Alles in allem müssen wir dahin kommen, dass die Polizei in der Öffentlichkeit wieder den Respekt erfährt, der ihr als Hü ter von Ordnung und Gesetz gebührt. Denn schließlich ist Ordnung das halbe Leben, und Respekt ist die andere Hälfte.
Daher begrüßen wir, dass die Polizei Baden-Württemberg zur Prävention, zur Intervention und zur Nachsorge in Krisenfäl len eine Koordinierungsstelle für Konflikthandhabung und Krisenmanagement an der Akademie der Polizei eingerichtet und ein landesweites eigenes Netzwerk aus 105 Konfliktbe ratern, von denen drei hauptamtlich tätig sind, aufgebaut hat. Diese Berater müssen den Polizistinnen und Polizisten dort zur Verfügung stehen, wo sie sind. Sie sind – der Antwort des Innenministeriums entsprechend – jederzeit ansprechbar. Auch die Kriseninterventionsteams leisten hervorragende Arbeit. Sie bieten in allen Fällen, in denen ein über die Erstinterven tion hinausgehendes Beratungs- und Hilfsangebot notwendig ist, ihre Unterstützung an.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Polizei leistet außer ordentlich wertvolle Arbeit. Wir haben im Land Baden-Würt temberg rund 24 000 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte. Doch gehen durchschnittlich „nur“ etwa 1 000 von ihnen pro Jahr zur psychologischen Beratung. Im Berichtsjahr kam es „nur“ zu 19 vorzeitigen Zurruhesetzungen wegen einer psy chischen oder psychosomatischen Erkrankung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten uns von diesen Zahlen aber nicht täuschen lassen. Sie sind natürlich noch im mer viel zu hoch. Wir brauchen eine verstärkte Öffentlich keitsarbeit, damit die Bürgerinnen und Bürger die Stellung der Polizei als Teil der Exekutive stärker akzeptieren, als sie dies zuletzt getan haben. Wir brauchen in der Gesellschaft einen Konsens, dass es z. B. keine rechtsfreien Räume geben darf.
Die Polizei braucht Respekt und Anerkennung für ihre schwie rige und anspruchsvolle Tätigkeit. Sie braucht eine öffentli che Wertschätzung, meine Damen und Herren.
Es wird aber auch weiterhin in vielen Fällen der besonderen psychologischen Betreuung und Polizeiseelsorge für unsere Beamtinnen und Beamten bedürfen. Die SPD steht ohne Wenn und Aber dazu,
dies zu gewährleisten, wann immer unsere Polizistinnen und Polizisten diese besondere Fürsorge nötig haben.
Frau Präsidentin, werte Kolle ginnen und Kollegen! Im Wallis sind gestern Abend 28 Men schen, darunter 22 Kinder, bei einem schrecklichen Busun glück zu Tode gekommen. Unsere Gedanken sind in diesen Stunden bei den Opfern und ihren Angehörigen. Am vergan genen Sonntag jährte sich der Amoklauf von Winnenden und Wendlingen. Auch in diesem Fall denken wir an die Opfer und an ihre Angehörigen.
Unser Respekt gilt in diesen beiden Fällen den vielen Einsatz kräften, die vor Ort waren, im Wallis wie auch in Winnenden und Wendlingen, aber auch den Psychologen und den Polizei seelsorgern, den Seelsorgern insgesamt, die dort aufopferungs voll ihren Dienst geleistet haben, dem Leid trotzten und Trost spendeten.
Viele Einsatzbeamte haben bei Einsätzen dieser Art die Gren zen der eigenen Belastbarkeit überschritten. Gerade die Seel sorger und die Betreuer stehen selten im Mittelpunkt politi scher Debatten. Sie sind die stillen Helden der Katastrophen.
