Protocol of the Session on February 15, 2012

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das ist ja welt fremd!)

Bei der anstehenden Bildungsplanreform wird es daher ein wichtiges Ziel sein,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sind die Abschlüs se für Sie nicht gleichwertig?)

hier eine bessere Durchlässigkeit und Anschlussfähigkeit für die Schülerinnen und Schüler zu erreichen.

Ich halte es für einen richtigen Ansatz, dass wir in Deutsch land über erweiterte Kooperationsmöglichkeiten im Bildungs bereich diskutieren, keine Frage. Es ist auch der richtige An satz, dass wir über einheitliche Prüfungsstandards und Bil dungsstandards, die durch das IQB ermittelt werden, eine bes sere Vergleichbarkeit auf den Weg bringen –

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Zustimmung!)

allerdings nicht mit dem Blick auf ein Kernabitur, wie es von einigen Bundesländern favorisiert wird, da hierbei offensicht lich übersehen wird, dass ein Kernabitur einige große Schwach stellen hat und viele offene Fragen hinterlässt.

Allein die Annahme, dass die Gesamtleistung beim Abitur in der schriftlichen Abiturprüfung erbracht wird, ist schlichtweg falsch. Wer das Abitur absolviert hat, hat daran zwei oder mehr Jahre gearbeitet. In jedem Halbjahr werden Teilleistungen und Leistungen erbracht, die in die Abschlussnote einfließen. Die Noten am Ende der Schulzeit machen insgesamt nur rund ein Drittel der Gesamtnote aus, die schriftliche Abiturprüfung so gar noch weniger – knapp 25 % –, da die mündliche Prüfung nicht vereinheitlicht werden kann. Das heißt, zwei Drittel der Abiturnote und mehr werden unabhängig von der bisher lan desweit zentral erbrachten Leistung ermittelt.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Was haben Sie da gegen einzuwenden? – Abg. Volker Schebesta CDU: Das ist aber doch gar nicht Gegenstand des Länder abiturs!)

Natürlich.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Nein!)

Denn wenn man das Länderabitur einführt, muss man auch hier einheitliche Standards veranlassen. Dann muss man die Oberstufen in Deutschland an das Kernabitur anpassen. Dann hat man diese Profilbildung, wie wir sie in Baden-Württem berg haben, nicht mehr so wie bisher im Blick.

Klausuren, Referate, mündliche Beteiligung, Methodenkom petenz und persönlicher Einsatz des Schülers im Unterricht bilden derzeit den Grundstock für das Abitur. Das wäre in der Folge, wenn man weiter über das Kernabitur diskutiert, nicht mehr der Fall.

(Abg. Helmut Rau CDU: Das stimmt doch nicht! Quatsch! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Nein! Wieso denn?)

Abgesehen davon wäre der organisatorische Aufwand enorm und bürokratisch.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jetzt müssen Sie aber schauen, wie Sie mit diesen Aussagen die Kur ve kriegen!)

Wir wollen die Schulen von Bürokratie entlasten und ihnen mehr Raum für die Wahrnehmung der eigentlichen Aufgaben geben, statt sie mit Schwierigkeiten und Schnellschüssen zu überhäufen. Allein die Terminfindung für das zentrale Abitur

(Abg. Volker Schebesta CDU: Zentrales Abitur?)

wäre vermutlich ein gordischer Knoten. – Wenn Sie wollen, Herr Schebesta, dass einheitliche Prüfungsaufgaben gestellt werden, die im ganzen Land – –

(Abg. Volker Schebesta CDU: Aufgabenpool war das Ziel! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ein Pool, dann können sie aussuchen!)

Ja gut. Das kommt in Ihrem Antrag aber nicht – –

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist ein An fang!)

Ihr Antrag läuft am Ende auf das Kenabitur mit den Fächern Deutsch, Mathematik und der ersten Fremdsprache hinaus. Bei einem Kernabitur in Deutsch, Mathematik und der ersten Fremdsprache hat deutschlandweit jeder das gleiche Abitur. Dann müssen Sie schauen, wie Sie einen Termin finden, da mit im Prinzip alle an einem Tag dieses Abitur ablegen.

(Beifall bei den Grünen)

Die Annahme, dass Schulabgänger generell bei der Aufnah me in die Hochschule deshalb ungleich behandelt werden, weil sie ihr Abitur in verschiedenen Bundesländern abgelegt haben, ist zwar bedenkenswert, aber derzeit am Ende doch hinfällig. Selbst wenn die schriftliche Prüfung zentral wäre, so sagt die Note des Bewerbers doch nur relativ wenig über seine Eignung und Fähigkeit für den Studiengang aus. Immer mehr Universitäten, Fakultäten und Fachbereiche wählen bei knappen Studienplätzen ihre Studierenden gezielt durch Eig nungsprüfungen aus.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Da spricht nichts dagegen!)

Wer sich Sorgen macht, dass baden-württembergische Abitu rienten keinen Studienplatz erhalten, der sollte sich um den Ausbau der Studienplätze sorgen und nicht um deren Vertei lung.

(Beifall bei den Grünen)

Eines ist auch klar: Nicht nur die persönliche Fähigkeit und der Einsatz eines Abiturienten beeinflussen seine Abschluss note, sondern auch die Qualität der Schule. Deshalb ist es un sere Aufgabe, die Qualität unserer Schulen weiterzuentwi ckeln und den Schülerinnen und Schülern dadurch eine bes sere Vorbereitung auf ihr Hochschulstudium mit auf den Weg zu geben.

