Das klingt gut. Wie soll das erreicht werden? 650 Stellen für Kriminalpolizei und Schutzpolizei. Die eine Hälfte der Kri minalpolizei holen Sie vor Ort weg – aus den Polizeidirekti onen, aus den Kriminalpolizeien vor Ort. Die andere Hälfte, 325 Schutzbeamte, Uniformierte, verteilen Sie auf die 500 Dienststellen, die in der Pressemitteilung des Innenministers genannt werden. Selbst wenn ich es auf die Streifendienste – nicht auf die Polizeiposten – beschränke, dann kommt eine mickrige Verstärkung von gerade einmal einer halben Stelle pro Schicht heraus. Dafür werfen Sie die ganze Struktur über den Haufen.
Ich habe mir erlaubt, das anhand der Polizeidirektion in mei nem Wahlkreis, dem Kreis Calw, nachzurechnen. Ich komme auf 48 Vollzugsbeamte, die Sie vor Ort abziehen, dazu noch Verwaltungskräfte, insgesamt 60 Mitarbeiter, davon sicher lich einige in Teilzeit und in niedrigen Lohngruppen. Bitte sa gen Sie uns nachher, wenn Sie sprechen, die Wahrheit: Wie viele Stellen sind es in Calw und in all den anderen rund 30 Kreisen, die Nettoverlierer Ihrer Reform sein werden?
Aber es geht noch weiter. Sie lösen vier Landespolizeidirek tionen auf und machen daraus zwölf Präsidien. Sie lösen 37 Polizeidirektionen vor Ort auf und machen daraus 36 neue Di rektionen bei den Präsidien – eine tolle Verschlankung der Or ganisationsstruktur. Sie lösen bürgernahe, dezentrale Dienst
stellen auf und eröffnen neue zentrale Dienststellen. Das ist eine uralte Struktur – nur zentralisiert und nicht mehr bürger nah. Das ist offensichtlich die Frischzellenkur, die Sie ankün digen ließen.
Meine Damen und Herren, was ist eigentlich mit den ökolo gischen Aspekten? Was ist, wenn die Menschen auf einmal alle weite Strecken zum nächsten Polizeirevier fahren müs sen? Was bedeutet das unter sozialen Aspekten für die Mitar beiter, die 70 km zur nächsten Dienststelle fahren müssen,
Herr Minister, wenn Sie schon im Erdgeschoss die Fensterlä den schließen, dann stelle ich fest, dass künftig im Penthouse die Sonne scheint.
Bislang kommt die Polizei in Baden-Württemberg mit relativ wenig Stellen der B-Besoldung – obere Etage – aus; Sie schaf fen neue Stellen für 16 Polizeipräsidenten und -vizepräsiden ten. Ich möchte heute und hier von Ihnen wissen: Wie viele Stellen mit einer B-Besoldung werden Sie neu schaffen? Auf wie viele Stellen kann sich der Finanzminister freuen, die er in den nächsten Haushaltsplanentwurf einstellen muss? Wir wollen wissen, auf wie viel Eichenlaub sich der höhere Dienst in der Polizei zusätzlich freuen kann.
Erklären Sie das bitte morgen den Angestellten in Teilzeit, die künftig 50, 70 oder 80 km zu ihrem Arbeitsplatz, der nächst gelegenen Dienststelle, fahren müssen.
Wie hoch werden die Umsetzungskosten sein? Wie lange dau ert es, bis der Sand, den Sie ins Getriebe streuen, wieder ent fernt ist und der Betrieb wieder rund läuft? Wann und in wel cher Höhe wird eine Rendite erreicht? Das alles sind offene Fragen.