Deswegen bin ich Ihnen, Kollege Heiler, ausdrücklich dank bar, dass wir dieses Thema heute hier besprechen können. Sol
che Einsätze brennen sich ein. Die Bilder wird jemand, der dabei war, ein Leben lang nicht mehr los. Sie graben sich tief ins Innere, verschwinden und kommen doch immer wieder. Ich bin dankbar dafür, dass Seelsorger und Psychologen in diesen Grenzsituationen mithelfen, den Schmerz zu tragen und die Bilder zu verarbeiten. Sie alle – die Seelsorger, die Psy chologen – geben den Menschen Schutz, Schutzraum. Das ist ein schöner Satz; er stammt nicht von mir, sondern vom Lan despolizeipfarrer der Evangelischen Kirche in Kurhessen.
Wer tagein, tagaus für die Sicherheit der Bürger sorgt, dafür oft genug das eigene Leben riskieren muss, wer Todesnach richten überbringen muss oder bei Demonstrationen am Stutt garter Hauptbahnhof in der ersten Reihe steht und sich belei digen, bespucken und beschimpfen lassen muss – Kollege Heiler, Sie haben es dankenswerterweise ebenfalls deutlich angesprochen –, der hat unseren Respekt verdient.
Für diese Menschen brauchen wir auch Angebote der seeli schen Betreuung. – Übrigens hätte ich erwartet, dass bei die sem Punkt, sowohl vorhin als auch jetzt, alle vier Fraktionen im Landtag Beifall spenden und nicht nur drei.
Für diese Menschen brauchen wir Angebote der seelischen Betreuung. Es ist ein Zeichen menschlicher Stärke, Betroffen heit und seelische Verwundung auch offen ansprechen und sich offenbaren zu können.
Meine Damen und Herren, wer blickt hinter die Kulissen, wer weiß eigentlich, wie es in den betroffenen Beamten aussieht? Wie geht es einem Beamten, der einer jungen Mutter die Nachricht vom Unfalltod des Ehemanns überbringen muss?
Ich gebe für die CDU ein klares Bekenntnis für die Notwen digkeit der kirchlichen Seelsorge und der psychologischen Be treuung in der Polizei. Die Angebote sind immer mit den ak tuellen Herausforderungen in Einklang zu bringen. Krimina lität wird globaler – Kollege Heiler, Sie haben es angespro chen – und ist gesellschaftlichen Veränderungen unterworfen. Dies führt auch dazu, dass die dienstlichen Belastungen für die Beamtinnen und Beamten größer geworden sind. Ande rerseits muss man auch erkennen: Die Diagnostik und die Be handlungsmöglichkeiten für psychosomatische Erkrankun gen, die Behandlung von Burnout, sind umfangreicher und sind auch deutlich besser geworden. Das muss man auch an erkennen.
Meine Damen und Herren, im Bereich der Seelsorge gibt es eine Vereinbarung zwischen dem Innenministerium des Lan des und den Kirchen. In deren Präambel heißt es:
Berufsethik und Seelsorge tragen dazu bei, einen ethi schen und spirituellen Orientierungsrahmen zu schaffen und Hilfestellung in Konfliktfällen anzubieten.
Wir schätzen die Arbeit und danken allen, die in der Polizei seelsorge und in der psychologischen Beratung – oftmals ne benamtlich – tätig sind. Wir von der CDU-Landtagsfraktion schließen uns dem Kollegen Heiler an und möchten ausdrück lich unseren Dank aussprechen.
Ich möchte die Beamtinnen und Beamten sowie die Mitarbei terinnen und Mitarbeiter der Polizei, der Rettungsdienste und der Hilfsdienste, die solchen schwierigen Konfliktsituationen immer wieder ausgesetzt sind, ermuntern, die Beratungsan gebote und Gesprächsangebote anzunehmen und wahrzuneh men. Es ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Zeichen von Stärke, dies zu tun und sich hier zu offenbaren.
Sehr geehrte Frau Landtags präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, werte Gäste hier im Plenum! In den letzten 20 Jahren hat sich einiges in der öf fentlichen Verwaltung und im Besonderen bei der Polizei ver ändert. Zum einen wurde man wachsamer, was das Erkennen und die Anerkennung von psychischen Belastungen während des Polizeidienstes angeht. Zum Zweiten ist die Einsicht ge wachsen, dass Konflikte dort, wo mehrere Individuen zusam menarbeiten, normale Vorkommnisse sind.
