aufarbeitung durch die Justiz ha ben, sondern ihre Probleme lieber intern selbst regeln, weil sie vielleicht eine schlechte Berichterstattung in der Presse be fürchten und einen damit verbundenen Ansehensverlust ver meiden wollen.
Eine strenge Compliance ist geboten. Herr Präsident, Sie se hen mir die englischen Ausdrücke in dieser Debatte nach.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Wenn man sie über setzt, ist es in Ordnung! – Abg. Brigitte Lösch GRÜ NE: Sagen Sie es einmal auf Deutsch! – Zuruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)