Protocol of the Session on February 8, 2012

Der Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg stand in den letzten 20 Jahren nicht so gut da wie heute. Das ist maßgeblich auch – ich sage es noch einmal – der guten Arbeitsmarktpolitik der CDU/CSU-geführten Bundesregierung geschuldet.

(Beifall bei der CDU – Abg. Felix Schreiner CDU: Genau!)

Wenn wir gerade bei den Entwicklungen in den Krisenjahren sind, sollten wir auch alle anderen Beteiligten lobend erwäh nen. Dazu gehören sowohl die Arbeitnehmerinnen und Arbeit nehmer als auch Arbeitgeber, aber auch Gewerkschaften. Das wollen wir einfach festhalten. Das war vorbildlich.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Die SPD hat das vor angebracht! Wir waren damals in der Opposition! – Gegenruf des Abg. Volker Schebesta CDU: Die wol len doch gar nichts mehr gemacht haben!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt derzeit auch über haupt keine Anhaltspunkte dafür, dass die aktuelle Arbeits marktpolitik des Bundes zulasten der Langzeitarbeitslosen im Land geht. Auch die Langzeitarbeitslosen haben teil an unse rem derzeitigen wirtschaftlichen Aufschwung, wenn auch nicht so stark wie andere Gruppen – aber sie nehmen teil.

Dennoch ist es natürlich richtig – jetzt sind wir wieder beiei nander –, zu schauen, wie die Situation dieser Menschen wei terhin verbessert werden kann. Insofern haben wir gegen Ihr angekündigtes Programm, wie ich schon eingangs gesagt ha be, keine grundsätzlichen Einwände.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Ja was jetzt?)

Es müssen allerdings die richtigen Anreize gesetzt werden. Es muss um Ausbildung und Qualifizierung für den ersten Ar beitsmarkt und darf nicht um dauerhafte Alimentierung im zweiten Arbeitsmarkt gehen. Dann sind wir beieinander.

Hier kommt es entscheidend auf die konkrete Ausgestaltung Ihres Programms an. Wie sollen denn – diese Fragen haben wir schon im Finanz- und Wirtschaftsausschuss gestellt – die Teilnehmer für das Projekt ausgesucht werden? Wie werden Konkurrenzen zur Vermittlung durch die Jobcenter vermie

den? Wie wird dem Aspekt Aus- und Fortbildung im Rahmen des Projekts Rechnung getragen? Das sind viele Fragen, die einfach noch offen sind. Wir haben zum Schluss, weil so vie le Fragen offen sind, Frau Ministerin, angeregt, einen gemein samen Beirat hier aus dem Parlament über alle Fraktionen hin weg zu bilden. Wir würden uns hier gern aktiv einbringen. Sie haben das abgelehnt. Denken Sie einfach noch einmal darü ber nach.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Das eine schließt das andere nicht aus!)

Bitte, Herr Kollege Stoch, Ihre Nach frage.

Herr Kollege Klenk, Sie haben sich getäuscht, was den Inhalt der Frage angeht. Sie haben brav im Finanz- und Wirtschaftsausschuss mitgeschrieben, in dem Sie die 5 Millionen € summiert haben. Aber jetzt frage ich Sie: Ist Ihnen nicht bekannt, dass gerade bei solchen Pro grammen, die die Landesregierung jetzt anschiebt und unter stützt, Kofinanzierungsmittel der Europäischen Union vorhan den sind, sodass wir insgesamt auf ein Volumen von 10 Mil lionen € kommen wollen? Ihre Rechnung hört bei 5 Millio nen € abrupt auf. Sie müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass Kofinanzierungsmittel der EU zur Verfügung stehen, mit de nen insgesamt ein Volumen von 10 Millionen € erreicht wer den soll.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Kollege Stoch, das ist natürlich bekannt, und es ist auch ehrenwert. Ich habe mit meinen Aus führungen gemeint: Wir starten zu einem Zeitpunkt, zu dem die Arbeitslosenquoten relativ gut sind, mit 5 Millionen €. Ich sage Ihnen: Wenn das Programm läuft und erfolgreich ist, glauben Sie bitte nicht – wir glauben es nicht –, dass dann der Bund automatisch einsteigt. Dann werden wir gemeinsam hier darüber beraten dürfen – wie auch zu anderen Zeiten –, wie wir möglicherweise auch den Anteil des Landes entsprechend erhöhen dürfen. Das ist die Sorge, die ich schon heute habe.

Für die Fraktion GRÜNE spricht Herr Kollege Poreski.

Herr Präsident, sehr verehr te Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herz lichen Dank für die Intervention, Herr Kollege Stoch. Denn ich glaube, es ist schon wichtig, dass man aufklärt und nicht, wie Herr Kollege Klenk, wieder auf ein anderes Gleis abglei tet. Es ist durchaus klar, wie die Zahlen hinterlegt sind, die hinter dem Landesarbeitsmarktprogramm stehen. Dies haben Sie jetzt am Ende aber auch nicht bestritten.