Zum konstruktiven Umgang mit psychischen und zwischen menschlichen Problemen haben sich innerhalb der Polizei struktur zwei Säulen entwickelt: zum einen das Führungstrai ning und zum anderen die Koordinierungsstelle für Kon flikthandhabung und Krisenmanagement. Diese werden durch Polizeiärzte, Seelsorger und Psychologen ergänzt. Ich möch te mich heute auf den psychologischen Bereich konzentrie ren, da ein wesentlicher Teil die Konflikthandhabung und das Krisenmanagement sind.
Landesweit arbeiten 105 Beamtinnen und Beamte als Kon fliktberaterinnen bzw. -berater. Davon arbeiten drei hauptamt lich. Dieses System hat sich grundsätzlich bewährt. Kollegi ale Beratung ist ein wichtiger Baustein in der psychologischen Betreuung.
Mit welchen Themen werden die Konfliktberater hauptsäch lich konfrontiert? Eine Auswertung der Beratungsgespräche ergibt, dass die meisten angesprochenen Probleme im zwi schenmenschlichen Bereich liegen, an erster Stelle Probleme mit Vorgesetzten, danach Probleme in der Familie oder Part nerschaft, Probleme mit Kolleginnen und Kollegen und auch Probleme, die in der eigenen Person, in einer persönlichen Krise zu finden sind. Natürlich besteht auch Beratungsbedarf, wenn Polizistinnen und Polizisten während ihrer Arbeit oder ihres Einsatzes eine besonders belastende Situation erlebt ha ben. Diese Fälle machen weniger als 10 % aus.
Warum hebe ich dies hervor? Es zeigt, dass die Polizei ein Ab bild unserer Gesellschaft ist, das heißt, Polizistinnen und Po lizisten „ticken“ genauso wie wir und haben ähnliche Proble me. Doch durch die beruflichen Erfordernisse und Belastun gen sind die Beamten besonders beansprucht.
Mit der Konfliktberatung ist eine wertvolle Institution für die Polizei entstanden. Die Fortbildungen sind von guter Quali
tät und passen sich den neuen Anforderungen an. Das Bild vom Polizisten, der keine Schwäche zeigen darf, verblasst zum Glück. Dies ist meiner Meinung nach auch der Tatsache zu verdanken, dass immer mehr Frauen bei der Polizei ihren Dienst ausüben. Frauen reagieren anders und gehen mit heik len, belastenden Situationen anders um. Dies gibt der Polizei arbeit insgesamt eine neue Qualität.
60 % der Polizeiarbeit besteht mittlerweile in der Sicherung des sozialen Friedens. Die Polizistin und der Polizist erleben Szenen häuslicher Gewalt, müssen traumatisierte Kinder aus kaputten Familien holen, gewaltbereite Jugendgangs befrie den, randalierende Fußballfans in Schranken weisen.
Kriminalbeamte müssen sich bei ihren Recherchen im Inter net zu Kinderpornografie mit unvorstellbar brutalen und men schenverachtenden Inhalten und Bildern auseinandersetzen.
Da bleiben Spuren zurück. Besteht zudem noch das Ideal vom unbesiegbaren Helden, der jede Situation im Griff hat, ist die Last kaum noch zu tragen. Da ist es gut, das Beratungsange bot zu haben.
Ich möchte aber auch noch einen Blick auf die Berater selbst werfen. Sie alle tragen eine enorme Verantwortung. So ist es auch richtig und wichtig, dass in der Führungs- und Einsatz ordnung verankert ist, dass es erforderlich ist, dass jede Be raterin und jeder Berater zweimal im Jahr eine externe Super vision erfahren. Ebenso kann diese Arbeit aber auch nur Früch te tragen, wenn die Führungsebene dahintersteht.
Die Projektgruppe, die sich mit der Polizeistrukturreform be fasst, hat die Konflikthandhabung und die Krisenintervention als wichtige und unerlässliche Säule und als Stärke in der Or ganisation der Polizei von Baden-Württemberg erkannt. Dies soll erhalten bleiben. Wünschenswert wäre eine personelle Stärkung.