Sie sagen, die Projektgruppe habe ein Konzept entwickelt. Gut. Sie sagen, über die Details könne man reden, aber die Sache werde durchgezogen. So hört man es von Ihnen. Sie sa gen den Führungskräften in der Polizei: „Haltet bitte die Klap pe!“
Wissen Sie schon heute konkret, wo künftig die Dienstsitze der Präsidien sind und wie die Bezirke zugeschnitten sein wer den? Das würden nicht nur wir gern wissen, sondern das wol len auch die vielen Mitarbeiter der Polizei – es sind etwa 25 000 – endlich wissen.
Meine Damen und Herren, die Front vor Ort bröckelt allmäh lich ein wenig. Es gibt mittlerweile auf Kreisebene, auf loka ler Ebene Bündnisse aller Polizeigewerkschaften. Das kommt nicht oft vor.
Die Gewerkschaften sagen, in Schwäbisch Hall gebe es gra vierende Verschlechterungen. Sogar Kollege Sakellariou hat gemerkt, dass die Kriminalpolizei dort abgezogen wird.
Die Gewerkschaften sagen: „Im Main-Tauber-Kreis findet ein Kahlschlag bei der Polizei statt. Der ländliche Raum steht als Verlierer da.“ Sogar die SPD in Tuttlingen will endlich Klar heit haben.
Meine Damen und Herren, liebe Kollegen von den Regie rungsfraktionen, Sie brauchen doch nur zu den Nachbarn zu schauen.
Die Polizeiarbeit ist durch eine zweifelhafte... Polizeire form nicht gestärkt, sondern massiv geschwächt worden.
Das sagt Harald Schneider, sicherheitspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion in Bayern, zur dortigen Polizeireform,
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Die haben CSU und FDP gemacht! – Gegenruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: 2004! Ihre Ankündigungen! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Schmiedel beruft sich auf Stoiber!)
die Sie sich zum Vorbild nehmen. Herr Minister, der Bayeri sche Oberste Rechnungshof stellt fest, dass
die vorgegebenen Synergiegewinne und der angestrebte Abbau des Verwaltungsaufwands nicht belegbar sind.
Herr Minister, bitte machen Sie unsere Polizei nicht kaputt. Wir sind bereit, entlang der Aufgaben mit Ihnen über sinnvol le Verbesserungen zu reden. Aber zu solch einer kompletten Zerschlagung sagen wir Nein. Da machen wir nicht mit.
(Abg. Volker Schebesta CDU: Polizeiexpertin! – Ge genruf der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Auch ei ne Frau kann dazu sprechen! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE zu CDU und FDP/DVP: Freut euch nicht zu früh! – Weitere Zurufe – Abg. Helmut Wal ter Rüeck CDU: Hört doch zu!)
Sehr geehrter Herr Präsident, guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste hier im Plenum! Zunächst ein herzliches Dankeschön an die FDP/DVP. Sie gibt uns die Chance, die Vorteile der Struktur reform darzustellen
Wie sieht die aktuelle Situation bei der Polizei aus? Wir ha ben bei der Polizei einen stark überalterten Personalkörper, einen Investitionsstau von 300 Millionen €, die schlechteste Betreuungsrelation von Polizei und Bevölkerung in ganz Deutschland
und wir haben hoch motivierte Polizisten. Fest steht aber auch, dass diese Polizisten am Rande, eigentlich sogar am Ende ih rer Kapazität sind und dass sie immer weiter belastet werden, wenn wir es so lassen, wie es ist. Die Polizei, der Polizeikör per, ist kein Perpetuum mobile. Sie muss unterstützt werden.
Was die momentane Gliederung der Polizei betrifft, so ist per sonell das Ende der Fahnenstange erreicht.
Ganz oben an der Fahnenstange steht unheilbringend noch die Pensionierungswelle. Mit dem Wechselschichtdienst ist die Polizei schon lange am Extrem angekommen. Wir haben mit Ach und Krach die Mindestpersonalstärke. Es ist jetzt schon normal, dass eine Streife mit einem ausgebildeten Polizisten und einem zusätzlichen Praktikanten bzw. Mitglied des Frei willigen Polizeidienstes besetzt ist.