Ich halte es, wie gesagt, für einen richtigen Ansatz, dass man in Deutschland über erweiterte Kooperationsmöglichkeiten im Bildungsbereich diskutiert. Hier sollte auch die CDU-ge führte Bundesregierung endlich eingestehen, dass es im Bil dungsbereich einzelne gesamtstaatliche Aufgaben gibt. Aber wir halten die Zielrichtung im Antrag der CDU-Fraktion un ter den bestehenden Voraussetzungen erst einmal für den fal schen Ansatz, um das Schulsystem weiterzuentwickeln. Die Bestrebungen nach einheitlichen Bildungsstandards sollten jedoch weiterverfolgt werden, um auch für Baden-Württem berg die notwendigen Verbesserungen anzubringen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Fulst-Blei das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsi dent, meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich dieses Thema auf der Tagesordnung fand, habe ich mich erst einmal gewundert.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Wir haben uns auch gewundert!)

Jetzt geht das wieder los.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das ist ein Thema, über das ich mich prinzipiell gern in einem Fachausschuss mit Ihnen unterhalten hätte, denn da gehört es hin. Ich als Neuling fände es spannend, dass wir uns darüber einmal austauschen. Das kann man in einer Plenardebatte nicht so gut.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Ich hatte übrigens, Herr Schebesta, im Entwurf meiner Rede auch folgenden Satz stehen: „Auf der anderen Seite tut es der Debatte im Saal auch gut, wenn wir einmal auf einer sachli chen Ebene diskutieren, ohne permanente ideologische Grä ben.“ Dann habe ich das vorhin gestrichen. Aber nach Ihrem Beitrag habe ich mir gedacht: Doch, das musst du sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU: Warum? Sie schaffen etwas ab, was auf dem Weg war! Dann müssen Sie auch sagen, warum Sie das tun!)

Zur Zukunft bundesweiter zentraler Abiturprüfungen: Darü ber ist ja in den vergangenen Jahren einerseits unter der Über schrift „Sommertheater“ diskutiert worden, andererseits ist darüber auch wissenschaftlich fundiert diskutiert worden. Sie beziehen sich in Ihren Ausführungen sicherlich auf die be kannte Studie aus Bayern. Großer Treiber war der Aktionsrat Bildung mit der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, al so einer Arbeitgebervereinigung, im Hintergrund. Die zentra le These lautet: Bis 2018 sollte so etwas ermöglicht werden. Verwiesen wird auch darauf, dass die länderübergreifende Ab iturkomponente mit Blick auf die Fächer Mathematik, Eng lisch und Deutsch nur 10 % ausmachen soll. Dieser Hinweis auf 10 % ist eigentlich völlig daneben, weil er genau den Kernbereich betrifft, auf den an allererster Stelle geschaut wird.

Ich habe mir erlaubt, mich in dieser Woche mit diversen Rek toren in Mannheim über dieses Thema zu unterhalten. Da hat der eine so schön prägnant gesagt: „Dahinter steckt meines Erachtens auch eine stark ideologisch motivierte Debatte. Wir haben auch Respekt vor den Kolleginnen und Kollegen in Hessen und Rheinland-Pfalz, die auch ein ordentliches Abi tur vermitteln. Da muss man aufpassen, dass man an dieser Stelle nicht im Grunde zu sehr politisiert und ideologisiert.“

Diesem Rektor waren übrigens auch keine Nachteile bei der Studienplatzvergabe bekannt. Ich gehe immer ganz gern zu den Personen vor Ort und frage: Haben Sie Rückmeldungen von ehemaligen Absolventen? Aber die sagen: Nein, das ist nicht der Fall.

Relativierend sagt die Studie von Neumann et al. 2009 – Sie alle kennen sie sicher; es war auch in der „Zeitschrift für Er ziehungswissenschaft“ nachzulesen –: Ja, es gibt wohl Bewer tungsunterschiede im Blick auf Mathematik, aber in Englisch ist das z. B. wieder nicht der Fall, sodass man das Ganze auf einer etwas rationaleren Grundlage diskutieren kann.

Die GEW sagt – das ist auch unsere Position –: Vorgelegte Bildungsstandards sind hilfreich; das ist kein Thema. Da hat sich selbst die GEW an dieser Stelle bewegt und erkennt das an. Sie kritisiert aber, dass die vorgelegten Entwürfe zentra ler Lernaufgaben die gesellschaftliche Relevanz nicht aufgrei fen und zu den fachlichen Kompetenzen nicht ausreichend in Beziehung setzen und sich die Zusammenhänge zwischen Bil dungsstandards auf der einen Seite und der Studier- und Be rufsfähigkeit der Abiturienten auf der anderen Seite nicht au tomatisch erschließen.

Wenn wir gerade bei dem Thema sind, was Abitur eigentlich in Gänze bedeutet, auch an Fachlichkeit: Meines Erachtens wird – das ist schon ein wichtiger Hinweis – immer zu oft ver gessen, dass wir zurzeit einen solchen Druck, gerade auch un ter der Themenüberschrift G 8, haben – jetzt bitte nicht gleich wieder kontra reagieren –, dass Praktiker sagen: Wir müssen aufpassen, dass bei der Stofffülle das, was auch Abitur aus macht – Fähigkeit zur Kritik, Fähigkeit zur Reflexion –, nicht zu sehr untergeht.

(Beifall bei der SPD)

Der Philologenverband gibt den ganz praktischen organisato rischen Hinweis, dass das mit Blick auf die Ferientermine pro blematisch sei. Man könnte sich im Ausschuss einmal zügig mit der Frage befassen, inwieweit organisatorische Probleme berührt wären.

Summa summarum kommt man zu dem Schluss: Wir halten es vor dem jetzigen Hintergrund und auch in Anbetracht des organisatorischen, bürokratischen Aufwands eigentlich nicht für sinnstiftend, die Sache weiterzuverfolgen.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Wissen Sie eigentlich, was Länderabitur bedeutet? Haben Sie eigentlich ge lesen, was da drinsteht?)