Beim Thema Mitnahmeeffekt muss man sagen: Man darf nicht immer nur von sich auf andere schließen. Natürlich werden wir das Thema überprüfen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Uns ist aber auch klar, dass wir den Kahlschlag in der aktiven Arbeitsmarktpolitik des Bundes hier im Land nie und nimmer

ausgleichen können. Dafür brauchten wir neue Mehrheiten im Bund. Aber – darum geht es – wir können hier eigene Akzen te setzen. Die grün-rote Koalition hat sich deshalb sehr früh auf ein Landesarbeitsmarktprogramm verständigt. Dieses Ver sprechen halten wir mit dem Volumen von 10 Millionen € im Jahr 2012.

Bei diesem Programm greifen mehrere Elemente ineinander. Das ist zum einen die unterstützte Ausbildung, auch in Teil zeit. Gedacht ist sie für junge Menschen, die ohne zusätzliche Unterstützung eine Ausbildung nicht bewältigen können. Wir sagen damit: Wir stehen an ihrer Seite.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Zum Zweiten: Mit den sogenannten Jobcoaches für Menschen mit Vermittlungshemmnissen, die diese Menschen ganzheit lich begleiten, eröffnen wir neue Brücken in den ersten Ar beitsmarkt, die es sonst nicht gibt.

Drittens geht es um eine nachlaufende Assistenz für Personen, die in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt worden sind, aber nach aller Erfahrung sehr schnell wieder herauszufallen dro hen. Damit sichern wir die Nachhaltigkeit der Arbeitsvermitt lung; auch das ist wichtig und notwendig.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Viertens geht es um eine unabhängige Erwerbslosenberatung unter Beteiligung von selbstverwalteten Erwerbslosenzentren und der Wohlfahrtspflege. Wir ermöglichen damit eine neuar tige Kooperation, mit der nicht nur die zivilgesellschaftlichen Strukturen gestärkt werden, sondern auch neue, niederschwel lige Zugänge für Personen ermöglicht werden, die von der Ar beitsverwaltung sonst nicht erreichbar wären.

Darüber hinaus werden wir diese Strukturen gezielt nutzen, um Konflikte zwischen den Betroffenen und der Arbeitsver waltung – da gibt es sehr viele Konflikte – möglichst im Vor feld und im Konsens zu lösen, bevor es zu Rechtsstreitigkei ten kommt. Wir bieten also einen Beitrag zur sozialen Teilha be und fördern den sozialen Frieden.

Herzstück unseres Programms ist ein innovatives Konzept, und zwar – der Kollege hat es schon erwähnt – der sogenannte Passiv-Aktiv-Transfer, manchmal auch Passiv-AktivTausch genannt. Dabei geht es um Menschen in Baden-Würt temberg, die trotz brummender Konjunktur chancenlos sind, weil sie „nur“ 30 bis 70 % der Arbeitsleistung erbringen, die normalerweise notwendig ist, um dauerhaft im ersten Arbeits markt verankert zu sein.

Hinter diesem Passiv-Aktiv-Transfer – das betrifft immerhin 70 000 Menschen – steht eine ganz einfache Grundüberle gung: Wenn man für diese Personen nichts tut, bekommen sie unbegrenzt Arbeitslosengeld II und eine Erstattung der Unter kunftskosten und sind vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Aber genau dieses Geld, diese Summe, kann eingesetzt werden, um einerseits einen zu niedrigen Produktivlohn auf einen Min destlohn von 8,50 € pro Stunde aufzustocken und andererseits die notwendige psychosoziale Begleitung und Qualifikation dieser Menschen zu gewährleisten.

Diese Maßnahme kann fortgesetzt werden, solange ein Be darf besteht; den muss man natürlich regelmäßig überprüfen.

Die Betroffenen – das ist das Entscheidende; das ist ein guter Tausch – bekommen so Arbeit in einer gesicherten Perspek tive mit einer vollwertigen sozialversicherungspflichtigen Be schäftigung. Darauf hätten sie sonst nie eine Chance; das war für sie bisher unerreichbar. Der Staat zahlt zwar weiterhin Transfers – zumindest vorläufig, solange der Bedarf besteht –, die Begünstigten zahlen aber vom ersten Moment an Steu ern und Sozialversicherungsbeiträge, und sie leisten einen Beitrag zur gesellschaftlichen Wertschöpfung.

(Beifall bei den Grünen)

Für mich ist ganz klar: Der Passiv-Aktiv-Tausch hat das Zeug zum Regelinstrument im Bund – mit neuen Mehrheiten so wieso.

(Beifall der Abg. Manfred Lucha und Bärbl Mielich GRÜNE)

Aber auch schon heute gibt es Kollegen von der CDU und der FDP, die dafür offen sind. Reden Sie einmal mit diesen Kol legen. Diese wissen, warum sie dafür offen sind. Das Prob lem ist momentan aber: Das Land zahlt dafür drauf. Daher lautet mein Appell an alle: Ermöglichen Sie durch eine Ge setzesänderung im Bund, dass die Länder und Kommunen die ses Konzept auf breiter Front überprüfen und erproben kön nen. Das kostet gegenüber heute – das ist, finde ich, ein wich tiger Punkt – keinen Cent zusätzlich, aber es bietet die Chan ce auf einen Gewinn für alle.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht Herr Kollege Haußmann.

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! „Neue Chancen für Langzeitarbeitslose und Benachteiligte durch gute und sichere Arbeit in BadenWürttemberg“, das ist, glaube ich, etwas, was wir alle vom Grundsatz her wollen. Ich habe auch bereits im Haushaltsaus schuss gesagt, dass wir es grundsätzlich für richtig halten, die ses Thema ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.

Ihr sogenanntes Herzstück ist aber das, was wir kritisieren. Wir haben uns damit auseinandergesetzt. Wir wissen auch, wie sich die angesprochenen 10 Millionen € aus den fünf Bau steinen zusammensetzen. Ihr sogenanntes Herzstück ist aber das, was wir vom Grundsatz her ablehnen. Darauf will ich in aller gebotenen Kürze eingehen.

Das Ziel dieser Maßnahme ist, 500 Langzeitarbeitslose – ge messen an der Gesamtzahl von 60 000 sind das 0,8 % – über einen Zeitraum von drei Jahren zu fördern. Gefördert werden soll staatlicherseits 24 Monate lang, und sechs Monate lang soll der Arbeitgeber dies übernehmen. Schon allein dieser Ge dankengang – – Herr Kollege Poreski hat gerade gesagt, die Langzeitarbeitslosen würden 30 bis 70 % der Arbeitsleistung – ich kann es nicht bewerten; Sie sind da vielleicht tiefer in der Materie –

(Abg. Thomas Poreski GRÜNE: Ja!)

erbringen. Das heißt, Sie gehen davon aus, dass dies nach den drei Jahren gar nicht mehr im ersten Arbeitsmarkt fortgeführt werden kann.

(Abg. Thomas Poreski GRÜNE: Nein, falsch!)

Denn sonst müsste man doch überlegen: Wenn das Programm Erfolg hat, warum soll es dann nur sechs Monate lang durch den Arbeitgeber weitergeführt werden? Das ist doch gar nicht durchdacht. Da müssten die Arbeitgeber, die diese 500 Stel len schaffen, bereit sein, das Programm nicht nur um sechs Monate zu verlängern, sondern es zumindest für die gleiche Zeit weiterzuführen, damit das System auch nachhaltig ist. Das, glaube ich, fehlt bei diesem Programm.

Wenn man das auf 60 000 Langzeitarbeitslose hochrechnet, dann brauchten Sie Jahr für Jahr ein Volumen von 900 Milli onen €, um der Langzeitarbeitslosigkeit wirklich den Kampf anzusagen.

Wir haben bei diesen fünf Bausteinen nachgerechnet. Uns ist etwas aufgefallen. Ich gehe einmal davon aus, dass die 500 Langzeitarbeitslosen über die 24 bzw. 30 Monate einen Ver trag bekommen. Dann müsste doch im Haushalt eine Ver pflichtungsermächtigung ausgebracht werden, weil wir schon für die Jahre 2013 und 2014 Geld ausgeben. Ich habe im Haushaltsplan nichts dazu gefunden. Sie müssen jedes Jahr 10 Millionen € dafür ausgeben, wenn Sie – das unterstellen wir einmal – diese fünf Bausteine fortführen wollen. Denn dies betrifft auch Ihren Baustein „Sicherung der Nachhaltig keit der Integration von Arbeitslosen in den ersten Arbeits markt“, und es betrifft auch die modellhafte Unterstützung von Arbeitslosenzentren.

Dabei fehlt mir die Nachhaltigkeit. Es müsste gleich jetzt ei ne Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 10 Millionen €, 12 Millionen € oder mehr im Haushaltsplan enthalten sein. Diese ist nicht enthalten. Insofern ist meine Frage – die Frau Ministerin wird sie beantworten können –, ob dann die gan zen Programme zunächst einmal nur für dieses Jahr gedacht sind oder ob geplant ist, längerfristig Sicherheiten zu schaf fen.

Wir meinen nicht, dass alle fünf Bausteine grundsätzlich schlecht sind. Wir unterstützen beispielsweise den Baustein „Sicherung der Nachhaltigkeit der Integration von Arbeitslo sen in den ersten Arbeitsmarkt“, bei dem Sie 400 Personen für die soziale Begleitung und Betreuung von Langzeitarbeitslo sen ins Berufsleben einsetzen möchten; denn das ist ein Punkt, den die Bundesagentur für Arbeit selbst nicht leisten kann.